Titel:
Erfolgloser Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung einer Klage gegen ein Waffenbesitzverbot
Normenkette:
WaffG § 5 Abs. 2 Nr. 1, § 41 Abs. 1
Leitsätze:
1. Ein Waffenbesitzverbot kommt gegenüber Personen in Betracht, die zum Nachteil von den persönlichen Grundeigenschaften eines volljährigen Durchschnittsbürgers abweichen, wobei die Abweichung so nachhaltig sein muss, dass für den Fall des Umgangs auch mit an sich erlaubnisfreien Waffen Gefahren für die Rechtsordnung zu befürchten sind. (Rn. 23) (redaktioneller Leitsatz)
2. § 5 WaffG konkretisiert den Begriff der waffenrechtlichen Zuverlässigkeit für den gesamten Geltungsbereich des WaffG und gilt deshalb auch in Bezug auf erlaubnisfreie Waffen und Munition. Auch wenn die Vorschrift des § 5 WaffG unmittelbar lediglich für den erlaubnispflichtigen Umgang mit Waffen und Munition gilt, können die daraus erkennbaren Wertungen des Gesetzgebers auch im Rahmen des Verbotes des Umgangs mit erlaubnisfreien Waffen herangezogen werden. (Rn. 24) (redaktioneller Leitsatz)
3. § 5 Abs. 2 Nr. 1 WaffG geht davon aus, dass die Begehung von Straftaten allein schon wegen der darin liegenden Missachtung der Rechtsordnung Schlüsse darauf zulässt, dass dem Betroffenen die Charakterfestigkeit fehlt, die beim Umgang mit Schusswaffen ständig zu fordern ist und somit Anhaltspunkte dafür erkennbar sind, dass gerade im Hinblick auf die durch § 5 WaffG geschützten Zwecke in der Person des Betroffenen Defizite vorliegen. (Rn. 26) (redaktioneller Leitsatz)
4. Hat ein Betroffener im alkoholisierten Zustand Straftaten begangen, besteht generell eine erhöhte Gefahr, dass es im betrunkenen Zustand auch zu einem Waffenmissbrauch kommen könnte. Insofern ist auch der Grundsatz, dass im Waffenrecht ein Restrisiko nicht hingenommen werden muss, zu berücksichtigen. (Rn. 29) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Waffenbesitzverbot, erlaubnisfreie Waffen, Ermessen, rechtskräftige Verurteilungen, Regelunzuverlässigkeit, Bestimmtheit, Bescheidstenor
Fundstelle:
BeckRS 2023, 46209
Tenor
1. Der Antrag wird abgelehnt.
2. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Der Streitwert wird auf 2.500,00 EUR festgesetzt.
Gründe
1
Der Antragsteller begehrt im einstweiligen Rechtsschutz die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage gegen ein Waffenbesitzverbot.
2
Am 24. Februar 2023 wurde der Fachbereich Öffentliche Sicherheit des Landratsamts … (im Folgenden: Landratsamt) über folgenden polizeilichen Sachverhalt informiert (vgl. BA Bl. 1 ff.):
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Am 1. Januar 2023 sei eine Streifenbesatzung der Polizeiinspektion …-Land gegen 2:00 Uhr nach … beordert worden, da ein Mitteiler gemeldet habe, einen sehr lauten Knall vor seinem Anwesen vernommen zu haben und diesbezüglich von illegalen Böllern ausgehe. Bei Eintreffen der Streifenbesatzung hätten sich der Mitteiler, die Zeugin Fr. H. sowie der Antragsteller vor dem Anwesen des Mitteilers befunden. Es seien keine illegalen Böller festgestellt worden. Die Zeugin Fr. H. habe jedoch gegenüber der Polizei angegeben, dass der Antragsteller kurz zuvor eine Waffe in ihren Garten gelegt habe. Die Waffe sei an die Polizei übergeben worden; es handle sich um eine PTB-Waffe (Marke Röhm, Typ: RG3, Kaliber: 6 mm, Nr. …, Farbe: silber/braun) mit 24 Stück Pyro-Pfeif-Munition (Marke Umarex, Typ: Raketenpfeifgeschoss 15 mm, Klasse: PM I, mit der „BAM“-Kennzeichnung im Achteck, Farbe: rot). Ein Abgleich mit dem Waffenregister habe ergeben, dass für den Antragsteller kein Waffenschein hinterlegt sei. Der Antragsteller habe den Besitz und das Ablegen der Waffe gegenüber den Polizeibeamten abgestritten. Dabei habe er stark alkoholisiert gewirkt; seine Aussprache sei lallend und verwaschen wahrgenommen worden.
4
Gegen den Antragsteller wurde mit Strafbefehl vom 31. März 2023 wegen des vorsätzlichen Führens einer Schusswaffe ohne Erlaubnis eine Geldstrafe in Höhe von 70 Tagessätzen zu je 50,00 EUR verhängt. Der Strafbefehl ist seit dem 20. April 2023 rechtskräftig.
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Eine Auskunft der Kriminalpolizeiinspektion … vom 7. März 2023 zur waffenrechtlichen Zuverlässigkeit (WZP, vgl. BA Bl. 15 ff.) ergab, dass gegen den Antragsteller seit dem Jahr 2013 mehrere staatsanwaltschaftliche Ermittlungsverfahren, u.a. wegen Verstoßes gegen das Waffengesetz, aber auch wegen (räuberischen) Diebstahls, Hausfriedensbruchs und Beleidigung, durchgeführt wurden.
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Aus einem Bundeszentralregisterauszug vom 15. März 2023 ergeben sich auch u.a. die folgenden Einträge:
Entscheidung: 15.01.2019 AG …
Text: 30 Tagessätze zu je 15,00 EUR Geldstrafe
- Versuch der Strafvereitelung in Tatmehrheit mit Beleidigung in 2 tateinheitlichen Fällen Entscheidung: 18.07.2019 AG …
Text: 90 Tagessätze zu je 15,00 EUR Geldstrafe
Einbezogen wurde die Entscheidung vom 15.01.2019, …
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Mit Schreiben des Landratsamts vom 6. September 2023 wurde der Antragsteller zu einem beabsichtigten Waffenbesitzverbot für erlaubnisfreie Waffen angehört. Dabei wurde ihm Gelegenheit gegeben, sich bis spätestens 29. September 2023 hierzu zu äußern. Aufgrund der Mitteilung der PI … vom 24. Februar 2023 sei die waffenrechtliche Zuverlässigkeit des Antragstellers überprüft worden, wobei festgestellt worden sei, dass dieser aufgrund mehrerer Verurteilungen derzeit als nicht waffenrechtlich zuverlässig gelte.
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Mit Bescheid vom 17. Oktober 2023, zugestellt am 18. Oktober 2023, untersagte das Landratsamt dem Antragsteller, die tatsächliche Gewalt über Waffen und Munition, auch erlaubnisfreie, auszuüben (Ziff. 1). Außerdem wurde die sofortige Vollziehung der Ziff. 1 angeordnet (Ziff. 2). Die Kosten des Verfahrens habe der Antragsteller zu tragen. Für diesen Bescheid werde eine Gebühr in Höhe von 50,00 EUR festgesetzt. Die Auslagen betrügen 3,68 EUR (Ziff. 3).
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Das Landratsamt könne den Besitz von Waffen, deren Erwerb nicht der Erlaubnis bedürfe, sowie den Erwerb solcher Waffen untersagen, wenn Tatsachen bekannt würden, die die Annahme rechtfertigten, dass dem Betroffenen die erforderliche Zuverlässigkeit fehle. Wegen der Verurteilungen, die sich aus dem Bundeszentralregister ergäben, sei der Antragsteller unzuverlässig. Zudem sei er seit dem Jahr 2013 insgesamt 4 Mal rechtskräftig verurteilt worden, z.B. wegen Diebstahls, Vergehens nach dem Waffengesetz, Sachbeschädigung und Hausfriedensbruchs. Zudem sei er zwischen 2013 und 2023 insgesamt 15 Mal polizeilich in Erscheinung getreten, gelte als gewalttätig und als Betäubungsmittelkonsument. Für ein Waffenverbot spreche auch, dass der Antragsteller am 1. Januar 2023 im stark alkoholisierten Zustand Umgang mit einer Schreckschusswaffe gehabt habe. Aufgrund der vorgenannten Gründe werde gegen den Antragsteller ein Waffenbesitzverbot auf der Grundlage des § 41 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WaffG ausgesprochen.
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Die Anordnung der sofortigen Vollziehung der Ziff. 1 liege im öffentlichen Interesse. Der Besitz auch von erlaubnisfreien Waffen sei nur dann unbedenklich, wenn jemand für den Umgang mit diesen geeignet sei. Der Sachverhalt müsse als Indiz dafür gewertet werden, dass der Antragsteller ungeeignet sei. Waffen und Munition in der Hand solcher Personen stellten eine Gefahr für die Allgemeinheit dar. Um die sich hieraus ergebende Gefahr für die allgemeine Sicherheit und Ordnung abzuwenden, müsse sichergestellt werden, dass ab sofort keine erlaubte Möglichkeit verbleibe, die tatsächliche Gewalt über Waffen und Munition auszuüben. Eine Abwägung des öffentlichen Interesses mit dem privaten Interesse des Antragstellers ergebe einen eindeutigen Vorrang der öffentlichen Belange.
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Es folgt die Begründung der Kostenentscheidung.
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Mit Schriftsatz vom 18. November 2023, eingegangen beim Verwaltungsgericht Bayreuth am gleichen Tag, ließ der Kläger durch seinen Prozessbevollmächtigten Klage gegen den Bescheid erheben. Zugleich wurde im Wege einstweiligen Rechtsschutzes beantragt,
die aufschiebende Wirkung der Klage hinsichtlich Nr. I. des Bescheides des Antragsgegners vom 17.10.2023 anzuordnen.
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Der Antragsgegner habe keine Erkenntnisse darüber, aus welchen Gründen der Antragsteller insgesamt 15 mal polizeilich in Erscheinung getreten sei. Die Anzahl der Ermittlungen könne nicht als Grundlage der Beurteilung der waffenrechtlichen Zuverlässigkeit dienen. Zudem werde lediglich vermutet, dass der Antragsteller gewalttätig und betäubungsmittelabhängig sei. Die beiden Verurteilungen aus dem Jahr 2019 lägen bereits mehr als 4 Jahre zurück. Die Gründe genügten nicht, um von einer waffenrechtlichen Unzuverlässigkeit auszugehen. Die Entscheidung sei unverhältnismäßig, da sie auch die Ausübung der tatsächlichen Gewalt über erlaubnisfreie Waffen untersage. Seit dem 1. Januar 2023 habe es keine weiteren Verstöße im Umgang mit Waffen gegeben. Der Antragsteller sei einsichtsfähig und habe aus seinen Fehlern gelernt. Er stelle keine Gefahr für die Allgemeinheit dar. Es bestehe deshalb kein öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung.
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Der Antragsgegner beantragte mit Schriftsatz vom 27. November 2023, den Antrag abzuweisen.
15
Der Bescheid stütze sich auf die waffenrechtliche Unzuverlässigkeit des Antragstellers nach § 5 WaffG. Aufgrund der strafrechtlichen Verurteilungen sei die waffenrechtliche Regelunzuverlässigkeit nach § 5 Abs. 2 Ziff. 1 lit c. WaffG gegeben. Es seien keine Gründe ersichtlich, die ein Abweichen von der Regelunzuverlässigkeit begründen würden. Vielmehr habe der Antragsteller unter Alkoholeinfluss am 1. Januar 2023 mit einer Schreckschusswaffe hantiert. Die Ermessensausübung im Hinblick auf ein Waffen- und Munitionsbesitzverbot auch für erlaubnisfreie Waffen sei deshalb ermessensfehlerfrei erfolgt. Die Hinweise auf weitere polizeiliche Auffälligkeiten seien nur zusätzliche Ausführungen, die für die Begründung des Bescheides nicht tragend gewesen seien. Nur durch den Sofortvollzug würden die berechtigten Interessen der Allgemeinheit gewahrt.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird entsprechend § 117 Abs. 3 Satz 2 VwGO analog auf den Inhalt der Gerichts- und Behördenakte Bezug genommen.
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Der zulässige Antrag hat keinen Erfolg.
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1. Der Antrag ist im wohlverstandenen Interesse des anwaltlich vertretenen Antragstellers dahingehend auszulegen, dass dieser die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage gegen das mit Bescheid vom 17. Oktober 2023 angeordnete Waffenbesitzverbot begehrt.
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2. Nach § 80 Abs. 5 VwGO kann das Gericht die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs im Fall des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO ganz oder teilweise wiederherstellen bzw. im Fall des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr.1 bis 3 VwGO ganz oder teilweise anordnen. Bei der Entscheidung hat das Gericht eine eigene Ermessensentscheidung zu treffen, bei der das Interesse der Allgemeinheit an der sofortigen Vollziehung gegen das Interesse des Betroffenen an der aufschiebenden Wirkung abzuwägen ist. Das Gericht prüft im Fall des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO auch, ob die formellen Voraussetzungen für die Anordnung der sofortigen Vollziehung gegeben sind. Bei der Prüfung sind auch die überschaubaren Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs zu berücksichtigen. Sind diese im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung offen, ist eine reine Interessenabwägung vorzunehmen.
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Bei Zugrundelegung dieser Maßstäbe hat der vorliegende Antrag keinen Erfolg. Der streitgegenständliche Bescheid vom 17. Oktober 2023 ist nach summarischer Prüfung rechtmäßig und verletzt den Antragsteller nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
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a. Gegen Ziff. 1 des streitgegenständlichen Bescheides bestehen keine Rechtmäßigkeitsbedenken.
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aa. Unter Ziff. 1 des Bescheides vom 17. Oktober 2023 hat das Landratsamt ein Waffenbesitzverbot hinsichtlich erlaubnisfreier Waffen auf Grundlage des § 41 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WaffG angeordnet. Bei einer summarischen Prüfung hat das Gericht ungeachtet des Wortes „auch“ in Bezug auf erlaubnisfreie Waffen im Bescheidstenor unter I. vorliegend keine Bedenken im Hinblick auf die Bestimmtheit des angeordneten Waffenbesitzverbotes. Gemäß Art. 37 Abs. 1 Bayerisches Verwaltungsverfahrensgesetz (BayVwVfG) muss der Verwaltungsakt hinreichend bestimmt sein, d.h. dass das Ziel der geforderten Handlung so bestimmt sein muss, dass es keiner unterschiedlichen subjektiven Beurteilung zugänglich ist. Bei einem Verbot muss unmissverständlich festgelegt werden, welche Handlungen zu unterlassen sind (Stelkens in Stelkens/Bonk/Sachs, Verwaltungsverfahrensgesetz, 10. Aufl. 2023, § 37 Rn. 31 f.). Das Bestimmtheitserfordernis soll sicherstellen, dass der Adressat ohne weiteres erkennen kann, was genau von ihm gefordert wird (Tiedemann in BeckOK, VwVfG, 61. Edition, Stand 1.10.2023, § 37 Rn. 19). Für den Adressaten des Bescheides ist vorliegend erkennbar, dass das Landratsamt ein Waffenbesitzverbot bezüglich erlaubnisfreier Waffen angeordnet hat. Dies folgt daraus, dass in der Bescheidsbegründung durchgehend von erlaubnisfreien Waffen die Rede ist und als Rechtsgrundlage für das Waffenbesitzverbot die Rechtsgrundlage des § 41 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WaffG genannt wird, der sich auf erlaubnisfreie Waffen bezieht. Es ist davon auszugehen, dass das Landratsamt mit der Verwendung des Wortes „auch“ im Bescheidstenor dem Adressaten verständlich machen wollte, dass das ausgesprochene Waffenbesitzverbot solche Waffen erfasst, die an und für sich als erlaubnisfrei gelten. Die Formulierung wird deshalb als Erklärungsversuch mit dem Ziel eingeordnet, dem Antragsteller, der vorliegend keine Waffenbesitzkarte vorweisen kann und deshalb ohnehin nicht zum Besitz erlaubnispflichtiger Waffen berechtigt ist, nahezubringen, dass das ausgesprochene Waffenbesitzverbot sich gerade auf erlaubnisfreie Waffen bezieht.
23
bb. Ein Waffenbesitzverbot für erlaubnisfreie Waffen nach § 41 Abs. 1 Satz 1 WaffG kann erlassen werden, sofern dies zur Verhütung von Gefahren für die Sicherheit oder zur Kontrolle des Umgangs mit diesen Gegenständen geboten ist (§ 41 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 WaffG) oder wenn Tatsachen bekannt werden, die die Annahme rechtfertigen, dass dem rechtmäßigen Besitzer oder Erwerbswilligen die für den Besitz solcher Waffen oder Munition erforderliche Zuverlässigkeit fehlt (§ 41 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WaffG). Ein Waffenbesitzverbot kommt gegenüber Personen in Betracht, die zum Nachteil von den persönlichen Grundeigenschaften eines volljährigen Durchschnittsbürgers abweichen, wobei die Abweichung so nachhaltig sein muss, dass für den Fall des Umgangs auch mit an sich erlaubnisfreien Waffen Gefahren für die Rechtsordnung zu befürchten sind (Gerlemann in Steindorf, Waffenrecht, 11. Aufl. 2022, § 41 Rn. 5).
24
Das Waffenbesitzverbot beruht vorliegend auf § 41 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WaffG, der sich auf „die tatsachengestützte fehlende Vertrauenswürdigkeit des Betroffenen im Hinblick auf die persönlichen Voraussetzungen“ (BVerwG, U.v. 22.8.2012 – 6 C 30/11 – juris Rn. 36) stützt. § 5 WaffG konkretisiert den Begriff der waffenrechtlichen Zuverlässigkeit für den gesamten Geltungsbereich des WaffG und gilt deshalb auch in Bezug auf erlaubnisfreie Waffen und Munition (vgl. BayVGH, B.v. 1.2.2021 – 24 ZB 19.1086 – juris Rn. 8; B.v. 15.10.2020 – 24 ZB 18.1159 – juris Rn. 9; B.v. 24.1.2019 – 21 CS 18.1579 – juris Rn. 10). Auch wenn die Vorschrift des § 5 WaffG unmittelbar lediglich für den erlaubnispflichtigen Umgang mit Waffen und Munition gilt, können die daraus erkennbaren Wertungen des Gesetzgebers auch im Rahmen des Verbotes des Umgangs mit erlaubnisfreien Waffen herangezogen werden.
25
cc. Der Antragsteller gilt vorliegend als waffenrechtlich unzuverlässig im Sinne des § 5 Abs. 2 Nr. 1 lit. a und c WaffG.
26
Gemäß § 5 Abs. 2 Nr. 1 WaffG besitzen die waffenrechtliche Zuverlässigkeit in der Regel Personen nicht, die wegen einer vorsätzlichen Straftat (lit. a) oder wegen einer Straftat nach dem Waffengesetz, dem Gesetz über die Kontrolle von Kriegswaffen, dem Sprengstoffgesetz oder dem Bundesjagdgesetz (lit. c) zu einer Freiheitsstrafe, Jugendstrafe, Geldstrafe von mindestens 60 Tagessätzen oder mindestens zweimal zu einer geringeren Geldstrafe rechtskräftig verurteilt worden sind oder bei denen die Verhängung von Jugendstrafe ausgesetzt worden ist, wenn seit dem Eintritt der Rechtskraft der letzten Verurteilung fünf Jahre noch nicht verstrichen sind. Die Regelvermutung der waffenrechtlichen Unzuverlässigkeit nach § 5 Abs. 2 Nr. 1 lit. a WaffG knüpft nicht an bestimmte Delikte an, sondern an das Vorliegen einer Vorsatztat und an die Art und Höhe der rechtkräftig verhängten Sanktion. Denn die Vermutungsregelung in § 5 Abs. 2 Nr. 1 lit. a WaffG zielt nicht lediglich darauf ab, Straftaten vorzubeugen, bei denen Waffen eingesetzt werden könnten. Vielmehr geht die gesetzliche Regelung davon aus, dass die Begehung von Straftaten allein schon wegen der darin liegenden Missachtung der Rechtsordnung Schlüsse darauf zulässt, dass dem Betroffenen die Charakterfestigkeit fehlt, die beim Umgang mit Schusswaffen ständig zu fordern ist und somit Anhaltspunkte dafür erkennbar sind, dass gerade im Hinblick auf die durch § 5 WaffG geschützten Zwecke in der Person des Betroffenen Defizite vorliegen (vgl. BayVGH, B.v.6.11.2000 – 21 B 98.11 – juris Rn. 21). Dies ergibt sich auch bereits aus einer systematischen Betrachtung des § 5 Abs. 2 Nr. 1 WaffG, insbesondere aus einem Vergleich des § 5 Abs. 2 Nr. 1 lit. a WaffG mit § 5 Abs. 2 Nr. 1 lit. b WaffG, der einen Zusammenhang mit Waffen voraussetzt, und mit § 5 Abs. 2 Nr. 1 lit. c WaffG, der sich auf eine Straftat nach dem Waffengesetz bezieht.
27
Der Antragsteller wurde ausweislich des Bundeszentralregisterauszuges vom 15. März 2023 am 15. Januar 2019 durch eine Entscheidung des Amtsgerichts … – rechtskräftig seit 1. Februar 2019 – wegen Sachbeschädigung zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je 15,00 EUR und mit Entscheidung des Amtsgerichts … vom 18. Juli 2019 – rechtskräftig seit 18. Juli 2019 – zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu je 15,00 EUR unter Einbeziehung der Entscheidung des Amtsgerichts … vom 15. Januar 2019 verurteilt. Damit ist er wegen einer vorsätzlichen Straftat zu einer Geldstrafe von über 60 Tagessätzen rechtskräftig verurteilt worden, wobei seit dem Eintritt der Rechtskraft der (letzten) Verurteilung fünf Jahre noch nicht verstrichen sind, weshalb vorliegend die waffenrechtliche Unzuverlässigkeit auf § 5 Abs. 2 Nr. 1 lit. a WaffG gestützt werden kann.
28
Hinzu tritt die Verurteilung des Antragstellers wegen vorsätzlichen Führens einer Schusswaffe ohne Erlaubnis durch Entscheidung des Amtsgerichts … vom 31. März 2023 – rechtskräftig seit 20. April 2023 – zu einer Geldstrafe von 70 Tagessätzen zu je 50,00 EUR. Insofern liegt auch eine Straftat nach dem Waffengesetz (§ 52 Abs. 3 Nr. 2a WaffG) vor, die zu einer Verurteilung zu mindestens 60 Tagessätzen geführt hat und seit deren Rechtskrafteintritt fünf Jahre noch nicht verstrichen sind, weshalb sich die waffenrechtliche Unzuverlässigkeit des Antragstellers auch auf § 5 Abs. 2 Nr. 1 lit. c WaffG stützen lässt.
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dd. Für eine Abweichung von der Regelunzuverlässigkeit bestehen vorliegend keine Anhaltspunkte. Nach der bisherigen Rechtsprechung kommt eine Abweichung von der Vermutung nur dann in Betracht, wenn die Umstände der abgeurteilten Tat die Verfehlung ausnahmsweise derart in einem milden Licht erscheinen lassen, dass die nach der Wertung des Gesetzgebers in der Regel durch eine solche Straftat begründeten Zweifel an der Vertrauenswürdigkeit des Betroffenen bezüglich des Umgangs mit Waffen und Munition nicht gerechtfertigt sind. Erforderlich ist danach eine tatbezogene Prüfung in Gestalt einer Würdigung der Schwere der konkreten Verfehlung und der Persönlichkeit des Betroffenen, wie sie in seinem Verhalten zum Ausdruck kommt (BVerwG, B.v. 21.7. 2008 – 3 B 12/08 – juris Rn. 5). Die Voraussetzungen, unter denen die Regelvermutung des § 5 Abs. 2 Nr. 1 WaffG als widerlegt anzusehen ist, sind im vorliegenden Fall auch unter dem Blickwinkel des Strafmaßes nicht gegeben. Eine Verurteilung zu einer Geldstrafe von zunächst 90 und mit jüngster Verurteilung von 70 Tagessätzen indiziert keine besonders geringe Schuld und deutet auch nicht ansonsten auf ein Bagatellgeschehen hin, so dass die Tat ausnahmsweise in einem milderen Licht erscheint und die nach der Wertung des Gesetzes in der Regel durch eine solche Straftat begründeten Zweifel an der für den Waffenbesitz vorausgesetzten Vertrauenswürdigkeit nicht gerechtfertigt wären (vgl. so auch BayVGH, B.v. 6.11.2000 – 21 B 98.11 – juris Rn. 19). Vielmehr muss in diesem Zusammenhang Berücksichtigung finden, dass der Antragsteller im Kontext des Deliktsgeschehens, das zur jüngsten Verurteilung wegen vorsätzlichen Führens einer Schusswaffe geführt hat, Umgang mit einer Schusswaffe unter starkem Alkoholeinfluss hatte (vgl. polizeilicher Sachverhalt, BA Bl. 5). Hat ein Betroffener im alkoholisierten Zustand Straftaten begangen, besteht generell eine erhöhte Gefahr, dass es im betrunkenen Zustand auch zu einem Waffenmissbrauch kommen könnte (vgl. BayVGH, B.v. 7.4.2003 – 21 CS 02.3210 – juris Rn. 20). Insofern ist auch der Grundsatz, dass im Waffenrecht ein Restrisiko nicht hingenommen werden muss (BayVGH, B.v. 2.10.2013 – 21 Cs 13.1564 – juris Rn. 10), zu berücksichtigen.
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ee. Nach summarischer Prüfung kann noch von einer ordnungsgemäßen Ermessensausübung im Hinblick auf den Erlass eines Waffenbesitzverbotes ausgegangen werden. Insoweit beschränkt sich die gerichtliche Überprüfung gemäß § 114 Satz 1 VwGO darauf, ob die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten worden sind oder ob von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht worden ist. Die Ermessensausübung des Antragsgegners ist zwar knapp, aber noch ausreichend. Es ist letztendlich weder von einer Ermessensüberschreitung noch von einem sonstigen Ermessensfehler auszugehen. Dem streitgegenständlichen Bescheid lässt sich entnehmen, dass sich der Antragsgegner des ihm im Rahmen von § 41 Abs. 1 WaffG eingeräumten Ermessens bewusst war. So wurde zutreffend festgehalten, dass das Landratsamt ein Waffenbesitzverbot erlassen kann, wenn Tatsachen bekannt werden, die die Annahme rechtfertigen, dass dem Antragsteller die erforderliche Zuverlässigkeit fehlt. Es werden sodann die Gründe dargestellt, weshalb sich der Antragsgegner zum Ausspruch des Waffenbesitzverbotes gegen den Antragsteller entschlossen hat. Konkret wird hier insbesondere auf die letzten Verurteilungen des Antragsstellers eingegangen. Zudem werden weitere Gründe genannt, wie etwa der Umstand, dass der Antragsteller seit 2013 insgesamt viermal rechtskräftig verurteilt wurde z.B. wegen Diebstahls, Vergehens nach dem Waffengesetz, Sachbeschädigung und Hausfriedensbruchs oder der Tatsache, dass der Antragsteller nach Mitteilung durch die PI …-Land zwischen 2013 und 2023 mehrfach polizeilich in Erscheinung getreten ist. Der Antragsgegner führte in seinem Bescheid außerdem aus, dass auch der Umstand, dass der Antragsteller am 1. Januar 2023 im stark alkoholisierten Zustand Umgang mit einer Schreckschusswaffe hatte, für ein Waffenbesitzverbot spricht. Hieran zeigt sich, dass der Antragsgegner neben der Prüfung der Tatbestandsvoraussetzungen eines Waffenbesitzverbots auch weitere Erwägungen dahingehend angestellt hat, ob ein Waffenbesitzverbot im konkreten Fall zweckmäßig ist. Weitere verschriftlichte Ermessenserwägungen finden sich in der Begründung der Sofortvollzugsanordnung des Waffenbesitzverbotes als unselbständiger Annex zum Verwaltungsakt unter 3., wo ausgeführt wird, dass Waffen in der Hand von unzuverlässigen Personen eine Gefahr für die Allgemeinheit darstellen, die dadurch abzuwenden ist, dass keine erlaubte Möglichkeit mehr verbleibt, die tatsächliche Gewalt über Waffen und Munition auszuüben. Das Landratsamt hat folglich hinreichend erwogen und dies auch in den Gründen des Bescheids dokumentiert, dass es sich bei dem Antragsteller um eine Person handelt, die zum Nachteil von den persönlichen Grundeigenschaften eines volljährigen Durchschnittsbürgers abweicht und dass diese Abweichung auch eine gewisse Nachhaltigkeit aufweist, die dazu führt, dass im Fall des Umgangs auch mit an sich erlaubnisfreien Waffen Gefahren für die Rechtsordnung zu befürchten sind. Der Antragsgegner hat mit Schriftsatz vom 27. November 2023 ergänzend vorgetragen, dass die Hinweise auf polizeiliche Auffälligkeiten des Antragstellers lediglich zusätzlich aufgeführt worden, ohne dass diese für die Entscheidung tragend gewesen seien, sodass der Einwand des Prozessbevollmächtigten, dabei handele es sich um bloße Vermutungen, auf die die Entscheidung nicht gestützt werden könnten, ins Leere geht.
31
Zu berücksichtigen ist in diesem Zusammenhang insbesondere auch, dass Anhaltspunkte, die den Antragsteller entlasten oder das Waffenverbot unzumutbar erscheinen lassen würden, nicht ersichtlich sind. Der Antragsteller wurde zum beabsichtigten Waffenbesitzverbot mit Schreiben vom 6. September 2023 angehört und hat sich innerhalb der ihm gesetzten Frist bis zum 29. September 2023 nicht geäußert. In diesem Zusammenhang hätte er Gelegenheit gehabt, seine eigene Interessenlage darzustellen und Gründe anzubringen, die gegen den Erlass eines Waffenbesitzverbotes sprechen. Solche Gründe wurden auch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht vorgetragen. War sich die erlassende Behörde des Ermessensspielraums bewusst und hat dieses – wie vorliegend – auch betätigt, so begegnet die Ermessensausübung nach der durch § 114 Satz 1 VwGO begrenzten Prüfung keinen Rechtmäßigkeitsbedenken (vgl. OVG Saarl, B.v. 15.6.2015 – 1 A 57/15 – juris Rn. 31).
32
ff. Insbesondere kommt die Kammer bei summarischer Prüfung zu dem Ergebnis, dass auch die gesetzlichen Grenzen der Verhältnismäßigkeit (Art. 20 Abs. 3 GG) gewahrt sind. Das Waffenbesitzverbot für erlaubnisfreie Waffen verfolgt den legitimen Zweck des Schutzes der Allgemeinheit vor den Gefahren des Umgangs durch eine unzuverlässige Person. Da feststeht, dass der Antragsteller als waffenrechtlich unzuverlässig einzustufen ist, ist das Waffenbesitzverbot auch zur Zweckerreichung geeignet. Das Waffenbesitzverbot bezüglich erlaubnisfreier Waffen stellt sich außerdem unter den ausgeführten Umständen als angemessen dar.
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3. Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes wird daher mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abgelehnt.
34
4. Die Höhe des Streitwertes richtet sich nach § 63 Abs. 2, § 53 Abs. 2 und § 52 Abs. 2 GKG. Für das Waffenbesitzverbot für erlaubnisfreie Waffen wird der Auffangstreitwert festgesetzt (vgl. BayVGH, B.v. 24.1.2019 – 21 CS 18.1579 – juris Rn. 19). In Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes beträgt der Streitwert nur die Hälfte, weshalb der Auffangstreitwert zu halbieren ist, vgl. Nr. 1.5. des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 (s. NVwZ-Beilage 2013, 57).