Titel:
Unzulässige materiell-rechtliche Einwendungen im Rahmen der Vollstreckungsabwehrklage gegen Kostenfestsetzungsbeschluss
Normenkette:
ZPO § 767, § 788 Abs. 4, § 794 Abs. 1 Nr. 2, § 795
Leitsatz:
Auch im Rahmen der Vollstreckungsabwehrklage können Einwendungen gegen den der Räumung zugrunde liegenden Vollstreckungstitel, wie es die Beschwerdeführerin tut, wenn sie ausführt, dem Gläubiger habe die Berechtigung für die der Wohnungszwangsräumung zugrunde liegende Eigenbedarfskündigung und/ oder für die Räumung selbst gefehlt, nicht geltend gemacht werden. Auch soziale und gesundheitliche Schwäche, drohende Obdachlosigkeit und Zahlungsunfähigkeit können im Rahmen der Vollstreckungsabwehrklage nicht geltend gemacht werden. (Rn. 20) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Vollstreckungsabwehrklage, Kostenfestsetzungsbeschluss, unzulässige materiell rechtliche Einwendungen, zugrunde liegender Vollstreckungstitel, Räumung, soziale und gesundheitliche Gründe, drohende Obdachlosigkeit, Zahlungsunfähigkeit
Vorinstanzen:
LG München II, Beschluss vom 08.12.2023 – 12 T 3665/23 PKH
AG Fürstenfeldbruck, Beschluss vom 13.10.2023 – 1 C 666/23
AG Fürstenfeldbruck, Beschluss vom 29.08.2023 – 1 C 666/23
Rechtsmittelinstanz:
BVerfG Karlsruhe, Beschluss vom 06.03.2024 – 2 BvR 137/24
Fundstelle:
BeckRS 2023, 46198
Tenor
1. Der Antrag auf Übertragung des Verfahrens auf die Kammer wird abgelehnt.
2. Der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren wird zurückgewiesen.
3. Der Antrag auf Aussetzung des Verfahrens und auf Einholung einer Vorabentscheidung beim Gerichtshof der Europäischen Union wird abgelehnt.
4. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe
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Die Beschwerdeführerin wurde durch Urteil des Amtsgerichts Fürstenfeldbruck vom 28.06.2018 zur Räumung der Wohnung in, Erdgeschoss, verurteilt (Anlage K 7 b). Die dagegen eingelegte Berufung wurde durch Urteil des Landgerichts München II vom 22.01.2019 (Az. 12 S 2920/18) zurückgewiesen.
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Durch Kostenfestsetzungsbeschluss des Amtsgerichts Fürstenfeldbruck vom 19.04.2023 (Az. 1 M 1274/22) wurden die von der Beschwerdeführerin an die Gläubigerin zu 1, die Gläubigerin zu 2 und die Gläubigerin zu 3 als Gesamtgläubiger gemäß § 788 ZPO aufgrund der Zwangsvollstreckung aus dem Urteil des Amtsgerichts Fürstenfeldbruck vom 28.06.2018 zu erstattenden notwendigen Kosten der bisherigen Vollstreckungsmaßnahmen auf 7.450,68 € festgesetzt.
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Die dagegen von der Beschwerdeführerin eingelegte sofortige Beschwerde wurde durch Beschluss des Landgerichts München II vom 10.07.2023 zurückgewiesen (Az 6 T 2023/ 23). Mit gleichem Beschluss wurden die Anträge der Beschwerdeführerin auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren zurückgewiesen.
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Mit Schreiben vom 10.08.2023 beantragte die Beschwerdeführerin „für einen Antrag auf einstweilige Verfügung nach § 935 oder nach § 940 ZPO“ Prozesskostenhilfe. Dieser Antrag wurde als Vollstreckungsgegenklage gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss vom 19.04.2023 ausgelegt sowie auf Antrag auf einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung.
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Durch Beschluss des Amtsgerichts Fürstenfeldbruck vom 29.08.2023 (Az. 1 C 666/23) wurde der Antrag der Antragstellerin auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die Vollstreckungsgegenklage gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Amtsgerichts Fürstenfeldbruck vom 19.04.2023 abgelehnt.
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Mit Schreiben vom 22.09.2013 stellte die Beschwerdeführerin „Antrag auf Prozesskostenhilfe für eine sofortige Beschwerde gegen den Beschluss des Amtsgerichts vom 29.08.2023 (1 C 666/23)“.
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1. Gemäß § 568 Satz 2 ZPO überträgt der Einzelrichter das Verfahren der Kammer, wenn die Sache besondere Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist oder die Rechtslage grundsätzliche Bedeutung hat.
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Die Beschwerdeführerin macht geltend, die vorliegende Rechtssache habe grundsätzliche Bedeutung betreffend die Auslegung und Anwendung der §§ 767, 795, 794 Abs. 1 Nr. 2, 788 Abs. 4 ZPO. Grundsätzliche Bedeutung einer Rechtssache liegt vor, wenn eine für den vorliegenden Rechtsstreit entscheidungserhebliche Rechtsfrage bisher höchstrichterlich oder – bei nicht revisiblem Recht – durch das Berufungsgericht nicht geklärt, klärungsbedürftig und klärungsfähig ist und wenn sie das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt, weil sie sich in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen stellen kann (Thomas-Putzo § 168 Rand 7, § 511 Rz. 20).
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Die Beschwerdeführerin ist der Ansicht, es handle sich um eine Billigkeitshaftung der Beschwerdegegnerin nach § 788 Abs. 4 ZPO. Die Vorschrift des § 788 Abs. 4 ZPO ist als Ausnahmevorschrift eng auszulegen. Es müssen besondere, in dem Verhalten des Gläubigers liegende Gründe vorliegen. Im Rahmen des Beschwerdeverfahrens gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss vom 19.04.2023, wurde in der Beschwerdeentscheidung vom 10.07.202, Az 6 T 2023 zutreffend folgendes ausgeführt:
„Die Schuldnerin hat gemäß § 788 Abs. 1 ZPO die Kosten der Zwangsvollstreckung zu tragen. Ihre Einwendungen greifen nicht durch. Soziale und gesundheitliche Schwäche, drohende Obdachlosigkeit, Zahlungsunfähigkeit sowie die Berechtigung der der Räumung der zugrunde liegenden Kündigung und der Räumung selbst sind im Kostenfestsetzungsbeschluss ohne Belang. Anlass, der Gläubigerin aus Billigkeitsgründen gemäß § 788 Abs. 4 ZPO Kosten aufzuerlegen, bestehen nicht.“
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Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin handelt es sich hierbei nicht um eine noch nicht geklärte Rechtsfrage, vielmehr ist die Rechts- und Gesetzeslage insoweit eindeutig.
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Zudem können im Rahmen der Vollstreckungsgegenklage lediglich rechtsvernichtende oder rechtshemmende materiellrechtliche Einwendungen gegen den titulierten Anspruch, vorliegend den Kostenfestsetzungsbeschluss, geltend gemacht werden (vgl. Thomas/Putzo, ZPO, § 767 Rz 18, Musielak, ZPO, 19. Aufl. § 767 Rz. 22). Materiell rechtliche Einwendungen gegen die Rechtskraft des zu Grunde liegenden Titels sind nicht zu berücksichtigen (Musielak, ZPO, 19. Aufl. § 767 Rz. 28). Auch insoweit ist die Rechtslage eindeutig und bereits entschieden.
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Die Sache weist vorliegend auch keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art auf. Eine Übertragung auf die Kammer war daher nicht veranlasst.
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2. a. Die sofortige Beschwerde gegen den Beschluss vom 29.08.2023 (Bl. 5/8 PKH Heft) ist gemäß § 127 Abs. 2 S. 2 ZPO statthaft und zulässig. Sie wurde form- und fristgerecht unter Einhaltung der Notfrist des § 127 Abs. 2 S. 3 ZPO von einem Monat eingelegt.
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b. Die sofortige Beschwerde ist jedoch unbegründet. Gemäß § 114 Abs. 1 ZPO ist Prozesskostenhilfe zu gewähren, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.
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Das Amtsgericht Fürstenfeldbruck hat in dem angegriffenen Beschluss vom 29.08.2023 zutreffend ausgeführt, dass die von der Beschwerdeführerin beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg.
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Im Rahmen der Vollstreckungsabwehrklage gegen den im Kostenfestsetzungsbeschluss festgestellten Anspruch gemäß § 767 ZPO in Verbindung mit §§ 795, 794 Abs. 1 Nr. 2 ZPO kommen nur rechtsvernichtende Einwendungen, wie zB Anfechtung, Erfüllung, Erlass, Hinterlegung und rechtshemmende Einwendungen, wie zB Verjährung oder Stundung, in Betracht (Thomas/Putzo, ZPO, 44. Aufl.,§ 767 Rz 20 iVm Vorb § 253).
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Die von der Beschwerdeführerin geltend gemachten Einwendungen greifen daher nicht durch.
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Die Beschwerdeführerin wirft die Frage auf, ob „es sich nicht um einen Billigkeitshaftungsgrund des Gläubigers nach § 788 Abs. 4 ZPO betreffend die mit dem Kostenfestsetzungsbeschluss festgesetzten Wohnungszwangsräumungskosten handeln würde, wenn dem Gläubiger die Berechtigung für die der Wohnungszwangsräumung zugrunde liegende Eigenbedarfskündigung und/ oder für die Räumung selbst gefehlt habe, sodass auch ein sozial schwacher Schuldner die Wohnungszwangsräumungskosten aus der unerlaubten Handlung des Gläubigers tragen müsse und sodass eine Vollstreckungsgegenklage nach §§ 767, 795, 794 Abs. 1 Nr. 2 ZPO gegen den diesbezüglichen Kostenfestsetzungsbeschluss keine hinreichende Aussicht auf Erfolg biete“(S. 2 der Beschwerde vom 22.09.2023).
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Sie wiederholt im Rahmen ihrer sofortigen Beschwerde damit im wesentlichen die Argumente, die sie bereits im Rahmen der – mit Beschluss des Landgerichts München II vom 10.07.2023 (Az 6 T 2023/23, Anlage K 9b zu Bl. 1/19 d. A.) zurückgewiesenen – Beschwerde gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss vom 19.04.2023 sowie im Rahmen ihres Antrags auf Gewährung von Prozesskostenhilfe für die Vollstreckungsabwehrklage vorgebracht hat.
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Auch im Rahmen der Vollstreckungsabwehrklage können Einwendungen gegen den der Räumung zugrunde liegenden Vollstreckungstitel, wie es die Beschwerdeführerin tut, wenn sie ausführt, dem Gläubiger habe die Berechtigung für die der Wohnungszwangsräumung zugrunde liegende Eigenbedarfskündigung und/ oder für die Räumung selbst gefehlt, nicht geltend gemacht werden (Musielak, ZPO, 19. Aufl. § 767 Rz 28, Münchner Kommentar zur ZPO, 6. Aufl. 2020, § 767 Rz 72). Auch soziale und gesundheitliche Schwäche, drohende Obdachlosigkeit und Zahlungsunfähigkeit können im Rahmen der Vollstreckungsabwehrklage nicht geltend gemacht werden.
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Von der Beschwerdeführerin werden hingegen keinerlei rechtsvernichtende oder rechtshemmende Einwendungen geltend gemacht.
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Die Vollstreckungsabwehrklage hat somit keine hinreichenden Erfolgsaussichten. Prozesskostenhilfe ist daher für das Beschwerdeverfahren nicht zu gewähren, so dass die sofortige Beschwerde zurückzuweisen war.
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3. Der Antrag auf Aussetzung des Verfahrens und auf Erholung einer Vorabentscheidung beim Gerichtshof der Europäischen Union war schon aus dem Grund abzulehnen, da über die vorzulegende Grundsatzfrage vorliegend nicht zu entscheiden ist.
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Die Beschwerdeführerin unterstellt in der aus ihrer Sicht vorzulegenden Grundsatzfrage, dass den Gläubigern eine Berechtigung für die der Wohnungzwangsräumung zugrunde liegende Eigenbedarfskündigung und/ oder für die Räumung selbst gefehlt habe. In dem dem Kostenfestsetzungsbeschluss zugrundeliegenden Verfahren wurde aber gerade rechtskräftig durch Urteil entschieden, dass die Eigenbedarfskündigung wirksam war. Mit dem Vollstreckungstitel des Räumungsurteils wird den Gläubigern gerade die Berechtigung zur Wohnungszwangsräumung eingeräumt. Wie dargelegt, ist im Rahmen des Kostenfestsetzungsverfahrens die Berechtigung der der Räumung zugrunde liegenden Kündigung und der Räumung selbst ohne Belang.
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Die von der Beschwerdeführerin aufgrund eines von ihr unterstellten Sachverhalts aufgeworfene Grundsatzfrage ist vorliegend somit nicht entscheidungserheblich.
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4. Die Rechtsbeschwerde war nicht zuzulassen. Gemäß § 574 Abs. 2, Abs. 1 Nr. 2 ZPO ist die Beschwerde zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.
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Wie unter II.1. ausgeführt, hat die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung. Auch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung nicht eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts.