Inhalt

LG München II, Beschluss v. 08.12.2023 – 12 T 3665/23 PKH
Titel:

Unzulässige Ablehnungsanträge gegen nicht mehr mit der Sache befasste Richter

Normenkette:
ZPO § 42
Leitsatz:
Ein Rechtschutzbedürfnis für einen Antrag auf Ablehnung eines bestimmten Richters besteht nur dann, wenn dieser Richter mit der Sache befasst ist. Ist er mit der Sache nicht, nicht mehr oder nicht wieder befasst, so besteht kein Bedürfnis, einen derartigen Antrag zu stellen (hier Rechtsschutzbedürfnis abgelehnt infolge Ausscheidens der abgelehnten Richter aus dem zuständigen Spruchkörper und dem Gericht). (Rn. 16) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Richterablehnung, Befangenheit, Unzulässigkeit, Rechtsschutzbedürfnis, mangelnde Sachbefassung des Richters, Ausscheiden aus dem Gericht
Vorinstanzen:
AG Fürstenfeldbruck, Beschluss vom 13.10.2023 – 1 C 666/23
AG Fürstenfeldbruck, Beschluss vom 29.08.2023 – 1 C 666/23
Rechtsmittelinstanzen:
LG München II, Beschluss vom 11.12.2023 – 12 T 3665/23 PKH
BVerfG Karlsruhe, Beschluss vom 06.03.2024 – 2 BvR 137/24
Fundstelle:
BeckRS 2023, 46197

Tenor

Die Ablehnungsanträge der Beschwerdeführerin vom 22.09.2019 gegen die Richter des Landgerichts München II werden als unzulässig zurückgewiesen.

Gründe

1
1. Die Beschwerdeführerin wurde durch Urteil des Amtsgerichts Fürstenfeldbruck vom 28.06.2018 zur Räumung der Wohnung in, Erdgeschoss, verurteilt (Anlage K 7 b). Die dagegen eingelegte Berufung wurde durch Urteil des Landgerichts München II vom 22.01.2019 (Az. 12 S 2920/18) zurückgewiesen.
2
Durch Kostenfestsetzungsbeschluss des Amtsgerichts Fürstenfeldbruck vom 19.04.2023 (Az. 1 M 1274/22) wurden die von der Beschwerdeführerin an die Gläubigerin zu 1, die Gläubigerin zu 2 und die Gläubigerin zu 3 als Gesamtgläubiger gemäß § 788 ZPO aufgrund der Zwangsvollstreckung aus dem Urteil des Amtsgerichts Fürstenfeldbruck vom 28.06.2018 zu erstattenden notwendigen Kosten der bisherigen Vollstreckungsmaßnahmen auf 7.450,68 € festgesetzt.
3
Die dagegen von der Beschwerdeführerin eingelegte sofortige Beschwerde wurde durch Beschluss des Landgerichts München II vom 10.07.2023 zurückgewiesen (Az 6 T 2023/ 23). Mit gleichem Beschluss wurden die Anträge der Beschwerdeführerin auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren zurückgewiesen.
4
Mit Schreiben vom 10.08.2023 beantragte die Beschwerdeführerin „für einen Antrag auf einstweilige Verfügung nach § 935 oder nach § 940 ZPO“ Prozesskostenhilfe. Dieser Antrag wurde als Vollstreckungsgegenklage gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss vom 19.04.2023 ausgelegt sowie auf Antrag auf einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung.
5
Durch Beschluss des Amtsgerichts Fürstenfeldbruck vom 29.08.2023 (Az. 1 C 666/23) wurde der Antrag der Beschwerdeführerin auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die Vollstreckungsgegenklage gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Amtsgerichts Fürstenfeldbruck vom 19.04.2023 abgelehnt.
6
Mit Schreiben vom 22.09.2013 stellte die Beschwerdeführerin „Antrag auf Prozesskostenhilfe für eine sofortige Beschwerde gegen den Beschluss des Amtsgerichts vom 29.08.2023 (1 C 666/23)“ mit dem Antrag auf Ablehnung nach § 42 (2) ZPO der im Tenor genannten Richter.
7
Hinsichtlich des Vorsitzenden Richters, Richterin Dr. und Richterin Dr. nehmen die Ablehnungsanträge Bezug auf deren Urteil vom 22.01.2019 sowie hinsichtlich des Richters auf dessen Beschlüsse vom 06.03.2019, 26.03.2019, 03.04.2019, 29.05.2019, 10.11.2020, 25.11.2020, 01.12.2020, 06.08.2021, 02.09.2021, 04.10.2021, 14.12.2021, 21.12.2021 sowie 01.03.2022.
8
Hinsichtlich des des Landgerichts München II Dr. wird die Ablehnung auf „seine willkürlich rechtswidrige Untätigkeit zum Nachteil der Beschwerdeführerin“ gestützt. Hinsichtlich des des Landgerichts München II Herrn wird auf dessen Entscheidungen in den Verfahren 6 T 2520/ 22 ABL und 6 T 419/23 Bezug genommen.
9
Hinsichtlich Richterin nehmen die Ablehnungsanträge Bezug auf deren Mitwirkung am Beschluss vom 09.12.2022, Az. 6 T 2520/22. Hinsichtlich Richter Dr. wird Bezug genommen auf dessen Mitwirkung an den Beschlüssen vom 09.12.2022, Az. 6 T 2520/20 und vom 06.02.2023, Az. 6 T 419/23.
10
Hinsichtlich Richterin wird Bezug genommen auf deren Mitwirkung am Beschluss vom 06.02.2023, Az. 6 T 419/23. Hinsichtlich Richterin nehmen sie auf den Beschluss des LG München II vom 18.04.2017 im Verfahren 6 T 558/17 Bezug. Hinsichtlich der Richter Dr. und wird Bezug genommen auf deren Mitwirkung an Entscheidungen im Verfahren 6 T 558/17.
11
Hinsichtlich der Richter sowie wird auf deren Mitwirkung an Entscheidungen im Verfahren 6 T 1061/18 Bezug genommen.
12
Die Anträge verweisen vor allem auf „willkürliche rechtswidrige und wahrheitswidrige Entscheidungen zum Nachteil der Beschwerdeführerin“.
13
2. Sämtliche Ablehnungsanträge der Beklagten in Ihrem Schreiben vom 22.09.2023 sind unzulässig.
14
a. Anträge betreffend den sowie, sowie:
15
Die Anträge gegen die Richter am Landgericht München II, die nicht Mitglieder der 12. Zivilkammer sind, sind schon deswegen unzulässig, weil ihnen das Rechtschutzbedürfnis fehlt.
16
Ein Rechtschutzbedürfnis für einen Antrag auf Ablehnung eines bestimmten Richters besteht nur dann, wenn dieser Richter mit der Sache befasst ist. Ist er mit der Sache nicht, nicht mehr oder nicht wieder befasst, so besteht kein Bedürfnis, einen derartigen Antrag zu stellen. Die Kammer folgt insoweit der Rechtsprechung des BGH in seinem Beschluss vom 29.01.2003 (IX ZR 137/00) sowie des BFH in seinem Beschluss vom 14.07.1995 (X B 330/94) und der Auffassung der Literatur (Zöller-Vollkommer, 32. Auflage 2018: § 42 ZPO Rn. 3). VoRiLG, Ri´inLG, RiLG Dr. und RiLG sind nicht mehr am Landgericht München II tätig. Rí´in ist nicht mehr Mitglied der 12. Zivilkammer.
17
Den übrigen genannten Richtern ist gemeinsam, dass sie im Rahmen des der Zwangsvollstreckung zugrunde liegenden Räumungsurteils durch Anträge bzw. Beschwerden der Beklagten mit Entscheidungen des erstinstanzlichen Gerichts in ihrer Eigenschaft als Richter bzw. Dienstvorgesetzte in Berührung kamen. Da der Rechtsstreit durch rechtskräftiges Urteil abgeschlossen ist, können die genannten Richter damit nicht mehr in Berührung kommen.
18
Gleiches gilt für. Dieser war im Rahmen eines Verfahrens wegen Ablehnung des den Kostenfestsetzungsbeschluss vom 19.04.2023 erlassenden Rechtspflegers und Beschwerdeverfahrens gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss tätig. Auch dieses ist abgeschlossen, so dass er damit nicht mehr in Berührung kommen kann.
19
b. Sämtliche Anträge inklusive der Anträge gegen Kammermitglieder:
20
Die Anträge gegenüber allen Richtern – einschließlich der entscheidenden Kammermitglieder – sind wegen Rechtsmissbräuchlichkeit unzulässig. Deswegen kann die Kammer auch über die gegen ihre Mitglieder gerichteten Ablehnungsanträge selbst entscheiden (Zöller-Vollkommer, ZPO, 33. Aufl., § 44 Rn 17 mwN).
21
aa. Die Anträge sind rechtsmissbräuchlich, weil durch sie das Verfahren offensichtlich – weiter – nur verschleppt werden soll. Die offensichtliche Verschleppungsabsicht der gestellten Ablehnungsanträge folgt schon aus der Vielzahl, der Abfolge und der Wahllosigkeit dieser Anträge in dem zugrunde liegenden Räumungsverfahren in erster Instanz (Az 6 C1468/15 AG Fürstenfeldbruck), im Berufungsverfahren (Az.12 S 290/ 20 LG München II) sowie im Kostenfestsetzungsverfahren. Bereits durch Beschluss des Landgerichts München II vom 06.03.2019 (Az 12 S 2920/18) wurden die gegen eine Vielzahl von Richtern gerichteten Ablehnungsanträge als unzulässig zurückgewiesen. Auf den Beschluss wird Bezug genommen. Auch die Befangenheitsanträge gegen den den Kostenfestsetzungsbeschluss erlassenden Rechtspfleger wurden als unzulässig zurückgewiesen (Az. 6 T 1865/23 ABL).
22
Darüber hinaus sind die Ablehnungsanträge auch deswegen unzulässig, weil sie lediglich dazu dienen sollen, Druck auf die zur Entscheidung berufenen Richter dahin auszuüben, dass sie in dem von der Beklagten/ Beschwerdeführerin als Ablehnender gewünschten Sinn entscheiden. Insoweit wird auf die bereits im Urteil zitierte Rechtsprechung des OLG Karlsruhe in seinem Beschluss vom 26.11.2013 (17 U 221/12) und die Kommentierung bei Zöller-Vollkommer (33. Aufl., § 42 ZPO, Rn. 29) Bezug genommen.
23
Allen Anträgen der Beklagten bzw. Beschwerdeführerin auf Ablehnung von Richtern in erster Instanz, den nachfolgenden Beschwerdeverfahren, dem Berufungsverfahren und nunmehr auch im Kostenfestsetzungsverfahren ist zu eigen, dass sie die jeweils zur Entscheidung berufenen Richter zwingen will, ihre Rechtsauffassung anzunehmen und in ihrem Sinn zu entscheiden. Hierfür ist das Ablehnungsverfahren vom Gesetzgeber nicht geschaffen worden. Wird es von einer Partei zu diesem Zweck benutzt, so stellt dies eine Pervertierung des Verfahrens dar. Hierauf gerichtete Ablehnungsanträge sind rechtsmissbräuchlich und deswegen unzulässig.