Inhalt

BayObLG, Beschluss v. 20.03.2023 – 206 StRR 1/23
Titel:

Volksverhetzung in Form des Verharmlosens durch Darstellung eines KZ-Eingangstors mit dem Schriftzug "Impfen macht frei"

Normenketten:
StGB § 130 Abs. 3
GG Art. 5 Abs. 1 S. 1
Leitsatz:
Die öffentliche Darstellung des Eingangstors eines Konzentrationslagers mit dem Schriftzug „Impfen nacht frei“ und zweier schwarz uniformierter Männer jeweils mit einer überdimensionierten Spritze in der Hand – versehen mit dem Kommentar: „Alles schon mal dagewesen“ – erfüllt den Straftatbestand der Volksverhetzung gem. § 130 Abs. 3 StGB in der Tatbestandsvariante des Verharmlosens. (Rn. 10)
Schlagworte:
Verharmlosung, Konzentrationslager, Eingangstor, Holocaust, Covid-19, Impfung, Facebook
Vorinstanz:
LG München I, Urteil vom 09.08.2022 – 18 Ns 510 Js 371/21
Fundstelle:
BeckRS 2023, 4591

Tenor

I. Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 9. August 2022 wird als unbegründet verworfen.
II. Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe

I.
1
Mit Urteil des Amtsgerichts München vom 24. März 2022 ist der Angeklagte wegen Volksverhetzung gemäß § 130 Abs. 3 StGB (in der Tatbestandsvariante des Verharmlosens) und der verbotenen Mitteilung über Gerichtsverhandlungen zu einer Gesamtgeldstrafe verurteilt worden.
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Gegen dieses Urteil haben der Angeklagte und die Staatsanwaltschaft Berufung eingelegt. Nachdem hinsichtlich des Tatvorwurfs der verbotenen Mitteilung über Gerichtsverhandlungen eine Sachbehandlung nach § 154 Abs. 2 StPO erfolgt war, sind die Berufungen mit Urteil des Landgerichts München I vom 9. August 2022 verworfen worden.
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Gegen dieses Urteil, dem Verteidiger des Angeklagten zugestellt am 23. August 2022, wendet sich der Angeklagte mit der Revision, die mit am 19. September eingegangenem Anwaltsschreiben mit der Rüge der Verletzung sachlichen Rechts begründet worden ist. Mit am 6. Oktober 2022 eingegangenem nachgeschobenem Anwaltsschreiben ist die Rüge näher ausgeführt und geltend gemacht worden, die Tatbestandsmerkmale des § 130 Abs. 3 StGB seien nicht erfüllt. Ferner streite zugunsten des Angeklagten das Grundrecht der Meinungsfreiheit nach Art. 5 GG.
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Die Generalstaatsanwaltschaft München beantragt in ihrer Stellungnahme vom 14. Dezember 2022, die Revision kostenpflichtig als unbegründet zu verwerfen.
II.
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Die Nachprüfung des Urteils aufgrund der zulässigen Revision hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben (§ 349 Abs. 2 StPO).
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1. Zum Schuldspruch wegen Volksverhetzung gemäß § 130 Abs. 3 StGB in der Form der Verharmlosung des Holocaust hat das Berufungsgericht, soweit revisionsrechtlich von Bedeutung, zusammengefasst folgende Feststellungen getroffen:
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Der Angeklagte veröffentlichte am 11. November 2020 über seinen öffentlich einsehbaren Facebook-Account ein zweigeteiltes Bild, auf dessen unterer Hälfte der Eingang eines Konzentrationslagers (mutmaßlich des KZ Auschwitz) mit dem Schriftzug über dem Eingangstor „Arbeit macht frei“ zu sehen ist. In der oberen Hälfte wird eine diesem Eingang nachempfundene Zeichnung mit der Abwandlung dargestellt, dass der Schriftzug „Impfen macht frei“ angebracht ist. Unter diesem Schriftzug werden zwei schwarz uniformierte Männer mit jeweils einer überdimensionierten Spritze in der Hand dargestellt. Das Bild ist mit dem Kommentar „Alles schon mal dagewesen“ nebst einem Emoji, das sich die Augen zuhält und einem weiteren, das mit zwei Fingern ein V-Zeichen bildet, versehen. Die Darstellung wurde bis zum 20. November 2020 von wenigstens 52 weiteren Nutzern der Plattform Facebook „geliked“ sowie 26 Mal kommentiert.
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2. Diese Feststellungen, darunter auch der Umstand, dass die verfahrensgegenständlichen Äußerungen dem Angeklagten zuzurechnen sind, werden durch die umfassende Beweiswürdigung des Landgerichts belegt, die frei von revisionsrechtlich beachtlichen Rechtsfehlern ist.
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3. Der festgestellte Sachverhalt trägt den Schuldspruch wegen Volksverhetzung nach § 130 Abs. 3 StGB. Die vom Revisionsführer vorgebrachte Begründung seines Rechtsmittels gibt keinen Anlass zu einer abweichenden Beurteilung. Der Senat hat bei seiner Würdigung auch die nachgeschobene, erst nach Ablauf der Frist des § 345 Abs. 1 Satz 1 und 3 StPO (mit Ablauf des 23. September 2022) am 6. Oktober 2022 eingegangene ergänzende Revisionsbegründung berücksichtigt. Die Revision dringt insbesondere mit dem Einwand, die Äußerung sei von der Meinungsfreiheit gem. Art. 5 GG gedeckt, nicht durch. Ergänzend zu den Ausführungen der Generalstaatsanwaltschaft München in ihrer Antragsschrift vom 14. Dezember 2022, auf die der Senat Bezug nimmt, bedarf nur Folgendes der Erörterung:
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a) Das Landgericht hat zutreffend angenommen, dass der Angeklagte durch die beschriebene Tathandlung die Tatbestandsvariante des Verharmlosens von unter der Herrschaft des Nationalsozialismus begangenen Handlungen im Sinne des § 6 Abs. 1 des Völkerstrafgesetzbuches (VStGB), verwirklicht hat. Die vom Angeklagten in seinem Facebook-Account veröffentlichte Darstellung ist vom Landgericht jedenfalls im Ergebnis zu Recht als Bagatellisierung der in der NS-Zeit in den Konzentrationslagern begangenen Massenmorden vor allem an Juden, aber auch an anderen verfolgten Gruppen, ausgelegt worden (UA S. 7).
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Gegen die Urteilsgründe bestehen zwar insoweit rechtliche Bedenken, als das gefundene Auslegungsergebnis nicht hinreichend begründet wird. Insbesondere versäumt es das Landgericht, die Bedeutung der Meinungsfreiheit des Art. 5 GG wie geboten bereits bei der Ermittlung des Aussagegehalts der Äußerung dadurch zu berücksichtigen, dass mögliche andere Deutungsmöglichkeiten, die nicht zu einer Strafbarkeit führen würden, in Erwägung gezogen und ausgeschlossen werden. Dieser Begründungsmangel erweist sich jedoch als nicht durchgreifend, denn der Senat vermag auf der Grundlage der festgestellten tatsächlichen Umstände die erforderlichen Erwägungen selbst vorzunehmen. Die vom Landgericht der Äußerung des Angeklagten beigemessene Bedeutung erweist sich dabei im Ergebnis als zutreffend.
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aa) Die aus bildlichen und textlichen Elementen bestehende vom Angeklagten verwendete Collage stellt die Äußerung einer Meinung im Sinne des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG dar.
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(1) Bei der unteren Hälfte der vom Angeklagten gezeigten Darstellung handelt es sich nach den Feststellungen des Landgerichts um den Eingang zu einem Konzentrationslager, „mutmaßlich des KZ Auschwitz“ (UA S. 7), mit dem Schriftzug „Arbeit macht frei“. Mit dieser Darstellung wird gleichzeitig auf die unter der NS-Herrschaft in den Konzentrationslagern begangene Gräueltaten und Massenmorde Bezug genommen und diese mit staatlichen Maßnahmen in der Corona-Pandemie verglichen.
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(i) Zwar lässt das Urteil eine genauere Beschreibung des Tores vermissen; auch hat das Landgericht nicht von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, gemäß § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO hinsichtlich weiterer Einzelheiten auf eine bei den Akten befindliche Abbildung Bezug zu nehmen, wie es naheliegend gewesen wäre, um dem Senat deren eigene Anschauung zu ermöglichen. Ohne eine solche Bezugnahme ist es dem Revisionsgericht, dessen auf die Sachrüge eröffneter Prüfungsbefugnis allein die Urteilsurkunde unterliegt (vgl. nur Gericke in KK StPO, 9. Aufl. 2023, § 337 Rn. 27; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 65. Aufl. 2022, § 337 Rn. 22, je m.w.N.), verwehrt, die sich offensichtlich in den Akten befindliche, da in der Hauptverhandlung in Augenschein genommene Darstellung (UA S. 8) als Erkenntnisquelle für seine Rechtskontrolle zu nutzen. Gleichwohl geht der Senat aufgrund der weiteren Umstände, die im Urteil noch ausreichend festgestellt sind, nämlich der Gegenüberstellung mit der oberen Hälfte der Darstellung (Zeichnung eines Tores mit der Aufschrift „Impfen macht frei“ und dem textlichen Zusatz „Alles schon mal dagewesen“) davon aus, dass die Abbildung den Eingang zum Konzentrationslager Auschwitz zeigt, wie es das Landgericht als „mutmaßlich“ annimmt (UA S. 7). Es ist als historische Tatsache allgemeinkundig und kann daher vom Senat verwendet werden, um Lücken in den Urteilsfeststellungen zu schließen (vgl. BayObLG, Urteil vom 30. Dezember 1987, 3 St 226/87, juris Rn. 22; MeyerGoßner/Schmitt, § 337 Rn. 25), dass die Aufschrift „Arbeit macht frei“ als Toraufschrift in mehreren nationalsozialistischen Konzentrationslagern verwendet wurde, neben Auschwitz beispielsweise auch in Theresienstadt und Dachau. Insbesondere die markante Gestaltung des Eingangstores zum KZ Auschwitz ist jedoch so im öffentlichen Bewusstsein verankert, dass der Senat davon ausgeht, dass sich das Berufungsgericht seine Meinung anhand der bekannten Form des Eingangstores von Auschwitz gebildet hat. Dass das vom Angeklagten verwendete Bild dieses Tor zeigt, wird auch von der Revision nicht in Frage gestellt. Der Senat geht daher trotz der dürftigen Beschreibung in den Urteilsgründen aufgrund der Gesamtumstände davon aus, dass das Eingangstor zum KZ Auschwitz dargestellt ist, wenngleich es für die Auslegung der Erklärung und deren rechtliche Beurteilung keinen entscheidungserheblichen Unterschied machen würde, wenn es sich um das Tor zu einem anderen KZ handeln würde.
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(ii) Der Darstellung des Eingangstores zu einem Konzentrationslager, namentlich Auschwitz, haftet gleichzeitig ohne jede andere denkbare Auslegungsmöglichkeit, die konkludente Bezugnahme auf die Funktion von Konzentrationslagern unter der nationalsozialistischen Herrschaft an. Es ist historisch eindeutig belegt und bedurfte weder einer Beweisaufnahme noch sonst einer Begründung, dass in den Konzentrationslagern Millionen von Juden, aber auch andere vom NS-Regime verfolgte Gruppen unter menschenunwürdigen Bedingungen interniert, durch Zwangsarbeit ausgebeutet, gequält, erniedrigt und systematisch durch Erschießungen, in Gaskammern mit Zyklon B und auf andere Weise ermordet wurden. Dass es sich bei diesen Massenmorden um rassistisch motivierten Völkermord im Sinne des § 6 Abs. 1 Nr. 1 VStGB handelt, auf den § 130 Abs. 3 StGB Bezug nimmt, liegt auf der Hand (zur Offenkundigkeit des Völkermordes an insbesondere jüdischen Menschen, namentlich im KZ Auschwitz-Birkenau, vgl. BVerfG [3. Kammer des Ersten Senats], Beschluss vom 22. Juni 2018, 1 BvR 673/18, NJW 2018, 2858 Rn. 29; BGH, Urteil vom 10. April 2002, 5 StR 485/01, BGHSt 47, 278, 280 = NJW 2002, 2115; st. Rspr.).
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(iii) Die Zeichnung eines Tores in der oberen Hälfte der Darstellung mit der Aufschrift „Impfen macht frei“ und zwei den Eingang flankierenden Männern in schwarzer Uniform, die je eine überdimensionierten Spritze halten, bezieht sich ersichtlich auf die zum Zeitpunkt der Tathandlung, also im November 2020, bestehenden staatlichen Reglungen zur Bekämpfung und Eindämmung der Covid-19-Pandemie, wobei durch die Darstellung impliziert wird, dass diese sich gegen die Freiheitsrechte von Personen, die nicht gegen die Infektionskrankheit Covid-19 geimpft waren, gerichtet hätten.
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(iv) Ferner ergibt die Auslegung der Darstellung in der Zusammenschau der beiden Elemente unter Berücksichtigung des angebrachten Kommentars, dass der Angeklagte die beiden dargestellten Situationen einander vergleichend gegenüberstellt und, was durch den textlichen Zusatz „Alles schon mal dagewesen“ unmissverständlich zum Ausdruck gebracht wird, dass er die staatlichen Einschränkungen der Freiheitsrechte nicht geimpfter Personen während der Corona-Pandemie für staatliche Zwangsmaßnahmen hält, die den in Konzentrationslagern angewandten Maßnahmen des NS-Staates in ihrem Eingriffscharakter vergleichbar sind.
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(2) Der angestellte Vergleich ist, unabhängig davon, ob der ihm vom Landgericht zugemessene Sinn einer Verharmlosung des Holocaust zutrifft, jedenfalls als die Äußerung einer Meinung i.S.d. Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG zu qualifizieren. Bei einer Meinung handelt es sich, in Abgrenzung zur Behauptung von Tatsachen, um eine Äußerung, die durch das Element der Stellungnahme und des Dafürhaltens geprägt ist. Eine solche unterfällt stets dem Schutzbereich der Meinungsfreiheit des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG, ohne dass es darauf ankommt, ob sie sich als wahr oder unwahr erweist, ob sie begründet oder grundlos, emotional oder rational ist, oder ob sie als wertvoll oder wertlos, als gefährlich oder harmlos eingeschätzt wird (st. Rspr. des BVerfG; vgl. BVerfG, Beschluss v. 22. Juni 2018, 1 BvR 673/18, NJW 2018, 2858 Rn. 19).
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bb) Für die Prüfung, ob eine Meinungsäußerung strafbar ist, gelten mit Blick auf Art. 5 GG besondere Grundsätze, die bei der Ermittlung ihres Bedeutungsgehalts zu berücksichtigen sind, um dem Grundrecht der Meinungsfreiheit gemäß Art. 5 GG bereits bei der Auslegung der Äußerung angemessen Rechnung zu tragen. Zunächst ist deren objektiver Sinn zu ermitteln, wobei nicht die subjektive Absicht des sich Äußernden und nicht das subjektive Verständnis eines ggf. von einer Äußerung Betroffenen maßgeblich ist, sondern das Verständnis eines unvoreingenommenen und verständigen Publikums. Dabei ist stets vom Wortlaut der Äußerung auszugehen, zudem ist ihr Kontext einzubeziehen; fernliegende Deutungen sind auszuscheiden (st. Rspr; vgl nur BVerfG [2. Kammer des Ersten Senats], Beschluss vom 19. Dezember 2021, 1 BvR 1073/20, NJW 2022, 680 Rn. 28 m.w.N. [zu § 185 StGB]; vgl. auch BayObLG, Beschluss vom 15. November 2022, 206 StRR 289/22, juris Rn. 16 m.w.N.). Im Falle von mehrdeutigen Äußerungen ist grundsätzlich maßgeblich, ob eine der nicht auszuschließenden Bedeutungsvarianten straffrei wäre (BVerfG, Beschluss vom 10. Oktober 1995, 1 BvR 1476/91, 1 BvR 1980/91, 1 BvR 103/92 und1 BvR 221/92, NJW 1995, 3303, 3305).
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cc) Bei Anlegung dieser Maßstäbe ist die vom Landgericht vorgenommene Deutung, der Angeklagte habe die systematische und mörderische Verfolgung (insbesondere) von Juden in der Zeit des sog. Dritten Reichs bagatellisiert – und damit im Sinne des § 130 Abs. 3 StGB verharmlost –, nicht zu beanstanden.
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(1) Ein Verharmlosen im Sinne des § 136 Abs. 3 StGB liegt vor, wenn eine unter der NSHerrschaft begangene Tat in tatsächlicher Hinsicht heruntergespielt, beschönigt oder ihr wahres Gewicht verschleiert wird (BGH, Urteil vom 6. April 2000, 1 StR 502/99, BGHSt 46, 36, 40 = NJW 2000, 2217, 2218; BGHSt 47, 278, 280 = NJW 2002, 2115).
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(2) Die vom Angeklagten verwendete Darstellung verharmlost die in den Konzentrationslagern begangenen Verbrechen nicht ausdrücklich. Das Landgericht hat darin jedoch eine konkludente Verharmlosung gesehen. Der Angeklagte habe durch die Gleichsetzung von den in den Konzentrationslagern begangenen Morden insbesondere an 6 Millionen Juden mit staatlichen Maßnahmen gegen die Corona-Pandemie, insbesondere mit einem tatsächlich gar nicht bestehenden Impfzwang, der durch die Bild-Collage suggeriert werde, bewusst, wenn auch möglicherweise nicht als Hauptzweck seines Posts, die systematische und mörderische Judenverfolgung in der Zeit des Dritten Reiches bagatellisiert (UA S. 7).
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(3) Das Landgericht hat dieses Verständnis nicht weiter begründet, sich insbesondere nicht mit einer weiteren in Betracht kommenden Deutungsmöglichkeit auseinandergesetzt, wonach der Angeklagte nicht den Holocaust und andere in Konzentrationslagern begangene NSVerbrechen verharmlost, sondern lediglich umgekehrt die Betroffenheit von Personen, die nicht gegen Covid-19 geimpft sind, übertrieben haben könnte. Der Senat hat jedoch nach eigener Würdigung aller in der Urteilsurkunde festgestellten Umstände und unter Berücksichtigung des offenkundigen zeitgeschichtlichen Kontextes zum Tatzeitpunkt keinen Anlass, das vom Landgericht gefundene Auslegungsergebnis rechtlich zu beanstanden.
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(i) Die gegenständliche Collage bezieht sich zum einen auf staatliche Maßnahmen und Regelungen mit Bezug auf die im November 2020 noch andauernde Corona-Pandemie, wobei sie („Impfen macht frei“) Schutzimpfungen gegen Covid-19 in den Vordergrund rückt. Zwar war, was als Zeitgeschehen allgemein bekannt ist, zum Tatzeitpunkt in Europa noch kein Covid-19-Impfstoff zugelassen; dies erfolgte erst am 21. Dezember 2020. Verschiedene Impfstoffe waren jedoch bereits entwickelt und befanden sich im staatlichen Genehmigungsverfahren. Die Meinungsäußerung des Angeklagten betraf jedenfalls zum Zeitpunkt, als er sie in seinem Facebook-Account gepostet hat, keine aktuellen, sondern von ihm befürchtete bevorstehende staatliche Maßnahmen. Da er gerade die (damals als bevorstehend zu erwartenden) Schutzimpfungen in den Fokus seiner Kritik stellt, ist diese zu seinen Gunsten dahin auszulegen, dass sie sich nicht gegen jegliche staatliche Maßnahme zur Eindämmung der Pandemie, sondern gegen eine (befürchtete) Differenzierung zwischen geimpften und ungeimpften Personen und eione Benachteiligung Letzterer wendet. Dieses objektive Auslegungsergebnis entspricht zudem seiner eigenen Einlassung, wonach er sich gegen „die Repressalien, denen Ungeimpfte ausgesetzt“ worden seien, habe aussprechen wollen. Man habe als Ungeimpfter weniger Rechte gehabt als als Geimpfter (UA S. 8).
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Gleichzeitig bringt die Darstellung objektiv zum Ausdruck, es gebe einen staatlichen Impfzwang (bzw. es stehe ein solcher bevor), der auch zwangsweise durchgesetzt werde. Die beiden schwarz uniformierten Männer mit überdimensionierten Spritzen sind zweifelsfrei als Repräsentanten eines staatlichen Sicherheitsapparates gezeichnet. Der Eingang zu dem KZ, vor dem sie positioniert sind, impliziert eine zwangsweise Durchsetzung der Impfung in Internierungslagern.
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(ii) Nach dem objektiven Aussagegehalt der bildlichen Gegenüberstellung unter besonderer Berücksichtigung der textlichen Konnotation werden die zum Tatzeitpunkt geltenden bzw. erwarteten pandemiebezogenen staatlichen Regeln, soweit sie zwischen geimpften und ungeimpften Personen differenzieren, mit dem NS-Unrecht, das jüdische Menschen und andere Verfolgte in den Konzentrationslagern erlitten haben, gleichgesetzt. Dies war vom Angeklagten, wie er eingeräumt hat, subjektiv auch gewollt. Er habe die staatlichen Maßnahmen damals und heute miteinander vergleichen wollen; er sei der Auffassung, es sei alles schon mal dagewesen (UA S. 8).
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(iii) Der Senat geht wie das Landgericht zunächst davon aus, dass die Äußerung nicht allein oder vorrangig darauf abzielte, die systematische und mörderische Verfolgung insbesondere von jüdischen Menschen zu verharmlosen (vgl. UA S. 7). Erkennbare Hauptmotivation ist vielmehr, sich selbst bzw. die Gruppe der nicht gegen Covid-19 Geimpften als Opfer staatlicher Repression darzustellen. Der Vergleich mit den Opfern des nationalsozialistischen Völkermordes stellt insoweit zunächst eine maßlose, geradezu unerträgliche Überhöhung der eigenen behaupteten Opferrolle dar. Dass darin eine geschmacklose Anmaßung liegt, führt nicht schon für sich zur Strafbarkeit. Grundsätzlich sind Meinungsäußerungen auch dann, wenn sie grundlos, geistig wertlos, offenkundig dumm, verwerflich, abstoßend oder gar gefährlich sind, von der Meinungsfreiheit gedeckt. Dies gilt im Grundsatz auch dann, wenn sie sich auf den Holocaust und andere unter den Nationalsozialisten begangene Verbrechen beziehen. Die Grenze zur Strafbarkeit ist in diesen Fällen erst bei Erfüllung der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 130 Abs. 3 StGB überschritten.
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iv) Eine Deutung dahin, dass der Angeklagte durch seine Bezugnahme auf das Unrechtshandeln des NS-Staates gegenwärtige staatliche Maßnahmen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie, insbesondere ungeimpfte Personen betreffende, „lediglich“ übertrieben dargestellt habe, würde den Aussagegehalt jedoch in unzulässiger Weise verkürzen. Die Übersteigerung der eigenen behaupteten Betroffenheit als Opfer staatlicher Repression geht im konkreten Fall mit einer Verharmlosung der in den Konzentrationslagern, namentlich in Auschwitz, begangenen NS-Verbrechen, einher.
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Verharmlosen im Sinne des § 130 Abs. 3 StGB erfasst nicht nur deren explizites Herunterspielen oder Beschönigen, sondern alle denkbaren Facetten agitativer Hetze wie auch verbrämter diskriminierender Missachtung (BGH NJW 2000, 2217, 2218), ebenso wie alle Formen des Relativierens oder Bagatellisieren des Unrechtsgehalts einer NS-Gewalttat (BGH, Urteil vom 22. Dezember 2004, 2 StR 365/04, NJW 2005, 689, 691; OLG Celle, Urteil vom 16. August 2019, 2 Ss 55/19, BeckRS 2019, 21220, Rn. 26).
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Das Konzentrationslager Auschwitz, dessen Tor der Angeklagte für seine Meinungsäußerung instrumentalisiert hat, steht als Synonym für den insbesondere an jüdischen Opfern begangenen millionenfachen Massenmord, insbesondere in Gaskammern. Wenngleich genaue Zahlen historisch nicht mehr ermittelbar sind, sind allein in Auschwitz jedenfalls über eine Million Menschen, neben Juden unter anderem auch Sinti und Roma, dem NSVölkermord zum Opfer gefallen. Der Name „Auschwitz“ ist über das konkrete Lager hinaus zum Inbegriff des Holocaust geworden, dem insgesamt, wie das Landgericht richtig festgestellt hat (UA S. 7), rund 6 Millionen Menschen zum Opfer gefallen sind.
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Dabei berücksichtigt der Senat, dass in der zeitgeschichtlichen Situation zur Tatzeit die staatlichen Corona-Maßnahmen im Allgemeinen, sowie die etwaige Einführung einer Impfpflicht oder die Privilegierung geimpfter Personen im Besonderen Gegenstand intensiver politischer und gesellschaftlicher Diskussionen waren. Die Meinungsfreiheit des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG, die, wie ausgeführt, bereits auf der Ebene der Deutung einer Meinungsäußerung zu berücksichtigen ist, findet auch darin ihre Ausprägung, dass im öffentlichen Meinungskampf grundsätzlich auch Kritik hingenommen werden muss, die in überspitzter und polemischer Form geäußert wird, weil andernfalls die Gefahr einer Lähmung oder Verengung des Meinungsbildungsprozesses drohen würde (BVerfG, Beschluss vom 26. Juni 1990, 1 BvR 1165/89, NJW 1995, 95, 96).
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Auch unter Beachtung des aufgezeigten Auslegungsmaßstabs führt die Auslegung der gegenständlichen Äußerung zu dem Ergebnis, dass sich diese sich nicht auf eine polemische und übertriebene Bewertung aktueller oder befürchteter staatlicher freiheitsbeschränkender Maßnahmen erschöpft, sondern die vom Gesetzgeber durch § 130 Abs. 3 StGB gezogene Grenze für die freie Meinungsäußerung überschreitet, die, ihrerseits im Lichte des Art. 5 Abs. 1 GG ausgelegt, die Tathandlung des Verharmlosens des NS-Völkermordes auch im der öffentlichen Meinungskampf verbietet. An der Verfassungkonformität der Strafnorm als allgemeines Gesetz im Sinne des Art, 5 Abs. 2 GG besteht kein Zweifel.
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Die vom Angeklagten verwendete bildliche Darstellung unter Berücksichtigung ihres sprachlichen Kontextes in der Form der Behauptung, es sei „Alles schon mal dagewesen“ stellt unmissverständlich einen unmittelbaren Bezug der kritisierten aktuellen oder befürchteten Rechtsstellung von nicht gegen Covid-19 geimpfte Personen, die als „Opfer“ staatlicher Maßnahmen dargestellt werden, zu den Opfern des in Konzentrationslagern begangenen Völkermordes an Juden und anderen Verfolgten des NS-Staates her. Es wird suggeriert, dass die damaligen Verbrechen den heutigen staatlichen Maßnahmen, wenn auch womöglich übertreibend, so doch im Wesentlichen qualitativ gleichwertig seien. Der Angeklagte gibt an, er habe vor einem Impfzwang warnen wollen (UA S. 9) – den es im Übrigen, wie das Landgericht richtig hervorhebt, als staatlichen Zwang weder zum Tatzeitpunkt noch jemals später – außer für im medizinischen Bereich Beschäftigte – gab. Der angesprochene staatliche „Zwang“ bestand, wie der Angeklagte selbst ausführte, darin, dass er sich „gedrängt“ gefühlt habe, sich impfen zu lassen, um den „Corona-Repressalien“ zu entgehen (UA S. 8). Diese hätten in staatlichen Einschränkungen von Freiheitsrechten bestanden, z.B. der Freiheit, einen Flieger zu benutzen, um in den Urlaub zu fliegen, oder Veranstaltungen zu besuchen (UA S. 9).
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Die qualitative Gleichsetzung der vom Angeklagten kritisierten staatlichen Einschränkungen Regelungen für nicht Geimpfte während der Corona-Pandemie, die darin bestanden, nicht in Urlaub fliegen und keine Veranstaltungen besuchen zu können, mit der geschichtlich einzigartigen, gleichsam fabrikmäßig begangenen massenhaften Vernichtung menschlichen Lebens in den Konzentrationslagern ist nicht lediglich ein polemische überzogener, absurder Vergleich. Durch die Gleichsetzung ungeimpfter Personen mit den Opfern, die in Konzentrationslagern vernichtet wurden, wird dieses historisch einzigartige Unrecht abgewertet und bagatellisiert. Diese verbrämte Bagatellisierung spiegelt sich nicht zuletzt auch in der Parallelität der verwendeten Toraufschriften. Der Schriftzug „Arbeit macht frei“ auf den Eingangstoren von Konzentrationslagern stellt eine zynische und verharmlosende Verschleierung dessen dar, was den Insassen tatsächlich zugefügt wurde. Die vom Angeklagten konkludent aufgestellte Behauptung, die bezeichneten Einschränkungen für Ungeimpfte seien ihrerseits mit den Maßnahmen in den Konzentrationslagern vergleichbar, erzeugt eine nicht weniger das wahre Ausmaß des NS-Unrechts verschleiernde Wirkung. Beide aufgezeigte Aspekte der Äußerung, die Überzeichnung eigener Betroffenheit von staatlichen Maßnahmen im heutigen rechtsstaatlichen Deutschland zum Schutz der Bevölkerung und die missachtende Abwertung des Schicksals der in den Lagern internierten Menschen sind jedenfalls im vorliegenden Fall nicht voneinander zu trennen; dies würde zu einer künstlichen Aufspaltung der einheitlichen Äußerung führen (anders Hoven/Obert, NStZ 2022, 331, 334f. für den Fall des Verwendens eines sog. Judensterns mit der Aufschrift „Ungeimpft“; für den Fall eines „Impfen macht frei“-Schildes im Stil des Eingangstores zum KZ Auschwitz jedoch eine Strafbarkeit wohl grundsätzlich bejahend, a.a.O. S. 334; zur Auslegung der Verwendung eines sog. Judensterns mit der Beschriftung „AfD“, um eine vergleichbare Verfolgung dieser Partei zu suggerieren, als Verharmlosung der Judenverfolgung durch die Nationalsozialisten vgl. BayObLG, Beschluss vom 25. Juni 2020, 205 StRR 240/20, BeckRS 2020, 52510 [vorangehend AG Augsburg, Urteil vom 23. August 2019, 06 Cs 101 Js 134200/18, BeckRS 2019, 57849; Berufung verworfen vom LG Augsburg, Urteil vom 9. Dezember 2019, 14 Ns 101 Js 134200/18, nicht veröffentlicht; zur hiergegen gerichteten Verfassungsbeschwerde [nicht zur Entscheidung angenommen] vgl. BVerfG, Beschluss vom 21. September 2021, 1 BvR 1787/20, BeckRS 2021, 38103, sowie zur – erfolglosen – Individualbeschwerde zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte EGMR, Urteil vom 5. Juli 2022, Individualbeschwerde Nr. 1854/22, juris; zur Wertung eines Judensterns mit der Aufschrift „Nicht geimpft“ als Volksverhetzung vgl. LG Würzburg, Beschluss vom 18. Mai 2022, 1 Qs 80/22, NStZ-RR 2022, 242; anders LG Aachen, Beschluss vom 18. August 2022, 60 Qs 16/22, BeckRS 2022, 24946 sowie Fischer, StGB, 70. Aufl. 2023, § 130 Rn. 27).
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b) Die Meinungsäußerung erfolgte öffentlich, was durch das Landgericht zutreffend dargelegt wurde und keiner weiteren Erörterung bedarf.
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c) Die weitere Annahme des Landgerichts, dass die Tathandlung geeignet gewesen sei, den öffentlichen Frieden zu gefährden, begegnet zwar teilweise in der Begründung, nicht aber im Ergebnis rechtlichen Bedenken.
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aa) Der von der Norm geschützte innerstaatliche öffentliche Friede umfasst den Zustand allgemeiner Rechtssicherheit und des befriedeten Zusammenlebens der Bürger sowie das Bewusstsein der Bevölkerung, in Ruhe und Frieden zu leben. Es genügt eine konkrete Geeignetheit der Tat zur Friedensstörung, denn es handelt sich um ein abstrakt-konkretes Gefährdungsdelikt (BGH, Urteil vom 12. Dezember 2000, 1 StR 184/00, NJW 2001, 624, 626). Gestört ist der öffentliche Frieden unter anderem dann, wenn das Vertrauen der Bevölkerung in die öffentliche Rechtssicherheit erschüttert wird (BGH NJW 2005, 689, 691 m.w.N.) Er kann durch eine infolge des Hervorrufens offener oder latenter Gewaltpotentiale entstandene Erschütterung des Vertrauens in die allgemeine Rechtssicherheit, vor allem auch durch die Verminderung des Sicherheitsgefühls des angegriffenen Teils der Bevölkerung, und zum anderen durch ein Aufhetzen des Publikums und der dadurch begründeten Gefahr von Übergriffen beeinträchtigt werden (vgl. Schäfer/Anstötz in MünchKomm StGB, 4. Aufl. 2021, § 130 Rn. 22 m.N.). Im Lichte des Art. 5 GG ist es hingegen nicht ausreichend, wenn lediglich eine öffentliche Empörung über den Täter oder seine Äußerung zu erwarten ist (SternbergLieben/Schittenhelm in Schönke/Schröder, StGB, 30. Aufl. 2019, § 130 Rn. 22). Maßgeblich ist die Würdigung des Gehalts der fraglichen Äußerung sowie sämtlicher Auslegungsmodalitäten einschließlich des zur Tatzeit herrschenden geistigen Klimas (Krauß in LK StGB, 13. Aufl. 2021, § 130 Rn. 138 m.w.N.).
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bb) Nach diesen Maßstäben und unter Berücksichtigung der zum Tatzeitpunkt geführten lebhaften und kontroversen gesellschaftlichen Diskussion um staatliche Corona-Maßnahmen haftete der Äußerung die Geeignetheit zur Friedensstörung an.
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(1) Die Äußerung wurde nach den Feststellungen auf einem öffentlich einsehbaren FacebookAccount getätigt und war daher geeignet, auch eine breitere Öffentlichkeit zu erreichen; tatsächlich wurden durch den Post binnen weniger Tage mindestens 52 Reaktionen von Adressaten („Likes“; ob die festgestellten „26 Kommentare“ von weiteren Nutzern abgegeben wurden, ist den Urteilsgründen nicht zu entnehmen) hervorgerufen.
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(2) Das Verharmlosen des nationalsozialistischen Völkermordes an jüdischen Menschen war unter den konkreten Umständen in mehrfacher Hinsicht geeignet, öffentlichen Frieden zu gefährden.
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(i) Zum einen tangiert die Äußerung die Würde und das Ansehen der Überlebenden des Holocaust und insbesondere der Ermordeten und ihrer Angehörigen in einem für das ganze Gemeinwesen unerträglichen Maße (vgl. BayObLG BeckRS 52510 Rn. 5; BVerfG BeckRS 2021, 38103). Sie beinhaltet einen Angriff auf die Ehre von Opfern und Überlebenden des Holocaust, ihrer Familien und die heute in Deutschland lebenden Jüdinnen und Juden (so EGMR, Urteil vom 5. Juli 2022, 1854/22, juris Rn. 14).
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Der Senat kann insoweit dahinstehen lassen, ob eine Gefährdung des öffentlichen Friedens durch derartige in die Öffentlichkeit gebrachte Äußerungen diesen regelmäßig anhaftet (BGH NJW 2002, 215; ihm folgend für einen Fall des Verharmlosens BayObLG a.a.O., unbeanstandet gelassen von BVerfG BeckRS 2021, 38103) oder in der hier vorliegenden Tatbestandsvariante des Verharmlosens, im Unterschied zu den Varianten der Billigumng und Leugnung, bei der die Geeignetheit zur Friedensstörung indiziert sei (BVerG NJW 2018, 2858 Rn. 31), nicht von einer Indizierung auszugehen sei, sondern die Geeignetheit zur Friedensstörung besonderer Feststellung bedürfe (BVerfG, Beschluss vom 22. Juni 2018, 1 BvR 2083/15, NJW 2018, 2861 Rn. 23). Die Abgrenzung mag im Einzelfall fragwürdig er scheinen (vgl. OLG Celle BeckRS 2019, 21220 Rn. 40); jedoch liegen die Voraussetzungen jedenfalls im vorliegenden Fall vor und sind durch die Feststellungen des Landgerichts in Zusammenschau mit dem offenkundigen Kontext der im November 2020 geführten gesellschaftlichen hinreichend belegt.
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Zutreffend wird vom Landgericht nicht bereits die anstößige, Empörung hervorrufende Geschichtsinterpretation des Angeklagten an sich als friedensgefährdend eingeordnet. Ein legitimes Schutzgut ist der öffentliche Frieden hingegen in einem Verständnis als Gewährleistung von Friedlichkeit (BVerfG NJW 2018, 2861 Rn. 27). Ziel ist der Schutz vor Äußerungen, die ihrem Inhalt nach erkennbar auf rechtsgutgefährdende Handlungen hin angelegt sind. Die Wahrung des öffentlichen Friedens bezieht sich insoweit auf die Außenwirkungen von Meinungsäußerungen etwa durch Appelle oder Emotionalisierungen, die bei den Angesprochenen Handlungsbereitschaft auslösen oder Hemmschwellen herabsetzen oder Dritte unmittelbar einschüchtern (BVerfG a.a.O.).
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Das Landgericht hat noch ausreichend dargetan, was im Übrigen auch offenkundig ist, dass zum Tatzeitpunkt eine „aufgeheizte Stimmungslage“ (UA S. 14) im Hinblick auf eine teilweise befürchtete Impflicht, sowie allgemein auf die Maßnahmen des Staates zur Bekämpfung der Corona-Pandemie bestand. Die Debatte wurde einer Gruppe von Teilnehmern zunehmend aggressiv geführt; es traten sog. Corona-Leugner in Erscheinung, es wurden Verschwörungstheorien verbreitet und es kam auf Demonstrationen zu Ausschreitungen von Impfgegnern, Corona-Leugnern und sog. Querdenkern (UA S. 14). Auch dann, wenn der Angeklagte diesen Personengruppen nicht nachweislich zuzuordnen war, bilden diese Vorgänge jedenfalls den bei der Auslegung seines Posts einzubeziehenden gesellschaftlichen und politischen Kontext.
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Vor diesem Hintergrund stellte die Verharmlosung des Holocaust nicht nur eine verbale Herabsetzung der Betroffenen, namentlich der in Deutschland Überlebenden des Holocausts und von Angehörigen und Nachfahren von Ermordeten nicht lediglich einen Angriff auf deren Würde dar, sondern war geeignet, diese aggressiven Emotionalisierungen auszusetzen und ihr Vertrauen darin, in Deutschland in Rechtssicherheit und Frieden leben zu können, zu gefährden.
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(ii) Hinzu kommt die Geeignetheit zur Friedensstörung unter einem weiteren Aspekt. Das Landgericht hat in den Urteilsgründen nicht zuvörderst auf die friedensgefährdende Verunglimpfung der Opfer und der heute noch in Deutschland lebenden jüdischen Mitbürger abgestellt, sondern auf die zu erwartenden Reaktionen der von staatlichen Regeln zur Bekämpfung der Corona-Pandemie betroffenen Adressaten. Zutreffend hat das Landgericht insoweit ausgeführt, dass die Collage des Angeklagten geeignet war, denjenigen die sich als Opfer von staatlichen Repressalien durch coronabedingte Freiheitseinschränkungen gesehen haben, zu suggerieren, ihnen werde Unrecht zugefügt, das dem NS-Völkermord gleichzusetzen sei, und sie damit aggressiv zu emotionalisieren. Auch dieser Aspekt stellt sich als (mittelbare) Folge der Verharmlosung des Holocaust dar und kann bei der Prüfung einer Geeignetheit zur Friedensgefährdung herangezogen werden. Der Schluss des Landgerichts, dass dieser Inhalt der Äußerung geeignet gewesen sei, den genannten Personengruppen ein Argument an die Hand zu geben, sich als legitime „Widerstandskämpfer gegen den Staat“ gegen vermeintliches Unrecht zu stilisieren, in der bereits aufgeheizten Stimmungslage als „geistige Brandbeschleunigung“ zu wirken und so die Gefahr gewaltsamer Ausschreitungen zu erhöhen, ist rechtlich nicht zu beanstanden.
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d) Auch die subjektive Tatseite in Gestalt des wenigstens bedingten Vorsatzes ist durch die Feststellungen belegt.
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e) Die Rechtsfolgenbestimmung und ihre Begründung weisen keine Rechtsfehler auf.
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Der Revision bleibt damit der Erfolg versagt, § 249 Abs. 2 StPO.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 Satz 1 StPO.