Inhalt

LG Hof, Urteil v. 27.09.2023 – 1 Ks 214 Js 4150/17
Titel:

Kompensation einer rechtsstaatswidrigen Verfahrensverögerung von 3 Jahren und 1 Monat durch Vollstreckungserklärung von 20 Tagessätzen (von 150 bzw. 120 Tagessätzen) Geldstrafe

Normenketten:
StGB § 40 Abs. 2, § 222
EMRK Art. 6 Abs. 1 S. 1
GG Art. 2 Abs. 1, Art. 20 Abs. 3
Leitsätze:
1. Die Teilung eines Silikonstents mit einem Laser in der Trachea ist aufgrund der Brennbarkeit des zu schneidenden Materials Silikon nicht lege artis; es stellt einen erheblichen Behandlungsfehler dar, die Sauerstoffkonzentration vor der Laseranwendung nicht zu reduzieren, da dadurch das Feuerrisiko erheblich erhöht wird. (Rn. 133) (redaktioneller Leitsatz)
2. Eine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung von drei Jahren und einem Monat ist dadurch zu kompensieren, dass jeweils 20 Tagessätze der verhängten Geldstrafen (von 150 bzw. 120 Tagessätzen) als vollstreckt gelten. (Rn. 171) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
fahrlässige Tötung, ärztlicher Behandlungsfehler, Lasereinsatz, Trachea, rechtsstaatliche Verfahrensverzögerung, Kompensation, Vollstreckungslösung
Rechtsmittelinstanz:
BGH Karlsruhe, Beschluss vom 20.03.2024 – 6 StR 17/24
Fundstelle:
BeckRS 2023, 45810

Tenor

I. Die Angeklagten sind jeweils schuldig der fahrlässigen Tötung.
II. Der Angeklagte … wird deshalb zu einer Geldstrafe von 150 Tagessätzen zu je 210 Euro verurteilt.
III. Der Angeklagte … wird deshalb zu einer Geldstrafe von 120 Tagessätzen zu je 130 Euro verurteilt.
IV. Von der verhängten Geldstrafe gelten jeweils 20 Tagessätze zur Entschädigung für die unangemessen lange Verfahrensdauer als vollstreckt.
V. Die Angeklagten haben die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Entscheidungsgründe

I. Persönliche Verhältnisse
1. Angeklagten …
1
Der Angeklagte … wurde am … in … geboren.
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Im Anschluss an seine Grundschulzeit bis … besuchte er bis … das Gymnasium. Hier legte er das Abitur ab. Nach einem …-jährigen Zivildienst im medizinischen Bereich studierte er von … in …. Im Rahmen seines Studiums verbrachte er insgesamt … Monate in …. Nach dem abgelegten Staatsexamen war der Angeklagte von … in …. Im Folgenden spezialisierte er sich in Richtung … mit Schwerpunkt … und erlangte hierin den …. Seine erste … trat er in … an. Dort wurde er …. Ab dem Jahr … spezialisierte sich der Angeklagte weiter in Richtung …. Zusätzlich bekam er … die Weiterbildungsermächtigung für …. In den Jahren … erlangte er die Zusatzbezeichnungen …. Von … war der Angeklagte am Klinikum in … beschäftigt, im Anschluss bis zum Jahr …. Ab dem Jahr … spezialisierte er sich im Schwerpunkt … wechselte er bis zum … an das Klinikum in …. … hatte er die Zusatzbezeichnunger … erworben. Seit … war der Angeklagte als … und … ans … gewechselt. … wurde er Prüfe … Während der Corona-Pandemie bestellte ihn das … zum …. Im … wechselte der Angeklagte an das Klinikum nach …, ein spezielles Lungenzentrum, wo er seither tätig ist.
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Der Angeklagte heiratete im Jahr …. Die Ehefrau ist als … für ca. … Euro monatlich netto angestellt. Beide haben einen …, der aktuell … Jahre alt ist und in … ein Studium … beginnt. Die gesamte Familie wohnt in einem … in …. Monatlich verfügt der Angeklagte inklusive aller Nebeneinnahmen über ein Einkommen von ca. … Euro netto.
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Der Angeklagte hat keine Schulden. Für das gemietete Haus zahlt er monatlich … Euro Miete. Zudem bestreitet er den Naturalunterhalt für seinen Sohn.
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Eigentlich beabsichtigten der Angeklagte und seine Ehefrau, auf einem bereits erworbenen Grundstück ein Eigenheim zu bauen. Aufgrund des verfahrensgegenständlichen schwebenden Strafverfahrens und der damit zusammenhängenden möglichen und im Voraus nicht absehbaren Kosten und Konsequenzen nahm der Angeklagte bislang davon Abstand.
6
Aktuell ist gegen den Angeklagten bei der Regierung von Unterfranken ein Verwaltungsverfahren anhängig, im Rahmen dessen approbationsrechtliche Maßnahmen geprüft werden. Zum anderen läuft gegen ihn bei der Bayerischen Landesärztekammer ein Berufsaufsichtsverfahren, in dem berufsrechtliche Sanktionen geprüft werden. Vor einer Entscheidung warten die jeweils zuständigen Entscheidungsgremien den Abschluss bzw. eine rechtskräftige Entscheidung im aktuellen Strafverfahren ab.
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Der Angeklagte ist körperlich und geistig gesund.
8
Der Angeklagte ist nicht vorbestraft.
2. Angeklagter …
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Der Angeklagte … wurde am … in … geboren.
10
Im Anschluss an seine Grundschulzeit besuchte er bis … das Gymnasium in …, wo er das Abitur ablegte. Hieran schloss er einen …-monatigen Zivildienst in der Kirchgemeinde sowie ein Praktikum in der Firma … an, bevor er sich entschloss, Medizin zu studieren. Von … studierte er in …. Ende des Praktischen Jahres verweilte er … Monate in …. Von … hatte der Angeklagte seine erste Stelle als … in der allgemeinen Unfallchirurgie in …; von … war er in der. Klinik für …. Im Folgenden wechselte er in die Fachrichtung … und war bis … an der Klinik in … und sodann bis … in …. … erlangte er den Facharzt für …. In dieser Zeit zeigte er bereits großes Interesse für …, arbeitete mit … und legte seinen ersten Kurs als … ab. Im Jahr … wechselte der Angeklagte als … an das … in die …. Hier baute er die Endourologie auf und fokussierte den Einsatz von Lasern in der Urologie. Zugleich war und ist er … auf Kongressen zum Einsatz von Lasern, erhielt … einen Vortragspreis und hat regelmäßig am Klinikum in … Gäste, die sich die Anwendung von Lasern in der Urologie zeigen und erklären lassen. Seit dem Jahr … ist der Angeklagte Laserschutzbeauftragter am ….
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Der Angeklagte heiratete …. Die Ehefrau ist als … geringfügig auf … Euro-Basis beschäftigt. Beide haben … im Alter von … Jahren, die Zahnmedizin in … und Medizin in … studieren.
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Monatlich verfügt der Angeklagte inklusive aller Nebeneinnahmen über ein Nettoeinkommen von ca. … Euro. Er bewohnt ein Eigenheim in …, welches noch nicht abgezahlt ist und für welches er monatlich … Euro zahlt. Seinen beiden Söhnen stellt er monatlich jeweils … Euro Unterhalt zur Verfügung.
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Seit dem verfahrensgegenständlichen Vorfall und aufgrund des laufenden Strafverfahrens hat sich der Angeklagte nicht um eine neue berufliche Perspektive bemüht. Er ist auf entsprechende Angebote, beispielsweise …, nicht eingegangen, sondern hat sein berufliches Fortkommen zurückgestellt, um insofern auch einen künftigen Arbeitgeber nicht zu belasten.
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Aktuell ist gegen den Angeklagten bei der Regierung von Unterfranken ein Verwaltungsverfahren anhängig, im Rahmen dessen approbationsrechtliche Maßnahmen geprüft werden. Zum anderen läuft gegen ihn bei der Bayerischen Landesärztekammer ein Berufsaufsichtsverfahren, in dem berufsrechtliche Sanktionen geprüft werden. Vor einer Entscheidung warten die jeweils zuständigen Entscheidungsgremien den Abschluss bzw. eine rechtskräftige Entscheidung im aktuellen Strafverfahren ab.
15
Der Angeklagte ist körperlich und geistig gesund.
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Der Angeklagte ist nicht vorbestraft.
II. Sachverhalt
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Die beiden Angeklagten waren im Jahr … als … am … Klinikum in … in der … tätig; der Angeklagte … als … und der Angeklagte … als …. Zugleich übte der Angeklagte … auch die Funktion des Laserschutzbeauftragten am … Klinikum aus. Während der Angeklagte … schon längere Zeit in … beschäftigt war, hatte der Angeklagte … erst im vom Klinikum in … an das Krankenhaus nach … gewechselt. Hier sollte er die Abteilung … aufbauen.
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Der am … geborene und am … verstorbene … war bereits Patient des Angeklagten …, als dieser vor seinem Wechsel ans … Klinikum … am Klinikum in … tätig war. … war mit dem Angeklagten … erstmals im … – damals in … – in Kontakt gekommen. Er hatte sich an den Angeklagten wegen Atemnot gewandt, nachdem er zuvor im … einen Kleinhirninfarkt erlitten hatte, infolgedessen es bei ihm auch zu einem akuten Lungenversagen gekommen war. … musste damals im Klinikum in … u.a. mit einer Tracheotomie behandelt werden. In dieser Zeit wurde er längere Zeit über das Tracheostoma beatmet und befand sich Wochen in einem künstlichen Koma. Langzeitfolge dieser Beatmung war jedoch auch, dass sich die Luftröhre des Patienten verengte mit der weiteren Folge, dass er nur noch schlecht Luft bekam, und nicht mehr belastbar war. Bei kleinsten Anstrengungen und selbst im Liegen hatte er Probleme zu atmen.
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Wegen dieser Atemnot infolge der Engstellung im Hals, einer sog. Stenose, wandte sich … in … an den Angeklagten …. Der Angeklagte … zeigte … im Folgenden als Therapiemöglichkeiten zum einen als erste Variante einen chirurgischen Eingriff zum Weiten der Luftröhre auf. Als zweite Variante und Alternative dazu schlug er vor, den Hals mittels eines Stents, den er über ein Bronchoskop einsetzen wollte, zu weiten. Nachdem für … jeder chirurgische Eingriff aufgrund seiner medizinischen Vorgeschichte mit einem neuen akuten Lungenversagen gefahrbehaftet war und er deshalb keine erneute Operation an der Luftröhre wünschte, entschied sich der Patient für Variante zwei, nämlich die Einbringung eines Stents in die Luftröhre. Dieser Eingriff, das Einbringen des Stents in die Luftröhre mittels Bronchoskop, wurde im … am Klinikum … durch den Angeklagten … vorgenommen. Dabei wurde der Stent mit einem Haltefaden in der Trachea fixiert, um sein Verrutschen zu verhindern.
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In der Folgezeit zeigte sich eine deutliche Besserung der Atemproblematik beim Patienten …. Er war sogar gewillt, seine alte Tätigkeit als … wieder aufzunehmen. Allerdings stellte sich bei ihm im Laufe der Zeit als negative Folge des Fremdkörpers Stent in der Luftröhre unangenehmer Mundgeruch ein. Auf dem Stent lagerten sich Keime und Bakterien ab, die den Mundgeruch und damit auch einen neuen Leidensdruck beim Patienten verursachten. Mit diesem Problem wandte sich … im Jahr … erneut an den Angeklagten …. Nach einer entsprechenden Beratung durch den Angeklagten … entschied sich … den Stent wieder entfernen zu lassen. Er hatte die Hoffnung, dass durch eine Wandstabilisierung sich die Stenose zurückgebildet habe und nicht mehr vorhanden sei, so dass eine verbesserte Atmung auch ohne Stent möglich wäre. Dabei sollte der Stent wie beim Einsetzen im Rahmen einer Bronchoskopie unter Vollnarkose aus der Luftröhre entfernt werden, wobei der den Stent fixierende Haltefaden mittels Lasers durchgeschnitten werden sollte.
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Nachdem der Angeklagte … im … des Jahres … an das Klinikum nach … wechseln wollte, vereinbarten … und der Angeklagte …, dass man den Eingriff in … vornehmen wird.
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Der Angeklagte … klärte am Klinikum in … im Folgenden die ihn erwartenden räumlichen und materiellen Voraussetzungen für den geplanten bronchoskopischen Eingriff ab. Dabei wurde ihm von der Klinikleitung mitgeteilt, dass er kein eigenes Lasergerät in … bekommen werde, sondern sich bei den vorhandenen Geräten bedienen müsse. Insofern sollte er sich an den Laserschutzbeauftragten und Angeklagten … wenden, von dem er auch die bei jedem Gerät im Voraus vorzunehmende Geräteeinweisung erhalten sollte.
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Der Angeklagte … hatte im Rahmen seiner Tätigkeit als … bereits langjährig Kenntnisse im Umgang mit Lasergeräten verschiedenster Art sammeln können, u.a. auch mit dem für den Eingriff vorgesehenen Thulium-Laser. Er hatte eine Herstellereinweisung für dieses Gerät und durfte daher auch andere Anwender einweisen. Nachdem der Angeklagte … im Rahmen seiner Tätigkeit als … auch mit Kunststoffen zu tun hat, hatte er in der Vergangenheit bereits Erfahrungen mit der Anwendung des Thulium-Lasers auf Kunststoffe gemacht. So verwandte er das Gerät als Laserskalpell und hatte dabei auch festgestellt, dass Thulium-Laser zum Durchtrennen von Silikon in Luftumgebung grundsätzlich geeignet sind.
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Der Angeklagte … hatte in seiner beruflichen Vergangenheit ebenfalls bereits viele Erfahrungen im Umgang mit Lasern gemacht. Auch er hatte bereits mit Thulium-Lasern gearbeitet und hatte einen Kurs für Laserschutzbeauftragte absolviert. Jedoch hatte er vor dem verfahrensgegenständlichen Eingriff noch nicht mit dem konkret einzusetzenden Lasergerät des … Klinikums … gearbeitet, weshalb er in dessen Bedienung vor dem ersten Einsatz noch einzuweisen war.
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Nachdem der Angeklagte … die für den Eingriff notwendigen Materialien beschafft hatte, wandte er sich etwa … Wochen vor dem tatsächlichen Eingriff telefonisch an den Angeklagten …, um mit ihm die Laserüberlassung und die Geräteeinweisung zu besprechen. In diesem Zusammenhang erläuterte er seinem Kollegen, dass er mittels eines Thulium-Lasers einen Haltefaden, der den Stent in der Luftröhre fixiert, durchtrennen wolle. Bis zur tatsächlichen Operation fand im Folgenden kein weiterer Kontakt zwischen den angeklagten Ärzten mehr statt.
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Die Entfernung des Stents beim Patienten … wurde schließlich für den … geplant. Dafür erhielt der Angeklagte … den Operationssaal … am Morgen des … für etwa … Stunden planmäßig zur Verfügung gestellt.
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Bereits am … wurde … stationär im Klinikum … aufgenommen. Am Tag vor der OP, dem …, führte der Angeklagte … mit dem Patienten … ein umfassendes Aufklärungsgespräch durch, bei dem der geplante Eingriff nochmals im Einzelnen besprochen wurde. Dabei erläuterte der Angeklagte …, dass der Eingriff durch ein einzuführendes starres Bronchoskop und dann im weiteren Verlauf mit einem flexiblen Bronchoskop erfolgt. Der Haltefaden des Stents sollte mit einem Thulium-Laser getrennt, dann der Stent mit einer Zange eingedreht (um den Durchmesser zu verkleinern) und über das starre Bronchoskop entfernt werden. Im Rahmen des etwa einstündigen Aufklärungsgesprächs wurde auch besprochen, dass – für den Fall, dass der Stent über das starre Bronchoskop nicht geborgen werden kann – dieser doch im Wege eines operativen Eingriffs durch einen Luftröhrenschnitt geborgen werden solle. Allerdings sollte dies nur im Notfall erfolgen, da der Patient eine Operation wegen der im Jahr … aufgetretenen Komplikationen, soweit dies möglich ist, vermeiden wollte. Für den Fall, dass doch eine Tracheotomie durchgeführt werden muss, vereinbarte der Angeklagte … mit dem Chefarzt und Chirurgen …, dass dieser den Eingriff vornimmt.
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Am Morgen des … fanden sich der Angeklagte … und seine instrumentierende Schwester … im Operationssaal … ein und stellten die Geräte für den folgenden Eingriff in die jeweils erforderliche Position. Mit vor Ort war auch der Anästhesist … Geplant und im Folgenden so auch umgesetzt war, dass der Patient nach Einleitung der Narkose über den operierenden Pneumologen … Sauerstoff zugeführt bekommt, und nicht wie sonst üblich durch den Anästhesisten. Die Sauerstoffgabe erfolgte durch eine Jet-Ventilation über eine Schlauchverbindung zum eingesetzten starren Bronchoskop bedient durch den Angeklagten … Eine solche Jet-Ventilation erfolgt bei urologischen Eingriffen grundsätzlich nicht, so dass diese dem Angeklagten … bislang nicht bekannt und geläufig war.
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Vor dem Eingriff erschien der Angeklagte … im Operationssaal. Er erklärte sich bereit, während des Eingriffes zugegen zu bleiben und dabei bei dem Angeklagten … die erforderliche Geräteeinweisung vorzunehmen. Im Folgenden demonstrierte der Angeklagte … dem Einzuweisenden die Funktionsweise des Gerätes. Zugleich assistierte er während des Eingriffes dem Angeklagten ….
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Nachdem die Vollnarkose beim Patienten … durch den Anästhesisten eingeleitet worden war, übernahm der Angeklagte … die Beatmung und begann mit der Operation. Zunächst führte er ein starres Bronchoskop bis etwa zur Stimmritze und zum Beginn des ca. 3,5 cm langen Silikonstents in den Rachenraum des Patienten ein. Dabei deckte dieses Bronchoskop die Stimmritze ab. Über das starre Bronchoskop erfolgte auch die Jet-Beatmung des Angeklagten …. Es konnte so eine ausreichende Oxygenierung (d.h. Sauerstoffversorgung) des Patienten sichergestellt werden. Durch den Schaft des starren Bronchoskops führte der Angeklagte … nunmehr ein flexibles Bronchoskop mit einer Kamera an der Spitze ein. Die Kamerabilder wurden auf einem Bildschirm unmittelbar neben dem OP-Tisch und für beide angeklagte Ärzte sichtbar wiedergegeben. Der Angeklagte … zeigte sodann den Faden, der den Stent in Position hielt und der mittels Lasers durchtrennt werden sollte. Der Angeklagte … fragte beim Angeklagten … nach, welche Faserstärke er für die Durchtrennung verwenden wolle. … entschied sich für eine 600µ Faser und eine Laserleistung von ca. 30 Watt. Allen Beteiligten war klar, dass nun der Laser zum Einsatz kommen solle.
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Der Angeklagte … bat die im Raum Anwesenden, die Laserschutzbrillen aufzusetzen und stellte den Laser auf 35 Watt. Der Angeklagte … aktivierte an seiner Jet-Ventilation die „Laser-Save-Taste“, um die Sauerstoffzufuhr zu reduzieren. Das Drücken dieser „Laser-Save-Taste“ bewirkt, dass an der Jet-Ventilation regelmäßig die beim Patienten vorliegende Sauerstoffkonzentration gemessen und nur noch in geringen Mengen Sauerstoff zugeführt wird. Erst wenn die Sauerstoffkonzentration so gering ist, dass eine Laseranwendung im Rachenraum unbedenklich ist (etwa 40 % Sauerstoffkonzentration), leuchtet eine grüne Lampe am Gerät auf. Diese signalisiert, dass jetzt der Laser zum Einsatz kommen kann. Nach Aufleuchten des grünen Lichts führte der Angeklagte … mit Hilfe des Angeklagten … die Laserfaser durch das flexible Bronchoskop zum Haltefaden. Beim Einführen der Laserfaser sind üblicherweise vier Hände erforderlich. Der Angeklagte … stellte sodann das Lasergerät mit der Taste „Ready“ auf einsatzbereit („scharf“) und der Angeklagte … aktivierte mit dem Fußschalter den Laser. Allerdings kam es nicht zum gewünschten Teilen des Fadens, da der Pilotstrahl des Lasers nicht zu sehen war. Daraufhin deaktivierte der Angeklagte … den Laser wieder und bat den Angeklagten … die Laserfaser zurückzuziehen. Es zeigte sich ein im Bronchoskop entstandener Faserbruch als Ursache für die Dysfunktion. Nunmehr entschied sich der Angeklagte … nach Rücksprache mit dem Angeklagten …, die flexiblere 200µ Faser zu verwenden. Zwischenzeitlich war die Sauerstoffzufuhr vom Angeklagten … wieder reaktiviert worden und der Patient war mit dem notwendigen Sauerstoff oxygeniert. Nachdem nunmehr die 200µ Faser angeschlossen und eingeführt und die Oxygenierung erneut durch den Angeklagten … mit der „Laser-Save-Taste“ heruntergeregelt worden war, erfolgte wieder die Aktivierung des Lasers durch die Angeklagten … am Lasergerät und … am Fußschalter. Beim zweiten Versuch glückte die geplante Teilung des Fadens problemlos mittels des Laserstrahles. Die Laserfaser wurde durch die Angeklagten wieder zurückgezogen und die normale Oxygenierung über die Jet-Ventilation durch den Angeklagten … wieder aktiviert.
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Im Folgenden versuchte der Angeklagte … über einen Zeitraum von ca. 30-45 Minuten, den nunmehr nicht mehr am Haltefaden befestigten Stent über das Bronchoskop zu bergen, wobei er verschiedene Zangen zum Einsatz brachte und unterschiedlichste Methoden nutzte. Hierbei kam es auch zu einem Einriss im Stent. Aufgrund der zwischenzeitlich verstrichenen Zeit war … erschienen, der den Vorschlag unterbreitete, doch eine Tracheotomie durchzuführen, um den Stent zu entfernen. Auch der Angeklagte … war zwischenzeitlich zu der Überzeugung gekommen, dass die Entfernung des Stents über das Bronchoskop gescheitert ist und dass eine Tracheotomie durchgeführt werden müsse, was er dem Angeklagten … so auch mitteilte.
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Sowohl kurz vor als auch im Laufe des vorangegangenen Eingriffes hatte der Angeklagte … dem Angeklagten … die Krankengeschichte des Patienten … näher gebracht und dabei erwähnt, dass die Verengung der Luftröhre des Patienten erst als Folge einer Tracheotomie entstanden war und dass die Gefahr bestünde, dass dies bei einem erneuten operativen Eingriff über die Trachea wieder passieren würde. Damit wäre der erzielte Heilungserfolg zugleich ad absurdum geführt.
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Dies vor Augen unterbreitete der Angeklagte … dem Angeklagten … den Vorschlag, den Stent vor einer Entfernung mittels Lasers zu zerteilen. Die dabei entstehenden kleineren Stentteile könnten so evtl. leichter entfernt und der Luftröhrenschnitt vermieden werden. Hierbei besann sich der Angeklagte … auf seine in der Vergangenheit praktizierten Versuche bei der Bearbeitung von Kunststoff mit Laserstrahlen unter Luftbedingungen, die jeweils erfolgreich waren. Auch hatte er in der Vergangenheit bereits Silikon an der Luft geschnitten.
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Der Angeklagte … selbst hatte zuvor noch nie Kunststoffstents mittels Laser geteilt und war sich insofern nicht sicher, wie er vorgehen solle. Dies kommunizierte er auch dem Angeklagten …, indem er ihm sagte, dass er das noch nie gemacht habe und dies als Methode nicht kenne. Der Angeklagte … bot daraufhin dem Angeklagten … an, das Zerteilen des Stents und damit den Schnitt zu übernehmen. Dabei sollte der Angeklagte … den Angeklagten … unterstützen. Nachdem der Angeklagte … zunächst noch etwas unsicher war und einen weiteren erfolglosen Versuch unternahm, den Stent – wie geplant – über das Bronchoskop zu entfernen, willigte er schließlich in die angedachte Vorgehensweise ein und meinte, dass der Angeklagte … die Stentteilung mittels Lasers versuchen solle. Dabei gab er deutlich zu verstehen, dass er selbst die Teilung persönlich nicht vornehmen werde.
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Beide nahmen weder in Kauf noch billigten sie in irgendeiner Weise, dass es durch den Lasereinsatz an dem Stent zu einer Schädigung des Patienten kommt. Ziel der beiden Angeklagten war es, den Stent auf möglichst schonende Weise aus der Luftröhre des Patienten zu bergen. Dabei wollten beide Angeklagte durch diese Methode dem Patienten … eine erneute Tracheotomie ersparen, die ja wiederum mit dem Risiko erneuter erheblicher gesundheitlicher Beeinträchtigungen verbunden gewesen wäre und sogar das Risiko in sich geborgen hätte, dass eine Trachearekonstruktion hätte durchgeführt werden müssen.
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Sie gingen beide davon aus, dass der Patient … bei Kenntnis aller Umstände und unter Berücksichtigung seiner Wünsche und Prioritäten auch in eine Teilung des Stents mittels Lasers eingewilligt hätte. Dies vor allem deshalb, weil er über den Einsatz des Lasers zur Durchtrennung des in unmittelbarer Nähe des Stents befindlichen Haltefadens aufgeklärt worden war und danach hierin eingewilligt hatte.
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… hatte zwischenzeitlich den OP verlassen, um sich vorsorglich auf eine Tracheotomie vorzubereiten.
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Nachdem also beide Angeklagte übereingekommen waren, die Stentspaltung mittels Lasers durchzuführen, tauschten die Angeklagten … und … die Plätze. Der Angeklagte … stand nunmehr am Kopfende des Patienten, der Angeklagte … vor den Bedienelementen des Lasergerätes. Der Angeklagte … schaltete das Lasergerät wieder ein, wobei er die Leistung auf 35 Watt einstellte. Bis zum tatsächlichen Einsatz des Lasers dauerte es jetzt noch etwa 4 Minuten. In dieser Zeit übernahm der Angeklagte … das flexible Bronchoskop, während der Angeklagte … den starren Schaft fixierte. Sodann führte der Angeklagte … mit Hilfe des Angeklagten … die bereits zuvor verwandte 200µ Laserfaser in das Bronchoskop ein, ließ das Lasergerät durch den Angeklagten … „scharf“ stellen, wobei er hierfür auf den „Ready“-Knopf zeigte, und positionierte die Faser am Stent. Nun bediente der Angeklagte … den Fußschalter, um den Laser endgültig zu aktivieren. Sofort war auf dem die Verhältnisse in der Trachea wiedergebenden Monitor eine Flamme zu sehen und ein lauter Knall zu vernehmen. Der Angeklagte … reagierte mit den Worten: „Mist, der Sauerstoff“ und reduzierte umgehend den Sauerstoff an seiner Jet-Ventilation. Zuvor hatten weder der Angeklagte … noch der Angeklagte … an der Jet-Beatmung die „Laser-Save-Taste“ aktiviert und damit den Sauerstoff reduziert, so dass der Patient während des Versuches, den Stent zu trennen, zu ca. 80 % oxygeniert war. Die hohe Sauerstoffkonzentration im Rachenraum hatte wiederum dazu geführt, dass die Bronchoskopspitze in Brand geraten war und die dadurch freigesetzte thermische Energie zu einer erheblichen Schädigung des gesamten Luftröhrensystems und einer erheblichen Schädigung der Lunge führte. Sofern – wie zwingend bei einem Lasereinsatz im Bereich der Atemwege – der Sauerstoff zuvor auf 40 % Konzentration reduziert worden wäre, wäre es zu der explosionsartigen Verpuffung nicht gekommen.
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Bei Anwendung der erforderlichen und beiden Angeklagten auch zumutbaren Sorgfalt hätten diese erkennen können, dass vor dem Lasereinsatz die Sauerstoffzufuhr nicht gedrosselt war. Beide Angeklagte hätten vor der erneuten Laseranwendung zum Durchteilen des Stents sicherstellen müssen, dass die Sauerstoffzufuhr abgeschaltet bzw. reduziert wird und dass der Patient vor dem Einsatz zwingend maximal 40 % oxygeniert ist. Sie hätten auch erkennen können und müssen, dass es anderenfalls zu einem Brand bzw. einer Verpuffung in der Luftröhre und damit einer Gefährdung und sogar zum Tod des Patienten kommen kann. Insofern war der Tod des Angeklagten für beide Angeklagte vorhersehbar und vermeidbar. Der Angeklagte … hätte als Pneumologe und die Operation leitender Verantwortlicher sicherstellen müssen, dass vor dem Lasereinsatz der Sauerstoff reduziert wird. Er hätte die Besonderheiten im Rahmen eines bronchoskopischen Eingriffes berücksichtigen und deren Beachtung sicherstellen müssen. Aber auch der dann tatsächlich die Operation übernehmende Angeklagte … hätte, nachdem er in einem fachfremden Operationsgebiet tätig würde, die hier zu stellenden Anforderungen bei einem Lasereinsatz beachten und auf die Reduzierung des Sauerstoffs achten bzw. hinwirken müssen.
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Im weiteren Verlauf versuchte der Angeklagte … mit einem neuen flexiblen Bronchoskop in die Atemwege vorzudringen. Dabei kam er aufgrund eines verkohlten Fremdkörpers in der Luftröhre aber nicht weiter. Zusammen mit dem herbeigeeilten … traf er die Entscheidung zu einer chirurgischen Tracheotomie. Diese wurde kurz nach dem Brand eingeleitet und der Stent wurde geborgen. Dabei wies der Stent selbst keine Brandschäden auf. Zugleich wurde im Rahmen der Tracheotomie versucht, sämtliche sich in der Luftröhre und in den Atemwegen befindenden Kunststoffteile zu bergen und zu entfernen. In allen Bronchialästen befanden sich Kunststofffragmente des zerborstenen Bronchoskops, die abgesaugt, mittels Zange entfernt und mit Hilfe eines Dormiakörbchens, einem speziellen medizinischen Greifgerät, geborgen wurden. Zudem wurde immer wieder gespült und eine Antibiotikabehandlung eingeleitet. Schließlich wurde der Patient mit einer Trachealkanüle versorgt.
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Wie sich später herausstellte, war eine komplette Entfernung aller Restmaterialien nicht möglich, weshalb immer wieder Spülungen und Absaugungen durchgeführt wurden. In der Folge kam es zu einem Absterben der durch den Brand geschädigten Teile der Luftröhrenwand und einem progredienten Lungenversagen.
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Nach dem operativen Eingriff am … wurde der Patient … auf die Intensivstation im … Klinikum … verlegt, wo er auch wieder wach wurde und ansprechbar war. In den Folgetagen wurde er immer wieder bronchoskopiert, die Atemwege wurden gesäubert und Sekret wurde mehrmals täglich bronchoskopisch abgesaugt. Im weiteren Verlauf entwickelte … Alektasen (kollabierende Lungenabschnitte) und einen Pleuraerguss beidseitig (Ansammlung von Flüssigkeit im Bereich zwischen Brustkorb und Lunge). Auch kam es zu einer Blutung aus dem Tracheostoma nach einem Trachealkanülenwechsel. Deshalb wurde im Rahmen einer Tracheostoma-Revision eine Thoraxdrainage angelegt und der Patient wurde umintubiert, um u.a. eine Bauchlage zu ermöglichen. Dennoch kam es zu einem akuten Atemnotsyndrom (ARDS). Vor diesem Hintergrund wurde dem Patienten am … eine nach … verbracht ECMO-Anlage angelegt und er wurde sodann ins Klinikum nach … verlegt. Hier wurde am … eine Notfalloperation durchgeführt, nachdem zuvor eine schwere Destruktion der Trachea mit multiplen Rissen und ausgedehnten Verbrennungen des zentralen Bronchialsystems festgestellt worden waren. Trotz einer maximalen Beatmung und einer maximalen Leistung der ECMO-Anlage konnte über die gesamte Dauer des Aufenthaltes in … keine ausreichende Oxygenierung des Patienten erreicht werden. Eine Lungentransplantation war aufgrund des umliegenden geschädigten Gewebes nicht möglich. Auch in … verschlechterte sich der Allgemeinzustand des Patienten somit weiter. Am … wurde schließlich eine seit dem … vermutete Fistel (Verbindung zwischen Luft- und Speiseröhre) nachgewiesen, die aufgrund der schweren Gewebeschäden im potentiellen Operationsgebiet weder operativ saniert noch mittels Stentanlage in der Speiseröhre überbrückt werden konnte. Deshalb wurde in einer multidisziplinären Diskussion der Zustand des Patienten als medizinisch nicht mehr erfolgreich behandelbar eingeschätzt. Nach Rücksprache mit der Ehefrau des Patienten am … wurde entschieden, die Therapie zu beenden und den Tod des Patienten … zu gestatten.
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… verstarb am … gegen … Uhr an einem Multiorganversagen infolge der thermischen Schädigung der Luftröhre, die beim Versuch, den Stent in der Luftröhre zu teilen, entstanden war.
III. Beweiswürdigung
1. Persönliche Verhältnisse
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Die Feststellungen zu den persönlichen Verhältnissen beruhen auf den Angaben der beiden Angeklagten im Rahmen der Hauptverhandlung, an denen zu Zweifeln keinerlei Anlass bestand. Im Hinblick auf ihre Einsatzgebiete im … Klinikum … wurden ihre Angaben bestätigt durch den Geschäftsführer und Zeugen …. Der Zeuge beschrieb beide angeklagten Ärzte zugleich als erfahrene und pflichtbewusste Kollegen, bei denen keinerlei riskantes Handeln bis zu diesem Zeitpunkt und auch danach bekannt geworden sei. Gleiches bestätigte der Zeuge und Chefarzt ….
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Dass gegen die Angeklagten bei der Regierung von Unterfranken und der Bayerischen Landesärztekammer Verfahren anhängig sind und dass in beiden Fällen jeweils zunächst die Entscheidung im vorliegenden Strafverfahren abgewartet wird, ergibt sich aus den verlesenen Mitteilungen des zuständigen Sachbearbeiters … der Regierung von Unterfranken vom … und der … der Bayerischen Landesärztekammer vom ….
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Im Hinblick auf die festgestellte Vorstrafenfreiheit wurden die aktuellen Bundeszentralregisterauszüge der Angeklagten verlesen.
2. Festgestellter Sachverhalt unter II.
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Der unter II. festgestellte Sachverhalt ist das Ergebnis der Hauptverhandlung.
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Er entspricht in objektiver Hinsicht den Angaben beider Angeklagter, die bestätigt werden durch getroffene Feststellungen aus verlesenen Urkunden sowie durch Angaben der vernommenen Zeugen und Sachverständigen. Was die subjektive Vorwerfbarkeit und Vorhersehbarkeit betrifft, so beruhen die Feststellungen auf den Gutachten der vernommenen Sachverständigen und einer wertenden Gesamtbetrachtung durch das Gericht.
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Sofern die Feststellungen auf Angaben von Zeugen beruhen, waren deren Angaben glaubhaft und es bestanden keinerlei Zweifel an der Glaubwürdigkeit der Zeugen.
51
Die Angeklagten ließen sich beide zu Beginn der Hauptverhandlung zum Tatvorwurf ein. Dabei entsprachen die Angaben des Angeklagten … von Beginn an den getroffenen Feststellungen zum Sachverhalt. Der Angeklagte … gab zunächst bezüglich des Versuches der Stentteilung mittels Lasers abweichend vom unter II. festgestellten Sachverhalt an, dass er hieran nicht beteiligt war, sondern dass die Teilung allein durch den Angeklagten … entschieden und durchgeführt worden sei. Im Laufe der Hauptverhandlung räumte er jedoch über seinen Verteidiger und im Anschluss dann auch auf Nachfrage ein, dass es so gewesen sein könne, wie der Angeklagte … in seiner Einlassung angab, nämlich dass die Entscheidung gemeinsam getroffen und umgesetzt worden sei. Beide Angeklagte bestätigten insbesondere den Tatablauf dahingehend, dass die Stentteilung durch den Angeklagten … durchgeführt werden sollte und dass der Angeklagte … erklärte, dass er dieses Verfahren nicht kenne und deshalb nicht selbst ausführe. Den Schnitt durchführen wollte deshalb der Angeklagte …. Der Angeklagte … war dabei aber nach seiner letzten, den getroffenen Feststellungen nicht widersprechenden Einlassung helfend tätig und assistierte.
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Im Einzelnen dazu, wie die Kammer zu den getroffenen Feststellungen in Sachverhalt unter II. gelangte:
Feststellungen zu den beruflichen Einsatzgebieten der Angeklagten
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Die Feststellungen zu den Einsatzgebieten der beiden Angeklagten im … Klinikum … beruhen auf deren eigenen Angaben. Sie wurden zusätzlich bestätigt durch den Zeuge …, der Geschäftsführer … Klinikum … ist und auch zur Tatzeit war (s.o.).
Feststellungen zur Krankenvorgeschichte des Patienten …
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Der Angeklagte … schilderte die festgestellte Krankenvorgeschichte des Patienten …: wie er diesen ab … beraten hatte, wie es zur Entscheidung des Patienten gekommen war, einen Stent in die Luftröhre einzubringen und schließlich dann wieder zu entfernen, und zwar u.a. durch den Einsatz eines Lasers zur Trennung eines Haltefadens des Stents im … Klinikum in ….
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Die Angaben des Angeklagten … wurden bestätigt durch die gelernte Krankenschwester und Ehefrau des Verstorbenen, die Zeugin …. Sie schilderte ebenso die Probleme ihres Mannes mit der Atmung infolge eines Luftröhrenschnittes. Die Zeugin … führte auch aus, dass ihr Mann sich mit den Problemen an den Angeklagten … gewandt hatte, der ihm erfolgreich mit dem eingebrachten Stent helfen konnte. Allerdings sei es dann zu erheblichem Mundgeruch gekommen, was zu der Entscheidung führte, den Stent wieder zu entfernen.
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Auch der Sachverständige …, der die Krankenunterlagen des … insofern auswertete, erläuterte die ursprüngliche und die geplante Behandlungsmethode übereinstimmend mit den getroffenen Feststellungen und ging hierbei auf die Vorerkrankungen des Patienten ein.
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Schließlich ergab sich die medizinische Vorgeschichte des … zugleich auch aus dessen verlesenen medizinischen Krankenunterlagen.
Wissen der Angeklagten zum Umgang mit Lasergeräten
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Ihre Erfahrungen im Umgang mit Lasern und insbesondere auch mit Thulium-Lasergeräten schilderten die Angeklagten, so wie festgestellt, zunächst selbst. Des Weiteren bestätigte dies im Hinblick auf den Angeklagten … auch der Zeuge …, der dessen Expertise darlegte und schilderte, dass der Angeklagte … bislang viele Lasereingriffe erfolgreich durchgeführt habe und auf diesem Gebiet auch Schulungen leite und Vorträge halte. Der Angeklagte … selbst erklärte diesbezüglich, dass er seit dem Jahr … Erfahrungen mit Lasergeräten habe. … legte er einen entsprechenden Kurs ab und seither führe er täglich etwa zwei bis vier Lasereingriffe durch und zwar mit verschiedenen Lasergeräten. Zum Tatzeitpunkt, schätzte er, habe er bereits ca. … Eingriffe mit einen Thulium-Laser durchgeführt. Er arbeite zwar zumeist unter Wasser, teilweise aber auch unter Luftbedingungen. Einen Lasereinsatz habe er an Silikonkathetern gesehen. Und er habe aber auch selbst vor dem Eingriff Silikon schon mit einem Thulium-Laser unter Raumluft geschnitten, sonst hätte er den Vorschlag nicht unterbreitet. Silikon könne mit einem Thulium-Laser sehr präzise geschnitten werden. Insbesondere sei auch die vorausgehende Fadendurchtrennung mit der Laserspaltung vergleichbar gewesen.
Vorbereitungen am S. Klinikum … und Patientenaufklärung
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Die festgestellten Vorbereitungen vor dem Eingriff am … am … Klinikum in … wurden zunächst so wieder vom Angeklagten … selbst geschildert. Dies betrifft sowohl die Beschaffung bzw. Organisation eines Lasergerätes als auch die Kontaktaufnahme mit dem Angeklagten … etwa … Wochen zuvor und die vorbereitenden Aufklärungsgespräche mit dem Patienten ….
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Die Kontaktaufnahme mit dem Mitangeklagten … bestätigte dieser im Rahmen seiner Einlassung. Der Angeklagte … bestätigte, dass sich der Angeklagte … mehrere Wochen vor dem Eingriff wegen eines Lasergerätes an ihn gewandt hatte und dass er diesem erklärt habe, bei dem Eingriff zugegen zu sein. Auf Nachfrage hätte ihm der Angeklagte … erklärt, dass er in der Vergangenheit schon mit Thulium-Lasergeräten gearbeitet habe und auch selbst schon einen Kurs für Laserschutzbeauftragte absolviert habe. Der Angeklagte … gab weiter an, dass er die Geräteeinweisung in das Lasergerät im Rahmen der Operation geben wollte. Wegen dieser Einweisung sei er primär im OP gewesen. Er habe an diesem Tag erstmals einen solchen Eingriff an der Luftröhre gesehen. Deshalb sei er aus Interesse auch dageblieben. Er habe wissen wollen, wie jemand, der neu sei, mit so einem Laser bei einem pneumologischen Eingriff umgehe.
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Vor dem Eingriff habe der Angeklagte …, so dieser in seiner Einlassung, den Patienten ausführlich über den geschilderten Operationsverlauf aufgeklärt und insbesondere nochmals darüber, dass der den Stent haltende Faden mittels Laser durchtrennt werden solle. Er habe seine Erklärungen mit Zeichnungen unterlegt und etwa eine Stunde aufgeklärt. Zugleich sei auch vereinbart worden, dass – wenn unbedingt erforderlich – eine Notfalltracheotomie durchgeführt werde. Deshalb sei auch ein Operationsteam um … vorsichtshalber bereitgehalten worden.
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Der Zeuge … bestätigte, dass ihn der Angeklagte … frühzeitig über seinen geplanten Eingriff informiert habe. Der Zeuge legte dar, dass das Ganze professionell geplant, aber technisch schwierig gewesen sei, den Stent minimalinvasiv zu entfernen. Deshalb hätte der Angeklagte … zusammen mit dem Patienten die Entscheidung getroffen, zunächst den Versuch einer bronchoskopischen Entfernung zu unternehmen, bei Scheitern dieses Versuches aber eine Tracheotomie durchzuführen. Vor diesem Hintergrund habe er sich auch mit seinen OP-Schwestern für diesen Fall bereitgehalten.
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Ablauf der Operation von Beginn an, über die Durchteilung des Haltefadens des Stents mittels Lasers und bis einschließlich der erfolglosen Versuche der Stentbergung mittels Zangen
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Der Ablauf der Operation bis zu dem Zeitpunkt, in dem der Haltefaden des Stents mit einem Laser geteilt wurde, wurde von beiden Angeklagten und von den beteiligten Zeugen … und …, sofern sie hierzu Angaben machen konnten, so übereinstimmend geschildert. Auch haben die Angeklagten den Ablauf kurz nach dem Eingriff so schriftlich geschildert, wie er festgestellt wurde. Aufgrund der insofern vollumfänglich übereinstimmenden Angaben war die Kammer vom festgestellten Ablauf überzeugt.
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Die Zeugin … begleitete als instrumentierende Schwester und Bronchoskopieassistenz den Eingriff an der Seite des Angeklagten …. Sie schilderte, wie sie den Operationssaal mit ihrem Chef vorbereitete.
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Der Angeklagte … beschrieb, wie festgestellt, dass die Beatmung des Patienten durch eine von ihm zu bedienende Jet-Ventilation erfolgte.
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Der Zeuge …, Oberarzt und während des Eingriffes beiwohnender Anästhesist, gab an, dass ihm im Voraus von seinem Chefarzt … mitgeteilt worden war, dass er nur die Narkose und das Monitoring nach dem Einleiten der Narkose zu übernehmen habe, den Rest, also die Beatmung während des Eingriffes, würde der Internist und Pneumologe übernehmen. Die Beatmung sei dann auch über die Jet-Ventilation installiert worden und zwar durch den Angeklagten ….
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Auch die Zeugin … bestätigte, dass die Beatmung im Unterschied zu sonstigen Eingriffen nicht durch den Anästhesisten, sondern vom Pneumologen über eine Jet-Beatmung erfolgte. Der Sauerstoff müsse bei einem Lasereinsatz auf 40 % heruntergestellt werden.
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Schließlich gab der Angeklagte … insofern an, dass ihm eine Jet-Beatmung und das Gerät hierfür nicht bekannt gewesen seien und dass dies in der Urologie naturgemäß nicht zur Anwendung komme. Er habe ein solches Gerät an diesem Tag das erste Mal gesehen und deshalb auch im Folgenden nicht auf ein Lichtsignal dieses Gerätes geachtet. Dass in der Urologie derartige Beatmungsgeräte nicht eingesetzt werden, bestätigte auch der Urologe und Sachverständige ….
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Der Angeklagte … gab weiter an, dass er sich zur Geräteeinweisung, die er während des Eingriffes vornehmen wollte, etwa gegen … Uhr in den OP begeben habe. Er habe im Folgenden das Lasergerät selbst bedient und hierbei die anwesenden … und … über die Bedienung des Gerätes unterrichtet.
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Der Angeklagte … gab dies ebenso an und beschrieb, dass der Angeklagte … mit dem Lasergerät in den OP gekommen sei und erklärt habe, dass er während der OP anwesend bleibe. Dies sei für den Angeklagten … zunächst etwas überraschend gewesen, da er gedacht habe, dass … nur zur Geräteeinweisung komme. Die Anwesenheit seines Kollegen habe er aber als Hilfe angesehen, da dieser ja das Lasergerät schon länger gekannt habe und da er sich deshalb auch nicht mehr selbst um das Lasergerät habe kümmern müssen. Er habe ihn dann als eine Art „Assistent“ angesehen.
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Den Ablauf der Operation und die zwei Laserbetätigungen bis zur erfolgreichen Fadendurchtrennung schilderten beide Angeklagte, so wie festgestellt, übereinstimmend. Sie schilderten übereinstimmend die Anweisung zum Aufsetzen der Laserschutzbrillen, die Auswahl und das Einführen der Laserfasern sowie die Entscheidung hinsichtlich der Laserleistung. Auch gaben beide übereinstimmend an, dass der Angeklagte … jeweils den Laser am Gerät „scharf“ stellte, während der Angeklagte … danach den Laser mit einem Fußschalter aktivierte.
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In Bezug auf den Sauerstoff beschrieben beide, dass dieser vor der Laseranwendung jeweils heruntergeregelt worden sei. Dabei habe der Angeklagte … – so er selbst – die Jet-Beatmung bedient und das Gerät auf Lasermodus eingestellt. Der Angeklagte … gab auch an, dass wenn die Umgebungsbedingungen für einen Lasereinsatz hergestellt seien, die „Laser-Save-Taste“ grün zu blinken beginne, was auch vorliegend der Fall gewesen sei.
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Die Zeugin … erklärte hiermit übereinstimmend, dass vor dem jeweiligen Einsatz des Lasergerätes der Sauerstoff über die „Laser-Save-Taste“ an der Jet-Beatmung vom Angeklagten … auf etwa 40 % reduziert worden war.
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Schließlich bestätigte auch der Angeklagte …, dass der Angeklagte … die Sauerstoffzufuhr an der Jet-Beatmung verändert habe. Er gab insofern an, dass bei dem ersten Laserversuch mit der 600µ Faser eine Verständigung zwischen dem Angeklagten … und dem Anästhesisten erfolgt sei, beim zweiten – erfolgreichen – Versuch habe er dies aber nicht mitbekommen.
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Dass im Folgenden der Angeklagte … versuchte, den Stent mittels verschiedener Zangen zu bergen, schilderten wieder die Angeklagten und die Zeugen … sowie zusätzlich der Zeuge … übereinstimmend.
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Der Angeklagte … gab an, dass der Stent immer wieder stecken geblieben sei und er ihn nicht herausbekommen habe. Bis zu diesem Zeitpunkt habe der Eingriff bereits ca. 1 Stunde gedauert und er sei davon ausgegangen, dass in Kürze … komme, der den Operationssaal für eine anschließende Operation benötigte.
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Der Angeklagte … erklärte, dass der Versuch der Zangenbergung bestimmt 45 Minuten in Anspruch genommen habe.
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Die Instrumentierschwester und Zeugin … erklärte ebenso, dass das Herausziehen des Stents mittels starrer Zange nicht funktioniert habe.
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Chefarzt, Chirurg und Zeuge … schilderte, dass er zum Eingriff hinzugekommen war und dass er selbst sah, dass die Bergung des Stents mittels Zange schwierig gewesen sei, weshalb er sich zur Vorbereitung auf die Tracheotomie aus dem Operationssaal entfernt habe. Für ihn habe die Indikation für eine Tracheotomie vorgelegen.
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Der Angeklagte … gab insofern an, dass er den Chirurgen … gebeten habe, die Tracheotomie durchzuführen.
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Dies bestätigend gab der Angeklagte … an, dass … den Versuch der Stentbergung eine gewisse Zeit beobachtet habe und dass dieser dann den Vorschlag unterbreitet habe, jetzt doch den Luftröhrenschnitt durchzuführen.
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Beide Angeklagte erklärten auch, dass sie während der Operation die Krankengeschichte des zu behandelnden Patienten und dessen vorherige Probleme mit einer Stenose besprachen. Insofern gab der Angeklagte … an, dass der Angeklagte … schon während des Team-Time-Outs, einer kurzen Operationsvorbesprechung im OP unmittelbar vor dem Eingriff, die Krankengeschichte des Patienten zusammengefasst schilderte und auch dessen Wünsche. Der Angeklagte … habe angegeben, dass der Patient möglichst eine Tracheotomie habe vermeiden wollen. Während der Operation habe der Angeklagte … erklärt, dass die ursprünglichen Atembeschwerden erst durch eine Tracheotomie entstanden seien und dass ein nochmaliger solcher Eingriff erneute Probleme mit sich brächte. Er (…) habe ihm (…) erklärt, dass der Luftröhrenschnitt die bislang durchgeführten Maßnahmen ad absurdum führen würde.
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Der von beiden Angeklagten und teilweise von den Zeugen angegebene und im Sachverhalt festgestellte Operationsverlauf stimmt insbesondere mit den Angaben der Angeklagten überein, die diese kurz nach dem Eingriff gegenüber der Klinikleitung machten. Es ergibt sich dies zum einen aus einer verlesenen E-Mail des Angeklagten … vom … Uhr, also dem Tag des Eingriffes, zum anderen aus einer verlesenen schriftlichen Stellungnahme des Angeklagten … vom … gegenüber dem Geschäftsführer ….
Entscheidung und Versuch, den Stent mittels Laser zu spalten
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Die Feststellung, dass sich schließlich beide Angeklagte entschieden, den Stent mittels Lasers zu teilen, um ihn im Folgenden so leichter bergen zu können, beruht auf den Angaben des Angeklagten …, welchen der Angeklagte … im Laufe der Hauptverhandlung zumindest nicht mehr widersprach. Die Angaben und Feststellungen wurden bestätigt durch verlesene Urkunden zum Operationsverlauf, die beide Angeklagte unmittelbar nach der Operation gefertigt hatten. Anwesende oder hinzugekommene Zeugen bestätigten alle übereinstimmend, dass sie kein eigenmächtiges Handeln und keinen Alleingang oder gar ein „Ansichreißen“ der Operation durch den Angeklagten … feststellen konnten, wie es zunächst der Angeklagte … zu erklären versuchte. In der Gesamtschau ist die Kammer davon überzeugt, dass sowohl die Entscheidung als auch der Versuch der Stentspaltung von beiden Angeklagten gemeinsam getroffen und durchgeführt wurde.
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Die Angaben der beiden Angeklagten zu diesem Punkt:
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Der Angeklagte … gab den Operationsverlauf und insbesondere auch die Entscheidung und die Durchführung des Versuchs der Stentspaltung mittels Lasers so an, wie er letztlich durch die Kammer festgestellt wurde. Seine Aussage war in sich schlüssig, sehr detailreich und konnte gut nachvollzogen werden. Insbesondere ergaben sich auch keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass der Angeklagte … bei seiner Einlassung die Unwahrheit sagte, da er sich mit seinen Angaben selbst belastete. So bestätigte er vor allem, dass er die Sauerstoffreduktion nicht geprüft und hinterfragt habe, sie aber beim ersten Lasereingriff zur Durchtrennung des Haltefadens registriert habe. Im Laufe der Hauptverhandlung räumte er ein, dass er nicht bemerkt habe, dass der Sauerstoff nur über die Jet-Ventilation gegeben werde. Auch konnte er beispielsweise nicht sagen, ob bei dem von ihm übernommenen Lasereingriff alle Beteiligten ihre Schutzbrillen trugen. Dies habe er in diesem Moment nicht geprüft, obwohl er dies – gerade als Laserschutzbeauftragter – hätte machen müssen. Schließlich räumte er auch Erinnerungsunschärfen bezüglich der Anordnung der medizinischen Geräte ein, was vor dem Hintergrund, dass er erstmals einer pneumologischen Operation beiwohnte, verständlich war.
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Der Angeklagte … schilderte bezüglich des schadensauslösenden Ereignisses Folgendes:
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Nachdem ihm der Angeklagte … nochmals während der Bergungsversuche des Stents die Krankenvorgeschichte des Patienten geschildert hatte und dass eine Tracheotomie alle bisherigen Maßnahmen ad absurdum führen würde, habe er sich Gedanken gemacht, ob nicht eine Längsspaltung des Stents zu einer leichteren Entfernung führen könnte. Dies habe der Angeklagte … zwar grundsätzlich bejaht, er habe aber nicht gewusst, wie das funktionieren solle. Er selbst, also …, habe das aber als durchschnittlich schwierig eingeschätzt und für die Teilung seine Hilfe angeboten. Beim Eingriff sei er vom Angeklagten … unterstützt und überwacht worden. Er habe sich für den chirurgischen Schnitt zur Verfügung gestellt. Physikalisch sei der Thulium-Laser zum Schneiden von Kunststoff geeignet, die Fadendurchtrennung sei bei Raumluft identisch mit der Stentspaltung. Der Angeklagte … habe gemeint, dass er davon (Spaltung des Stents mittels Lasers) noch nie etwas gehört habe, dass er davon nichts wisse und dass er das deshalb auch nicht mache. Der Angeklagte … habe erklärt, dass er den Schnitt durchführen könne. Zunächst sei … noch etwas unsicher gewesen und habe die Stentteilung mit der Zange nochmals probiert. Er habe aber – nachdem die Versuche weiterhin erfolglos blieben – gemeint: „dann versuchs“. Der Angeklagte … habe dabei klargestellt, dass er es persönlich nicht machen würde, der Angeklagte … habe hingegen erklärt, er würde es übernehmen. Nach der Entscheidung zum Längsschnitt habe man die Vorbereitungen getroffen, um den Laser einzusetzen. Hierbei bedürfe es einer gewissen Vorbereitungszeit – nämlich u.a. des Einstellens der Laserleistung, des Aufsetzens der Brille und des Einführens der Laserfaser. Insgesamt würden bis zum Scharfstellen des Lasers etwa 4 Minuten;20 Sekunden benötigt. Beide Ärzte hätten im Folgenden den Eingriff einvernehmlich vorgenommen. Insbesondere habe ihn der Angeklagte … dahingehend unterstützt, dass er den Schaft des starren Bronchoskops fixierte, ihm beim Einführen der Laserfaser behilflich gewesen sei und auch das Lasergerät angeschaltet habe. Hierzu erklärte der Angeklagte … plastisch und erlebnisbezogen, dass der Angeklagte … das ihm gegebene Kommando „go to ready“ zunächst nicht verstanden habe und dass er ihm dann gesagte habe, dass er den Laser „scharf“ schalten solle und hierbei mit einer Geste auf den entsprechenden Knopf zeigte. Als der Angeklagte … sodann den Fußschalter des Lasers aktiviert habe, habe er zugleich eine Flamme auf dem Bildschirm gesehen und der Angeklagte … habe geschrien: „Mist, der Sauerstoff“, den er sogleich auch an der Jet-Beatmung reduziert habe.
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Diese Angaben des Angeklagten … stimmten auch überein mit seiner schriftlichen Stellungnahme vom …, die er gegenüber der Klinikleitung niedergelegt hatte und die verlesen wurde.
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Hinsichtlich dieses Teils des Eingriffes gab der Angeklagte … zu Beginn der Hauptverhandlung – abweichend vom festgestellten Sachverhalt – zunächst an, dass nach seiner erfolglosen Stentbergung plötzlich der Angeklagte … auf ihn eingeredet und ihn bedrängt habe, den Stent mittels Lasers zu teilen und zwar nachdem er sich bereits für eine Tracheotomie entschieden habe. Genau könne er sich an die Situation nicht mehr erinnern. Jedenfalls habe aber … gemeint, dass er genau wisse, dass man die Stentwand mittels Lasers teilen könne. Die Literatur dazu stamme von ihm, also von …. Der Angeklagte … habe dann 1-2 Minuten überlegt, ob er den Namen … aus der Literatur für die Lunge oder diese Methode aus Fortbildungen kenne. Irgendwann habe … dann aufgehört, auf ihn einzureden. Der Angeklagte … habe noch überlegt, ob er … wegschicke oder ob dies unkollegial sei. Während er so nachgedacht habe, habe es einen Knall gegeben und es habe sich Rauch entwickelt. Der Angeklagte … habe gemeint „Falsches Organ“. Der Angeklagte … habe den Eingriff – Stentspaltung mittels Lasers – zuvor weder angekündigt, noch habe er (…) in dieses Vorgehen eingewilligt.
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Am dritten Verhandlungstag gab der Angeklagte … über seinen Verteidiger eine Stellungnahme ab und erklärte, dass er eventuell eine emotionale Angstblockade für dieses Zeitfenster entwickelt habe, dass er nunmehr aber einräume, das Bronchoskop in Vorbereitung der Stentspaltung mittels Lasers an … übergeben zu haben. Dieser habe wohl deshalb auch von seiner Billigung des Eingriffes ausgehen können. Er schließe jedoch aus, den Laser selbst bedient zu haben, denn er sei ja in das Lasergerät noch nicht eingewiesen gewesen.
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Auch wenn der Angeklagte … nicht einräumte, ausdrücklich in die Laseranwendung bei einer Stentspaltung eingewilligt zu haben, so tat er dies eingedenk seiner Einlassung zumindest konkludent. Den Fußschalter des Lasers aktiviert hat – so der Angeklagte … auch selbst – nicht der Angeklagte …. Dieser hat lediglich das Lasergerät nach den getroffenen Feststellungen „scharf“ geschaltet. Aufgrund der vorgenannten Umstände (lebensnahe Schilderung durch …) und auch aufgrund des geschilderten Ablaufes, der eine gemeinsame Zusammenarbeit bei dem Eingriff – beispielsweise beim Einführen der Laserfaser – zwingend erfordert, ist das Gericht davon überzeugt, dass beide Angeklagte vor dem Lasereinsatz zur Spaltung des Stents übereingekommen waren, dass nunmehr versucht wird, den Stent mittels Lasers zu teilen. Hierfür spricht auch die doch nicht unerhebliche Dauer von ca. 4 Minuten, bis der Laser einsatzbereit ist. Dass der Angeklagte … in dieser Zeit nicht mitbekommen haben will, dass … den Laser vorbereitet, ist lebensfremd. Nach Überzeugung des Gerichts und insofern übereinstimmender Schilderung beider Angeklagter hatten die beiden Angeklagten vereinbart, dass diesen Eingriff nunmehr der Angeklagte … übernimmt und dass der Angeklagte … insofern nur helfend zur Seite steht.
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Dagegen, dass der Angeklagte … eigenmächtig handelte und damit gegen den Willen des Angeklagten …, spricht insbesondere auch, dass alle sonst an der Operation Beteiligten ein solch eigenmächtiges Verhalten nicht feststellen konnten.
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Die Zeugin … erklärte, dass sie bezüglich einer Vereinbarung zwischen den beiden Ärzten nichts mitbekommen habe. Sie habe sich auf ihre Instrumente konzentriert.
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Der Zeuge …, Chefarzt und Anästhesist, der kurz nach dem Vorfall hinzukam, gab an, dass ihm gegenüber keiner angab, dass … eigenmächtig gehandelt habe.
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Der Zeuge … erklärte, dass – als er nach einem Funkenflug in den OP kam – beide Angeklagte direkt unmittelbar am Kopf des Patienten standen. Im Nachgang habe er mit beiden Ärzten mehrere Gespräche geführt. Ein eigenmächtiges Verhalten des … sei ihm aber nicht bekannt geworden und gegenüber ihm auch nicht erwähnt worden.
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Schließlich schilderte auch die Ehefrau des Patienten und Zeugin …, dass sie kurz nach dem Eingriff ein persönliches Gespräch mit dem Angeklagten … geführt habe, bei dem dieser ihr schilderte, was passiert sei. Dabei habe der Angeklagte … mit keiner Silbe erwähnt, dass jemand eigenmächtig gehandelt habe. Vielmehr habe ihr … erklärt, dass er die Operation zwar beenden wollte, aber dann seinem Kollegen vertraut habe.
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Vor allem aber sprechen auch die eigenen Stellungnahmen des Angeklagten … kurz nach dem Vorfall, nämlich der verlesene OP-Bericht vom … sowie die verlesenen E-Mails vom … und vom … gegen ein eigenmächtiges Verhalten des Angeklagten ….
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Im OP-Bericht vom … formulierte der Angeklagte … wie folgt: „… Der Kollege … war als Laserbeauftragter anwesend, und bot an, den Silikonstent von innen mit 10 Watt per Laser zu spalten. Als Urologe mit entsprechender endoskopischer Erfahrung und v.a. Erfahrung in Laseranwendungen habe ich ihm das Bronchoskop übergeben, da ich selber noch keine Silikonstents mit Laser gespalten habe, damit er bei von ihm – geäußerter detailgenauer Kenntnis der Eindringtiefe der Laserenergie die 1 mm Wand des Silikons spalten konnte. Wechsel der Positionen (der Voruntersucher steht nun rechts vom Kopf), das Bronchoskop wurde von … durch das strarre Rohr geführt. …“
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In der E-Mail vom … an. … schildert der Angeklagte … wie folgt diesen Teil der Operation: „… Der Kollege … war als Laserbeauftragter anwesend und kam dann auf die Idee, den Silikonstent von innen mit 10 Watt zu spalten. Als Urologe mit entsprechender endoskopischer Erfahrung und v.a. Erfahrung in Laseranwendungen habe ich ihm dann das Bronchoskop übergeben – ich selber habe noch keine Silikonstents mit Laser gespalten –, damit er bei von ihm geäußerter detailgenauer Kenntnis der Eindringtiefe der Laserenergie die 1 mm Wand des Silikons spalten wollte. Zu diesem Zeitpunkt stand ich rechts vom Patientenkopf, um das starre Rohr zu fixieren. …“
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In der E-Mail vom … an … schreibt der Angeklagte …: „… Ich gebe nie wieder jemand ein mir persönlich spezifisches Werkzeug in die Hand, wenn ich ihn nicht persönlich durchgehend und allumfänglich kenne. Letztlich hätte der detaillierte Vortrag über die Eindringtiefe des Lasers bei 10 Watt seitens …, den Stent durch Laser zu zerteilen, nicht stattgefunden, wenn ich alleine gewesen wäre – was aber nicht möglich war, da ich zu dem Zeitpunkt nicht mit dem Laser arbeiten durfte, da nicht eingewiesen. … war zu diesem Zeitpunkt für mich auch ein gewisse Respekts- und Leitperson, da neben der Laserbeaufsichtigung auch bzgl. der Reputation (er bekommt von anderen Firmen Laser gestellt) ich davon ausgegangen bin, dass er diese Technik voll umfänglich abschätzen konnte. Dazu bin ich einfach zu neu hier, um mit Sicherheit niemandem vor den Kopf schlagen zu wollen, in dem ich einem alt eingesessenen respektierten Kollegen gesagt hätte: „Nein, das machst du nicht.“ Genau in dem Augenblick war leider nicht klar, wer der Capitän und wer der Co-Pilot sein sollte. Zuvor schon – und deswegen ist beim ersten Laser auch nichts passiert. …“
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Letztlich ist die Kammer insbesondere aufgrund der unmittelbar nach dem Eingriff erfolgten Erklärungen des Angeklagten …, bei denen er nie angab, dass der Angeklagte … eigenmächtig handelte, sondern dass er (…) das Bronchoskop übergab, davon überzeugt, dass er insofern zunächst mit seiner ersten Einlassung versuchte, eine strafrechtliche Ahndung zu vermeiden, dass der Angeklagte … aber tatsächlich mit dem Vorgehen des Angeklagten … einverstanden war und dieses auch helfend unterstützte.
Motivation beider Angeklagter für die Stentspaltung und mutmaßlicher Wille des Patienten
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Dass es beiden Angeklagten durch die festgestellte und begonnene Vorgehensweise, nämlich eine geplante Stentspaltung, darauf ankam, den Stent möglichst schonend aus der Luftröhre zu bergen, gaben wiederum beide Angeklagte überzeugend und nachvollziehbar an.
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Aufgrund der Krankenvorgeschichte des Patienten und dessen zuvor geäußerten Willens, möglichst ohne Tracheotomie auszukommen, suchten die Angeklagten eine Möglichkeit, diesem Wunsch zu entsprechen.
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Keiner der beiden Angeklagten nahm jedoch hierbei billigend in Kauf, den Patienten zu schädigen. Vielmehr hatten sie ausschließlich dessen Wohl im Blick.
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Beide erklärten dies mehrfach und glaubwürdig gegenüber dem Gericht. Der Angeklagte … erläuterte plausibel, warum er davon ausging, dass die Stentspaltung erfolgreich mittels Lasers durchgeführt werden kann und der Angeklagte … wiederum erklärte, dass er insofern dem Angeklagten … vertraute. Der Angeklagte … war sich aufgrund vorangegangener Versuche an Kunststoff und Silikon unter Luftbedingungen mittels Lasers sicher, dass der Silikonstent mit dem Thulium-Laser ohne Schädigung des Patienten geschnitten werden könne. Er selbst hätte die urologische Variante von Stents bereits öfters geschnitten, um sie anschließend zu lösen. Auch in der Urologie würden sie dann mit einer Zange geborgen. Insbesondere verglich der Angeklagte … diesen beabsichtigten Eingriff mit dem vorangegangenen Schneiden des Haltefadens, der aus seiner Sicht absolut vergleichbar gewesen sei. Auch verwies er auf eine mögliche exakte Schnittführung mit dem Laser.
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Nachdem mit dem Patienten bezüglich der Trennung des Haltefadens auch bereits ein Lasereinsatz besprochen worden war, konnten beide Angeklagte auch davon ausgehen, dass der Patient … nicht nur in die Zerteilung des Haltefadens, sondern auch in die Stentspaltung eingewilligt hätte. Zu dieser Überzeugung gelangte die Kammer nicht nur aufgrund der Angaben der beiden Angeklagten, sondern auch nach einer Würdigung der Gesamtumstände, die zum geplanten Eingriff führten.
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Zunächst ist hierbei zu sehen, dass sich der Haltefaden, in dessen Trennung durch Laser der Patient ausdrücklich eingewilligt hatte, in unmittelbarer Nähe zum Stent befindet. Bei beiden Materialien handelt es sich um brennbare und damit vergleichbare Substanzen. Bei der Durchtrennung des Stents mit dem Laser kann zumindest von einer einwilligungsfähigen Neulandmethode ausgegangen werden, die technisch – so die beiden Sachverständigen … und … – möglich sei. Oberste Prämisse für die Entscheidung des Patienten für die Art des Eingriffes über ein Bronchoskop und mittels Lasers war es gewesen, dass er eine Tracheotomie vermeiden wollte. Er selbst, der Patient, hat sich wenig mit medizinischen Dingen beschäftigt und vor allem dem Angeklagten … vertraut, wie die Ehefrau und Zeugin … schlüssig schilderte. Dazu passend gab der Angeklagte … an, dass ihn … nach dem Aufklärungsgespräch mit einer gewissen Therapiefreiheit entlassen habe. Dies alles einbeziehend ist die Kammer davon überzeugt, dass der Patient … nach einer diesbezüglichen Aufklärung auch in eine Spaltung des Stents mittels Lasers – natürlich bei Reduktion des Sauerstoffgehaltes – eingewilligt hätte.
Ablauf der Stentspaltung mittels Lasers
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Die Feststellungen zum Lasereinsatz, bei dem nunmehr der Stent gespalten werden sollte, beruhen im Wesentlichen auf den Ausführungen des Angeklagten …, denen insofern erneut vollumfänglich geglaubt wurde. Sie stimmten wiederum mit seiner schriftlichen Stellungnahme vom … überein und wurden zudem bestätigt durch die Angaben des Angeklagten … im am … gefertigten OP-Protokoll.
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Übereinstimmend schilderten die Angeklagten – in ihrer Einlassung bzw. in den schriftlichen Stellungnahmen –, dass der Angeklagte … nunmehr das flexible Bronchoskop übernahm und auch die vorherige Position des Angeklagten … einnahm. Beide schilderten auch, dass der Angeklagte … nunmehr den Laser mittels Fußschalters aktivierte. Schließlich gaben beide an, dass zuvor an der Jet-Ventilation die Oxygenierung von ca. 80 % nicht reduziert worden war.
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Der Angeklagte … schrieb hierzu im OP-Protokoll vom … wie folgt: „… Wechsel der Positionen (der Voruntersucher steht nun rechts vom Kopf), das Bronchoskop wurde von … durch das starre Rohr geführt. … hat dann den Laser aktiviert, wobei das BSK sofort Feuer fing an der Spitze – FIO2 80 % und Seitstromoxygenierung war nicht beendet worden. Das Gerät wurde sofort von mir entfernt und die Beatmung ausgestellt. …“ In der Hauptverhandlung sprach der Angeklagte … von einer Flammenentwicklung zum Bronchoskop. Der Stent sei völlig unversehrt gewesen, nur das flexible Bronchoskop sei abgebrannt gewesen.
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Der Angeklagte … führte insofern aus, dass er als Nicht-Pulmologe gedanklich mit der Schnittführung und nicht mit der Beatmung befasst gewesen sei. Er habe den Laser mit dem Fußschalter aktiviert und auf dem Monitor nahezu zeitgleich eine kleine rote Flamme an der Faserspitze erkennen könne, woraufhin der Angeklagte … sofort gerufen habe: „Mist, der Sauerstoff“. Der Angeklagte … sei sodann sofort vom Fußschalter gegangen. Es sei an der Spitze des Bronchoskops zu einer Verpuffung gekommen. Nachdem das flexible Bronchoskop entfernt worden wäre, habe sich gezeigt, dass dieses verschmort gewesen und die Ummantelung teilweise weggerissen gewesen sei. Zwischenzeitlich habe der Angeklagte … die Sauerstoffkonzentration am Jet-Gerät reduziert gehabt.
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Was die unmittelbaren Folgen des Lasereinsatzes betrifft, so wurden diese nicht nur von den beiden Angeklagten, sondern von weiteren sie wahrnehmenden Zeugen geschildert.
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Die sich für die Tracheotomie bereithaltenden OP-Schwestern beobachteten den Eingriff über eine Scheibe von außerhalb des OP. Die Zeugin … gab an, dass sie nicht viel gesehen und plötzlich einen Knall gehört habe. Sie habe sofort gewusst, dass da etwas passiert sei und habe sich gleich gewaschen. Irgendjemand habe ihr später das ausgefranzte flexible Bronchoskop gezeigt. Die Zeugin … gab ebenfalls an, dass sie einen Knall wahrnahm und dass sie danach durch die Scheibe zum OP schaute. Dort habe sie eine Flamme gesehen.
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Die Zeugin … schilderte ebenso, dass sie einen Knall wahrgenommen habe, der vom Bronchoskop gekommen sei.
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Der Zeuge … gab an, dass er in den OP gerufen worden sei, weil es zu einer Verbrennung im Rachenraum gekommen wäre. Er sei dann in den OP und man habe ihm von einer Stichflamme oder einer Verbrennung berichtet. Der Zeuge … sei darüber sehr entsetzt gewesen, da dies aus seiner Sicht mit der Sauerstoffkonzentration im Zusammenhang stand. Er habe deshalb im Nachgang seinen Oberarzt … gefragt, ob er den Patienten zu dieser Zeit mit der Beatmung an den Pneumologen abgegeben hatte, was dieser bejaht habe. Dies sei für … als Chefanästhesisten wichtig gewesen, nämlich dass die Ursache nicht aus dem Bereich stammte.
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Der anwesende Anästhesist und Zeuge … schilderte, dass er einen Knall wahrgenommen habe und sodann auf dem EKG eine Nulllinie. Ihm sei selbst natürlich klar gewesen, dass vor der Laseranwendung der Sauerstoff zu reduzieren ist. Darauf habe er aber die Ärzte nicht extra hingewiesen, denn es sei ja klar, dass in einer hohen Sauerstoffatmosphäre alles leichter brenne. Zwei erfahrene Ärzte habe er diesbezüglich nicht belehren wollen, dies hätte aus seiner Sicht einer gewissen Hybris entsprochen.
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Der Zeuge … gab an, dass er sich für die Tracheotomie vorbereitet habe. Er habe dann von außerhalb des OP den Funkenflug sehen können, an einen Knall erinnere er sich allerdings nicht. Der Funkenflug habe direkt über dem Kopf des Patienten stattgefunden, so etwa 15-20 cm hoch.
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Kausalität der fehlenden Sauerstoffreduktion während des Lasereinsatzes zur Stentteilung für den Brand des flexiblen Endoskops
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Nach Betätigen der Laserfußtaste kam es zur Überzeugung der Kammer zu einem Brand am mit Kunststoff ummantelten flexiblen Bronchoskop, was bei vorheriger Reduktion des Sauerstoffgehaltes am Jet-Gerät nicht der Fall gewesen wäre. Hiervon ist die Kammer überzeugt aufgrund der bereits oben geschilderten Folgen der Laserbetätigung (Flammenentwicklung, Knall und Verpuffung), die – wie dargestellt – die beteiligten Angeklagten und Zeugen schilderten –, aufgrund des Ausbleibens dieser Folgen bei der vorangegangenen Laseranwendung bei Durchtrennung des Haltefadens sowie der diesbezüglichen Einschätzungen beider Sachverständiger … und ….
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Kurz vor Einsatz des Lasers durch den Angeklagten … hatte der Angeklagte … erfolgreich und ohne Komplikationen den Haltefaden gelasert. Dabei befand sich der Haltefaden in unmittelbarer Nähe zum Stent und der Faden bestand auch aus brennbarem Material. Dennoch war es weder zu einer Flammenentwicklung noch zu einer Verpuffung gekommen, was schlüssig mit der reduzierten Sauerstoffkonzentration erklärt werden kann.
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Der Sachverständige … erläuterte nachvollziehbar und schlüssig diesbezüglich, dass – so auch die Angeklagten – nicht der Stent gebrannt habe (dieser hätte weißen Ruß verursacht), sondern der brennbare Kunststoff um das flexible Bronchoskop. Deshalb sei der Stent auch ohne Brandschaden geborgen worden. Der nicht reduzierte Sauerstoff habe die Verbrennung des Bronchoskops vermittelt. Dass statt des Stents das Bronchoskop gebrannt habe, habe auch mit Reflektion zu tun. Wenn der Sauerstoff ausreichend reduziert worden wäre, hätte es keine Verpuffung gegeben und der Sauerstoff sei auch für den Verbrennungsvorgang erforderlich gewesen. Die sich zeigende und geschilderte Flamme habe gezeigt, dass eine Verbrennung stattgefunden habe. Die Wahrscheinlichkeit eines schnell ablaufenden Verbrennungsvorgangs nehme mit abnehmender Sauerstoffkonzentration ab. Wie hoch die Sauerstoffkonzentration sein müsse, dass es zu den sich zeigenden Folgen komme, könne er allerdings nicht sicher sagen. Zumindest sei die fehlende Sauerstoffreduktion wahrscheinlich ursächlich für den Brand und die Verpuffung gewesen.
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Der vom Sachverständigen … aufgeworfene denktheoretische, von ihm selbst als nicht wahrscheinlich angesehener Ansatz, dass bei dem ersten Einführen der Laserfaser einhergehend mit einem Faserbruch möglicherweise eine Partikelverunreinigung stattgefunden haben könnte, die bei dem zuletzt erfolgten Lasereinsatz die Verpuffung hervorgerufen haben könnte, ist für die Kammer lediglich eine theoretische, nicht wahrscheinliche Vermutung, der sie nicht folgte. Nach dem Faserbruch erfolgte der erfolgreiche Lasereinsatz zur Durchtrennung des Haltefadens unter ansonsten gleichen Bedingungen wie bei dem Lasereinsatz zur Spaltung des Stents – mit Ausnahme der reduzierten Oxygenierung. Da bei reduzierter Sauerstoffgabe unter ansonsten gleichen Bedingungen die Durchtrennung des Haltefadens ohne Verpuffung erfolgte, scheidet der Faserbruch einhergehend mit möglichen Verunreinigungen als mögliche Ursache der Verpuffung zur Überzeugung der Kammer aus.
125
Hierzu passend gab der Sachverständige und Pneumologe … an, dass Hauptgefahr bei der Anwendung von Lasergeräten in den Atemwegen Laserbrand sei, da hier in den Atemwegen Sauerstoff als brandförderndes Gas vorhanden sei.
126
Ausgehend von diesen Schilderungen der beiden Sachverständigen und dem Umstand, dass bei der ersten Laseranwendung – bei reduziertem Sauerstoff – es zu keinem Brand gekommen war und letztlich die Bedingungen bei der zweiten Laseranwendung identisch waren, ist die Kammer davon überzeugt, dass es aufgrund der fehlenden Sauerstoffreduktion zu der Brandentwicklung gekommen ist. Der Laser wurde beim zweiten Mal in unmittelbarer Nähe zur ersten Laserstelle eingesetzt. Es handelte sich um von den Eigenschaften ähnliches, zu schneidendes Material. Es wurden die gleiche Laserfaser und die gleiche Laserleistung eingestellt. Unterschiedlich war lediglich, dass diesmal der Sauerstoff nicht reduziert worden war und dass die – gerade die sich verwirklichende Gefahr vermeiden sollende – „Laser-Save-Taste“ nicht betätigt war.
127
Vor diesem Hintergrund hatte die Kammer keine vernünftigen Zweifel daran, dass die fehlende Sauerstoffreduktion ursächlich für die Verpuffung und den Brand am flexiblen Bronchoskop gewesen ist.
128
Vermeidbare, vorhersehbare und vorwerfbare Sorgfaltspflichtverletzung beider Angeklagter durch Nichtreduktion des Sauerstoffes (Fahrlässigkeitsvorwurf)
129
Dass die nicht erfolgte Sauerstoffreduktion einen Behandlungsfehler und damit zugleich eine Sorgfaltspflichtverletzung darstellt, beruht auf den Angaben des Sachverständigen … die bestätigt wurden durch den Zeugen …. Der Sachverständige … legte den entsprechenden Facharztstandard dar, der vorliegend zu beachten war.
130
Dass diese Sorgfaltspflichtverletzung auch vermeidbar, vorhersehbar und auch vorwerfbar war bzw. ist, folgt aus einer wertenden Gesamtbetrachtung sämtlicher Tatumstände durch die Kammer.
131
Nach den vollumfänglich schlüssigen Ausführungen des Sachverständigen … liegt in der Nichtreduktion des Sauerstoffs während der Stentspaltung mittels Lasers ein Behandlungsfehler. Dabei ist für die Einschätzung, ob ein Behandlungsfehler anzunehmen ist und dieser auch zu erkennen war, das Leitbild eines besonnenen und umsichtigen Angehörigen des betreffenden Verkehrskreises heranzuziehen. Im verfahrensgegenständlichen Fall ist auf den Standard eines erfahrenen Facharztes der Pneumologie abzustellen. Zu fordern ist das zum Behandlungszeitpunkt in der ärztlichen Praxis und Erfahrung bewährte, nach naturwissenschaftlicher Erkenntnis gesicherte und von einem durchschnittlich befähigten Facharzt verlangte Maß an Kenntnis und Können. Dabei ist eine ex ante-Betrachtung vorzunehmen, also der Stand der medizinischen Erkenntnisse zum Zeitpunkt des Eingriffes ist zu Grunde zu legen. Der Standard bedeutet nicht die Einschränkung auf eine bestimmte Behandlungsmethode, vielmehr gilt der Grundsatz der Methoden- oder Therapiefreiheit. Die Behandlungsmethode ist primär Sache des Arztes. Er braucht nicht das jeweils neueste Therapiekonzept zu verfolgen und muss auch nicht den therapeutisch sichersten Weg einschlagen. Auch eine Behandlung außerhalb von als lege artis geltenden Methoden und zwar im Sinne einer „off label“- oder Neulandmethode stellt nicht zwingend einen Behandlungsfehler dar. Der dem Arzt zustehende rechtlich nicht nachprüfbare Beurteilungsspielraum ist jedoch dann überschritten, wenn die Überlegenheit eines anderen Verfahrens allgemein anerkannt ist oder der Arzt pflichtwidrig nicht erkennt, dass seine Heilmethode im konkreten Fall an ihre Grenzen stößt.
132
Bezüglich des Facharztstandards muss der jeweils tätige Arzt nicht formell eine entsprechende Prüfung abgelegt haben, ausreichend ist, dass er – wenn er entsprechend tätig wird – materiell über den Facharztstandard verfügt, diesen also praktisch beherrscht und anwendet, wie das von einem Facharzt dieses Fachs erwartet werden muss und kann.
133
Vorliegend kam es zu einer Laseranwendung im Atemwegssystem. Wie der Sachverständige … ausführte, war die ursprünglich geplante Operation, nämlich die Entfernung des Stents mittels Zangen bei vorheriger Durchtrennung des Haltefadens mittels Laser bei reduzierter Sauerstoffzufuhr, als eine mögliche und nicht zu beanstandende Behandlungsmethode anzusehen. Jedoch wies der Sachverständige bei seinen Ausführungen bereits an dieser Stelle auch darauf hin, dass er selbst vermutlich eine andere Methode gewählt hätte, da er den Einsatz von Lasern in den Atemwegen grundsätzlich wegen der Gefahr eines Laserbrandes zu vermeiden sucht. Was die Teilung des Silikonstents mit einem Laser in der Trachea anbetrifft, so war dies aus Sicht des Sachverständigen … nicht mehr lege artis und zwar aufgrund der Brennbarkeit des zu schneidenden Materials Silikon. Zumindest sei diese Methode nicht unriskant, wenn wohl technisch möglich. Auf jeden Fall stelle es aber einen erheblichen Behandlungsfehler dar, die Sauerstoffkonzentration vor der Laseranwendung nicht zu reduzieren, da dadurch das Feuerrisiko erheblich erhöht worden sei. Das Risiko des Brandes in den Atemwegen habe sich ja schließlich auch realisiert.
134
Allgemein weiche der Einsatz des Lasers in den Atemwegen vom Einsatz des Lasers in anderen Organen dahingehend ab, dass aufgrund der Anwesenheit von Sauerstoff, eines die Verbrennung fördernden Gases, eine erhöhte Brandgefahr bestünde. Deshalb sei auch die Reduktion, des Sauerstoffgehaltes unabdingbare Voraussetzung für einen Lasereinsatz, was unter Pneumologen Grundwissen sei und was er seinen Assistenten auch so immer vermittle. Er wies auch auf die weitere Vorsichtsregel hin, bei Anwesenheit von brennbaren Materialien möglichst auf einen Lasereinsatz zu verzichten. Grundsätzlich bestünde in den Atemwegen – so der Sachverständige … – immer die Gefahr eines Laserbrandes, da wegen der hier notwendigen Beatmung mit einer erhöhten Sauerstoffkonzentration zu rechnen und zu arbeiten ist. Die Gefahr eines Brandes werde umso höher, je höher der Sauerstoffanteil bei der Beatmung sei. Deshalb sei – so die Grundregel unter Pneumologen – die Sauerstoffkonzentration so weit wie möglich abzusenken, auf jeden Fall aber unter 50 oder 40 %. Dadurch werde das Brandrisiko erheblich reduziert.
135
Hiermit in Einklang zu bringen waren die Angaben des vernommenen Zeugen …, zugleich Chefarzt der Anästhesie in …. Dieser gab an, dass ihm aus seiner früheren Tätigkeit an der Universitätsklinik in … bekannt sei, dass im Rachenraum gelasert werden könne. Zugleich sei ihm aber diesbezüglich auch bekannt – und dieses Wissen gebe er auch immer so weiter – dass die Sauerstoffkonzentration dann nicht höher als 30 bzw. 40 % sein dürfe. Bei der verfahrensgegenständlichen Operation habe er dies zuvor auch dem von ihm eingesetzten Oberarzt … nochmals ausdrücklich gesagt, obwohl dieser gar nicht die Beatmung übernommen hatte.
136
Schließlich räumte auch der Angeklagte … selbst ein, dass ihm als Pneumologen bekannt war, dass die erforderlichen Umgebungsbedingungen für eine Laseranwendung im Rachenraum zuvor sichergestellt werden müssen, nämlich durch eine Betätigung der „Laser-Save-Taste“ an der Jet-Beatmung und damit durch eine Reduktion des Sauerstoffgehaltes auf ca. 40 %. Dies hatte er bei den Laseranwendungen zur Durchtrennung des Haltefadens auch beachtet.
137
Auch der Angeklagte … hatte zumindest bei der ersten Laseranwendung mitbekommen, dass der Sauerstoff reduziert wurde.
138
Zur Überzeugung der Kammer entspricht es aufgrund der Ausführungen des Sachverständigen … dem Facharztstandard zu wissen, dass bei einer Laseranwendung in den Atemwegen die Sauerstoffzufuhr zwingend so weit wie möglich zu reduzieren ist, auf jeden Fall aber auf unter 50 %. Sofern dies nicht beachtet wird, stellt dies einen Behandlungsfehler dar und zugleich auch eine – vom Facharztstandard ausgehend – vermeidbare Sorgfaltspflichtverletzung.
139
Der Sachverständige … bestätigte zudem, dass sich das Feuerrisiko in den Atemwegen , auch realisiert habe, indem das Bronchoskop Feuer fing. Somit führte die Sorgfaltspflichtverletzung auch zu dem Brand des Bronchoskops und der dadurch verursachten Lungenschädigung, die letztlich tödliche Folgen hatte. Dass es ohne das Vergessen der Sauerstoffreduktion nicht zum Brand gekommen wäre, davon ist die Kammer aufgrund des vorherigen erfolgreichen Lasereinsatzes beim Durchtrennen des Haltefadens überzeugt. Insofern bestehen aufgrund der gegebenen Umstände keine vernünftigen Zweifel an der Kausalität der Sorgfaltspflichtverletzung für den Brand bzw. die Verpuffung (s.o.) und in der weiteren Folge für den Tod des Patienten (s.u.).
140
Beide Angeklagte hätten problemlos, durch Betätigung der „Laser-Save,-Taste“ an der Jet-Beatmung vor der Laseranwendung den Behandlungsfehler und damit die Sorgfaltspflichtverletzung vermeiden können.
141
Beiden Angeklagten ist auch die festgestellte Sorgfaltspflichtverletzung und die Nichteinhaltung des Facharztstandstandards vorzuwerfen.
142
Der Angeklagte … war Hauptoperateur und hatte den Eingriff zusammen mit dem Patienten … geplant und besprochen. Er war der zuständige Pneumologe, der bis zum schadensursächlichen Lasereinsatz auch den Operationsablauf bestimmte und die Operation durchführte. Nachdem er für sich selbst bereits entschieden hatte, den Eingriff über das Bronchoskop abzubrechen und doch eine Tracheotomie durchzuführen, kam der Mitangeklagte … auf ihn zu, zuvor eine Stentspaltung mittels Lasers zu versuchen. Der Angeklagte … lehnte unstreitig die eigenhändige Durchführung einer solchen Spaltung ab und verbalisierte auch gegenüber dem Angeklagten …, dass er eine solche Behandlungsmethode nicht kenne und deshalb auch nicht durchführen werde. Allerdings erklärte er sich schließlich damit einverstanden, dass der Angeklagte … die Trennung mittels des Lasers vornimmt. Vor diesem Hintergrund überließ nunmehr der Angeklagte … dem Angeklagten … die weitere Ausführung der Operation, indem er mit ihm den Platz tauschte und ihm auch das flexible Bronchoskop übergab. Als der die Operation leitende und planende Operateur hätte der Angeklagte … aufgrund seines Fachwissens nunmehr sicherstellen müssen, dass er entweder selbst den, Sauerstoff reduziert oder dass der Angeklagte … die Facharztstandards einhält und nicht ohne zuvor den Sauerstoff zu reduzieren, den Laser einsetzt. Auch wenn dem Angeklagten … nicht bekannt gewesen sein sollte, welcher Facharztrichtung … angehört – wie der Angeklagte … gab –, so wäre es gerade vor diesem Hintergrund erforderlich gewesen, die Fachkenntnisse des Kollegen im zu operierenden Bereich zu hinterfragen bzw. zu überwachen. Er hätte nicht darauf vertrauen dürfen, dass der Angeklagte … allein aufgrund seiner Angaben, dass er den Schnitt übernehme, über entsprechendes Fachwissen in den Atemwegen verfügt, zumal dieser selbst dies auch nicht behauptet hatte. Somit konnte der Angeklagte … auch nicht von einem Facharztstandard bei … ausgehen, sondern hatte diesen zumindest auch selbst sicherzustellen. Insofern oblag dem Angeklagten … als Hauptoperateur eine Überwachungspflicht bezüglich des die Operation zeitweise übernehmenden Angeklagten …, zumal der Angeklagte … selbst noch an der Operation mitwirkte.
143
Dem Angeklagten … wiederum ist vorzuwerfen, dass er als „Nicht-Pneumologe“ einen Lasereingriff an der Trachea übernahm, obwohl er über das hierfür erforderliche Wissen einzuhaltender OP-Standards nicht verfügte und deshalb auch die Reduktion des Sauerstoffgehaltes nicht bedachte. Dabei war der Angeklagte … auch nicht nur ausführendes Organ bzw. Werkzeug des Angeklagten …, sondern er selbst hatte die Stelle des. Hauptoperateurs eingenommen. Dies wird belegt zum einen durch den Umstand, dass der Angeklagte, … ausdrücklich gesagt hatte, dass er diesen Schnitt nicht durchführe und sich damit nicht auskenne. Zum anderen war es auch so, dass der Angeklagte … die Stelle des Angeklagten … im OP einnahm und auch entsprecnena Anweisungen gegenüber dem Mitangeklagten … gab, indem er ihm beispielsweise signalisierte, dass dieser das Lasergerät „scharf“ stellen solle. Der Angeklagte … hatte somit eigenverantwortlich zu dieser Zeit des Eingriffes die Behandlung des Patienten … übernommen. Den Angeklagter … trifft insofern ein Ausführungs- bzw. Übernahmeverschulden. Indem er eine ihm fachfremde Operation übernahm, muss er sich an dem in diesem Fachgebiet geltenden Facharztstandard messen lassen und sich pflichtwidrig unterlassene Maßnahmen vorwerfen lassen bzw. vorwerfen lassen, dass er die entsprechende Behandlung übernahm, ohne über das erforderliche Fachwissen zu verfügen.
144
Schließlich hätten beide Angeklagte auch vorhersehen können, dass die Nichtreduktion des Sauerstoffes mit der Gefahr eines Brandes im Rachenraum schlimmstenfalls auch tödliche Folgen nach sich ziehen kann. Die Folgen eines Brandes in den Atemwegen waren schlichtweg nicht einzugrenzen und nicht übersehbar.
Nottracheotomie am … und weiterer Behandlungsverlauf bis zum ….
145
Die Feststellungen zu den weiteren Maßnahmen nach der missglückten Stentspaltung und zum weiteren Gesundheits- und Behandlungsverlauf beim Patienten … bis zum … beruhen auf den Angaben des Angeklagten …, auf den Angaben der hierzu vernommenen und den Patienten behandelnden Ärzte … und …, auf den Angaben der Ehefrau des Patienten … sowie den diesbezüglichen Ausführungen des Sachverständigen …, der die Erkenntnisse im Rahmen der Obduktion schilderte. Schließlich stimmen die getroffenen Feststellungen auch mit den verlesenen Krankenunterlagen zum Patienten … des … Klinikums … überein, aus denen sich der Behandlungsverlauf zwischen dem … und dem … ergab.
146
Der Angeklagte … schilderte u.a., dass er unmittelbar nach dem „Unfall“ wieder zum Kopf des Patienten geeilt sei, das geschmolzene Bronchoskop entfernt habe und mit einem neuen flexiblen Bronchoskop in der Trachea versuchte, erneut zu bronchoskopieren. Dies sei ihm jedoch nicht möglich gewesen, weil er auf schwarzes Plastik (Teil des abgebrannten flexiblen Bronchoskops) gestoßen sei. Deshalb habe er sofort die Entscheidung mit … zu einer Tracheotomie und zwar nicht als Plan B, sondern wegen einer Notfallsituation getroffen. Nach Auskunft der Chirurgen, die sodann den Stent bargen, sei die Trachea selbst gar nicht so sehr geschädigt, sondern nur gerötet gewesen. Insgesamt habe man noch knapp eine Stunde verbranntes Material des Bronchoskops aus der Luftröhre und den Atemwegen geborgen. Dabei habe dem Angeklagten … der Angeklagte … assistiert. Parallel sei bereits eine Antibiotikabehandlung eingeleitet worden. Im Folgenden sei der Patient auf die ITS gekommen und auch beatmet worden. Es habe zunächst keine dramatische Situation vorgelegen, der Patient sei auch ansprechbar gewesen. Der Angeklagte … schilderte weiter, wie und warum es zu der Entscheidung gekommen war, den Patienten mit einer ECMO-Beatmung zu versorgen und dass er deshalb mit einem entsprechenden Team am … nach … verlegt wurde.
147
Der die Tracheotomie durchführende Zeuge … gab an, notfallmäßig zusammen mit … tracheotomiert und den unbeschädigten Stent geborgen zu haben. Der Stent sei nicht leicht vom Gewebe zu lösen gewesen. Aus der Luftröhre seien im Anschluss mehrere Kunststoffteile des Bronchoskops durch den Angeklagten … entfernt worden. Aus seiner Sicht hätte nach dem, was passiert war, die Luftröhre relativ intakt gewirkt. Er habe deshalb zu diesem Zeitpunkt auch nicht mit einem tödlichen Verlauf gerechnet.
148
Der der Notfalltracheotomie beiwohnende Zeuge … erklärte, dass er noch klare Bilder von schwarzen Ascheresten und Kunststoffflusen vor sich habe. Der Patient sei nach der OP relativ stabil gewesen. Am … habe er ihn dann nochmals operiert, um eine Blutung am Tracheostoma zu stillen. In diesem Zusammenhang sei auch eine Umintubation erfolgt und er habe – wenn auch nicht weit – in die Luftröhre schauen können. Größere Schäden seien ihm insofern nicht aufgefallen.
149
Die Ehefrau und Zeugin … berichtete, dass sie der Angeklagte … nach der Operation anrief und mitteilte, dass es zu einem Zwischenfall gekommen sei, weshalb ihr Mann auf der ITS liege. Man habe Teile aus der Lunge ihres Mannes geborgen. Sie habe ihn am nächsten Tag besucht. Er habe an Schläuchen gehangen und sei beatmet worden, sei kaum ansprechbar gewesen. Die Situation habe sie an … nach dem Kleinhirninfarkt ihres Mannes erinnert. Ihr Mann habe noch über eine Woche in … gelegen und sei dann nach … verlegt worden, weil seine Lunge immer schlechter geworden und eine ECMO-Therapie notwendig geworden sei. Aber auch in … habe sich der Gesundheitszustand ihres Mannes immer mehr verschlechtert. Schließlich habe sie die Entscheidung zum Abschalten der Geräte treffen müssen.
150
Die OP-Schwester und Zeugin … bestätigte, dass die Ärzte im Rahmen der Notfall-Tracheotomie viele schwarze Teile bargen. Gleiches gab die Zeugin …, Instrumentierschwester des Angeklagte …, an.
151
Hinsichtlich des weiteren Behandlungsverlaufes in … schilderte der Zeuge … seine Erinnerungen in Übereinstimmung mit den getroffenen Feststellungen. Darüber hinaus gab er an, dass bereits etwa eine Woche vor der Verlegung des Patienten nach … ihn der Angeklagte … diesbezüglich kontaktiert und mit ihm über eine mögliche Verlegung gesprochen habe. Man habe damals entschieden, noch abzuwarten. Als sodann der Patient am … nach … gekommen sei, habe dieser sich in einem äußerst kritischen Zustand befunden und sei kaum noch zu beatmen gewesen. Sowohl die Lunge, die Bronchien als auch der Kehlkopf seien erheblich geschädigt gewesen. Schon bei Ankunft in … sei nach einer Bronchoskopie klar gewesen, dass die Luftröhre durch eine thermische Einwirkung stark geschädigt worden war. Die Luftröhre habe wie ein ausgetrockneter See ausgesehen, rau und rissig. Die Knorpelspangen seien zum Teil nicht mehr von einer Schleimhaut überzogen gewesen. Aufgrund des thermischen Lungenschadens habe man auch an eine Lungentransplantation gedacht. Diese sei aber bereits aufgrund der geschädigten oberen Atemwege nicht möglich gewesen. Die Lunge habe sich im Folgenden nicht mehr erholt. Es habe immer wieder Blutungen gegeben. Auch habe man täglich gespült. In der zweiten Woche sei das Gewebe um die Luftröhre und die Bronchien weiter eingerissen, Luft sei aus der Luftröhre ausgetreten, die Entzündungszeichen seien gestiegen und der Kreislauf habe sich verschlechtert. Im Rahmen der Öffnung der Luftröhre am … sei festgestellt worden, dass das Gewebe hier zerfällt und dass kein intaktes Gewebe mehr vorhanden ist, an dem eine Naht gesetzt werden kann. Letztlich sei auch wenig später eine offene Verbindung zwischen Speise- und Luftröhre entstanden. Es habe immer wieder Einblutungen in der Lunge gegeben und diese habe auch keinen Sauerstoff mehr aufgenommen. Im CT des Kopfes sei dann noch ein Hirnödem gesehen worden. Nach Gesprächen mit den Angehörigen habe man schließlich entschieden, die Versorgung nicht weiter fortzusetzen und der Patient sei verstorben.
152
Die ebenfalls in … behandelnde Ärztin und Zeugin … berichtete ebenso zum festgestellten Behandlungsverlauf. Sie gab an, dass sie den Patienten am … und … gesehen habe. Er sei trotz ECMO-Beatmung sehr instabil gewesen und es sei zu einem zunehmenden Multiorganversagen gekommen. Am … und sicher bestätigt am … habe man dann auch eine Fistel, also eine Verbindung zwischen Speise- und Luftröhre, festgestellt. Man habe vor diesem Hintergrund das Therapieziel geändert, die ECMO-Therapie beendet und den Tod des Patienten gestattet. Sie habe den Tod gegen … Uhr festgestellt.
153
Der Sachverständige … konnte aufgrund der Feststellungen im Rahmen der Obduktion die bereits durch die vernommenen Zeugen und Ärzte … und … angegebenen Schädigungen bestätigen. Er konnte eine Fistel ca. 10 cm unterhalb des Kehlkopfeinganges feststellen. Auch konnte er großflächige Schädigungen und absterbendes Gewebe im Sinne einer Nekrose vom Kehlkopfeingang bis in die Aufgabelungen der Bronchien, also im gesamten Halsbereich diagnostizieren.
Kausalität des Brandes am Endosokop für den Tod des …
154
Dass letztlich der Band am Bronchoskop ursächlich für den Tod des Patienten … war, beruht auf einer Gesamtschau der Ausführungen der Sachverständigen … und … sowie den dies stützenden Angaben der Ärzte und Zeugen … und … Sämtliche Angaben dieser Zeugen und Sachverständigen, die auch inhaltlich vollumfänglich übereinstimmten, waren nachvollziehbar und schlüssig. Die Kammer hat keinen Zweifel, dass keine sonstigen Umstände den Kausalzusammenhang unterbrachen bzw. auch bei Wegdenken des Brandes den Tod verursacht hätten. Auch konnte weder festgestellt werden, dass eine frühere Verlegung aus … nach … noch dass eine andere Behandlung nach dem Vorfall den Tod vermieden hätte. Mechanische Beanspruchungen der Trachea des Verstorbenen infolge der Bergung des Stents und auch die Bronchoskopien im Rahmen der Folgeuntersuchungen setzten keine eigenständigen Ursachen, die den Tod des Patienten … herbeiführten. Dass das gesamte Ausmaß des Schadens nicht direkt nach dem Vorfall in … deutlich wurde, sondern sich erst im Laufe der Zeit und vor allem erst in … zeigte, steht ebenfalls einer schon in … am … gesetzten Todesursache nicht entgegen. Vielmehr ist dies mit dem zeitlich verzögerten Sichtbarwerden des Schädigungsausmaßes für die Kammer schlüssig erklärbar. Todesursächlich war die thermische Schädigung der Atemwege des Verstorbenen … infolge der missglückten Spaltung des Stents durch die Angeklagten.
155
Am … wurde die Sektion des Patienten … durchgeführt. Der Sachverständige … berichtete zu den hierbei getroffenen Feststellungen, nämlich dass todesursächlich ein Multiorganversagen gewesen sei. Es spreche aber alles dafür, dass die thermische Vorschädigung während der Laseranwendung am … hierfür Ausgangspunkt gewesen sei, was er im Folgenden nachvollziehbar begründete. Dass die bei der Obduktion und zuvor auch schon in … festgestellten massiven Schäden infolge der vorangegangenen thermischen Einwirkung nicht sofort sichtbar waren, sondern erst zeitlich versetzt, begründete er schlüssig damit, dass Verbrennungen sich häufig erst im Lauf der Zeit optisch zeigen.
156
Der Sachverständige … führte zur Todesursache aus, dass es zwar zunächst nur zu einer thermischen Schädigung oberhalb des Stents gekommen sei. Jedoch wurde – ähnlich wie bei einem Rauchgastrauma – im Folgenden das heiße Gas durch den Patienten inhaliert und es sei einerseits durch die Rußpartikel zu einer Schädigung gekommen, andererseits aber vor allem durch das sich in der Lunge ausbreitende heiße Gas zu einer thermischen Schädigung an der Oberfläche des umliegenden Gewebes. Im weiteren Verlauf sei es zu weiteren zunehmend entzündlichen Schäden gekommen, u.a. auch zu der Fistel. Dass zunächst dieses Ausmaß der Schädigung nicht sichtbar geworden sei, sei sehr plausibel. Dass man zunächst bronchoskopisch versuchte, die schädigenden Elemente zu beseitigen, sei richtig gewesen. Nicht möglich sei es jedoch gewesen, den heißen Rauch zu beseitigen. Insofern sei bereits ein Vorgang des Absterbens in Gang gesetzt worden, der nicht mehr aufzuhalten gewesen sei. Man hätte an dieser Stelle nichts unternehmen können, um diese Schädigung zu stoppen, man renne quasi dieser fortschreitenden Schädigung immer nur hinterher. Zwar hätten auch mechanische Schädigungen (z.B. bei der Stententfernung oder beim Bronchoskopieren) insgesamt zum Schadensbild beigetragen. Diese Schäden seien aber nur lokal gewesen, nämlich da, wo am Stent manipuliert worden war. Hauptschadensereignis für das Gesamtschadensbild und die großflächigen Gewebeschäden sei in jedem Fall das Inhalationstrauma gewesen und nicht die nur kurzzeitigen und kleinflächigen Manipulationen. Hinzu seien lediglich eventuelle weitere Schädigungen aufgrund von Manipulationen gekommen. Die unterschiedliche Beschreibung, wie schwer die Atemwege geschädigt waren, in den Befunde der Kliniken … und … erklärt sich der Sachverständige zum einen mit durchaus unterschiedlichen subjektiven Eindrücken der Ärzte, die geschildert wurden. Vor allem müsse aber der zeitliche Verlauf gesehen werden und dass die Veränderungen und das Entzündungsbild fortschritten. Zusammengefasst führte der Sachverständige … – insbesondere auch nach Sichtung sämtlicher Krankenunterlagen – aus, dass für ihn keine andere Hauptursache als die thermische Schädigung infolge des Lasereinsatzes todesursächlich war. Hinzu kämen zwar sicher weitere begünstigende Faktoren, wie die Vorerkrankungen des Patienten. Aber aufgrund der Analyse der Krankenunterlagen und den Ergebnissen der Obduktion sei für ihn keine andere Hauptursache erkennbar.
157
Auch der in … behandelnde Arzt und Zeuge … schätzte ein, dass beim Patienten … eine ausgedehnte thermische Schädigung vorgelegen hat, die letztlich zum Tode führte. Dabei seien alle einsehbaren. Atemwege geschädigt gewesen, der Kehlkopf wargeschwollen, die Luftröhre braun bis schwarz und rissig bis in die beiden Hauptbronchien und auch im Bereich der Lappen sei die Schleimhaut geschwollen gewesen. Überall hätten sich auch noch Kunststoffteile befunden. Die Struktur der Luftröhre sei einfach nicht mehr intakt gewesen, wobei sie zu 100 % betroffen war und die Hauptbronchien zu 50 %. Nach seiner Einschätzung könnte für die Schädigungen auch eine mechanische Beanspruchung mitursächlich gewesen sein, vermutlich um den festsitzenden Stent zu bergen. Aber der Zeuge sei sich zu 100 % sicher, dass der Tod letztlich auf die Verpuffung zurückzuführen ist.
158
Die Zeugin … berichtete insofern, dass sie noch nie eine solch schwere Verletzung der Trachea, wie bei … gesehen habe. Die Schleimhaut habe gefehlt und die Hauptbronchien seinen hochentzündlich verändert gewesen. Bereits bei leichter Berührung hätten sie geblutet. In der Luftröhre wären die Knorpelspangen freiliegend gewesen, ebenso wie Muskelstränge. Sie habe zuvor noch nie so eine verbrannte Trachea gesehen, weshalb sie von einer schweren thermischen Schädigung ausgegangen sei. Sie habe den Eindruck gehabt, dass es kein lebendiges Gewebe mehr gäbe, sondern dass dies schwerst geschädigt war. Aus ihrer Sicht sei diese Einschätzung mit den Befunden aus … vereinbar, auch wenn auf den ersten Blick eine gewisse Diskrepanz vorzuliegen scheine. Aber man müsse sehen, dass Menschen nach einer Verletzung nicht sofort das volle Verletzungsbild zeigen, sondern erst im weiteren Verlauf. Es verändere sich verletztes Gewebe auch erst im Laufe der Zeit (dies bestätigt der Sachverständige … in seinen Ausführungen), weshalb nachvollziehbar sei, dass das von ihr wahrgenommene Ausmaß der Verletzung so in … noch nicht sichtbar gewesen sein müsse.
159
Dies bestätigend gab auch der Zeuge … an, dass es sein könne, dass er den dann in … festgestellten Schaden an der Luftröhre noch nicht gesehen habe, weil der zeitliche Verlauf zu sehen sei und dass Schäden evtl. erst später sichtbar wurden. Außerdem sei für ihn auch nur ein kleiner Teil der Luftröhre einsehbar gewesen.
160
Diese zusammengefasst dargestellten Aussagen und Ausführungen zugrundelegend hat die Kammer keine Zweifel daran, dass todesursächlich für den Patienter … die beim Lasereinsatz entstandene Stichflamme am flexiblen Bronchoskop mit der anschließenden Verpuffung im Rachenraum war. Dies führte dazu, dass der Patien … die entstandenen heißen Gase einatmete, was zu einer thermischen Schädigung seiner Atemwege führte. Diese thermische Schädigung bedingte, das … über … Wochen später an einem Multiorganversagen verstarb.
IV. Rechtliche Würdigung
161
Aufgrund des unter II. festgestellten Sachverhaltes haben sich die Angeklagten der fahrlässigen Tötung schuldig gemacht, § 222 StGB.
162
Beide Angeklagte beachteten nicht die Sorgfalt, die im Rahmen der Operation erforderlich gewesen wäre, und die letztlich auch den Tod des Patienten … ermieden hätte. Sie begingen den kausalen Behandlungsfehler, bei der Anwendung des Lasers in der Trachea nicht den Sauerstoff zu reduzieren, wobei sie die Sauerstoffreduktion nicht vorsätzlich unterließen, sondern dies schlicht vergaßen. Infolge des nicht reduzierten Sauerstoffgehaltes im Rachenraum kam es beim Lasereinsatz zu einem Feuer bzw. einer Verpuffung. Dies wiederum führte zu einer massiven Schädigung der Luftwege und zu einem Inhalationstrauma, an dessen Folgen der Patient einige Zeit später trotz intensivmedizinischer Betreuung schließlich verstarb. Der Behandlungsfehler in Form der Nichtreduzierung des Sauerstoffes war für beide Angeklagte auch problemlos vermeidbar gewesen. Sie hätten entweder den Sauerstoff selbst an der „Laser-Save-Taste“ reduzieren oder die Sauerstoffreduktion durch einen Dritten überwachen bzw. sicherstellen müssen. Auch die sich aus der Sorgfaltspflichtverletzung ergebenden – nicht kalkulierbaren – Folgen waren für beide vorhersehbar gewesen, nämlich dass ein Brand im Rachenraum schlimmstenfalls tödliche Folgen haben kann.
IV. Strafzumessung
163
Die Strafe war dem Strafrahmen des § 222 StGB zu entnehmen, der Geld- oder Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren vorsieht.
164
Bei der in diesem Strafrahmen zu findenden Strafe waren folgende Gesichtspunkte in die Gesamtabwägung einzustellen.
165
Zugunsten beider Angeklagter sprach zunächst ihr Geständnis. Der Angeklagte … gab dies zu Beginn der Hauptverhandlung ab. Der Angeklagte … ließ sich am dritten Verhandlungstag über seinen Verteidiger dahingehend ein, dass die Angaben des Mitangeklagten stimmen könnten und bestätigte dies auch auf Nachfrage. Zugunsten beider Angeklagter sprach weiter, dass diese bislang nicht vorbestraft sind. Sie gelten als erfahrene und gewissenhafte Ärzte, die in ihrem Fachgebiet, hohe Anerkennung genießen. Der ihnen vorzuwerfende Behandlungsfehler (keine Reduktion des Sauerstoffes) erfolgte nach einer in kürzester Zeit getroffenen Entscheidung zu einer weiteren – bislang von beiden Angeklagten im Bronchialsystem nicht eingesetzten – Behandlungsmethode. Mit dieser neuen Methode wollten sie einen chirurgischen Eingriff im Sinne und zum Wohle des Patienten vermeiden. Beide Ärzte waren auf diese neue Methode fokussiert, was das Vergessen, den Sauerstoff zu reduzieren, nicht entschuldigt, aber als Augenblicksversagen nachvollziehbar macht. Die Angeklagten zeigten im Rahmen der Hauptverhandlung Schuldeinsicht, Reue und großes Bedauern bezüglich der Folgen ihres Handelns. Sie versicherten glaubhaft, dass sie sich seit dem Vorfall immer wieder über ihr Fehlverhalten Gedanken gemacht und dieses nach wie vor täglich vor Augen haben. Nach dem Vorfall hatte sich der Angeklagte … in einem Brief an die Witwe des Verstorbenen gewandt und sich bei dieser entschuldigt. Der Vorfall liegt mittlerweile … Jahre zurück. Seither leben die Angeklagten in Ungewissheit bezüglich, des Ausganges des Strafverfahrens, was sie einerseits psychisch stark belastet, andererseits sowohl im privaten Bereich als auch beruflich stark einschränkt. So nahm der Angeklagte … von seinem Vorhaben, ein Eigenheim zu bauen, aufgrund der nicht absehbaren möglichen finanziellen Folgen des Strafverfahrens Abstand. Der Angeklagte … hat sein berufliches Fortkommen seither zurückgestellt. Er bewirbt sich nicht auf neue Stellen und geht auf ihn besser stellende Angebote nicht ein. Bis zum Abschluss dieses Strafverfahrens sind die Entscheidungen der parallel anhängigen berufsrechtlichen und zulassungsrechtlichen Verfahren der Bayerischen Ärztekammer bzw. der Regierung von Unterfranken zurückgestellt. Möglicherweise haben die Ärzte hier mit weiteren, für sie negativen Folgen zu rechnen. Nicht zuletzt ist deshalb ist auch die lange Verfahrensdauer wegen der Ungewissheit als negative Folge zugunsten der Angeklagten zu sehen. Schließlich muss berücksichtigt werden, dass aufgrund der eingeholten Sachverständigengutachten, der Anwesenheit mehrerer Sachverständiger in der Hauptverhandlung und der relativ langen Hauptverhandlungsdauer mit hohen Verfahrenskosten zu rechnen ist, die neben der auszuwerfenden Strafe von den Angeklagten zu tragen sind.
166
Auf der anderen Seite war zulasten der Angeklagten zu berücksichtigen, dass der schließlich verstorbene Patier … noch längere Zeit unter Schmerzen lebte. Auch ist zu würdigen, dass dessen Ehefrau psychisch nach wie vor mit seinem Ableben zu kämpfen hat.
167
Unter Berücksichtigung dieser Strafzumessungskriterien ist für den Angeklagten … eine Geldstrafe von 150 Tagessätzen und für den Angeklagten … eine Geldstrafe von 120 Tagessätzen tat- und schuldangemessen.
168
Bei der Differenzierung … gesehen und dass der Angeklagte … Hauptoperateur der pulmologischen Operation gewesen ist.
169
Die Höhe der einzelnen Tagessätze wird gem. § 40 Abs. 2 StGB beim Angeklagte … auf 210 Euro und beim Angeklagten … auf 130 Euro festgesetzt. Berücksichtigt wurden dabei die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Angeklagten, insbesondere ihre Einkünfte, ihre Unterhaltsverpflichtungen gegenüber den Kindern und bei … sondere Belastungen für den Fahrtweg zur Arbeit.
170
Konkret wurde wie folgt die Höhe berechnet:

Angeklagter …t

Nettoeinkünfte von monatlich ca.

… Euro

./. 10 % Benzinkosten/Werbungskosten i.H.v.

… Euro

./. 10 % Naturalunterhalt für den Sohn i.H.v.

… Euro

ergibt ein zu berücksichtigendes Einkommen von

…: 30 Tage = … Euro,

abgerundet … Euro

Angeklagter …

Nettoeinkünfte von monatlich ca.

… Euro

./. tatsächlich gezahlter Unterhalt an Söhne i.H.v.

… Euro

./. Unterhalt Ehefrau (20 % Naturalunterhalt abzgl.

eigener Einkünfte von mtl. … Euro)

… Euro

ergibt ein zu berücksichtigendes Einkommen von

… Euro : 30 Tage = Euro …

abgerundet … Euro.

V. Kompensation
171
Die Kammer hatte ferner festzustellen, dass eine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung vorliegt, die mit drei Jahren und einem Monat bemessen wurde. Zur Kompensation dieser Verzögerung war bezüglich beider Angeklagter anzuordnen, dass jeweils 20 Tagessätze der gegen sie verhängten Geldstrafen als vollstreckt gelten.
172
Das Verfahren gegen die Angeklagten nahm von Beginn der polizeilichen Ermittlungen ab dem … bis zum vorliegenden Urteil eine Zeit von … Jahren und knapp … Monaten in Anspruch. Dabei wurden die anfänglichen polizeilichen Ermittlungen angesichts des Umfangs und der Bedeutung der Sache in angemessener Zeit geführt. Zugleich wurden durch die Staatsanwaltschaft H. vor Anklageerhebung Gutachtensaufträge (am … und am …) ausgelöst, vor deren Beauftragung und nach deren Eingang die Verteidiger Stellung nehmen konnten. Nachdem am … zuletzt durch einen Verteidiger unter Berücksichtigung der Gutachten noch Stellung zu den Tatvorwürfen genommen worden war, erfolgte am … und aufgrund der. Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage auch noch nicht verzögert die Anklageerhebung durch die Staatsanwaltschaft H..
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Im Folgenden nahmen die Verteidiger innerhalb der vom Gericht gesetzten Fristen zur Anklageschrift Stellung, zuletzt am …, nachdem es zuvor zu bewilligten Fristverlängerungen für die Verteidiger gekommen war. Die Verteidiger beantragten jeweils die Nichteröffnung des Hauptverfahrens. Hierzu wurde der Staatsanwaltschaft nochmals Frist zur Stellungnahme bis zum … eingeräumt. Die von der Staatsanwaltschaft H. am … abgegebene Stellungnahme wurde den Verteidigern wiederum mitgeteilt. Sodann wurden am … – u.a. aufgrund der Verteidigervorträge – Nachermittlungen in Form von Zeugenvernehmungen durch das Gericht beauftragt. Diese trafen am … schließlich vollständig beim Landgericht Hof ein. Am … wurde seitens des Gerichts und auf Anregung und: in Abstimmung mit der Verteidigung ein Erörterungstermin gem. § 202 a StPO auf den … bestimmt. Der Termin fand statt. Seitens des Gerichts wurde mitgeteilt, dass für den Fall der Eröffnung des Hauptverfahrens … Termine abgesprochen werden sollen. Am … wurde das Hauptverfahren eröffnet. Im Folgenden wurden bei den Verteidigern Termine abgefragt, die zugleich auch bei der Kammer und dem Sachverständigen … möglich waren. Schließlich wurden insgesamt … Hauptverhandlungstermine ab dem … mit Terminsverfügung vom … bestimmt. Eine frühere Terminierung war aufgrund der Schwierigkeit, einen gemeinsamen bei allen Beteiligten möglichen Termin zu finden, nicht möglich. Bis zu diesem Zeitpunkt konnte seitens der Kammer insbesondere aufgrund der schwierigen Sach- und Rechtslage keine Verfahrensverzögerung festgestellt werden.
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Tatsächlich kam es am … jedoch nicht zum Beginn der Hauptverhandlung, sondern es wurde die Eröffnung aufgrund unvollständiger Unterlagen zunächst auf dem … verschoben und sodann wurden sämtliche Hauptverhandlungstermine am … aufgehoben. Im Folgenden wurden durch das Landgericht Hof weitere Gutachtensaufträge vergeben, sowohl an den bereits beauftragten … als auch an weitere Gutachter (… und …). Nach Eingang dieser Gutachten und hierzu eingegangenen Stellungnahmen der Verteidiger wurden sodann ab … erneut Hauptverhandlungstermine geplant. Schließlich begann die Hauptverhandlung am ….
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Zwischen dem ursprünglich am … geplanten Beginn der Hauptverhandlung und dem tatsächlichen Beginn am … liegt eine zu kompensierende Verfahrensverzögerung vor. Die in dieser Zeit vom Gericht veranlassten Nachbegutachtungen und Ermittlungen hätten bereits vorher vom Gericht beauftragt werden können, so dass es in diesem Fall bei den ursprünglich geplanten Terminen und dem Beginn am … hätte verbleiben können. Die Verzögerung ist ausschließlich der Gerichtssphäre zuzuordnen. Nach der erforderlichen Gesamtschau des Verfahrensgangs ist nach Auffassung der Kammer einer rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung insofern festzustellen. Diese bemisst … Jahre und … Monat.
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Diese Verfahrensverzögerung war, wie tenoriert, für die Angeklagten zu kompensieren. Unter Berücksichtigung aller Umstände, insbesondere auch der Gesamtdauer des Verfahrens zwischen der Tat und dem Urteil, der Straferwartung für die Angeklagten und der Dauer und der Umstände der vorliegenden Verfahrensverzögerung war die bloße Feststellung einer rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung als Kompensation nicht mehr ausreichend. Es waren die Belastungen in Rechnung zu stellen, die die Angeklagten durch das Verfahren und dessen Dauer hinnehmen mussten. Hierbei war vor allem auch die psychische Belastung zu sehen, mit der die Angeklagten angesichts des schwebenden Strafverfahrens und der – bis zum Abschluss des Strafverfahrens – auch noch offenen berufsrechtlichen Entscheidung leben mussten.
VI. Kosten
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Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 465 Abs. 1, 466 Abs. 1 StPO.