Inhalt

LG Würzburg, Urteil v. 29.03.2023 – 1 Ks 801 Js 8306/22
Titel:

Angeklagte, Hauptverhandlung, Erkrankung, Arbeitgeber, Freiheitsstrafe, Wohnung, Angeklagten, Krankenhaus, Diagnose, Facharzt, Wohngemeinschaft, Unterbringung, Klinik, Sicherungsverwahrung, Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus, Art und Weise, Kosten des Verfahrens

Schlagworte:
Angeklagte, Hauptverhandlung, Erkrankung, Arbeitgeber, Freiheitsstrafe, Wohnung, Angeklagten, Krankenhaus, Diagnose, Facharzt, Wohngemeinschaft, Unterbringung, Klinik, Sicherungsverwahrung, Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus, Art und Weise, Kosten des Verfahrens
Rechtsmittelinstanz:
BGH Karlsruhe, Urteil vom 10.01.2024 – 6 StR 324/23
Fundstelle:
BeckRS 2023, 45621

Tenor

1. Der Angeklagte ist schuldig des versuchten Mordes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung.
2. Er wird hierwegen zu einer
Freiheitsstrafe von 11 (elf) Jahren
verurteilt.
3. Die Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus wird angeordnet.
4. Der Angeklagte hat die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen der Nebenklägerin zu tragen.
Angewandte Vorschriften: §§ 211, 223 Abs. 1, 224 Abs. 1 Nr. 2, Nr. 5, 21, 22, 23 Abs. 1, 52, 63 StGB

Entscheidungsgründe

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Dem Urteil liegt keine Verständigung i.S.d. § 257 c StPO zugrunde.
A. Persönliche Verhältnisse
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Der 28-jährige Angeklagte wurde am 09.05.1994 als drittes von vier Kindern seiner verheirateten Eltern in W geboren. Zusammen mit seinen beiden älteren Brüdern und seiner jüngeren Schwester wuchs er bei seinen Eltern im Stadtteil Z auf. Die drei Jahre jüngere Schwester des Angeklagten kam mit elf Jahren in ein Heim. Seitdem hatte der Angeklagte zu ihr keinen Kontakt mehr.
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Der Angeklagte wurde mit sechs Jahren regelgerecht eingeschult und besuchte nach der vierten Grundschulklasse die ebenfalls in der Z gelegene Schule. Hierbei handelt es sich um eine Schule zur Lernförderung. Diese verließ der Angeklagte mit 15 Jahren nach erfolgreichem Abschluss der neunten Klasse.
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Anschließend wurde ihm über das Berufsförderungszentrum ein sechswöchiges Praktikum bei der im Stadtteil H gelegenen Schreinerei I GmbH vermittelt. Dort wurde er nach Abschluss des Praktikums übernommen und innerhalb von drei Jahren zum Holzfachwerker ausgebildet. Eine sich daran anschließende Schreinerlehre konnte der Angeklagte nicht beginnen, da dafür seine Noten der Abschlussprüfung zum Holzfachwerker nicht ausreichten. Der Angeklagte war bis zu seiner Inhaftierung in seinem Ausbildungsbetrieb in Vollzeit beschäftigt. Sein monatlicher Nettolohn betrug ca. 1.300 EUR. Er hat Schulden in Höhe von ca. 6.500 EUR aus der Finanzierung eines Quadbikes.
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Der nicht vorbestrafte Angeklagte wohnte Zeit seines Lebens in einem eigenen Zimmer bei seinen Eltern. Einen eigenen Hausstand hat er zu keiner Zeit begründet.
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Der Angeklagte lebt betäubungsmittelabstinent und nimmt keine Medikamente ein. Zwar trinkt er regelmäßig Alkohol, vorwiegend „Jägerbull“ (Jägermeister mit Red Bull), allerdings in einem sozial verträglichen Maß. Ein schädlicher Gebrauch von Alkohol liegt bei ihm nicht vor.
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In seiner Freizeit spielte der Angeklagte vorwiegend Computer- und Videospiele, unternahm mit seinem Quadbike Spritztouren oder traf sich gelegentlich mit seinen (wenigen) Freunden.
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Der Angeklagte befand sich seit dem 10.05.2022 aufgrund Haftbefehls des Amtsgerichts Würzburg vom 10.05.2022 (Gz. 13 S Gs 1349/22), ersetzt durch Haftbefehl des Landgerichts Würzburg vom 25.01.2023 ununterbrochen in dieser Sache in der Justizvollzugsanstalt Würzburg in Untersuchungshaft.
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Seit dem 29.03.2023 ist der Angeklagte aufgrund Unterbringungsbefehls des Landgerichts Würzburg vom 29.03.2023 einstweilig im Bezirkskrankenhaus Lohr am Main untergebracht.
B. Sachverhalt
0. Vorspann
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Bei dem Angeklagten entwickelte sich auf dem Boden einer narzisstischen Persönlichkeitsstörung (ICD-10: F60.80) eine Paraphilie in Form eines sexuellen Sadismus (ICD-10: F65.5).
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Der Angeklagte lebte fest integriert im Verband seiner Familie. Allerdings fiel es ihm zeitlebens schwer, außerhalb seiner Familie sozialen Anschluss zu finden.
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Während seiner Schulzeit hatte der Angeklagte keine Freunde. Er wurde von seinen Klassenkameraden ausgegrenzt und das Opfer fortwährender psychischer und physischer Misshandlungen. Diese gingen zu einem erheblichen Teil von Mädchen seiner Klasse aus, die der Angeklagte attraktiv fand, was er als besonders verletzend und erniedrigend empfand. Die Tatsache, dass der Angeklagte bis zu seiner Volljährigkeit an einer nächtlichen Inkontinenz litt, verunsicherte ihn zusätzlich und hemmte ihn bei der Aufnahme sozialer Kontakte. Erst im Laufe seiner Lehrzeit baute sich der Angeklagte einen kleinen Freundeskreis auf, musste allerdings mithilfe seines knapp drei Jahre älteren Bruders K erkennen, dass er lediglich manipuliert und finanziell ausgenutzt wurde. Nachdem der Angeklagte deswegen den Kontakt zu seinen vermeintlichen Freunden enttäuscht abgebrochen hatte, fand er in den folgenden Jahren Anschluss im engsten Freundeskreis seines Bruders Klaus. Zwar traf man sich in unregelmäßigen Abständen zu gemeinsamen Treffen, dennoch verbrachte der Angeklagte den größten Teil seiner Freizeit – insbesondere während der pandemiebedingten Kontaktbeschränkungen – allein und beschäftigte sich weitgehend mit Computer- und Videospielen und der Suche nach einer Partnerin.
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Diese Suche verlief jedoch erfolglos. Der Angeklagte ist heterosexuell und entwickelte ab seinem 14. Lebensjahr Interesse am anderen Geschlecht. Er musste allerdings feststellen, dass dieses Interesse nicht erwidert wurde. Nachdem sich der Angeklagte anfänglich nur in sexuellen Fantasien erging, begann er mit 18 Jahren zu Nacktbildern und sodann zu pornographischem Filmen zu masturbieren. Gegenstand seiner Fantasien und der von ihm konsumierten pornographischen Inhalte waren zunächst ausschließlich nicht deviante Praktiken. Ab dem 20. Lebensjahr entwarf der Angeklagte seinen „Lebensplan“, eine Partnerin zu finden, bis zum 30. Lebensjahr mit dieser Partnerin zusammengezogen und verheiratet zu sein und bis zum 35. Lebensjahr eine Familie mit Kindern gegründet zu haben. Um seine Erfolgsaussichten zu steigern, weitete der Angeklagte seine Suche nach einer Partnerin auch auf soziale Medien und diverse Datingportale aus. Die Umsetzung seines Lebensentwurfs wurde jedoch dadurch erschwert, dass es ihm seine Einkommensverhältnisse trotz der Vollzeitbeschäftigung als Holzfachwerker nicht ermöglichten, einen eigenen Hausstand zu begründen. Hinzu kam, dass der Angeklagte nur über eine im niedrigen bis unterdurchschnittlichen Bereich liegende Intelligenz verfügt und dies insbesondere seine kommunikativen Fähigkeiten einschränkt. So blieben seine jahrelangen Bemühungen um eine Partnerschaft mit Ausnahme einer kurzen Liaison mit der acht Jahre älteren T erfolglos. Diese lernte der Angeklagte 2020 über Facebook in einem Singlechat kennen. Nach anfänglichen Nachrichtenwechseln traf man sich für zwei Wochen zum KaffeetRin, Kochen, Spazierengehen und Feiern. Der Angeklagte übernachtete schließlich sogar zweimal in der Wohnung der T, allerdings kam es während des gesamten Zeitraums nur zum gelegentlichen Austausch von Küssen. Nach etwa zwei Wochen beendete T die Beziehung wieder und brach den Kontakt zum Angeklagten ohne nähere Begründung ab. Weitere erwähnenswerte Kontakte zu Frauen, nicht einmal eine längere Konversation, hatte der Angeklagte nicht. Die einzige reale sexuelle Erfahrung des Angeklagten beschränkte sich auf den Besuch eines Bordells im Alter von 24 Jahren. Allerdings verlief auch diese Erfahrung unbefriedigend, da der Angeklagte den Koitus aufgrund einer nachlassenden Erektion abbrechen musste.
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Der Angeklagte reagierte im Laufe der Jahre auf die wiederholten Zurückweisungen in zunehmendem Maße verletzt, frustriert und verärgert. Da er sich selbst zahlreiche positive Attribute – beispielsweise ein attraktives Äußeres und einen guten Charakter – zuschrieb, konnte er sich den Grund für das weibliche Desinteresse zunächst nicht erklären. Im Laufe der Zeit gewann er jedoch ein stark negativ konnotiertes Frauenbild. Diese seien oberflächlich und nur an Äußerlichkeiten und Geld interessiert, (s)ein guter Charakter zähle für sie nicht. Ihr Verhalten ihm gegenüber empfand er immer öfter als despektierlich und mitunter gar unverschämt, insbesondere dann, wenn sie seine Avancen ignorierten und sich – z. B. beim Tanzen – kommentarlos von ihm abwandten. In diesen Situationen fühlte sich der Angeklagte massiv zurückgesetzt und herabgewürdigt. Er sah es als sein Recht an, zumindest den Grund ihres Desinteresses in einer von ihm als respektvoll empfundenen Art und Weise mitgeteilt zu bekommen. Da ihm dies praktisch immer verwehrt blieb, fühlte er sich den fortlaufenden Zurückweisungen chancenlos ausgeliefert und empfand ein Gefühl von Ohnmacht. Dies verbalisierte der Angeklagte jedoch meist nicht, sondern staute diese Gefühle in sich auf. Erschwerend kam hinzu, dass dem Angeklagten die Fähigkeit zur Selbstreflektion und kritischen Hinterfragung seiner Person und seines Verhaltens fehlte. Auf Kritik an seinen offensiv formulierten Kontaktanzeigen und die in ihnen gewählte übertrieben selbstbewusste Beschreibung seiner Person reagierte der Angeklagte mit Unverständnis und überheblichen, zum Teil gar verbalaggressiven Äußerungen.
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Gegen Ende des Jahres 2021 entdeckte der Angeklagte seine Vorliebe für pornografische Inhalte mit Gewaltbezug. Bei seiner täglichen Recherche nach Masturbationsvorlagen stieß er zufällig auf einen Pornofilm mit nekrophilem Inhalt. Er entwickelte innerhalb weniger Tage eine ausschließliche Präferenz für pornografische Filme, die die (nachgestellte) Tötung und den vorgelagerten, zeitgleichen oder anschließenden sexuellen Missbrauch von Frauen zum Gegenstand hatten. Derartige Pornofilme konsumierte der Angeklagte fortan regelmäßig bis zu fünfmal täglich, wobei er sich hierzu selbst befriedigte. Seine Primärpräferenz konzentrierte sich zunehmend auf Filme, in denen Frauen erst mit Gegenständen erschlagen oder erschossen und anschließend deren Leichen sexuell missbraucht wurden. Den Angeklagten stimulierte das für ihn ungewohnte Gefühl von Macht und Kontrolle über die gequälten und getöteten Frauen. Er empfand das den Frauen zugefügte Leid als Genugtuung und Ausgleich für das ihm jahrelang widerfahrene Unrecht. Mit Pornographie und sexuellen Fantasien ohne (tödliche) Gewalt an den zu missbrauchenden Frauen erzielte der Angeklagte keine sexuelle Befriedigung mehr.
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Im Fahrwasser seiner sich ständig steigernden sexuellen Gewaltfantasien spitzte sich die Unzufriedenheit des Angeklagten mit seiner persönlichen Situation bis zu seinem 28. Geburtstag am 09.05.2022 weiter dramatisch zu. Im Frühjahr 2022 wurde er bei der Nutzung einer Dating-App das Opfer einer finanziellen Betrugsmasche, als er von einer vermeintlich interessierten Frau lediglich zum Austausch kostenpflichtiger Nachrichten manipuliert wurde. Als er am 06.05.2022 – drei Tage vor seinem 28. Geburtstag – bei einem Singletreffen in der Diskothek Z erneut von einer Frau kommentarlos zurückgewiesen wurde, sah der Angeklagte die Umsetzung seines Lebensplans aufgrund der Oberflächlichkeit der Frauen endgültig als gescheitert an. Gegenüber seinem Freund A K äußerte er in mehreren WhatsApp-Nachrichten am Abend des 07.05.2022, dass er „nie das Vergnügen [haben werde] ein Mädchen auszuführen oder [mit einem] rumzuknutschen“. Er sei „ein hoffnungsloser Fall“, der nicht einmal auf reinen Sexdate-Apps eine Chance hätte. Er werde „alleine sterben und auch immer alleine wichsen“. Er sei fast 28 und habe sich „noch nie wir[k]lich richtig ausgelebt“, obwohl er „schon echt alles versucht [habe,] naja fast alles“. Er habe „ein zu gutes [H]erz[,] deswegen klapp[e] es nicht[, er sei] kein [A]rsch“. Er sei „ehrlich[,] treu [u]n[d] habe [C]harakter [,] das [sei] das [,] was [W]eiber heute nicht wollen“ würden.
I. Tatvorgeschehen
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Am Montag, dem 09.05.2022 – seinem 28. Geburtstag – begab sich der Angeklagte morgens zwischen 7:00 Uhr und 7:30 Uhr wie üblich zu seiner Arbeitsstelle bei der Schreinerei I GmbH im Stadtteil H. Zu diesem Zeitpunkt hatte er noch keine Kenntnis darüber, welche Arbeitsaufträge an dem Tag zu erledigen sein würden.
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Im Betrieb angekommen traf er auf den Inhaber I K, welcher ihm zu seinem Geburtstag gratulierte und ihm den Nachmittag freigab.
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Anschließend erhielt der Angeklagte von seinem Vorarbeiter L den Auftrag, zusammen mit seinem Arbeitskollegen H K ein Fenster in einer Studenten-WG im Anwesen R Straße in W auszutauschen. Zwar hatte der Angeklagte in dieser Wohngemeinschaft bereits zuvor einmal im Sommer 2021 ein Fenster ausgetauscht und hierbei auch die dort lebende Nebenklägerin getroffen, allerdings war er sich dessen nicht mehr bewusst.
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Der Angeklagte belud sodann mit H K den Firmenklein-LKW (Sprinter) und begab sich anschließend mit seinem Kollegen zwischen 07:30 Uhr und 8:00 Uhr zu dem ihm genannten Anwesen, einem mehrstöckigen Mehrparteienhaus mit einem zentralen Treppenhaus, das die gegenüber- und übereinanderliegenden Wohneinheiten miteinander verbindet.
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Nachdem der Angeklagte den Sprinter vor dem Anwesen geparkt hatte, klingelte er mit seinem Kollegen gegen 8:00 Uhr bei der Wohngemeinschaft. Diese lag im ersten Obergeschoss des Anwesens.
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Die Nebenklägerin, eine zur Tatzeit 27-jährige chilenische Staatsangehörige, war an diesem Morgen allein in der Wohngemeinschaft. Sie öffnete den Handwerkern und zeigte ihnen das auszutauschende Fenster im Zimmer ihres abwesenden Mitbewohners. Obwohl der Angeklagte der Nebenklägerin bereits im Sommer 2021 begegnet war, erkannte er sie nicht wieder.
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Anschließend begab sich die Nebenklägerin in ihr Zimmer und schlief dort zunächst bis etwa 9:00 Uhr. Sodann begann sie, sich für ihre Arbeit fertig zu machen und zu frühstücken.
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Währenddessen gingen der Angeklagte und H K ihrer Arbeit nach und tauschten das Fenster im Zimmer des Mitbewohners aus. Da sie regelmäßig Werkzeug und andere Arbeitsmaterialien aus dem Sprinter holen mussten, hatten sie die Wohnungstüre „hinterriegelt“. Hierzu drehten sie bei geöffneter Wohnungstüre den Riegel aus dem Schloss, sodass dieser ein ungewolltes Zufallen der Wohnungstüre verhinderte. Die Wohnungstüre wäre sonst durch einen Zugmechanismus ins Schloss gefallen und hätte einen Zutritt von außen ohne Schlüssel verhindert.
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Die Nebenklägerin musste gegen 10:20 Uhr die Wohnung verlassen, um zu ihrer Praktikumsstelle zu fahren. Da jedoch absehbar war, dass die Handwerker über diesen Zeitpunkt hinaus mit dem Austausch des Fensters beschäftigt sein würden, teilte sie dem Angeklagten gegen 10:00 Uhr mit, dass sie in 20 Minuten gehen müsse und die Handwerker die Arbeiten in ihrer Abwesenheit abschließen könnten. Sie bat lediglich darum, die Wohnungstüre nach Beendigung der Arbeiten in das Schloss zu ziehen. Anschließend begab sich die Nebenklägerin nochmals zurück in ihr Zimmer, um fertig zu frühstücken.
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Der Angeklagte forderte daraufhin H K auf, in den Betrieb zu fahren, um eine fehlende, aber benötigte Winkelleiste zu holen. Er teilte ihm die erforderlichen Maße mit und gab an, währenddessen mit den noch verbliebenen Arbeiten am Fenster fortzufahren. H K war einverstanden und verließ unmittelbar darauf – jedenfalls noch vor 10:10 Uhr – die Wohnung der Nebenklägerin.
II. Tatgeschehen
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Als der Angeklagte vom Fenster aus seinen Kollegen wegfahren sah, wurde ihm spontan bewusst, dass er mit der Nebenklägerin allein in der Wohnung war. Ihn überkamen rasch immer stärker werdende sexuelle Gewaltfantasien, die in seinen Augen attraktive Nebenklägerin zu töten und zu vergewaltigen. Letztlich erlag der Angeklagte diesen paraphilen Handlungsimpulsen und er entschloss sich, die Nebenklägerin mit einem Hammer zu erschlagen, um anschließend an ihrer Leiche den vaginalen Geschlechtsverkehr zu vollziehen. Dem Angeklagten war dabei das Unrecht seines Verhaltens bewusst, allerdings empfand er die mit der Gewaltausübung verbundene Macht und Kontrolle über die Geschädigte aufgrund seiner Paraphilie als sexuell so erregend, dass er diesen Handlungsimpulsen nicht in gleichem Maße wie eine gesunde Person zu widerstehen vermochte. Der Angeklagte nahm sodann in Ausführung seines vorgefassten Tatplans zwischen 10:00 Uhr und 10:10 Uhr den Hammer seines Arbeitskollegen H K an sich und begab sich in das Zimmer der Nebenklägerin. Der Hammer war 25,5 cm lang und 405 Gramm schwer. Er hatte einen Holzstiel und einen Eisenkopf mit einer stumpfen und einer abgeflacht-zugespitzten Schlagseite. Als der Angeklagte das Zimmer der Nebenklägerin betrat und diese ihn von ihrem Schreibtisch aus erblickte, fragte der Angeklagte sie, ob es noch weitere beschädigte Fenster in der Wohnung gäbe. Daraufhin führte die Nebenklägerin den Angeklagten in das anliegende Badezimmer und zeigte ihm das dortige Fenster, durch das im Sommer des vergangenen Jahres Regenwasser eingedrungen war. Nachdem sich der Angeklagte das Fenster angeschaut und die Nebenklägerin zur weiteren Abklärung an die Hausverwaltung verwiesen hatte, verließen der Angeklagte und die Nebenklägerin das Bad, wobei der Angeklagte der Nebenklägerin den Vortritt ließ, um sie hinterrücks erschlagen zu können. Unmittelbar nach Verlassen des Bades, schlug der Angeklagte der vor ihm gehenden Nebenklägerin von hinten einmal wuchtig mit der stumpfen Schlagseite des Hammerkopfes auf den Schädel. Die Nebenklägerin, die sich bis zu diesem Zeitpunkt – wie vom Angeklagten erkannt und bewusst ausgenutzt – keiner Gefahr und erst recht keines Angriffs versah, konnte dem von hinten kommenden Schlag nicht ausweichen und stürzte verletzt zu Boden. Sie versuchte, dem Angeklagten zu entkommen und die Wohnung zu verlassen. Er hielt sie jedoch am Arm oder Handgelenk fest und zog sie in ihr Zimmer. Dort schlug er noch mindestens elf Mal wuchtig mit dem Hammer auf den Kopf der Nebenklägerin ein, bis diese letztlich in Bauchlage regungslos auf dem Zimmerboden mit dem Kopf unter dem Bett zum Liegen kam. Von ihrem Kopf breitete sich rasch eine Blutlache aus, was der Angeklagte wahrnahm. Die Schläge hatten bei ihm zu einer Erektion geführt. Der Angeklagte ging wahrscheinlich davon aus, dass die Nebenklägerin bereits an den Hammerschlägen verstorben war. Zu seinen Gunsten ist jedoch anzunehmen, dass er „nur“ glaubte, sie werde ohne sofortige Hilfe ihren schweren Kopfverletzungen zeitnah erliegen. Seine Erektion und Libido ließen angesichts des für ihn unerwartet massiven Verletzungsbildes nach und er ließ von der Nebenklägerin ab, ohne die ursprünglich geplanten sexuellen Handlungen an ihr vorzunehmen.
III. Nachtatgeschehen
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Der Angeklagte begab sich sodann in das unmittelbar angrenzende Badezimmer, wusch sich das Blut von den Händen und reinigte den Hammer. Unmittelbar danach warf er noch einen Blick in das Zimmer der Nebenklägerin und sah, dass sich diese nicht mehr bewegt hatte. Bereits bei der Reinigung des Hammers wurden ihm die Ausweglosigkeit seiner Lage und die ihm drohenden sozialen, beruflichen und strafrechtlichen Konsequenzen zunehmend bewusst. Er sah sich mit dem drohenden Verlust seiner gesamten Lebenssituation konfrontiert, geriet in einen Schockzustand, verließ die Wohnung, löste die Hinterriegelung und zog die Wohnungstüre in Schloss. Sodann begab er sich durch das Treppenhaus fluchtartig vor das
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Gebäude. Dort lief er ziellos auf und ab. Der Angeklagte hatte panische Angst um seine Zukunft, war nicht mehr in der Lage einen klaren Gedanken zu fassen und suchte verzweifelt nach einem Ausweg. Spontan kam ihm die Idee, den Tatverdacht auf einen vermeintlichen Einbrecher zu lenken und dessen Verfolgung vorzutäuschen. Er warf den mitgeführten Hammer in ein unmittelbar neben dem Hauseingang befindliches Gebüsch und rief – um seine „Geschichte“ glaubhaft zu machen – laut wahrnehmbar „Wo ist der Wichser?!“. Der Angeklagte, dessen Verhalten weiterhin von panischer Angst um seine Zukunft bestimmt war, forderte zwei Schülerinnen, unter ihnen die Zeugin J D, unter Hinweis auf den von ihm verfolgten Einbrecher auf, Hilfe zu holen, da eine Frau verletzt sei und einen Krankenwagen benötige. Der Angeklagte holte selbst keine Hilfe und tätigte keinen Notruf. Die Aufforderung an die Zeugin J D war lediglich notwendiger Teil seines verzweifelten Ablenkungsmanövers. Die Zeugin setzte daraufhin um 10:12:42 Uhr einen polizeilichen Notruf (110) ab, während der Angeklagte weiterhin aufgeregt vor dem Gebäude umherlief und auch die Zeugin A D ansprach, ob diese jemanden gesehen hätte, der das Gebäude verlassen habe. Als die Zeugin W. das verneinte, erwiderte er „Ach ja, Sie waren ja auch gar nicht da“ und entfernte sich wieder in Richtung des Hausgangs, um die Fortsetzung seiner Suche vorzutäuschen. Dabei rief er um 10:13 Uhr über sein Mobiltelefon seinen Arbeitskollegen H K an, um diesen darüber zu informieren, dass jemand mit dessen Hammer auf die Nebenklägerin eingeschlagen hätte. Nachdem der Angeklagte das 25 Sekunden dauernde Gespräch abrupt beendet hatte, traf er vor der Hauseingangstüre auf die Zeugin An D und deren Mitbewohnerin. Auch ihnen gegenüber berichtete er hastig, dass er einen flüchtigen Einbrecher verfolge, der seine Kundin mit einem Hammer schwer verletzt habe. Danach entfernte er sich hinter das Haus, um seine weitere Suche vorzutäuschen, rief dabei aber seinen Arbeitgeber – den Zeugen I K – an und teilte diesem ebenfalls mit, dass der Nebenklägerin etwas passiert sei und er jemanden verfolge, der ihm im Treppenhaus mit einem Hammer in der Hand entgegengekommen sei. Als der Zeuge H K den Angeklagten um 10:17 Uhr zurückrief und fragte, ob dieser bereits Hilfe geholt hätte, begab sich der Angeklagte erneut vor das Gebäude und erkannte, dass die schwer verletzte Nebenklägerin zwischenzeitlich das Gebäude verlassen hatte und von drei Frauen – darunter die Zeugin An D – auf einer Bank versorgt wurde. Er blieb außerhalb des Sichtfeldes der Nebenklägerin stehen und fragte in Richtung der Helferinnen, ob diese bereits einen Notruf abgesetzt hätten. Die Zeugin An D verneinte dies, rief aus eigenem Antrieb um 10:18 Uhr bei der integrierten Leitstelle (112) an und forderte medizinische Unterstützung an, ohne hierzu nochmals vom Angeklagten aufgefordert worden zu sein. Letztlich begab sich der Angeklagte in den Einfahrtsbereich des Grundstücks zur R Straße und wies die eintreffenden Polizei- und Rettungskräfte in die Örtlichkeit ein. Die Nebenklägerin wurde mit einem Rettungswagen, der aufgrund des zuerst abgesetzten Notrufes angefordert worden war, auf die Intensivstation des Universitätsklinikums Würzburg verbracht und dort notfallmedizinisch versorgt.
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Währenddessen hielt der Angeklagte aus panischer Angst um seine Zukunft weiter an seinem Ablenkungsmanöver fest. Gegenüber POMin Ri und PM Dö gab er im Rahmen der
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Sachverhaltsaufklärung vor Ort jeweils an, Schreie gehört zu haben, als er etwas aus seinem Transporter geholt habe. Deswegen sei er in das Haus zurückgeeilt, wobei ihm ein Mann entgegengekommen sei, der das Haus fluchtartig mit einem Hammer in der Hand verlassen habe. Was in der Wohnung passiert sei, könne er nicht sagen, da die Wohnungstür zugezogen gewesen sei. Der Angeklagte war aufgrund seiner panischen Angst weiterhin nicht in der Lage einen klaren Gedanken zu fassen und mit der Situation derart überfordert, dass die von ihm abgegebene Täterbeschreibung auffallend seinem eigenen Erscheinungsbild glich. Sein Verhalten war erratisch, seine Aussagen zum Teil offensichtlich widersprüchlich. Er stand wahrnehmbar unter Schock. Die geschilderten Handlungen zur Aufrechterhaltung seiner „Geschichte“ vom unbekannten Täter (Vorspielen einer Verfolgung, Ansprache der Zeuginnen vor Ort, Hinweis auf Notruf, Telefonate mit dem Arbeitgeber und Kollegen, Einweisen des Rettungsdienstes/der Polizei) nahm der Angeklagte nicht aus freien Stücken vor. Vielmehr hatte ihn die panische Angst um seine Zukunft in einen Schockzustand versetzt, so dass ihm der so aufgebaute innere seelische Druck keine andere Handlungsalternative ließ.
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Der Angeklagte stand bei Tatbegehung nicht unter dem Einfluss von Alkohol, Drogen oder Medikamenten.
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Von dem Angeklagten sind aufgrund seiner überdauernden und bislang unbehandelten psychiatrischen Störungen .,mit einer Wahrscheinlichkeit höheren Grades weitere Gewalt- und Sexualstraftaten zum Nachteil von Frauen zu erwarten. Er ist daher für die Allgemeinheit gefährlich.
IV. Tatfolgen
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Die Nebenklägerin überlebte, erlitt jedoch, wie vom Angeklagten beabsichtigt,
- ein offenes Schädel-Hirntrauma mit mehrfachen, den sinus sagittalis übergreifenden Schädelbrüchen,
- eine traumatische Blutung unter die weiche Hirnhaut und
– 12 Kopfplatzwunden.
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Die ihr zugefügten Verletzungen waren akut lebensgefährlich. Nur durch die unmittelbar erfolgten notfallmedizinischen Maßnahmen konnte ihr Tod verhindert werden. Sie musste vom 09.05.2022 bis zum 18.05.2022 stationär in der neurochirurgischen Klinik und Poliklinik des Universitätsklinikums Würzburg behandelt werden. Die Schädelbrüche konnten aufgrund der stabilen Befunde konservativ behandelt werden. Die Nebenklägerin konnte zeitgerecht unter krankengymnastischer Anleitung mobilisiert und von der neurochirurgischen Intensivstation auf die Normalstation verlegt werden. Sie litt an starken Schmerzen und musste in den Tagen nach dem Angriff häufig erbrechen. Ihr Tastsinn war für lange Zeit verloren, ist mittlerweile allerdings fast vollständig wiederhergestellt. Ihr Kopf ist unter den Haaren vernarbt und war mehrere Monate lang sehr druckempfindlich. Zwischenzeitlich ist er schmerzfrei und die Haare wachsen wieder nach. Sie empfindet die Narben aber nach wie vor als störend. Seit der Tat leidet sie häufig unter migräneartigen Kopfschmerzattacken und hat schwitzige Hände. Die migräneartigen Kopfschmerzen werden sie voraussichtlich ihr Leben lang begleiten.
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Die Geschädigte erlitt infolge des Geschehens eine posttraumatische Belastungsstörung (ICD10: F43.1). Sie wurde bereits während ihres stationären Krankenhausaufenthalts psychiatrisch betreut und initial mit Quetiapin behandelt. Das Neuroleptikum konnte nach einigen Tagen ausgeschlichen werden. Seit ihrer Entlassung aus der stationären Behandlung befindet sich die Nebenklägerin zur ambulanten Traumatherapie und psychotherapeutischen Unterstützung in der Trauma-Ambulanz der Psychiatrischen Klinik. Die Psychotherapie erfolgt in Form einer stabilisierenden Therapie und fand bis zum 16.12.2022 in wöchentlichen Therapiesitzungen statt. Bis Anfang Februar 2023 wurden die Sitzungen aus therapeutischen Gründen pausiert und ab dem 03.02.2023 wieder fortgeführt. Die Nebenklägerin verfügte prätraumatisch und primärpersönlich über zahlreiche Ressourcen und eine hohe Resilienz. Die Tat hat ihre Lebensqualität nachhaltig und erheblich eingeschränkt. Trotz der psychotherapeutischen Behandlung war die Nebenklägerin außerstande, ihre häusliche Umgebung ohne Begleitung ihrer Eltern, vorwiegend ihrer Mutter, zu verlassen. Sie leidet an vegetativer Übererregbarkeit, Schreckhaftigkeit, Ängsten bis hin zu Panikattacken, Intrusionen, Flashbacks, Einschlafschwierigkeiten und Alpträumen. Die Nebenklägerin entwickelte ein ausgeprägtes traumatisch bedingtes Vermeidungsverhalten. Dieses bezog sich anfangs auf Aufenthalte in der Nähe von Männern und in ihrer Wohnung, weitete sich mit der Zeit jedoch zuerst auf die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel, die Stadt Würzburg und dann auf Deutschland im Allgemeinen aus. Ihr Zimmer in der Wohngemeinschaft wird von ihr nur noch als postalische Anschrift genutzt. Tatsächlich hält sie sich dort nicht mehr auf. Nachdem ihre Eltern Ende November 2022 wegen eines ablaufenden Visums aus Deutschland ausreisen mussten, entwickelte die Nebenklägerin zunehmend depressive Symptome, was zu einer weiteren Destabilisierung ihrer psychischen Verfassung führte. Die Nebenklägerin musste daher aus therapeutischen Gründen im Dezember 2022 ihre Heimat Chile besuchen. Sie leidet weiterhin an ausgeprägter Angst, dem Angeklagten zu begegnen. Ihr psychisches Befinden und ihre psychische Stabilität, die Kompetenz zur Lebensführung und Alltagsbewältigung sowie ihre Lebensfreude und Teilhabe am Leben sind nach wie vor deutlich beeinträchtigt. Weder die PTBS-Symptomatik noch die depressive Symptomatik sind bisher remittiert.
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Die Nebenklägerin absolvierte zur Tatzeit ein Praktikum. Dieses musste sie im Mai und Juni 2022 unterbrechen. Hierdurch hat sich ihr Studium verzögert.
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Der Angeklagte hat sich in der Hauptverhandlung in Abwesenheit der Nebenklägerin gegenüber deren anwaltlicher Vertreterin für seine Tat und das der Nebenklägerin zugefügte Leid entschuldigt. Darüber hinaus hat er der abwesenden Nebenklägerin ein schriftliches Angebot über ein Schmerzensgeld in Höhe von 10.000 EUR zukommen lassen, wobei er zur tatsächlichen Zahlung der Summe oder auch nur eines erheblichen Teils finanziell nicht in der Lage ist. Dies war sowohl dem Angeklagten als auch der Nebenklägerin bewusst. Die von der Tat schwer gezeichnete Nebenklägerin ließ über ihre Anwältin ausrichten, dass sie weder die Entschuldigung noch das Schmerzensgeldangebot annehmen werde, da die Tat aus ihrer Sicht nicht zu entschuldigen sei.
C. Beweiswürdigung
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Die getroffenen Feststellungen (A., B.) beruhen weit überwiegend auf den weitgehend geständigen Angaben des Angeklagten, die durch das Ergebnis der durchgeführten Beweisaufnahme bestätigt wurden, soweit ihnen die Kammer gefolgt ist.
I. Zu den persönlichen Verhältnissen
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Die Feststellungen zum Lebenslauf und Konsumverhalten des Angeklagten beruhen auf seinen eigenen Angaben, an deren Glaubhaftigkeit zu zweifeln, die Kammer keinen Anlass hat. Insbesondere decken sie sich mit den Aussagen zahlreicher Zeugen aus seinem persönlichen und beruflichen Umfeld.
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Soweit der Angeklagte angab, keine Medikamente oder sonstigen Betäubungsmittel einzunehmen, wurde dies durch das verlesene chemisch-toxikologische Gutachten der forensisch-analytischen Laboratorien Prof. Dr. med. P. B am Institut für Rechtsmedizin der Universität Erlangen-Nürnberg vom 24.06.2022 über die Analyse der dem Angeklagten am 09.05.2022 entnommenen Haarprobe bestätigt.
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Der verlesenen Auskunft aus dem Bundeszentralregister vom 18.01.2023 konnte entnommen werden, dass der Angeklagte bislang strafrechtlich nicht in Erscheinung getreten ist.
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Seine Haftdaten wurden durch Verlesung der entsprechenden Aktenbestandteile festgestellt.
II. Zum Sachverhalt
1. Zum Vorspann
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Die Feststellungen zum Vorspann (B. 0.) entsprechen den Angaben des Angeklagten. Er hat seine persönliche Situation in der Hauptverhandlung wie unter B.0 festgestellt geschildert. Im Übrigen hat er ergänzende Angaben in der Exploration gegenüber dem forensischpsychiatrischen Sachverständigen gemacht, die über dessen Angaben zum Gegenstand der Hauptverhandlung gemacht wurden. Die Einlassungen des Angeklagten wurden durch die Aussagen zahlreicher Zeugen aus seinem privaten und beruflichen Umfeld bestätigt und konnten daher den Urteilsfeststellungen als glaubhaft zugrunde gelegt werden. Zu den vernommenen Zeugen gehörten die Mutter des Angeklagten U S und sein älterer Bruder K S, seine Freunde A K, O K, M R und C S, seine Arbeitskollegen I K, S L und H K, sowie die kurzzeitig mit ihm liierte T. Die Kammer hat durch die Angaben des Angeklagten und die Aussagen der vernommenen Zeugen einen detaillierten Eindruck von der Persönlichkeit des Angeklagten, seinem beruflichen und privaten Werdegang, sowie seiner psychischen und emotionalen Entwicklung bis zum Tattag gewonnen. Die verlesenen WhatsApp-Nachrichten des Angeklagten an seinen Freund A K rundeten dieses Bild ab. Der Angeklagte gewährt in ihnen einen tiefgehenden Einblick in sein Seelenleben und berichtet weitgehend offen über den erfolglosen Verlauf seiner Suche nach einer Partnerin. Es spricht eine zunehmende Unzufriedenheit, Kränkung und Frustration aus seinen Nachrichten. Ebenso ist ihnen zu entnehmen, dass der Angeklagte den Grund seiner Erfolglosigkeit in der Oberflächlichkeit des weiblichen Geschlechts sah. Beispielhaft sei hier auf eine am 12.02.2022 um 13:37 Uhr an A K verschickte WhatsApp-Nachricht verwiesen (Bl. 133 des Sonderhefts „Handyauswertung S S + M L A “). In ihr schrieb der Angeklagte, dass sich alles nur ums Aussehen und ums Geld drehe, innere Werte würden keine Rolle spielen, er habe mehr Charakter als manch anderer und genau deswegen sei er Single, allein wegen des Charakters. Wie den am 07.05.2022 um 20:34 Uhr und 20:40 Uhr an A K verschickten und ebenfalls verlesenen WhatsAppNachrichten entnommen werden konnte, hat sich das Ausmaß seiner Kränkung und Frustration bis unmittelbar vor der Tat noch weiter gesteigert (Bl. 205 und 207 des Sonderhefts „Handyauswertung S S + M L A“).
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Hinsichtlich der diagnostizierten Störungsbilder stützt die Kammer ihre Überzeugung auf die plausiblen und nachvollziehbaren Ausführungen des forensisch-psychiatrischen Sachverständigen Dr. med. S. Dieser kam auf Basis einer am 21.03.2023 durchgeführten Exploration des Angeklagten, den aus der Hauptverhandlung gewonnenen Erkenntnissen und der von ihm eingesehene Gesundheitsakte der JVA Würzburg zu dem Ergebnis, dass die intellektuelle Leistungsfähigkeit des Angeklagten im niedrigen bis unterdurchschnittlichen Bereich liege und er an einem sexuellen Sadismus (ICD-10: F65.5) und einer narzisstischen Persönlichkeitsstörung (ICD-10 F: 60.80) leide.
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Die Messung der intellektuellen Leistungsfähigkeit sei mittels Reynolds Intellectual Assessment Scales and Screenings (RIAS) erfolgt und hätte rechnerisch ein IQ-Äquivalent von 81 ergeben. Insbesondere sei eine erhebliche Leistungsdifferenz zu Ungunsten der verbalen Intelligenz deutlich geworden. Die gemessene intellektuelle Leistungsfähigkeit könne zwar als „Grenzbegabung“ bezeichnet werden, entspreche jedoch noch keiner intellektuellen Minderbegabung im Sinne einer ICD-Diagnose oder des dritten Eingangsmerkmals des § 20 StGB (Intelligenzminderung).
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An psychiatrischen Störungsbildern sei von einer narzisstischen Persönlichkeitsstörung nach ICD-10: F 60.80. auszugehen:
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Der Angeklagte erfülle initial die Eingangsmerkmale aus der Oberkategorie für die Diagnose einer Persönlichkeitsstörung nach ICD-10. Er habe spätestens seit seinem Jugendalter erhebliche Schwierigkeiten im Umgang mit anderen und bei der Handhabung zwischenmenschlicher Beziehungen, sowie bei der Wahrnehmung und Interpretation von Menschen und Ereignissen (Kriterien G1 und G4). So sei es ihm nicht gelungen, aus eigener Kraft tragfähige außerfamiliäre Sozialkontakte oder gar eine stabile Partnerschaftsbeziehung einzugehen. Vielmehr habe sich der Angeklagte zunächst suggestibel, konfliktscheu und aggressionsgehemmt gezeigt. Es sei ihm nicht gelungen ein belastbares Selbstwertgefühl zu entwickeln, was dann zu einer Flucht in Größenfantasien geführt hätte, die schließlich zu Überzeugungen geworden wären. Diese Abweichungen im Verhalten und Erleben hätten im Erwachsenenalter stabil persistiert und sie erscheinen nach wie vor in vielen persönlichen und sozialen Situationen unflexibel und unangepasst. Aufgrund seines unzureichenden Einkommens sei es dem Angeklagten bislang nicht gelungen, das elterliche Haus zu verlassen (Kriterium G2) und gesamtheitlich sei ihm aufgrund dieser Abweichungen im Verhalten und Erleben ein erheblicher subjektiver Leidensdruck erwachsen (Kriterium G3). Schließlich seien bei dem Angeklagten weder eine andere psychische noch eine organische Erkrankung bekannt, der diese Problematik kausal zugeordnet werden könne (Kriterien G5 und G6).
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Darüber hinaus lägen beim Angeklagten die speziellen Merkmale für die Diagnose einer narzisstischen Persönlichkeitsstörung vor. Die vorbezeichneten Abweichungen im Verhalten und Erleben seien durch ein Größenerleben (Merkmal 1), durch Fantasien über einzigartige charakterliche Eigenschaften und ideale Liebe (Merkmal 2), durch überzogenes Anspruchsdenken (Merkmal 3) und durch die Überzeugung, beneidet zu werden (Merkmal 4), gekennzeichnet. So sei der Angeklagte beispielsweise überzeugt, dass seine tänzerischen Fähigkeiten andere Männer aus Angst um den Verlust ihrer Partnerinnen eifersüchtig machen würden und dass sich Frauen vor ihm zu erklären bzw. vor ihm zu rechtfertigen hätten, wenn sie kein Interesse an seinen Annäherungsversuchen verspüren würden. In seinen weitschweifigen Ausführungen trete ein selbstinszenierendes, selbstdarstellerisches und teils hochmütig wirkendes Verhalten zutage (Merkmal 5), was zeige, dass beim Angeklagten ein ausgeprägtes Bedürfnis nach Aufmerksamkeit und Bewunderung (Merkmal 6) bestehe. Schließlich zeige der Angeklagte mit dem Schicksal der Nebenklägerin nur vordergründig Empathie, tatsächlich sorge er sich um die Auswirkungen der Tat auf die eigene Person (Merkmal 7).
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Nachdem der Angeklagte nicht nur die Eingangsmerkmale für die Diagnose einer Persönlichkeitsstörung (Kriterium A), sondern darüber hinaus auch mehr als die fünf erforderlichen speziellen Merkmale der narzisstischen Persönlichkeitsstörung (Kriterium B) erfülle, sei deren Diagnose gesichert.
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Als weiteres relevantes Störungsbild sei bei dem Angeklagten ein sexueller Sadismus nach ICD-10: F65.5 zu diagnostizieren:
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Der Angeklagte erfülle die Eingangsmerkmale aus der Oberkategorie der Störungen der Sexualpräferenz nach ICD-10 (Kriterium A). Er habe seit mehr als sechs Monaten vor der Tat (Kriterium G3) persistierende Impulse und Fantasien in Bezug auf den sexuellen Missbrauch von Frauen, die vor diesem Missbrauch mittels Gewalthandlungen getötet oder in einen Zustand der Bewusstlosigkeit versetzt worden wären (Kriterium G1). Diesen Impulsen nachgebend habe der Angeklagte zunächst (nur) auf entsprechendes Videomaterial masturbiert, bevor es schließlich im Zuge der Anlasstat zum Versuch der realen Umsetzung gekommen sei (Kriterium G2).
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Zusätzlich erfülle der Angeklagte auch die speziellen Kriterien des sexuellen Sadismus:
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Seine Präferenzen seien auf die Erniedrigung und auf die Unterwerfung des Sexualpartners gerichtet (Kriterium B) und seit längerem die wichtigste, zuletzt sogar einzige Quelle seiner sexuellen Erregung (Kriterium C).
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Ätiologisch sei davon auszugehen, dass die Persönlichkeitsproblematik maßgeblich zur Ausprägung der sexuell devianten Präferenz beigetragen habe. Bei dem Angeklagten bestünden aufgrund seiner persönlichkeitsdeterminierten Wahrnehmungen und Verhaltensweisen gravierende Defizite im Bereich der sozialen Kompetenzen, die es ihm bisher unmöglich gemacht hätten, eine stabile partnerschaftliche Beziehung aufzubauen. Diesbezüglich seien allem voran sein selbstdarstellerisches und ich-zentriertes Verhalten sowie seine Neigung zu benennen, die eigenen und vermeintlich herausragenden charakterlichen Eigenschaften demonstrativ in den Vordergrund zu stellen. Diesen Zusammenhang könne der Angeklagte jedoch aufgrund seiner Unfähigkeit zur kritischen Selbstreflexion nicht erkennen. Folglich sehe er die Verantwortung für den erheblichen Leidensdruck, welcher ihm aus dieser Problematik erwachse, bei den Frauen, die nicht auf seine Annäherungsversuche und Kontaktgesuche eingehen. Aufgrund dieser fehlerhaften Kausalattribution würden Zurückweisungen von Seiten des anderen Geschlechts vor dem Hintergrund des eigenen Größenerlebens und des tatsächlich höchst instabilen Selbstwertgefühls als schwerste narzisstische Kränkungen empfunden, welche die Gedankenwelt des Angeklagten, ob seiner Übernachhaltigkeit, fortdauernd beschäftigen und beherrschen. Diese fortlaufenden Kränkungen würden als Kontrollverlust erlebt und es hätten sich automatische Gedanken entwickelt, in deren Folge der Angeklagte solche Zurückweisungen als offensive bzw. gegen seine Person gerichtete aggressive Handlungen interpretieren würde. Dies hätte zu einem progredienten Aufstau von Wut und Aggression gegenüber den konkret betroffenen Frauen sowie zu realitätsfernen Überzeugungen hinsichtlich eines stereotypisierten und negativen Frauenbildes insgesamt geführt. In seiner Vorstellung identifiziere der Angeklagte Frauen im Allgemeinen wegen ihrer Ignoranz gegenüber seinen herausragenden charakterlichen Werten und ihrer allgemeinen Unzulänglichkeit im Sinne ihrer isolierten Präferenz für Äußerlichkeiten als Ursache für sein subjektives Leiden und für seinen Kontrollverlust. Infolgedessen hätte der Angeklagte damit begonnen, diese aversiven Gefühle mittels des Konsums von Gewaltpornographie zu kompensieren. Im Vordergrund stünde dabei einerseits das Erleben von Dominanz durch die vollumfängliche Unterwerfung des willenlosen Opfers zum Zwecke des Rückgewinns und der Ausübung von Macht und Kontrolle, während andererseits banale Satisfaktion für die erfahrenen Kränkungen erlangt werden könne. Die Aspekte der narzisstischen Kränkung, des hierüber erfahrenen Kontrollverlustes, der sexuell motivierten Obsession und des imperativen Dranges nach einem Rückgewinn von Kontrolle und nach sexueller Befriedigung würden zu einer hochgradig dysfunktionalen Wechselwirkung zwischen Narzissmus und sexuellem Sadismus führen, wobei sich beide Störungsbilder gegenseitig aufrechterhalten und verstärken würden.
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Die Ausführungen des Sachverständigen decken sich mit dem Eindruck, den die Kammer vom Angeklagten im Laufe der Hauptverhandlung unmittelbar und mittelbar über die vernommenen Zeugen, verlesenen Urkunden und in Augenschein genommenen gewaltpornographischen Videos gewonnen hat. Der Angeklagte zeigte im Laufe der Hauptverhandlung das starke Bedürfnis sich zu erklären und darzustellen. Seine Ausführungen waren geprägt von einem weitschweifen Vortragsstil und dem erkennbaren Bemühen, sich einer möglichst gewählten Sprache zu bedienen. Dabei verwendete der Angeklagte jedoch häufig inhaltslose Phrasen und übermäßig viele Fremdwörter, Redewendungen und Sprichwörter, die ungelenk wirkten, im Kontext seiner Äußerungen keinen Sinn ergaben oder schlichtweg falsch waren. Es entstand der Eindruck, dass der Angeklagte deren Bedeutung nicht kannte und sie lediglich benutzte, um sich als eloquenter und gebildeter darzustellen, als er tatsächlich ist. Sein Hang zur Selbstdarstellung wurde jedoch auch auf andere Weise mehrfach offenbar. Sein letztes Wort trug der Angeklagte im Stehen vor. Während seines mehrminütigen Vortrags wandte sich der Angeklagte theatralisch in Richtung des Zuschauerraums und sprach eine „an alle Männer da draußen“ gerichtete Warnung vor den Gefahren gewaltpornographischer Darstellungen aus und forderte sie auf, den Konsum derartiger Inhalte zu unterlassen. Der Angeklagte zeigte zudem eine übermäßig starke Neigung sich in einem möglichst positiven Licht darzustellen. Im Zusammenhang mit der Vernehmung zu seiner Person, ließ er sich allen Ernstes zu der Äußerung hinreißen, dass „diese [seine] Hände noch nie Gewalt gesehen hätten“. Erst nachdem er festgestellt hatte, dass es schlagartig totenstill im Sitzungssaal geworden war und ihn sämtliche Beteiligte ungläubig anschauten, bemerkte er seinen Fehltritt und schob ein „Bis zu dieser Tat.“ nach. Auch gab er selbstbewusst an, sehr gut tanzen zu können und schon mehrfach den Unmut und die Eifersucht anderer Männer auf sich gezogen zu haben, weil er deren Freundinnen angetanzt hätte und die betroffenen Männer befürchtet hätten, ihre Freundinnen an den Angeklagten zu verlieren. Sein ihm in der gesamten Zeugenaussage sehr positiv zugewandter Bruder quittierte dagegen seine tänzerischen Fähigkeiten knapp mit der etwas despektierlichen Bemerkung „Epilepi, aber happy“. Auf die Frage, warum der Angeklagte trotz jahrelanger Beschäftigung in seinem Ausbildungsbetrieb keine Lehre zum Schreiner gemacht habe, entgegnete dieser nur, dass er alle Tätigkeiten eines Schreiners beherrsche und im Betrieb seines Arbeitgebers wie einer eingesetzt werde. Seinem ehemaligen Arbeitgeber I K zufolge genügte jedoch seine Abschlussnote der Ausbildung zum Holzfachwerker nicht für eine weitergehende Ausbildung zum Schreiner. Es wurde mehrfach deutlich, dass Selbst- und Fremdwahrnehmung des Angeklagten erheblich voneinander abwichen und er regelmäßig vorgab, mehr zu sein, als er tatsächlich ist. Dieses Verhaltensmuster brachte dem Angeklagten auch bei der Partnersuche Schwierigkeiten ein. In einer verlesenen Kontaktanzeige auf „Singles aus Franken“, schrieb der Angeklagte über sich, dass er „ein sehr sympathischer, junger, attraktiver, sensibler Mensch [sei, m]it dem man über alles reden k[ö]nne“ und der „schon ein paar Freundinnen [gehabt habe, die] aber alle […] nicht [s]eine[…] Erwartung [erfüllt hätten].“ (Sonderheft Handyauswertung S S + M L A, S. 241). Diese selbstbewusste Formulierung war Stein des Anstoßes einer kontroversen Diskussion zwischen dem Angeklagten und anderen Nutzern in der zur Kontaktanzeige gehörenden Kommentarsektion. Unabhängig davon, dass der Angeklagte der Wahrheit zuwider vorgab, schon mehrere Freundinnen gehabt zu haben, sorgte die Aussage, seine bisherigen Freundinnen hätten seine Erwartungen nicht erfüllt, unter den Nutzern (den Nutzernamen nach vermutlich weiblich und männlich) für Irritation. Seine Reaktionen auf die Kommentare reichten von großspurig („Das mag ja sein das ich dick auftrage Aber wer sagt den das ich das alles nicht essen kann was ich rauftue.“, Sonderheft Handyauswertung S S + M L A, S. 241) über verbalaggressiv („so und wass bist du nun für einer Wieder einer der mir nur auf die Eier gehen will mit seinen unnötigen Kommentare“; Sonderheft Handyauswertung S S + M L A, S. 243) bis hin zu misogyn („Aber ist egal in der Frauen Welt sind die Männer immer schuld und arschlöcher da seit ihr frauen alle gleich hahahaaaaa“; „Nur weil ich charakter hab als andere muss man mich hier nicht so angehen ihr kennt mich nicht, ihr seid fasst alle gleich labern nur rumm und am ende stimmt das doch wass ihr nicht glauben wollt diese spiele kenne ich schon ich nenne es weibliches will immer recht haben“, Sonderheft Handyauswertung S S + M L A, S. 245, 248). Diese Posts des Angeklagten bestätigen nicht nur, dass er ein negativ konnotiertes Frauenbild hat, sondern zeigen darüber hinaus, dass der Angeklagte bereits in kritischen Spiegelungen seines Verhaltens einen Angriff auf seine Person sieht und hierauf gekränkt und verbalaggressiv reagiert. Dieses Verhaltensmuster wurde selbst in seinem letzten Wort deutlich. Mit Blick auf die im Sitzungssaal anwesenden Frauen appellierte er an die „Frauen da draußen“, Männern zumindest den Grund ihres Desinteresses schonend mitzuteilen, wenn diese schon den Mut gefasst hätten, den ersten Schritt zu machen und die Frau anzusprechen oder anzutanzen. Auch hier wurde einmal mehr deutlich, dass Frauen nach Auffassung des Angeklagten sich für ihr Desinteresse zu rechtfertigen hätten und er sich diesbezüglich seit Jahren als ein Opfer der weiblichen Empathielosigkeit sah. Dabei ist die Empathiefähigkeit des Angeklagten sehr schwach ausgebildet, was Teil seiner Persönlichkeitsstörung ist. Zwar äußerte er mehrfach Bedauern über das Schicksal der Nebenklägerin, allerdings offenbarte er in der Art und Weise und des Inhalts seiner Ausführungen, dass dieses Mitgefühl nur vordergründiger und oberflächlicher Natur war. Die Nebenklägerin bezeichnete er in seinen Schilderungen durchgehend als „Kundin“ oder „Geschädigte“; sie war nur „Objekt“ seiner Schilderungen und kam in seinen weitschweifigen Ausführungen allenfalls am Rande vor. Dagegen drehten sich die Ausführungen des Angeklagten praktisch ausschließlich um sich selbst, seine Empfindungen während der Tat und deren Auswirkungen auf sein Leben. Beispielsweise fragte der Angeklagte die Kammer in einem fast vorwurfsvollen Ton, ob sie – die Kammer – sich vorstellen könne, wie schlecht es ihm gegangen sei, als er mit dem Hammer in der Hand über der reglos am Boden in einer Blutlache liegenden Nebenklägerin „zu sich gekommen“ sei. Wie es der Nebenklägerin in diesem Moment gegangen sein muss, kam ihm nicht in den Sinn. Auch zeigte sich der Angeklagte über die Weigerung der Nebenklägerin, eine von ihm verfasste Entschuldigung anhören zu wollen, mehrfach verwundert. Er wirkte dadurch verletzt. Ihm schien es nicht nachvollziehbar, warum die Nebenklägerin die Auffassung vertrat, dass manche Taten nicht entschuldbar seien.
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Von der vom Angeklagten konsumierten Gewaltpornographie hat sich die Kammer einen unmittelbaren Eindruck verschafft. Es wurden drei jeweils mehr als 15-minütige Filme (PKF Lakeside erwürgt – Darknessporn.com.mp4; Lady Cop Erwürgt. Verdammt Vista – De.biguz.net.mp4; Brooke erwürgt – De.biguz.net.mp4) in Augenschein genommen. Auf diese im Internet frei abrufbaren Videodateien wurde zuletzt am 07.02.2022 um 05:51 Uhr (Lady Cop Erwürgt. Verdammt Vista – De.biguz.net.mp4), am 08.02.2022 um 13:55 Uhr (Brooke erwürgt – De.biguz.net.mp4) und am 12.03.2022 um 07:24 Uhr (PKF Lakeside erwürgt – Darknessporn.com.mp4) vom Mobiltelefon des Angeklagten zugegriffen. Der Angeklagte hat eingeräumt auf diese und ähnliche Filme zur sexuellen Stimulation zugegriffen zu haben. Zudem ergab sich dies aus dem auszugsweise verlesenen Extraktionsbericht seines Mobiltelefons. Sämtliche Filme dokumentierten zwar kein reales Geschehen, allerdings ließen sie sich ohne weiteres als gewaltpornographische Inhalte bezeichnen. In dem Film „PKF Lakeside erwürgt – Darknessporn.com.mp4“ wurde zunächst eine Frau von einem Mann bis zum Eintritt des „Todes“ stranguliert. Anschließend vollzog der Mann mit der „Leiche“ mehrfach den vaginalen Geschlechtsverkehr. In dem Film „Lady Cop Erwürgt. Verdammt Vista – De.biguz.net.mp4“ wurde eine weibliche Polizeibeamtin im Zuge einer „Vergewaltigung“ zu „Tode“ gewürgt und im Film „Brooke erwürgt – De.biguz.net.mp4“ wurde die Strangulation einer Frau und die anschließende Manipulation an ihrer teilweise unbekleideten Leiche dargestellt. Der gewaltpornographische Bezug ergibt sich bereits aus den Titeln, im Übrigen aber ohne weiteres aus den zusammengefassten Inhalten. Dem ermittelnden
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Kriminalbeamten KHK H zufolge hätte die Auswertung des sichergestellten Mobiltelefons des Angeklagten zahlreiche Zugriffe auf im Internet abrufbare pornografische Filme ergeben, deren Titel entweder ausdrücklich die gewaltsame Tötung von Frauen zum Gegenstand gehabt hätten oder zumindest darauf schließen ließen. Allerdings konnten die meisten dieser Inhalte nicht gesichert werden, da sie zum Zeitpunkt der Auswertung nicht mehr abrufbar gewesen seien. Der Angeklagte hat jedoch eingeräumt, die in Augenschein genommenen und andere Filme angesehen und dazu masturbiert zu haben. Er gab sogar an, die Kammer habe „die falschen Filme“ vorgeführt, da sich seine sexuellen Präferenzen weniger auf Würgen beziehen würden. Ihn würden gewaltpornographische Filme deutlich mehr erregen, in denen Frauen mit Gegenständen erschlagen oder erschossen und anschließend sexuell missbraucht würden.
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Dies alles lässt sich zur Überzeugung der Kammer zwanglos mit den vom Sachverständigen diagnostizierten psychiatrischen Störungsbildern und der von ihm angenommenen Grenzbegabung in Einklang bringen. Der Sachverständige ist Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie. Er ist der Kammer aus einer Vielzahl an Verfahren als fach- und sachkundiger forensischer Psychiater bekannt. Zu seinen ständigen Aufgaben gehört die psychiatrische Diagnostik sowie die Beurteilung der medizinischen Voraussetzungen der Schuldfähigkeit und etwaiger Maßregeln der Besserung und Sicherung. Der Sachverständige hat vor dem Hintergrund der durchgeführten Beweisaufnahme und der Exploration die psychiatrischen Störungsbilder anschaulich dargestellt, nachvollziehbar auf den zu beurteilenden Fall übertragen und deren Genese schlüssig erläutert. Insbesondere konnte er überzeugend darlegen, dass die Wahrnehmung des Angeklagten durch sein Umfeld als nett, höflich, hilfsbereit, zuverlässig und loyal, der von ihm diagnostizierten narzisstischen Persönlichkeitsstörung nicht entgegenstünde. Narzisstische Personen würden sich nicht selten vordergründig als altruistisch, überengagiert hilfsbereit und auf scheinbar aufopferungsvolle Weise um ihre Mitmenschen bemüht geben. Ihre Motivation hinter derartigen Verhaltensweisen liege jedoch nicht in einem wirklichen Interesse am Wohlergehen der Begünstigten oder einer starken Empathie begründet. Vielmehr gehe es ihnen darum, mit diesem Verhalten die Aufmerksamkeit und Bewunderung der Umwelt auf sich zu ziehen. Bleibe dieses – zumindest ihrem subjektiven Empfinden nach – aus, resultiere daraus eine tiefgreifende narzisstische Kränkung, die in Aggression umschlagen könne. Dabei sei zu berücksichtigen, dass Betroffene diese Zusammenhänge nicht selbst wahrnehmen und sich subjektiv altruistische Eigenschaften zuschreiben würden. Die Kammer teilt die Einschätzung des Sachverständigen, dass das altruistische Verhalten des Angeklagten von dem Bedürfnis nach Anerkennung getragen war, zumal der Angeklagte im Laufe der Hauptverhandlung seine narzisstischen Persönlichkeitszüge mehrfach und auf mannigfaltige Weise eindrücklich unter Beweis gestellt hat. Sie schließt sich daher aus eigener Überzeugung vollumfänglich den Ausführungen Sachverständigen an und legt sie ihrem Urteil zugrunde.
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2. Zum Tatvorgeschehen und zur Spontaneität des Tatentschlusses
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Die Feststellungen zum Tatvorgeschehen (B. I.) beruhen auf den Angaben des Angeklagten, der das Geschehen entsprechend der Feststellungen geschildert hat. Die Kammer hat keinen Anlass an ihnen zu zweifeln, da sie von den vernommenen Zeugen bestätigt oder widerspruchsfrei ergänzt wurden. Hierzu gehörten die Zeugen I K (Arbeitgeber), S L (Vorarbeiter), H K (Mitarbeiter), O K (Freund) und die Nebenklägerin. Die Angaben konnten daher den Urteilsfeststellungen vollumfänglich zugrunde gelegt werden.
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Dabei haben sich insbesondere keine Anhaltspunkte für eine von langer Hand geplante Tat ergeben.
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Der Angeklagte gab an, den Tatentschluss spontan gefasst zu haben, nachdem sein Arbeitskollege in Richtung des Betriebs davongefahren sei. Die durchgeführte Beweisaufnahme hat keine belastbaren Anhaltspunkte für eine entgegenstehende Annahme ergeben.
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Denn der Angeklagte hat erst am Morgen des 09.05.2022 den Auftrag erhalten, in der Wohngemeinschaft der Nebenklägerin ein Fenster zu wechseln. Die diesbezügliche Überzeugung stützt die Kammer auf die Angaben des Zeugen S L, welcher die Einlassung des Angeklagten insoweit bestätigte. Ihm zufolge sei der für den Vormittag des 09.05.2022 ursprünglich vorgesehene Auftrag kurzfristig am vorangegangenen Freitag abgesagt worden. Deswegen habe er – der Zeuge S L – noch am Freitagnachmittag nach einem Ersatzauftrag gesucht und den Termin in der Wohngemeinschaft der Nebenklägerin abgesprochen. Zu diesem Zeitpunkt hätten seine Arbeitskollegen jedoch schon Feierabend gehabt. Erst am Montagmorgen habe er den Angeklagten und seinen Mitarbeiter H K von dem Auftrag in Kenntnis gesetzt. Zudem konnte der Angeklagte bei Arbeitsantritt am Morgen des Tattages noch nicht wissen, wer sich in der Wohngemeinschaft der Nebenklägerin aufhalten würde.
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Ebenso wenig ließ sich nachweisen, dass der Angeklagte bereits am Morgen des 09.05.2022 die Begehung der späteren oder einer zumindest ähnlich gelagerten Tat geplant hatte. Dabei wird nicht verkannt, dass der Angeklagte unmittelbar im Vorfeld seines Geburtstages seinen Lebensplan als gescheitert ansah und er hierfür das weibliche Geschlecht in seiner Gesamtheit verantwortlich machte. Die Kammer ist sich bewusst, dass die mit dieser Erkenntnis verbundene psychische Belastung durchaus ein Motivator für eine derartige Tat gewesen sein könnte. Dennoch haben sich für diese Annahme in der Beweisaufnahme keine über bloße Vermutungen hinausgehende Anhaltspunkte ergeben. Sämtliche Zeugen, die dem Angeklagten am Morgen des 09.05.2022 im Vorfeld der Tat begegnet waren, stellten keine Auffälligkeiten in seinem Verhalten oder seiner Stimmung fest. Im Gegenteil: den Zeugen I K, S L, H K und O K zufolge sei der Angeklagte gut gelaunt gewesen und habe sich über und auf seinen freien Nachmittag gefreut. Darüber hinaus wusste der Angeklagte nicht, welche Arbeitsaufträge ihn an dem Tag erwarten würden und ob ihn diese überhaupt zu einer geeigneten „Zielperson“ führen würden. Für die Annahme einer Spontantat spricht darüber hinaus, dass der Angeklagte trotz eines hohen Entdeckungsrisikos unbedacht zur Tat schritt und jegliche Maßnahmen zur Absicherung vermissen ließ. Zwar befand er sich zur Tatzeit mit der Nebenklägerin allein in der Wohnung, allerdings musste er mit der zeitnahen Rückkehr seines Arbeitskollegen rechnen. Das Holen des Winkels hätte dem Zeugen H K zufolge maximal eine halbe Stunde gedauert. Dem Angeklagten stand demnach allenfalls ein äußerst kurzes Zeitfenster zur Tatbegehung und Vertuschung zur Verfügung. Darüber hinaus bestand die Gefahr, dass andere Bewohner des Mehrparteienhauses auf das Tatgeschehen – etwa durch Schreie der Nebenklägerin – hätten aufmerksam werden können. Auch die Rückkehr eines anderen WG-Mitbewohners war denkbar. Insgesamt drängte sich auch der Kammer der Eindruck auf, dass der Angeklagte nicht über die eigentliche Tat hinaus weitergedacht hat und sie einem spontanen Entschluss entsprang.
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Dieser Annahme steht auch nicht entgegen, dass der Angeklagte der Nebenklägerin bereits im Sommer 2021 anlässlich eines Reparaturauftrages in der Wohngemeinschaft begegnet war. Zwar konnte sich die Nebenklägerin an ein entsprechendes Aufeinandertreffen mit dem Angeklagten erinnern. Dies ließ sich auch mit den Erkenntnissen des Zeugen S L widerspruchsfrei in Einklang bringen. Laut den ihm vorliegenden Unterlagen hätte das Unternehmen tatsächlich bereits zuvor einmal Arbeiten in der Wohnung der Nebenklägerin durchgeführt. Hierbei könnte ihm zufolge auch der Angeklagte beteiligt gewesen sein. Allerdings vermochte sich der Angeklagte an eine frühere Begegnung mit der Nebenklägerin nicht mehr zu erinnern. Auch wenn der Angeklagte einräumte, bereits zuvor einmal in der Wohnung der Nebenklägerin gewesen zu sein, lässt sich seine Einlassung in Anbetracht der seit dem Sommer 2021 verstrichenen Zeit und den mitunter (mehrfach) täglich (örtlich) wechselnden Aufträgen nicht widerlegen. Nachdem auch bei dem vorangegangenen Arbeitsauftrag nur ein Fenster im Zimmer einer Mitbewohnerin der Nebenklägerin gewechselt worden sein soll, verwundert es nicht, dass der Angeklagte eher an die Wohnung als an die Nebenklägerin Erinnerungen hatte. Es konnte daher nicht festgestellt werden, dass der Angeklagte die Nebenklägerin mit der ihm im Auftrag genannten Adresse in Verbindung brachte und bereits zu diesem Zeitpunkt den Entschluss fasste, sie bei passender Gelegenheit zu töten und zu vergewaltigen.
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Schließlich ließ sich auch nicht zweifelsfrei nachweisen, dass der Angeklagte seinen Arbeitskollegen gezielt weggeschickt hatte, um die später begangene Tat zu begehen. Sowohl dem Angeklagten als auch dem Zeugen H K zufolge, hätte eine aufgrund einer abgebrochenen Putzkante benötigte Winkelleiste gefehlt. Zwar räumte der Angeklagte ein, seinen Kollegen gebeten zu haben, in den Betrieb zurückzufahren und das erforderliche Bauteil zu holen. Allerdings gab der Zeuge H K an, dass es hierfür einen nachvollziehbaren Grund gegeben habe. Aufgrund eines mehrere Monate zurückliegenden Arbeitsunfalles, bei dem er sich mit einer Bohrmaschine in die Hand gebohrt und einen Nerv herausgezogen hätte, habe er sich zum damaligen Zeitpunkt am Anfang seiner Wiedereingliederung befunden. Er hätte daher – im Gegensatz zum Angeklagten – die Arbeit am Fenster nicht alleine fortsetzen können. Dementsprechend sei es konsequent gewesen, dass er – der Zeuge H K – in den Betrieb zurückgefahren sei, um unnötige Verzögerungen bei der Erledigung des Auftrages zu vermeiden. Mangels anderweitiger Anhaltspunkte konnte die Kammer daher nicht ausschließen, dass die Weisung des Angeklagten von dieser Absicht getragen war und der Tatentschluss tatsächlich erst nach der Abfahrt des Zeugen H K spontan gefasst wurde.
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Soweit die Kammer festgestellt hat, dass die Wohnungstüre durch eine sogenannte „Hinterriegelung“ gegen ein zufälliges Zufallen gesichert wurde, stützt die Kammer ihre diesbezügliche Überzeugung auf die Aussage des Zeugen H K. Eine derartige Vorgehensweise sei auch laut dem Zeugen S L üblich und erscheint der Kammer durchaus plausibel und nachvollziehbar. Der Angeklagte selbst hat dies nicht in Abrede gestellt und schlussendlich auch zugegeben, die „Hinterriegelung“ beim letzten Verlassen der Wohnung selbst gelöst und die Tür ins Schloss gezogen zu haben.
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Die Abfahrtszeit des Arbeitskollegen H K (und damit auch die Tatzeit) ließ sich zur Überzeugung der Kammer durch einen Anruf des Zeugen O K und den Zeitpunkt des ersten Notrufs auf den Zeitraum zwischen 10:00 Uhr bis 10:10 Uhr eingrenzen. Der Zeuge O K gab an, den Angeklagten um 10:00 Uhr angerufen und zu seinem Geburtstag gratuliert zu haben. In dem kurzen Telefonat habe der Angeklagte gelacht und unauffällig gewirkt. Aufgrund der Hintergrundgeräusche habe er den Angeklagten gefragt, ob er „auf Arbeit“ sei, was dieser bejaht habe. Nachdem im Hintergrund jemand etwas gerufen habe, hätte er das Gespräch beendet. Er könne sich an den Zeitpunkt seines Anrufes noch so genau erinnern, da er später online bei „Würzburg erleben“ gelesen habe, dass ein Handwerker festgenommen worden sei und die Meldung von 10:15 Uhr gewesen sei. Als er erfahren habe, dass es sich hierbei um den Angeklagten gehandelt habe, habe er anhand seiner Anrufliste festgestellt, dass er nur wenige Minuten vor der Meldung mit ihm für wenige Sekunden telefoniert hätte. Dies deckt sich mit den Angaben des Angeklagten, dass ihn sein Freund O K angerufen und ihm gratuliert habe, als er zusammen mit seinem Arbeitskollegen zum Transporter gelaufen sei, um etwas zu holen. Allerdings ist davon auszugehen, dass sich der Zeuge in Bezug auf den Zeitpunkt der Meldung bei „Würzburg erleben“ (10:15 Uhr) irrt, denn zu diesem Zeitpunkt waren weder Polizei noch Rettungskräfte vor Ort. Auch der Nebenklägerin zufolge habe der Arbeitskollege des Angeklagten die Wohnung erst verlassen, nachdem sie dem Angeklagten gegen 10:00 Uhr mitgeteilt habe, dass sie in etwa 20 Minuten die Wohnung verlassen müsse. Dies war auch dem Zeugen H K noch erinnerlich, sodass anzunehmen ist, dass er zu dem Zeitpunkt der Mitteilung durch die Nebenklägerin noch anwesend war. Die Uhrzeit des ersten Notrufs wurde durch die Aussage des Zeugen KHK H und ergänzend durch die auszugsweise Verlesung seines Aktenvermerks vom 18.07.2022 festgestellt. Da der erste Notruf bereits um 10:12:42 bei der Integrierten Leitstelle einging muss der Zeuge H K nach 10:00 Uhr und deutlich vor 10:12:42 Uhr die Wohnung in Richtung des Betriebs verlassen haben. In diesem Zeitfenster muss auch der Angeklagte die festgestellte Tat begangen haben. Dabei schätzt die Kammer, dass zwischen dem letzten Schlag auf den Kopf der Nebenklägerin und dem Notruf der Zeugin An D um 10:12:42 Uhr ein Zeitraum von wenigstens zwei Minuten gelegen haben muss. Denn der Angeklagte ging in dieser Zeit in das Bad, reinigte den Hammer und seine Hände, verließ die Wohnung, wobei er nochmals nach der Nebenklägerin schaute, lief durch das Treppenhaus, vor das Haus und dort aufgeregt hin und her, bevor er die Zeugin An D ansprach.
3. Zum Tatgeschehen
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Die Feststellungen zur Täterschaft des Angeklagten, seiner Tatmotivation und zum Tathergang (B. II.) beruhen im Wesentlichen auf
-der geständigen Einlassung des Angeklagten,
-der Aussage der Nebenklägerin,
-den in Augenschein genommenen Lichtbildern und der in Augenschein genommenen Videografie vom Tatort,
-dem in Augenschein genommenen Tatwerkzeug,
-den Ausführungen des spurensichernden Kriminalbeamten D,
-den Ausführungen des rechtsmedizinischen Sachverständigen Prof. Dr. med. B und
– den Ausführungen des Sachverständigen für DNA-Analyse Dr. P.
a) Zur Täterschaft des Angeklagten
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Der Angeklagte hat bereits zu Prozessbeginn seine Täterschaft eingeräumt. Im Laufe des Verfahrens hat er seine Angaben ergänzt und präzisiert. Die Kammer hat – trotz seines beharrlichen Bestreitens im Ermittlungs- und Zwischenverfahren – keinen Anlass zu zweifeln. Zum einen ist nicht ersichtlich, warum sich der Angeklagte der Wahrheit zuwider selbst belasten sollte. Zum anderen hat er ein plausibles Tatmotiv [dazu (b)].
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Darüber hinaus ist die Täterschaft des Angeklagten auch durch die glaubhafte Aussage der Nebenklägerin bewiesen. Die Nebenklägerin hat den Angeklagten in der Verhandlung wiedererkannt und ihn als ihren Angreifer benannt. Dies steht in Einklang mit ihren früheren Angaben. Der Zeuge PHM S gab an, er hätte die schwerstverletzte aber ansprechbare Nebenklägerin noch im Rahmen der Sachverhaltsaufnahme vor Ort nach dem Täter befragt. Hierauf hätte sie in gut verständlichem Englisch geantwortet „The guy that worked in my flat attacked me“. Die Zeugin KKin A gab an, dass sie die Nebenklägerin noch am Tattag im Schockraum der Notaufnahme des Universitätsklinikums Würzburg vernommen habe. Die Nebenklägerin sei damals bei Bewusstsein und ansprechbar gewesen und hätte Angaben zum Täter und Tathergang gemacht. Auch der Kriminalbeamtin gegenüber habe sie angegeben, von dem in der Wohnung verbliebenen Handwerker angegriffen worden zu sein. Dieser sei zudem bereits früher einmal in ihrer Wohnung gewesen. Schließlich sagte KHK H aus, dass die Nebenklägerin noch bei einer später von ihm sequentiell durchgeführten Wahllichtbildvorlage den Angeklagten als ihren Angreifer benannt habe. Da sie zu diesem Zeitpunkt intensivmedizinisch überwacht worden sei, hätte er ihre Pulswerte verfolgen können. Beim Anblick des Bildes des Angeklagten habe sich der Puls schlagartig von 80 auf 140 erhöht. Die Nebenklägerin hätte ihn als den Täter benannt, sich im Bett zusammengekauert und angefangen zu weinen. Bei den den unmittelbar vorgezeigten Bildern hätte sich ihr Puls rasch wieder beruhigt. Die Nebenklägerin hat somit bereits unmittelbar nach der Tat den Angeklagten als ihren Angreifer identifiziert und benannt. Im Übrigen konnten an der Bekleidung des Angeklagten Blutspuren der Nebenklägerin gesichert werden. Bereits dem Zeugen PM Dö fielen bei der Sachverhaltsaufnahme am Tatort Blutspritzer auf den Schuhen des Angeklagten auf. Diese wurden nach Angaben des Zeugen KK D spurentechnisch gesichert und einem Abgleich mit der Nebenklägerin unterzogen. Den Ausführungen des Sachverständigen Dr. P zufolge wurden in einer Einzelblutspur an der rechten Schuhspitze des Angeklagten (Spur 22-605049-0028) mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit alleinig die Körperzellen der Nebenklägerin nachgewiesen, da nur eine von ca. 531,6 Billionen unverwandten weiblichen Personen die festgestellte Merkmalskombination aufweisen würde. Die Kammer schließt sich den nachvollziehbaren und überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen Chemieoberrats Dr. P aus eigener Überzeugung an. Die biostatistische Bewertung sichergestellter DNA-Spuren gehört zu den Aufgaben des Sachverständigen und die Kammer hat keinen Anlass an der Richtigkeit der Ergebnisse Zweifel zu hegen. Die Hauptverhandlung hat auch keine Hinweise darauf ergeben, dass das Blut der Nebenklägerin ohne Tatbezug an den Schuh des Angeklagten gelangt sein könnte. Insbesondere hatte die Nebenklägerin keine tatunabhängige Verletzung, die die Spur erklären könnte. Nachdem auch zwischen dem Angeklagten und der Nebenklägerin mit Ausnahme einer kürzeren Begegnung keinerlei nennenswerte persönliche (Vor-) Beziehungen bestanden, ist kein Grund ersichtlich, warum diese den Angeklagten wissentlich der Wahrheit zuwider belasten sollte. Ebenso wenig bot die Beweisaufnahme Grund zu der Annahme, die Nebenklägerin könnte die Tat unbewusst auf den Angeklagten transferiert haben.
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Schließlich haben die durchgeführten Ermittlungen keine Hinweise auf einen anderen Täter ergeben. Nachdem der Angeklagte versucht hatte, den Tatverdacht von sich auf eine andere Person abzulenken, seien KHK H zufolge nicht nur im Tatortanwesen, sondern auch in den benachbarten Häusern, umfangreiche Befragungen durchgeführt worden, um zu ermitteln, ob weitere Handwerker zur Tatzeit im Einsatz gewesen seien. Diese Befragungen seien jedoch allesamt negativ verlaufen.
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Bei einer Gesamtbetrachtung bestehen daher an der Täterschaft des Angeklagten keine vernünftigen Zweifel.
b) Zum Tathergang
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Die Feststellungen zum (objektiven) Tathergang beruhen maßgeblich auf den Angaben des Angeklagten und der Nebenklägerin. Diese ließen sich sowohl mit den rechtsmedizinisch erhobenen Verletzungsbefunden als auch mit der kriminalpolizeilich dokumentierten und von der Kammer in Augenschein genommenen Spurenlage am Tatort in Einklang bringen. Der Tathergang wird zudem durch das spurenkundliche Sachverständigengutachten bestätigt, das der rechtsmedizinische Sachverständige Prof. Dr. B in der Hauptverhandlung erstattet hat.
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Der Angeklagte gab an, dass er sich nach der Abfahrt seines Arbeitskollegen dessen Hammer genommen und sich in das Zimmer der Nebenklägerin begeben habe. Als diese von ihrem Schreibtisch aufgestanden sei und ihn erblickt habe, hätte er sie gefragt, ob es noch mit anderen Fenstern Probleme gebe. Die Nebenklägerin habe geantwortet, dass es im vorangegangenen Sommer beim Badfenster reingeregnet hätte. Sie sei in das Bad vorausgelaufen und habe ihm das Fenster gezeigt. Er habe es sich angeschaut und sie zur weiteren Abklärung an die Hausverwaltung verwiesen. Beim Verlassen des Bades sei die Nebenklägerin aus einem ihm nicht mehr erinnerlichen Grund vor ihm gelaufen. Unmittelbar vor dem Bad und dem rechtwinklig dazu liegenden Zimmer der Nebenklägerin hätte er ihr zum ersten Mal mit dem Hammer in der rechten Hand von hinten auf den Kopf geschlagen. Die Nebenklägerin sei infolge des Schlages nach vorne gestrauchelt. Er habe sie am Arm gepackt und in ihr Zimmer gezogen. Dort habe sie sich in einer Ecke verkrochen, geweint und etwa drei- bis viermal „Warum?“ gefragt. Er habe ihr sodann mehrfach – wie oft und wie fest wisse er nicht mehr genau – mit dem Hammer auf ihren Kopf geschlagen. Die Nebenklägerin habe nach ihm getreten und ihn an der linken Schulter getroffen. Auch habe sie erfolglos versucht, ihm den Hammer zu entreißen. Einmal sei die Nebenklägerin aufgestanden und habe versucht aus dem Zimmer zu fliehen. Er habe sie jedoch zu fassen bekommen, zurückgezogen und wieder zu Boden gestoßen. Dann habe er sich über sie gekniet und mindestens vier weitere Male auf ihren Kopf eingeschlagen, bis sie regungslos auf dem Bauch vor ihrem Bett gelegen habe. Von ihrem Kopf aus habe sich schnell eine Blutlache ausgebreitet.
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Diese Schilderung deckt sich im Wesentlichen mit den Angaben der Nebenklägerin. Nachdem sie dem größeren Handwerker – dem Angeklagten – mitgeteilt hatte, dass sie in etwa 20 Minuten die Wohnung verlassen müsse, sei sie zurück in ihr Zimmer gegangen und habe fertig gefrühstückt. Der kleinere Handwerker sei sodann aus der Wohnung gegangen und der Angeklagte einfach in ihr Zimmer gekommen. Er habe gut gelaunt gewirkt und gesagt, dass der andere Handwerker etwas aus dem Büro holen müsse. Danach habe er sie gefragt, wie es so in der WG sei und ob es noch Probleme mit anderen Fenstern gäbe. Sie habe ihm darauf geantwortet, dass im Sommer 2021 durch das Badfenster Regenwasser eingedrungen sei. Der Angeklagte habe sie gebeten, ihm das Fenster zu zeigen, weswegen sie ihn in das Bad geführt hätte. Der Angeklagte habe es sich angeschaut und gesagt, da sei jetzt nichts zu machen. Beim Verlassen des Bades habe er sie gebeten, vorauszugehen, weswegen sie ihm den Rücken zugewandt und vor ihm aus dem Bad gegangen sei. Im Flur, unmittelbar nach Verlassen des Bades – direkt vor der Tür zu ihrem Zimmer – habe er sie zum ersten Mal geschlagen. Das sei „wie eine Bombe“ gewesen. Sie habe versucht aus der Wohnung zu fliehen, aber er habe sie am Handgelenk oder Arm gepackt und in ihr Zimmer gezogen. Sie habe noch versucht, mit ihrem Handy Hilfe zu rufen, aber er habe es ihr abgenommen und weggeworfen. Danach sei es zu einem Gerangel gekommen. Er habe immer wieder auf ihren Kopf eingeschlagen, während sie versucht habe, mit ihren Füßen nach ihm zu treten. Wie oft er zugeschlagen und ihren Kopf getroffen habe, wisse sie nicht mehr. Sie schätze mindestens sechs bis acht Schläge. Irgendwann habe sie vor dem Bett auf dem Boden liegend das Bewusstsein verloren.
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Die Schilderungen der Beteiligten weichen allenfalls in Details voneinander ab. Dies ist allerdings aufgrund des mehraktigen dynamischen Tatgeschehens und der hier wie dort aufwallenden Emotionen erwartbar und beeinträchtigt folglich nicht die Glaubhaftigkeit der jeweiligen Aussagen. Soweit die Kammer festgestellt hat, dass der Angeklagte die Nebenklägerin explizit darum bat, vor ihm das Bad zu verlassen, stützt sie ihre Überzeugung auf die glaubhafte Aussage der Nebenklägerin. Im Gegensatz zum Angeklagten war sich die Nebenklägerin in diesem Punkt absolut sicher. Bereits in ihrer anfänglichen zusammenhängenden Sachverhaltsschilderung erwähnte sie, ohne ausdrücklich danach gefragt worden zu sein, dass der Angeklagte sie gebeten habe beim Verlassen des Bades vorauszugehen. Auf spätere Nachfrage, wie sicher sie sich diesbezüglich sei, antwortete sie, dass sie sich an diese Bitte noch sehr gut erinnern könne. Dies war aus Sicht der Kammer glaubhaft, da die Zeugin an anderer Stelle durchaus Unsicherheiten und Unschärfen in ihrer Erinnerung (von sich aus) einräumte. So konnte sie nachvollziehbarerweise nicht mehr sagen, ob die Handwerker die Wohnungstüre „hinterriegelt“ hatten, wie oft sie vom Angeklagten mit dem Hammer geschlagen wurde, oder ob der Angeklagte sie nach dem ersten Schlag am Handgelenk oder am Arm gepackt hatte. Nachdem auch der Angeklagte die Aufforderung an die Nebenklägerin, das Bad zuerst zu verlassen, nicht in Abrede gestellt hat, geht die Kammer davon aus, dass die Erinnerung der Nebenklägerin zutreffend ist und hat sie dementsprechend ihren Feststellungen zu Grunde gelegt.
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Die Aussagen der Beteiligten werden zudem dadurch gestützt, dass in Tatortnähe ein Hammer sichergestellt werden konnte.
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Der Zeuge PHM H gab an, den Bereich vor dem Tatortanwesen mit seinem Diensthund abgesucht zu haben. Es sei ihm mitgeteilt worden, dass der angebliche Täter bei seiner Flucht einen Hammer getragen haben soll und sein Diensthund sei darauf spezialisiert, Gegenstände anzuzeigen, die sich durch einen menschlichen Geruch von ihrer Umgebung abheben würden. Einen solchen Gegenstand hätte sein Hund gegen 10:50 Uhr an einem Gebüsch unmittelbar neben dem Hauseingang des Tatortanwesens angezeigt. Bei einem Blick in das Gebüsch hätte er einen hammerähnlichen Gegenstand erkennen können. Von einer Sicherstellung des Gegenstandes habe er jedoch abgesehen, um etwaige Spuren daran nicht zu kontaminieren. Stattdessen habe er seinen Fund den Kollegen vom Kriminaldauerdienst (KDD) mitgeteilt.
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Dies deckt sich mit den Angaben des Zeugen KK L vom KDD. Ihm zufolge hätte der Diensthund des Diensthundeführers einen Gegenstand im Gebüsch unmittelbar neben dem Hauseingang angezeigt. Bei diesem Gegenstand hätte es sich um einen Hammer gehandelt, welcher entweder von ihm oder vom Kollegen H spurenschonend sichergestellt worden sei.
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Die Kammer hat keinen Anlass an den Aussagen der (kriminal-)polizeilichen Zeugen zu zweifeln. Die in Augenschein genommenen Lichtbilder vom Fundort des Hammers bestätigen ihre Aussagen. Auf den Bildern 8, 9, und 10 (Spurenordner 1/3, Bl. 311-313 d. A.) ist erkennbar, dass sich neben dem Hauseingang des Tatortanwesens tatsächlich ein Gebüsch befindet. Auf dem Bild 10 ist zudem der Stiel des im Gebüsch liegenden Hammers erkennbar, wobei dessen Kopf zum Teil durch das umgebende Gras verdeckt wird. Auf die in vorstehendem Absatz bezeichneten Lichtbilder wird wegen der weiteren Einzelheiten verwiesen, § 267 Abs. 1 S. 3 StPO.
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Die Kammer hat den sichergestellten Hammer in Augenschein genommen. Er entspricht optisch dem auf Bild 10 abgebildeten Hammer. Der Angeklagte hat bestätigt, dass es sich bei diesem um das von ihm verwendete Tatwerkzeug handelte. Der Hammer wurde von der Kriminalpolizei vermessen und gewogen. Dies wurde lichtbildtechnisch dokumentiert. Die Feststellungen zu Größe und Gewicht des Hammers konnten den in Augenschein genommenem Lichtbildern 1, 2 und 11 (Spurenordner Band 3/3 Bl. 1269 und 1275 d. A.) entnommen werden. Auf dem Lichtbild 1 ist die ungeeichte Feinwaage zu erkennen. Diese ist mit einem weißen Tuch bedeckt und austariert. Auf dem Lichtbild 2 liegt der Hammer auf der mit dem Tuch bedeckten Waage. Es wird ein Gewicht von 405 Gramm angezeigt. Der auf dem Lichtbild abgebildete Hammer war identisch mit dem von der Kammer in Augenschein genommenem Hammer. Die Länge des Hammers war der auf dem Lichtbild 11 dokumentierten Vermessung zu entnehmen. Die gemessenen Werte lassen sich zwanglos mit dem im Rahmen des Augenscheins gewonnenen unmittelbaren Eindruck der Kammer in Einklang bringen.
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Die Schilderungen der Beteiligten zum Tathergang konnten aber auch deswegen dem Urteil zugrunde gelegt werden, da sie dem rechtsmedizinischen Sachverständigen Prof. Dr. B zufolge widerspruchsfrei mit den Verletzungsbefunden der Nebenklägerin und der Blutspurenlage am Tatort in Einklang gebracht werden konnten.
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Die Nebenklägerin sei am 11.05.2022 auf der neurochirurgischen Intensivstation des Universitätsklinikums Würzburg körperlich untersucht worden. Aufgrund der dichten und stellenweise blutverklebten Kopfbehaarung sei eine vollständige Untersuchung des Schädels schwierig gewesen. Dennoch hätten mehrere ärztlich versorgte Hautläsionen im Bereich des Kopfes festgestellt werden können. Diese würden sich als Folgen einer stumpfen Gewalteinwirkung darstellen. Eine genaue Bestimmung der Anzahl der Hautläsionen sei aufgrund der blutverkrusteten Kopfbehaarung zunächst nicht möglich gewesen. Diese hätten jedoch dem Arztbrief der neurochirurgischen Klinik und Poliklinik des Universitätsklinikums Würzburg vom 18.05.2022 entnommen werden können. Dort seien zwölf Kopfplatzwunden dokumentiert worden, sodass von einer mindestens zwölffachen stumpfen Gewalteinwirkung auszugehen sei. Nachdem noch zwei weitere violette bzw. blau-violette Hautverfärbungen im Bereich des linken Oberlides und hinter dem rechten Ohr feststellbar gewesen seien, wären weitere stumpfe Gewalteinwirkungen – wenn auch nicht sicher nachweisbar – so doch zumindest sehr naheliegend. Die festgestellten Verletzungen ließen sich mit dem von den Beteiligten geschilderten Geschehensablauf und der Tatzeit zwanglos in Einklang bringen. Insbesondere komme der sichergestellte Hammer als Tatwerkzeug in Betracht. Die stumpfe Schlagseite des Hammers passe zu den Verletzungsbefunden.
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Auch die Blutspurenlage am Tatort bestätigt dem Sachverständigen zufolge den geschilderten Geschehensablauf. Die Kammer hat zunächst mit dem spurensichernden Kriminalbeamten KK D die von diesem angefertigte Videografie vom Tatort (Video-KDD geschnitten.mpg) und zahlreiche von ihm angefertigte Lichtbilder vom Tatort in Augenschein genommen und sich hierdurch einen unmittelbaren Eindruck von den räumlichen Gegebenheiten und vom Spurenbild verschafft. Dem auf Bild 1 (Spurenordner 1/3, Bl. 475 d. A.) abgebildeten Wohnungsplan war insbesondere zu entnehmen, dass das Zimmer der Nebenklägerin unmittelbar neben dem Bad liegt und vor den Türen beider Räumlichkeiten ein kleiner Flur liegt, der sie miteinander verbindet. Dem Zeugen KK D zufolge konzentrierte sich das Blutspurenbild schwerpunktmäßig eindeutig auf das Zimmer der Nebenklägerin und den davor befindlichen Flurbereich. Dies bestätigte sich bei einer Inaugenscheinnahme der Videografie vom Tatort und den in Augenschein genommenen Übersichtsaufnahmen vom Bad (Bild 337, Spurenordner 2/3, Bl. 725 d. A.), vom Flurbereich vor dem Bad (Bild 49, Spurenordner 1/3, Bl. 49 d. A.) und vom Zimmer der Nebenklägerin (Bild 220, Spurenordner 2/3, Bl. 649 d. A.). Während im Flurbereich vor dem Bad und im Zimmer der Nebenklägerin zahlreiche zum Teil großflächige Blutspuren(felder) zu finden waren, befanden sich im Bereich des Bades und auf dem Weg aus der Wohnung heraus sowie im Treppenhaus „lediglich“ vereinzelte Blutabtropf- und blutige Fußabdruckspuren. Auch ohne nähere spurentechnische Kenntnisse war daher für die Kammer ohne weiteres ersichtlich, dass der Angriff des Angeklagten im Flur vor dem Zimmer der Nebenklägerin und in ihrem Zimmer erfolgt sein muss. Dem Sachverständigen zufolge lasse sich das Blutspurenbild mit der Aussage der Beteiligten, der erste Angriff habe im Flur vor dem Badezimmer stattgefunden, zwanglos in Einklang bringen. Auf dem Übersichtsbild 130 (Spurenordner 1/3, Bl. 573 d. A.) und den Detailbildern 131 bis 145 (Spurenordner 1/3, Bl. 574-578 d. A., Spurenordner 2/3 Bl. 583-589 d. A.) ist die Innenseite der Türzarge der Zimmertür der Nebenklägerin abgebildet. Nahezu auf der gesamten Höhe sind zahlreiche Blutspritzer zu erkennen. Vom Fußboden bis zu einer Höhe von etwa 1,50 Meter sind diese Blutspitzer klein und fein, was den Ausführungen des Sachverständigen darauf schließen lasse, dass die Blutspritzer nahezu waagrecht aufgetroffen sein müssen. Ab einer Höhe von etwa 1,50 Meter sind die Blutspritzer größer und verlaufen dynamisch von rechts unten nach links oben. Dies spreche tatsächlich dafür, dass die zwischen 1,50 Meter und 1,60 Meter große Nebenklägerin beim ersten Schlag gestanden habe und anschließend zu Boden gestürzt sei. Ein derartiges Geschehen lasse sich auch mit den auf der Außenseite des Türblattes der geöffneten Badezimmertür in einer Höhe von 40 bis 85 Zentimetern festgestellten dynamisch von links oben nach rechts unten verlaufenden Blutspritzern (Spurenordner 2/3, Bild 177, Bl. 617 d. A.) in Einklang bringen. Das weitere auf den Bildern 205 (Spurenordner 2/3, Bl. 636 d. A.) und 242 (Spurenordner Bl. 2/3, Bl. 665 d. A.) erkennbare Blutspurenbild im Flur vor dem Zimmer der Nebenklägerin und im Zimmer der Nebenklägerin lasse darauf schließen, dass sich das Geschehen in das Zimmer der Nebenklägerin verlagert habe und sie dort auf dem Boden vor dem Bett zum Liegen gekommen sei. Auch diese Schlussfolgerung konnte die Kammer – gerade in Anbetracht der auf Bild 277 (Spurenordner 2/3, Bl. 687 d. A.) und 279 (Spurenordner 2/3, Bl. 689 d. A.) erkennbaren massiven Blutlache vor und unter dem Bett – ohne weiteres nachvollziehen. Diese großflächige Blutlache lässt nach Ansicht der Kammer zweifelsfrei darauf schließen, dass dort der schwer verletzte Kopf der Nebenklägerin längere Zeit gelegen hat. Schließlich lasse dem Sachverständigen zufolge das Blutspurenbild den Rückschluss zu, dass die Nebenklägerin auf dem Weg vom Flur in ihr Zimmer und unmittelbar vor ihrem Bett das Opfer weiterer stumpfer Gewalteinwirkungen geworden ist. Hierfür sprächen beispielsweise die auf Bild 278 (Spurenordner 2/3, Bl. 688 d. A.) und 280 (Spurenordner 2/3, Bl. 690 d. A.) abgebildeten kleinen, feinen und dynamisch verlaufenden Blutspritzfelder auf dem Boden und an der Wand vor bzw. neben dem Bett. Diese ließen sich den plausiblen und nachvollziehbaren Ausführungen des Sachverständigen zufolge ohne weiteres mit ausholenden Schlagbewegungen erklären. Schließlich habe sich an der linken Wand eine frische Beschädigung gefunden, die zu der abgeflachten Seite des Hammerkopfes passe. Diese sei mit hoher Wahrscheinlichkeit bei einer Ausholbewegung des Angeklagten entstanden. Dies bestätige die erhebliche Wucht der Schläge, die sich auch aus den Verletzungsbildern folgern lasse. Auf die in vorstehendem Absatz bezeichneten Lichtbilder wird wegen der weiteren Einzelheiten verwiesen, § 267 Abs. 1 S. 3 StPO.
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Die Kammer hat daher bei einer Gesamtbetrachtung der erhobenen Beweise keine Zweifel an dem von den beiden Beteiligten weitgehend übereinstimmend geschilderten
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Geschehensablauf und hat diesen den Urteilsfeststellungen zugrunde gelegt.
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Die Vornahme sexueller Handlungen an der (bewusstlosen) Nebenklägerin konnte dagegen nicht mit einer zur Verurteilung hinreichenden Sicherheit nachgewiesen werden. Trotz einer entsprechenden Tatmotivation bestritt der Angeklagte, derartige Handlungen an der Nebenklägerin vorgenommen zu haben. Der Anblick der schwer verletzten, bewusstlosen und stark blutenden Nebenklägerin habe bei ihm zu einem Nachlassen seiner Erektion geführt und er habe sich außer Stande gesehen seinen ursprünglichen Plan in die Tat umzusetzen. Auch die Nebenklägerin hatte an die Vornahme sexueller Handlungen (nachvollziehbarerweise) keine Erinnerungen und konnte im Nachgang weder an sich noch an der von ihr getragenen Bekleidung irgendwelche darauf hindeutenden Veränderungen feststellen. Ebenso wenig konnten laut KHK H bei einer gynäkologischen Untersuchung der Nebenklägerin, am Tatort oder der Bekleidung der Nebenklägerin Spuren gesichert werden, die auf ein Sexualdelikt schließen ließen. Die Kammer konnte sich daher nicht mit der zu einer Verurteilung erforderlichen Sicherheit von sexuellen Handlungen des Angeklagten an der Nebenklägerin überzeugen, sodass sie zugunsten des Angeklagten davon ausging, dass er – entsprechend seiner eigenen Angaben – entgegen seines ursprünglichen Tatplans von der Vornahme sexueller Handlungen Abstand genommen hat.
c) Zum Tötungsvorsatz, Tatmotiv und Rücktrittshorizont
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Die Feststellungen zum Tötungsvorsatz, zur Tatmotivation und zum Rücktrittshorizont stützt die Kammer hauptsächlich auf die diesbezüglichen Angaben des Angeklagten.
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Der Angeklagte hat sich im Laufe der Hauptverhandlung mehrfach zur Sache eingelassen und seine Angaben ergänzt, präzisiert und zum Teil korrigiert:
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Zwar räumte der Angeklagte bereits zu Prozessbeginn die Vornahme der ihm zur Last gelegten Hammerschläge ein. Allerdings habe er das Ableben der Nebenklägerin nur „billigend in Kauf genommen“. Seine Tatmotivation ließ er gänzlich im Dunkeln. Er sprach lediglich davon, dass er ein „komisches Gefühl“ empfunden habe, als die Nebenklägerin ihn auf ihr bevorstehendes Verlassen der Wohnung hingewiesen habe. Er habe sich schnell wieder entfernen wollen, damit sich dieses Gefühl „nicht Bahn br[e]ch[e]“. Dieses „Gefühl“ habe er wieder empfunden, nachdem sein Arbeitskollege ihn mit der Nebenklägerin allein in der Wohnung zurückgelassen habe. Er habe sich anschließend in das Zimmer der Nebenklägerin begeben und diese gefragt, ob es noch andere Probleme innerhalb der Wohnung gebe. Er habe „nach einem Ausweg [ge]sucht“. Als die Geschädigte vor ihm das Bad verlassen habe, habe sein Herz gerast, da er eigentlich habe vorauslaufen wollen „um einer solchen Situation zu entgehen“ bzw. „zu entkommen“. Die Nebenklägerin habe er als attraktiv empfunden, aber keine sexuellen Absichten gehabt.
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Auch auf näheres Befragen konnte bzw. wollte der Angeklagte das benannte „Gefühl“ nicht näher spezifizieren. Es sei keine Erregung, sondern ein „neues“, ihm unbekanntes Gefühl gewesen. Er habe Herzrasen bekommen, sein Körper habe sich angespannt, ihm sei warm geworden und er habe angefangen zu schwitzen, aber keine Erektion gehabt. Bei dieser Einlassung blieb der Angeklagte im Wesentlichen bis zum dritten Verhandlungstag.
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Am dritten Verhandlungstag korrigierte er seine Einlassung dahingehend, dass er tatsächlich vorgehabt habe, die Nebenklägerin zu erschlagen, um anschließend an ihrer Leiche den Geschlechtsverkehr zu vollziehen. Nachdem sein Arbeitskollege die Wohnung verlassen habe, sei ihm bewusst geworden, dass er mit der Nebenklägerin allein sei. Er habe schnell gemerkt, „dass etwas mit [ihm] nicht [ge]stimmt“ habe. Ihm seien gewaltpornografische Fantasien durch den Kopf geschossen und er habe sich vorgestellt die Nebenklägerin zu erschlagen und ihre Leiche sexuell zu missbrauchen. Diese Gedanken seien immer stärker geworden und hätten ihn gedrängt, seine Vorstellungen in die Tat umzusetzen. Zwar hätte er noch versucht, sich diesem Drang zu widersetzen, allerdings sei er letztlich überwältigt worden. Er habe den Hammer seines Arbeitskollegen genommen, um die Nebenklägerin zu erschlagen und ihre Leiche anschließend zu „missbrauchen“. Bei der Tat habe er eine Erektion gehabt.
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Die Kammer hält diese korrigierte Einlassung des Angeklagten sowohl in Bezug auf den Tötungsvorsatz als auch in Bezug auf die Tatmotivation für glaubhaft:
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Angesichts der Tatsache, dass der Angeklagte mindestens zwölf Mal mit einem Hammer mit Eisenkopf auf den Schädel der Nebenklägerin einschlug, erschien seine ursprüngliche Einlassung, er habe den Tod der Nebenklägerin nicht beabsichtigt, sondern nur billigend in Kauf genommen, bereits wenig glaubhaft. Es bedarf keiner vertieften rechtsmedizinischen Kenntnisse, um zu wissen, dass schon ein einziger Schlag mit einem Hammer auf den Kopf eines anderen Menschen geeignet ist, dem Opfer tödliche Kopfverletzungen zuzufügen. Die Tatsache, dass der Angeklagte vorliegend sogar wenigstens ein dutzend Mal auf den Kopf der Nebenklägerin eingeschlagen hatte und die Schläge so wuchtig ausgeführt wurden, dass es zu mehrfachen Brüchen des Schädelknochens kam, ließ bereits für sich genommen ohne weiteres darauf schließen, dass er die Nebenklägerin töten wollte und er dementsprechend mit Tötungsabsicht handelte.
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Auch die vom Angeklagten schlussendlich eingeräumte sexuell-sadistische Tatmotivation konnte den Urteilsfeststellungen zugrunde gelegt werden, da sie das Tatgeschehen plausibel erklärt. Die Tat steht in einer Linie mit der persönlichen Entwicklung des Angeklagten, schreibt diese schlüssig fort und stellt das (vorläufige) Ende einer sich seit Jahren dramatisch zuspitzenden persönlichen Krise dar. Der Angeklagte hat auf dem Boden einer narzisstischen Persönlichkeitsstörung innerhalb weniger Monate eine Paraphilie in Form eines sexuellen Sadismus entwickelt. Zur Tatzeit bezog er seine sexuelle Stimulation ausschließlich aus dem Konsum gewaltpornografischer Inhalte, die die Tötung und den sexuellen Missbrauch von (getöteten) Frauen zum Gegenstand hatten. Das Tatmotiv entspricht damit den sexuellen Präferenzen des Angeklagten und folgt den Vorbildern der von ihm in den Wochen und Monaten vor der Tat exzessiv konsumierten devianten pornografischen Inhalte. Im Übrigen hat die durchgeführte Beweisaufnahme keine Anhaltspunkte für ein anderes Tatmotiv ergeben. Zwischen dem Angeklagten und der Nebenklägerin bestand keine (nennenswerte) Vorbeziehung und auch ein sonstiger Anlass für eine derartige Gewalteskalation hat sich nicht einmal andeutungsweise ergeben.
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Schließlich vermochte auch das geänderte Einlassungsverhalten des Angeklagten keine Zweifel an der Glaubhaftigkeit seines Geständnisses zu begründen. Der Angeklagte hat sich durch seine geänderte Einlassung erheblich selbst belastet. Es ist kein Grund ersichtlich, warum er dies – der Wahrheit zuwider – hätte tun sollen. Im Gegenteil: das geänderte Einlassungsverhalten lässt sich plausibel auf die Vernehmungen des Bruders K S und der Mutter U S zurückführen. Sowohl der Bruder als auch die Mutter wandten sich am Ende ihrer jeweiligen Vernehmungen direkt an den Angeklagten und sicherten ihm den bedingungslosen familiären Rückhalt zu, baten (Bruder) bzw. flehten (Mutter) ihn jedoch eindringlich an „endlich reinen Tisch zu machen“. Die Ungewissheit würde die Familie, insbesondere den schwer erkrankten Vater, stark belasten und auch die Nebenklägerin hätte ein Recht darauf zu erfahren, warum sie fast gestorben sei. Der Angeklagte war von diesen emotional vorgetragenen Appellen sichtlich ergriffen und kündigte nach der Vernehmung seiner Mutter umgehend an, dem Wunsch seiner Familie zu entsprechen. Sein ursprüngliches Einlassungsverhalten erklärte der Angeklagte damit, dass die Angst vor einer möglichen Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus seiner Offenheit enge Grenzen gesetzt habe. Dementsprechend sei die ursprüngliche Einlassung von der Motivation getragen gewesen, das Unleugbare so weit wie möglich zu beschönigen und die Hintergründe der Tat so gut wie möglich zu verschleiern. Die Angst vor einer Unterbringung bestünde zwar fort, allerdings hätte die in Aussicht gestellte familiäre Unterstützung bei ihm zu einem Sinneswandel geführt. Er habe erkannt, dass er Hilfe benötige und dafür seine eigene Offenheit notwendig sei. Sowohl die anfänglichen Befürchtungen als auch die Hintergründe des späteren Sinneswandels sind aus Sicht der Kammer plausibel und nachvollziehbar und gerade in Anbetracht der emotionalen Ergriffenheit des Angeklagten nach der Vernehmung seiner Mutter ohne weiteres glaubhaft. Die Kammer hat daher die Angaben des Angeklagten zu seiner Tötungsabsicht und den Hintergründen seiner Tat ihrem Urteil uneingeschränkt zugrunde gelegt.
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Die Kammer hält es zwar für wahrscheinlich, konnte aber nicht mit einer zur Verurteilung hinreichenden Sicherheit nachweisen, dass der Angeklagte nach Beendigung seines Angriffs annahm, die Nebenklägerin bereits getötet zu haben.
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Der Angeklagte gab an, obwohl er die sich rasch um ihren Kopf herum ausbreitende Blutlache wahrgenommen habe, sei er davon ausgegangen, dass die Nebenklägerin noch am Leben und nur bewusstlos gewesen sei. Zwar habe die reglos vor ihm liegende Nebenklägerin weder auf Ansprache noch auf Berührungen ihres Gesichts und ihrer Schulter reagiert. Allerdings sei es ihm gelungen den Puls der Nebenklägerin sowohl an ihrem Hals als auch an ihrem Handgelenk zu ertasten. Zudem habe er beim Drehen ihres Kopfes einen Atemausstoß vernommen und ihren Mund geöffnet.
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Diese Einlassung vermochte die Kammer nicht zu überzeugen. Es sprechen gewichtige Indizien gegen die Einlassung des Angeklagten. Zum einen liegt die Annahme, der Angeklagte habe geglaubt, die Nebenklägerin sei bereits tot gewesen, aufgrund der äußeren Umstände nahe. Die Nebenklägerin blieb nach einem Dutzend wuchtig ausgeführter Hammerschläge auf ihren Kopf regungslos in einer sich rasch ausbreitenden Blutlache liegen. Die Annahme, die Nebenklägerin könnte einen derartigen Angriff überlebt haben, liegt aufgrund der äußeren Umstände eher fern. Zwar gab der Angeklagte an, die Vitalzeichen der Nebenklägerin überprüft zu haben, allerdings entstand der Eindruck, dass die Einlassung des Angeklagten in diesem Punkt an die Rücktrittsproblematik angepasst war. Es erschien bereits zweifelhaft, dass der notfallmedizinisch ungeschulte Angeklagte in seinem emotional erregten Zustand überhaupt in der Lage war, den Puls der Nebenklägerin zu ertasten. Hieran äußerte auch der rechtsmedizinische Sachverständige Prof. Dr. B erhebliche Zweifel. Seiner Erfahrung nach würden ungeschulte Ersthelfer häufig vor Aufregung entweder keinen Puls ertasten können oder ihren eigenen Puls irrtümlicherweise für den der hilfsbedürftigen Person halten. Die ohnehin bereits bestehenden Zweifel wurden durch stetige Weiterungen seiner ursprünglichen Einlassung zur Überprüfung der Vitalzeichen zusätzlich genährt. Zu Prozessbeginn ließ er sich dahingehend ein, den Puls der Nebenklägerin an ihrem Hals ertastet und bemerkt zu haben, dass sie noch atme. Zu einem späteren Zeitpunkt der Hauptverhandlung – nach Vernehmung der Nebenklägerin – ergänzte er seine ursprüngliche Einlassung dahingehend, dass er den Puls der Nebenklägerin nicht nur an ihrem Hals, sondern auch an ihrem Handgelenk ertastet hätte. Schließlich – in einer weiteren Einlassung am zweiten Verhandlungstag – führte der Angeklagte noch an, den Mund der Nebenklägerin geöffnet zu haben. Es drängte sich der Eindruck auf, dass sich der Angeklagte der rechtlichen Bedeutung dieser Umstände bewusst war und auf diese Weise versuchte, Bedenken der Verfahrensbeteiligten zu entkräften. Obwohl die Kammer der Einlassung des Angeklagten in diesem Punkt nicht folgt, geht sie zu seinen Gunsten davon aus, dass er es für möglich hielt, die Nebenklägerin sei noch am Leben, als er die Wohnung verließ.
102
Allerdings ergibt sich aus der Einlassung des Angeklagten, den äußeren Umständen sowie dem vom Angeklagten selbst geschilderten Verhalten unmittelbar nach der Tat, dass er davon ausging, die Nebenklägerin werde ihren Kopfverletzungen ohne weiteres Zutun seinerseits innerhalb kurzer Zeit erliegen. Der Angeklagte räumte ein, ihm sei klar gewesen, dass die Nebenklägerin sofortige Hilfe gebraucht habe. Ferner gab er an, sie habe sich nicht mehr bewegt und um ihren Kopf habe sich eine große Blutlache ausgebreitet. Er habe noch an ihrer Schulter gerüttelt und sie angesprochen, dabei aber keine Reaktion wahrgenommen. Nachdem er in das Bad gegangen und dort seine Hände und den Hammer gereinigt habe, habe er nochmals in das Zimmer der Nebenklägerin geschaut. Sie habe genauso bewegungslos dagelegen, wie zuvor. In der Gesamtschau dieser Umstände, insbesondere
-der mindestens zwölf massiv geführten Hammerschläge auf den Schädel, die der Angeklagte mit voller Tötungsabsicht geführt hatte,
-der Tatsache, dass die Nebenklägerin in ihrer eigenen Blutlache bewegungslos dalag und sich diese Blutlache vom Kopf weiter ausbreitete,
-die Nebenklägerin auf Rütteln und Ansprache nicht reagierte,
-sie sich auch, nachdem der Angeklagte aus dem Bad gekommen war, immer noch nicht geregt hatte und
-sowohl der Boden als auch Teile der Wände des Zimmers der Nebenklägerin voller Blut waren,
ist es für die Kammer zwingend, dass der Angeklagte, der die die Nebenklägerin vermutlich bereits für tot hielt, zumindest davon ausging, sie werde ohne Hilfe zeitnah versterben. Alles andere wäre in Anbetracht seiner Einlassung, des vorangegangenen Geschehens und der für den Angeklagten ohne weiteres erkennbaren Umstände, insbesondere des Zustands der Nebenklägerin und des drastischen Verletzungsbildes, lebensfremd.
d) Zur Schuldfähigkeit
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Die Überzeugung von der verminderten Schuldfähigkeit des Angeklagten stützt die Kammer auf die glaubhaften Angaben des Angeklagten und die darauf aufbauenden plausiblen und nachvollziehbaren Ausführungen des forensisch-psychiatrischen Sachverständigen Dr. S.
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Die Kammer hat den Angeklagten zu seiner psychischen Verfassung unmittelbar vor und während des Angriffes befragt. Hierzu gab der Angeklagte an, dass er sich „wie in Trance“ in das Zimmer der Nebenklägerin begeben habe. Dort habe er sich „dem Moment nicht entziehen können“. Als die Nebenklägerin vor ihm in das Bad gelaufen sei, habe er einen „Tunnelblick“ bekommen. Ihm sei warm geworden, er habe angefangen zu schwitzen. Für kurze Zeit habe er das Gefühl gehabt, sich „nicht unter Kontrolle“ zu haben. Als die Nebenklägerin vor ihm das Bad verlassen habe, habe er „wieder diesen Tunnelblick“ bekommen und sich „nicht unter Kontrolle“ gehabt. Nachdem der erste Schlag gefallen und die Geschädigte nach vorne getorkelt sei, habe er sich nicht mehr zu helfen gewusst. Er habe „versucht gegen [s]ich anzukämpfen“, aber „keine Chance“ gehabt. Danach sei „es eskaliert“. Er habe „keinerlei Gefühle“ gehabt, sei „wie eine Bestie“ gewesen. Die Nebenklägerin habe ihn zwar gegen die Schulter getreten, Schmerzen hätte er jedoch nicht gespürt. Die Kammer schenkt den Beschreibungen des Angeklagten Glauben. Zum einen erfolgten sie, als der Angeklagte unmittelbar unter dem Eindruck der emotionalen Appelle seiner Angehörigen stand und er trotz des Bewusstseins der ihm drohenden Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus weitgehend unbeschönigt über den Tathergang und seine Motive berichtete. Zum anderen decken sie sich auch mit den Beschreibungen der Nebenklägerin und dem Tatbild. Der Nebenklägerin zufolge habe der Angeklagte während des Angriffs kein Wort gesprochen und ausgesehen „wie ein Verrückter“. Nachdem sie angefangen habe zu schreien, sei es ihr vorgekommen, als habe der Angeklagte die Kontrolle über sich verloren. Dies hält die Kammer in Anbetracht des äußerst brutalen Vorgehens des Angeklagten, wie es sich aus der Spurenlage ergibt, für naheliegend, sodass die Kammer den Angaben des Angeklagten zu seiner psychischen Verfassung folgt.
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Ausgehend von der Einlassung des Angeklagten führte der Sachverständige aus, dass aufgrund der sexuell-sadistischen Tatmotivation die Paraphilie des Angeklagten für die verfahrensgegenständliche Tat bis zur Bewusstlosigkeit der Nebenklägerin als das führende Störungsbild zu identifizieren sei. Die narzisstische Persönlichkeitsstörung und die unterdurchschnittliche Intelligenz des Angeklagten kämen zwar als konstellative Faktoren hinzu, seien für die Tathandlungen jedoch nicht leitend gewesen.
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Diese Paraphilie erfülle in ihrer konkreten Ausprägung die medizinischen Voraussetzungen einer „schweren anderen seelischen Störung“ im Sinne des § 20 StGB. Zum Tatzeitpunkt seien bereits seit geraumer Zeit gewaltpornographische Inhalte die einzige Quelle sexueller Stimulation gewesen, sodass die Sexualstruktur des Angeklagten ausschließlich durch die Paraphilie bestimmt worden sei. Die untrennbar miteinander verknüpften Psychopathologien der Paraphilie und der narzisstischen Persönlichkeitsstörung hätten zu einer progredienten Überflutung mit paraphilen Handlungsimpulsen geführt und zu einem Umsetzen auf der Handlungsebene gedrängt. Die persönlichen Verhältnisse des Angeklagten hätten jedoch keine anderen Möglichkeiten der soziosexuellen Befriedigung erlaubt. Da es in der Vorstellungswelt des Angeklagten lediglich der einen idealen Frau bedürfe, die seine herausragenden Fähigkeiten wertzuschätzen und zu bewundern wisse, nehme er seine Neigungen zwar prinzipiell wahr, jedoch blende er ihre pathologische Relevanz und ihre Konsequenzen für sich und seine Umwelt konsequent aus, womit die Paraphilie zu einem nicht unerheblichen Teil ich-dyston verarbeitet werde.
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Die dem medizinischen Eingangsmerkmal der schweren anderen seelischen Störung unterfallende Paraphilie des Angeklagten hätte im vorliegenden Kontext auch zu einer erheblichen Beeinträchtigung der Steuerungsfähigkeit geführt. Zwar spreche das Vor- und Nachtatverhalten mit seiner Konstellierung der Tatsituation und der Ergreifung von
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Maßnahmen zu Verdeckung seiner Täterschaft auf den ersten Blick gegen eine erhebliche Einschränkung der Steuerungsfähigkeit, allerdings blieben dabei wesentliche Gesichtspunkte außer Betracht. Denn im Tatverlauf sei es über einen längeren Zeitraum hinweg zu einer zunehmenden emotionalen Labilisierung und einer stetig steigenden Überflutung mit paraphilen Handlungsimpulsen gekommen. Der Angeklagte sei initial einem ritualisierten Ablauf nach dem Vorbild seiner Stimulationsquellen gefolgt. Er habe Außenreize ausgeblendet, einen Tunnelblick entwickelt und das Gefühl gehabt, sich nicht wehren zu können und sich nicht unter Kontrolle zu haben. Auch die narzisstische Persönlichkeitsstörung und die unterdurchschnittliche Intelligenz des Angeklagten hätten als konstellative Faktoren seine Widerstandsfähigkeit gegenüber paraphilen Handlungsimpulsen herabgesetzt. Die Paraphilie speise sich auch aus der narzisstischen Persönlichkeitsstörung des Angeklagten und mit abnehmender intellektueller Leistungsfähigkeit sinke die Fähigkeit, sich alternativer Konfliktlösungsmodelle zu bedienen oder sich auf kognitiver Ebene erfolgreich gegen spontane Handlungsimpulse zu wehren. Obwohl der Angeklagte versucht hätte, den paraphilen Handlungsimpulsen zu widerstehen, hätte nicht einmal das hohe
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Entdeckungsrisiko ihn von der Tatbegehung abhalten können. Der eigentliche Tatablauf weise schließlich eindeutig archaisch-destruktive Züge auf. Dementsprechend sei die Fähigkeit des Angeklagten seinen paraphilen Handlungsimpulsen zu widerstehen, im Verhältnis zu einem gesunden Menschen deutlich herabgesetzt gewesen.
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Die Kammer teilt nach kritischer Prüfung aus eigener Überzeugung die fundierte Einschätzung des gerichtsbekannt zuverlässigen Sachverständigen und geht davon aus, dass die Fähigkeit des Angeklagten entsprechend seiner erhaltenen Unrechtseinsicht zu handeln, im Rechtssinn erheblich beeinträchtigt gewesen ist. Die diesbezüglichen Ausführungen des Sachverständigen fußten auf den in der Hauptverhandlung gewonnenen Erkenntnissen, sie waren in sich schlüssig und nachvollziehbar und vermochten die inneren Vorgänge plausibel zu erklären. Letztlich decken sie sich auch mit dem Eindruck, den die Nebenklägerin vom Angeklagten während des Angriffes hatte und fügen sich schlüssig in das Tatbild ein. Die Kammer hatte daher keinen Anlass zu einer abweichenden Einschätzung zu gelangen.
4. Zum Nachtatgeschehen
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Die Feststellungen zum Nachtatgeschehen beruhen auf
-den Angaben des Angeklagten und der Nebenklägerin,
-den Aussagen der Zeugen Z Y, J D, A D, An D, H K, I K, POMin Ri, PM Dö, PHM S , KK D und KHK H,
-den in Augenschein genommenen Aufzeichnungen der Notrufe,
-den in Augenschein genommenen Lichtbildern vom Tatort,
-der in Augenschein genommenen Videografie vom Tatort,
-den Ausführungen des rechtsmedizinischen Sachverständigen Prof. Dr. B und
-den Ausführungen des forensisch-psychiatrischen Sachverständigen Dr. med. S.
a) Zu den objektiven Feststellungen
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Der Angeklagte ließ sich zum äußeren Geschehensablauf dahingehend ein, dass er sich nach dem Überprüfen der Vitalzeichen in das Bad begeben und dort seine Hände und den Hammer im Waschbecken abgewaschen habe. Anschließend habe noch einen Blick in das Zimmer der Nebenklägerin geworfen und festgestellt, dass sie sich nicht bewegt habe. Dann habe er die Wohnung verlassen, dabei die Hinterriegelung gelöst und die Wohnungstür hinter sich zugezogen. Er habe sich durch das Treppenhaus hinunter vor das Gebäude begeben und sei dort zunächst auf und ab gelaufen. Er habe den Hammer in ein Gebüsch neben dem Eingang geworfen und laut wahrnehmbar „Wo ist der Wichser?!“ gerufen. Sodann sei er zu zwei Schülerinnen gelaufen, die in der Nähe auf einer Bank gesessen hätten. Diese habe er gebeten den Notruf zu verständigen, da er einen Mann verfolgen würde, der seine Kundin schwer verletzt hätte. Danach habe er zuerst seinen Arbeitskollegen H K und sodann seinen Chef I K angerufen und beiden die gleiche Geschichte erzählt. Nach dem Telefonat mit seinem Chef habe ihn sein Arbeitskollege H K zurückgerufen. Dieser habe ihn gefragt, ob schon ein Krankenwagen gerufen worden sei. Daraufhin habe er zwei Frauen gefragt, ob diese bereits den Notruf gewählt hätten. Nachdem eine der Frauen dies verneint habe, habe er geschrien, sie solle einen Notruf absetzen. Danach sei die Nebenklägerin aus dem Haus gekommen, zu einer Bank gebracht und dort versorgt worden. Währenddessen hätte er Abstand zu der Nebenklägerin gehalten und sich zum Eingangsbereich des Areals begeben, um dort die Rettungskräfte einzuweisen. Auch gegenüber den Polizeibeamten hätte er seine Geschichte aufrechterhalten und den Täter so ähnlich wie sich selbst beschrieben.
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Dieser vom Angeklagten geschilderte Geschehensablauf lässt sich im Wesentlichen mit dem Spurenbild am Tatort, den Aussagen der vernommenen Zeugen und den vorgespielten Notrufen in Einklang bringen.
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Der Kriminalbeamte KK D gab an, dass die Spurenlage in der Tatortwohnung darauf schließen lasse, dass der Täter nach der Tat das Zimmer der Nebenklägerin verlassen und im Bad das Waschbecken benutzt habe. So sei im Flur vor dem Bad eine blutige Schuhabdruckspur festgestellt worden, die in Richtung des Bades gezeigt habe. Das erkennbare Muster sei mit dem Profil der vom Angeklagten getragenen Schuhe deckungsgleich gewesen.
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Die Kammer hat sich hiervon durch die in Augenscheinnahme der vom Zeugen KK D angefertigten Lichtbilder überzeugt. Tatsächlich konnte auf den Bildern 205 und 206 (Spurenordner 2/3, Bl. 635, 636 d. A.) im Flurbereich unmittelbar vor dem Eingang zum Bad eine blutige Abdruckspur erkannt werden, deren markante V-förmige Musterung auf ein Schuhprofil schließen lässt. Wie auf den Bildern 31 und 59 (Spurenordner 2/3, Bl. 1057, 1073 d. A.) zu erkennen ist, weisen die vom Angeklagten getragenen Arbeitsstiefel im vorderen Teil der Schuhsohle ein gleichartiges V-förmiges Profil auf. Bei einer Gegenüberstellung der rechten Schuhsohle und des blutigen Schuhabdrucks auf Bild 71 (Spurenordner 2/3, Bl. 1083 d. A.) lassen sich die vom Zeugen genannten Übereinstimmungen sehr gut nachvollziehen. Die Kammer hat daher – insbesondere unter Berücksichtigung der Einlassung des Angeklagten – keinen Anlass an den Ausführungen und Schlussfolgerungen des Zeugen KK D zu zweifeln. Auf die in vorstehendem Absatz bezeichneten Lichtbilder wird wegen der weiteren Einzelheiten verwiesen, § 267 Abs. 1 S. 3 StPO.
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Ebenso konnte die Einlassung des Angeklagten, er hätte im Bad seine Hände und den Hammer gewaschen, spurentechnisch nachvollzogen werden. So seien dem Zeugen KK D zufolge im Waschbecken eine Abrinnspur und neben dem Seifenspender eine Anhaftung festgestellt worden, deren rötlich-bräunliche Färbung zu Blutrückständen gepasst hätten. Ein an der Abrinnspur durchgeführter Hemastix-Blutschnelltest habe positiv reagiert. Durch eine Luminolbehandlung des Waschbeckens seien zudem die Rückstände weiterer Abtropfspuren festgestellt worden.
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Auch diese Ausführungen des Zeugen KK D wurden bei einer in Augenscheinnahme der Lichtbilder 349 und 367 (Spurenordner 2/3, Bl 733, 743 d. A.) bestätigt. Dort konnten die vom Zeugen erwähnten rötlich-bräunlichen Verfärbungen und die latenten Abtropfspuren eindeutig erkannt werden. Auf die in vorstehendem Absatz bezeichneten Lichtbilder wird wegen der weiteren Einzelheiten verwiesen, § 267 Abs. 1 S. 3 StPO.
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Schließlich seien dem Zeugen KK D zufolge an dem sichergestellten Hammer keine augenfälligen Blutspuren feststellbar gewesen. Derartige Spuren wären allerdings aufgrund des äußerst blutigen Tatbildes bei einem ungereinigten Tatwerkzeug zu erwarten gewesen. Erst mithilfe mehrerer durchgeführter Hemastix-Blutschnellteste hätten an vier Stellen am Stiel und an der stumpfen Schlagseite des Hammerkopfes Blutrückstände nachgewiesen werden können. Sofern – wovon die Kammer überzeugt ist (s. o.) – es sich bei dem sichergestellten Hammer um das Tatwerkzeug handele, lege dies – so der Zeuge KK D – nahe, dass der Täter den Hammer nach der Tat gereinigt habe.
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Auch insoweit hat sich die Kammer durch die in Augenscheinnahme der Lichtbilder 4, 6, 9, 11, 13, 17 und 39 (Spurenordner 3/3, Bl. 1270, 1272, 1274, 1275, 1278, 1291 d. A.) von den Ausführungen des Zeugen KK D überzeugt. Auf den genannten Bildern sind verschiedene Stellen des sichergestellten Hammers mit den jeweils positiven Schnelltests abgebildet. Auf die in vorstehendem Absatz bezeichneten Lichtbilder wird wegen der weiteren Einzelheiten verwiesen, § 267 Abs. 1 S. 3 StPO.
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Aus Sicht der Kammer besteht daher kein vernünftiger Zweifel daran, dass der Angeklagte nach der Tat das Waschbecken zur Reinigung seiner Hände und des Hammers benutzt hat.
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Die Angaben des Angeklagten zum weiteren Geschehensablauf konnten ebenfalls weitestgehend bestätigt werden. Ergänzend wurde festgestellt, dass der Angeklagte nach dem Ansprechen der Zeugin J D noch mit den Zeuginnen A D und An D Kontakt hatte. Abweichungen haben sich nur insoweit ergeben, als dass die Zeugin An D ihren Notruf eigenständig abgesetzt hat, ohne hierzu ausdrücklich vom Angeklagten aufgefordert worden zu sein. Darüber hinaus hatte die Nebenklägerin zu diesem Zeitpunkt bereits das Gebäude verlassen.
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Die Kammer stützt sich bezüglich der genannten Abweichungen und Ergänzungen auf die glaubhaften Angaben der Zeuginnen A D und An D.
Im Einzelnen:
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Dass der Angeklagte die Wohnungstür ins Schloss zog und anschließend das Treppenhaus hinunterrannte, bestätigte die in der gegenüberliegenden Wohnung lebende Zeugin Z Y. Sie gab an, zuerst einen Schrei und später dann laute Schrittgeräusche vernommen zu haben. Aufgrund dessen sei sie zu ihrer Wohnungstür gelaufen und habe durch den Türspion geschaut. Dabei habe sie beobachtet, wie ein Mann die Tür der gegenüberliegenden Wohnung zugezogen habe und im Treppenhaus nach unten gerannt sei.
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Dass der Angeklagte vor der Haustür laut „Wo ist der Wichser?!“ gerufen und anschließend zwei junge Frauen angesprochen hat, bestätigten die Zeuginnen J D und A D.
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Die Zeugin J D berichtete, sich mit ihrer Freundin getroffen und im Bereich vor dem Anwesen R Straße 47 eine Zigarette geraucht zu haben. Der Angeklagte habe laut „Wo ist der Wichser gerufen?!“ und sei auf sie zugelaufen. Er habe sie angesprochen, gesagt, er verfolge einen Einbrecher und da sei eine verletzte Frau, die einen Krankenwagen benötige. Daraufhin habe sie sofort den Notruf gewählt, während der Angeklagte gleich zu einem in der Nähe befindlichen Spielplatz weitergerannt sei und dort eine Frau angesprochen habe.
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Bei letztgenannter handelte es sich um die Zeugin A D. Diese gab an, den Vormittag mit ihren zwei Söhnen auf dem Spielplatz vor dem Anwesen R Straße 47 verbracht zu haben. Sie habe mitbekommen, dass zwei Handwerker in dem Haus ein Fenster ausgetauscht und hierzu regelmäßig etwas aus einem vor dem Anwesen geparkten Lieferwagen geholt hätten. Schließlich sei einer der Handwerker aus der Wohnung herausgelaufen, habe laut „Wo ist der Wichser?!“ gerufen und sei zu zwei Mädchen rüber gelaufen. Mit diesen habe er sich kurz unterhalten und sei anschließend zu ihr – der Zeugin A D – gekommen. Er habe sie gefragt, ob sie jemanden gesehen hätte, der zur Türe herausgelaufen sei, was sie verneint habe. Danach sei er hinter dem Haus verschwunden. Irgendwann habe sie dann ein aufgeregtes Schluchzen aus dem gegenüberliegenden Haus gehört. Kurz darauf sei eine Frau mit schweren Kopfverletzungen aus dem Haus gekommen. Zwei Studentinnen und eine Nachbarin hätten die Frau zu ihr auf die Bank an dem Spielplatz gebracht und dort versorgt. Währenddessen sei der Handwerker wieder hinter dem Haus hervorgekommen und habe gebrüllt, ob schon jemand Hilfe gerufen hätte. Als dies verneint worden sei, sei der Handwerker wieder hinter dem Haus verschwunden. Nach dem Eintreffen des Rettungswagens sei sie ihren kleinen Söhnen zuliebe nach Hause gegangen und später noch als Zeugin vernommen worden.
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Der vom Angeklagten weggeworfene Hammer konnte – wie von ihm angegeben – im Gebüsch neben der Hauseingangstüre sichergestellt werden (s. o.).
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Die Zeugen H K und I K bestätigten vom Angeklagten angerufen worden zu sein.
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Dem Zeugen H K zufolge sei er auf der „Tangente“ (gemeint: W Stadtring Süd) gewesen, als ihn der Angeklagte angerufen habe. Dieser habe ihm mitgeteilt, dass jemand mit seinem Hammer – dem des Zeugen H K – auf die junge Frau eingeschlagen habe. Er sei gebeten worden umzudrehen und zurückzukommen. Danach habe der Angeklagte den Anruf abrupt beendet. Der Zeuge habe daraufhin noch einmal versucht den Angeklagten zurückzurufen, allerdings sei zunächst besetzt gewesen. Er habe es dann ein weiteres Mal erfolgreich versucht und den Angeklagten gefragt, ob schon Hilfe geholt worden sei. Der Angeklagte habe daraufhin jemandem etwas zugerufen und ihm anschließend mitgeteilt, dass Hilfe schon angefordert worden sei. Dem Anrufprotokoll seines Mobiltelefons könne er entnehmen, dass er vom Angeklagten um 10:13 Uhr angerufen worden sei und das Gespräch 25 Sekunden gedauert habe. Sein erster – gescheiterter – Rückrufversuch sei um 10:14 Uhr erfolgt und habe drei Sekunden gedauert. Schließlich habe er den Angeklagten um 10:17 Uhr erreicht und mit ihm eine Minute lang telefoniert.
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Die Verlesung des Anrufprotokolls des Mobiltelefons bestätigte die Zeitangaben des Zeugen H K.
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Das Scheitern des ersten Rückrufversuchs lässt sich schlüssig dadurch erklären, dass der Angeklagte zwischenzeitlich seinen Arbeitgeber angerufen hatte. Der Zeuge I K bestätigte, vom Angeklagten angerufen worden zu sein. In dem kurzen Gespräch habe ihm der Angeklagte berichtet, dass ihm jemand im Treppenhaus mit einem Hammer in der Hand entgegengekommen sei. Er – der Angeklagte – habe dann feststellen müssen, dass die Wohnungstüre geschlossen gewesen und der Frau etwas passiert sei. Deswegen habe er – der Angeklagte – sich entschlossen wieder runterzugehen und „den“ zu verfolgen.
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Dass der Angeklagte auf die Frage des Zeugen H K, ob bereits Hilfe gerufen worden sei, jemandem im Hintergrund etwas zurief, deckt sich schlüssig mit den Angaben der Zeugin An D. Diese berichtete, an ihrem Schreibtisch gearbeitet und ein Schreien und Kreischen vernommen zu haben. Sie sei stutzig geworden und zusammen mit ihrer Mitbewohnerin in das Treppenhaus und dort zunächst eine Etage nach oben gelaufen. Nachdem sie dort nichts hätten feststellen können, hätten sie durch ein Fenster draußen den Angeklagten telefonieren und umherlaufen gesehen. Deswegen seien sie nach draußen gegangen. Dort habe der Angeklagte ihnen gesagt, dass er in der Wohnung als Handwerker tätig gewesen und die Bewohnerin von einem Fremden mit einem Hammer angegriffen worden sei. Der Täter sei in eine bestimmte Richtung geflohen und er wolle ihn verfolgen. Sodann sei der Angeklagte weggerannt. Ob der Angeklagte zu diesem Zeitpunkt bereits Hilfe gerufen hatte, habe sie nicht gewusst. Kurze Zeit später hätten sie Hilferufe aus dem Treppenhaus vernommen. Noch bevor sie das Treppenhaus hätten betreten können, sei eine schwer verletzte Frau herausgekommen, die sie zu einer nahegelegenen Bank gebracht und dort mit einer Nachbarin versorgt hätten. Währenddessen sei der Angeklagte zurückgekommen und habe gefragt, ob der Notruf schon verständig worden sei. Da sie dies noch nicht gemacht hätten, habe sie sofort ihr Handy gezückt und erste Hilfe angefordert.
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Die Kammer hat die Aufzeichnungen der Notrufe abgespielt. Der durch den auszugsweise verlesenen Aktenvermerken bestätigten Angaben des Zeugen und sachbearbeitenden Kriminalbeamten KHK H zufolge ging der Notruf der Zeugin J D um 10:12:42 Uhr bei der polizeilichen Einsatzzentrale (110) ein und dauerte bis 10:19:42 Uhr (7 Minuten und 24 Sekunden). Der Notruf der Zeugin An D ging dagegen erst um 10:18:12 Uhr bei der integrierten Leitstelle (112) ein und dauerte insgesamt 39 Sekunden.
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Eine Überprüfung durch den Zeugen KHK H habe ergeben, dass der eingetroffene Rettungswagen auf Veranlassung der Zeugin J D angefordert worden sei. Dies erscheint der Kammer schlüssig und nachvollziehbar. Zum einen wurde der Notruf der Zeugin J D deutlich früher abgesetzt. Zum anderen war gegen Ende der Aufzeichnung ihres Notrufs im Hintergrund bereits ein Martinshorn zu vernehmen.
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Das Einweisen der Rettungskräfte bestätigten die polizeilichen Zeugen POMin Ri und PHM S.
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Den übereinstimmenden Aussagen der Polizeibeamten POMin Ri, PM Dö und PHM S zufolge, berichtete der Angeklagte auch ihnen gegenüber von einem flüchtigen Einbrecher. Alle drei Polizeibeamten hatten den Angeklagten im Rahmen der ersten Sachverhaltsaufklärung vor Ort unabhängig voneinander zu den Geschehnissen befragt.
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Gegenüber der Zeugin POMin Ri und dem Zeugen PM Dö habe der Angeklagte jeweils angegeben, an seinem Fahrzeug gewesen zu sein, um etwas zu holen. Als er Schreie gehört habe, sei er in das Haus zurückgelaufen. Dabei sei ihm ein Mann mit einem Hammer in der Hand entgegengekommen. Dieser sei in Richtung der R Straße gerannt. Was in der Wohnung passiert sei, habe der Angeklagte nicht gewusst, da die Tür ins Schloss gezogen gewesen wäre. Auf die Frage nach dem Aussehen des Täters habe der Angeklagte der Zeugin POMin Ri gesagt, dieser sehe aus wie er – der Angeklagte – selbst, nur ohne Brille. Auch dem Zeugen PM Dö sei aufgefallen, dass die vom Angeklagten abgegebene Beschreibung des Täters von Größe, Statur und Bekleidung frappierend dem Angeklagten selbst geähnelt habe.
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Schließlich gab auch der Zeuge PHM S an, dass er den Angeklagten kurz zur Person des Täters befragt habe. Ihm gegenüber habe der Angeklagte geäußert, es sei ein Mann mit einem Hammer in der Hand gewesen, der in Richtung R Straße davongerannt sei.
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Bei einer Gesamtbetrachtung der erhobenen Beweise hat die Kammer keine Zweifel am festgestellten Sachverhalt.
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Die Kammer hält die Aussagen der genannten Zeugen für glaubhaft. Ihre Aussagen stimmten in weiten Teilen mit den Angaben des Angeklagten überein. Ihr Aussageverhalten war ruhig, sachlich und frei von Belastungseifer. Die Zeugen berichteten frei aus ihrer Erinnerung heraus. Sie unterschieden zwischen eigenen Wahrnehmungen, Vermutungen und Hörensagen. Sie räumten von sich aus Erinnerungslücke und Unsicherheiten ein. Soweit die Zeugen keine persönlichen Beziehungen zum Angeklagten hatten, bestand kein Motiv den Angeklagten wahrheitswidrig zu be- oder entlasten. Derartige Tendenzen traten jedoch auch nicht in den Vernehmungen der Arbeitskollegen des Angeklagten zutage. Die Aussagen der Zeugen ergaben ein schlüssiges Gesamtbild und fügten sich nahtlos in die restliche Beweisergebnisse ein. Dies gilt insbesondere für die Aussagen der Zeuginnen A D und An D, weswegen die Kammer den Inhalt ihrer Aussagen ihren ergänzenden und abweichenden Feststellungen zugrunde gelegt hat. So berichtete die Zeugin J D, dass der Angeklagte in Richtung eines Spielplatzes weggelaufen sei und dort eine weitere Frau angesprochen habe. Auch aus ihrem aufgezeichneten Notruf ergibt sich, dass ihr gerade von einem Bauarbeiter gesagt worden sei, dass ein Einbrecher eine Frau mit einem Hammer zusammengeschlagen habe und dieser Bauarbeiter nun zu einer anderen Frau gegangen sei. Hierbei handelt es sich zur Überzeugung der Kammer um die Zeugin A D. Zwar konnte sich die Zeugin A D nicht mehr daran erinnern, allerdings hatte sie bei ihrer noch am 09.05.2022 um 13:00 Uhr durchgeführten kriminalpolizeilichen Vernehmung angegeben, dass der Angeklagte – nachdem sie seine Frage, ob sie jemanden gesehen habe, der aus dem Haus gerannt sei, verneint hatte – gesagt habe, „Ach ja, Sie waren ja auch gar nicht da“. Die Kammer hat die entsprechende Passage des Vernehmungsprotokolls durch Verlesung gemäß § 253 StPO in die Beweisaufnahme eingeführt. Die Kammer hat aus den oben genannten Gründen keinen Anlass am Wahrheitsgehalt dieser nur wenige Stunden nach der Tat gemachten Aussage zu zweifeln. Gleiches gilt für die Aussage der Zeugin An D. Insbesondere gab die Zeugin im Rahmen ihres zusammenhängenden Berichts – ohne hierzu ausdrücklich befragt worden zu sein – an, auf die Frage des Angeklagten von sich aus den Notruf verständigt zu haben. Dies bestätigte sie nochmals zu einem späteren Zeitpunkt auf konkrete Nachfrage der Kammer. Nachdem die gänzlich unbeteiligte Zeugin kein persönliches Interesse am Ausgang des Verfahrens hat und in anderem Zusammenhang – wie etwa der Uhrzeit eines vorangegangenen Anrufs ihrer Mutter – von sich aus Unsicherheiten einräumte, hatte die Kammer keinen Grund zu der Annahme, dass die Zeugin bloße Aussagen „ins Blaue hinein“ tätigte und hält ihre Angaben für belastbar.
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Soweit die Kammer festgestellt hat, dass die Nebenklägerin ihr Bewusstsein verloren hatte und nach ihrem Erwachen aus eigener Kraft die Wohnung verlassen hat, stützt sie sich auf ihre Aussage, die von der Spurenlage und den Aussagen der oben genannten Zeuginnen bestätigt wurde, soweit sie ihren jeweiligen Wahrnehmungen unterlagen.
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Die Nebenklägerin gab an, dass sie das Bewusstsein verloren habe und in Bauchlage auf dem Boden liegend mit Blick in Richtung ihres Bettes wach geworden sei. Sie sei allein und alles blutverschmiert gewesen. Sie sei aufgestanden, habe ihre Wohnung verlassen und zuerst bei der gegenüberliegenden Wohnung geklingelt. Nachdem dort niemand aufgemacht habe, sei sie das Treppenhaus hinuntergegangen und habe das Haus verlassen. Dort habe ihr eine Frau geholfen, bis ein Rettungswagen eingetroffen sei.
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Dass die Nebenklägerin das Bewusstsein verloren hatte, bestätigte nicht nur der Angeklagte. Es ließ sich auch schlüssig mit der Spurenlage am Tatort in Einklang bringen.
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Der Zeuge KK D berichtete, dass sich neben der linken Seite ihres Bettes eine großflächige Blutlache befunden habe, die sich bis zu einem unter dem Bett befindlichen Karton erstreckt hätte. An der Seite dieses Kartons sei eine blutige Antragung mit mehreren Abrinnspuren feststellbar gewesen. Die Blutlache habe zudem markante, längliche und flächige Aussparung gehabt.
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Eine Inaugenscheinnahme der vom Zeugen KK D angefertigten Bilder 220, 242, 277, 279, 295, 297, 298 und 299 (Spurenordner 2/3, Bl. 649, 665, 687, 689, 699, 700, 701 d. A.) bestätigte seine Ausführungen. Die Lichtbilder zeigen das Zimmer der Nebenklägerin, insbesondere den Bereich links neben und unter ihrem Bett. Dort ist – wie vom Zeugen angegeben – eine großflächige Blutlache erkennbar, die sich bis zu einem Karton unter dem Bett erstreckt. Auch die vom Zeugen KK D erwähnten Aussparungen sind auf den Lichtbildern dokumentiert. Auf die in vorstehendem Absatz bezeichneten Lichtbilder wird wegen der weiteren Einzelheiten verwiesen, § 267 Abs. 1 S. 3 StPO.
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Dem rechtsmedizinischen Sachverständigen Prof. Dr. B zufolge sprächen die großflächige Blutlache und die Blutantragung am Karton eindeutig dafür, dass die Nebenklägerin längere Zeit mit ihrem verletzten Kopf unter dem Bett am Karton gelegen habe, sodass sich das austretende Blut zu einer derartigen Lache ausbreiten konnte. Die scharfrandigen und flächigen Aussparungen in der Blutlache ließen darüber hinaus den Schluss zu, dass dort für längere Zeit der Körper oder Körperteile – beispielsweise ein Arm – der Nebenklägerin gelegen und so eine Ausbreitung der Blutlache in diesen Bereichen verhindert hätten.
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Die Kammer schließt sich den plausiblen und ohne weiteres nachvollziehbaren Ausführungen des rechtsmedizinischen Sachverständigen nach kritischer Prüfung aus eigener Überzeugung an. Der Sachverständige hat die Entstehung der jeweiligen Spurenmuster plastisch hergeleitet. Seine Ausführungen vermochten die jeweiligen Ausformungen der Blutspuren schlüssig zu erklären und die Kammer zu überzeugen, zumal sie die Angaben der Nebenklägerin und des Angeklagten bestätigen. Bei einer Gesamtschau der genannten Beweismittel steht daher aus Sicht der Kammer zweifelsfrei fest, dass die Nebenklägerin nach dem Angriff des Angeklagten bewusstlos mit ihrem Kopf unter dem Bett zum Liegen kam.
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Weil die Nebenklägerin angab, zur Tatzeit nur Strümpfe getragen zu haben, konnte ihr Laufweg aus dem Haus auch spurentechnisch nachvollzogen werden.
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Dem Zeugen KK D zufolge hätten blutige Abdruckspuren eines linken Fußes und zahlreiche Abtropfspuren aus dem Zimmer der Nebenklägerin, durch den Wohnungsflur in das Treppenhaus, dort zunächst zur Tür der gegenüberliegenden Wohnung und anschließend die Treppen hinuntergeführt.
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Auch dies konnte bei einer Inaugenscheinnahme der Videografie des Tatortes und der Lichtbilder 50, 205, 220 und 242 (Spurenordner 1/3, Bl. 517, Spurenordner 2/3, Bl. 635, 649, 665) bestätigt werden. Auf den Bildern 220 und 242 ist der Boden des Zimmers der Nebenklägerin abgebildet. Auf beiden Aufnahmen kann eine markante blutige Abdruckspur erkannt werden, deren Umrisse eindeutig einem unbeschuhten linken Fuß entsprechen. Die Abdruckspur zeigt in Richtung des Zimmerausgangs und legt somit nahe, dass sich der Spurenleger in diese Richtung bewegt hat. Auf dem Bild 50 ist der Boden im Flur vor dem Zimmer der Nebenklägerin abgebildet. Auch dort ist eine identische blutige Abdruckspur erkennbar, die in Richtung der Wohnungstür zeigt. Diese Abtropf- und Abdruckspuren konnten auch auf der Videografie des Treppenhauses und der Wohnung der Nebenklägerin erkannt werden. Hinweise auf andere Verursacher dieser Spuren als die Nebenklägerin hat die Hauptverhandlung nicht ergeben. Auf die in vorstehendem Absatz bezeichneten Lichtbilder wird wegen der weiteren Einzelheiten verwiesen, § 267 Abs. 1 S. 3 StPO.
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Soweit die Nebenklägerin angab, bei der gegenüberliegenden Wohnung geklingelt zu haben, wurde dies von der dort lebenden Zeugin Z Y bestätigt. Ihr zufolge habe es zweimal an ihrer
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Tür geklingelt. Bis sie jedoch zur Tür gelaufen sei und aufgemacht habe, sei niemand mehr vor ihrer Tür gestanden. Sie hätte nur Blutspuren im Treppenhaus gesehen und Schreie von unten gehört.
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Soweit die Kammer festgestellt hat, dass der Angeklagte zur Tatzeit nicht unter dem Einfluss berauschender Mittel stand, stützt sie ihre Überzeugung auf
-den verlesenen „ärztlichen Bericht“ des Medizinalrats J vom 09.05.2022,
-das verlesene „Beiblatt Drogen“ zum ärztlichen Untersuchungsbericht des Medizinalrats J vom 09.05.2022,
-das verlesene chemisch-toxikologischen Gutachten der forensisch-analytischen Laboratorien Prof. Dr. med. P. B vom 24.06.2022 über die dem Angeklagten am 09.05.2022 entnommen Haarprobe,
-das verlesene chemisch-toxikologische Gutachten des Instituts für Rechtsmedizin der Universität Würzburg vom 19.07.2022 über die dem Angeklagten entnommenen Blut- und Urinproben und
-das verlesene Blutalkoholgutachten des Instituts für Rechtsmedizin der Universität Würzburg vom 20.07.2022 über die dem Angeklagten am 09.05.2022 entnommene Blutprobe.
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Dem verlesenen „ärztlichen Bericht“ des Medizinalrats J vom 09.05.2022 war zu entnehmen, dass der Angeklagte am Tattag ärztlich untersucht und ihm um 14:11 Uhr eine Blutprobe entnommen wurde.
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Weder dem ärztlichen Bericht noch dem Beiblatt Drogen konnten konkrete Anhaltspunkte für eine relevante Beeinflussung durch berauschende Mittel entnommen werden. Dies bestätigten die eingeholten Gutachten. Sämtliche Untersuchungen auf Betäubungsmittel und Medikamente verliefen negativ. Soweit im Blutalkoholgutachten ein Mittelwert von 0,02 Promille errechnet wurde, entspricht dies dem rechtsmedizinischen Sachverständigen Prof. Dr. B zufolge Nüchternheit und ist nicht auf eine Aufnahme von Alkohol zurückzuführen.
b) Zu den subjektiven Feststellungen
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Dass sich der Angeklagte nach der Tat in einem Schockzustand befand und die Rettungsmaßnahmen nicht freiwillig veranlasste, sondern sich dazu innerlich gezwungen sah, steht zur Überzeugung der Kammer aufgrund seiner Einlassung, der Beschreibung des Angeklagten durch die Zeugen und die Ausführungen des forensisch-psychiatrischen Sachverständigen Dr. S fest.
157
Der Angeklagte gab an, über sich selbst „erschrocken“ gewesen zu sei, als die Nebenklägerin regungslos vor ihm gelegen habe. Ein kalter Schauer habe seinen ganzen Körper überzogen und er habe angefangen zu zittern. Ihm sei „viel durch den Kopf gegangen“. Er habe sich gefragt, was gerade passiert sei und ob er das gewesen wäre. Er sei „nervös“ geworden, habe sich „nicht mehr zu helfen [gewusst]“, „Angst“ bekommen und sich „nicht im Stande gesehen“ einen Notruf abzusetzen. Er habe im Bad „hektisch“ seine Hände und den Hammer gewaschen und sei dabei aber immer „mehr in Panik geraten“. Diese habe ihn „vollkommen ergriffen“. Er habe die Wohnung verlassen, die „Hinterriegelung“ gelöst und die Tür, ohne sich Gedanken zu machen, zugezogen. Vor dem Anwesen habe er versucht „klar im Kopf [zu] werden“ und sei auf der Suche nach einem Ausweg aus der Situation auf einem Gehweg „panisch“ entlanggelaufen. Dabei sei ihm spontan die Idee gekommen, den Tatverdacht von sich auf einen fiktiven Einbrecher abzulenken und dessen Verfolgung vorzutäuschen. Deswegen habe er sich des Tatmittels entledigt, laut „Wo ist der Wichser?!“ gerufen, mehrere Zeugen angesprochen bzw. angerufen und sei suchend umhergelaufen, um die Geschichte glaubwürdiger zu machen. Er habe keine andere Möglichkeit gesehen, als Hilfe zu holen. Auf konkrete Nachfrage gab er an, ab dem Verlassen der Wohnung völlig panisch gewesen zu sein und keine andere Handlungsalternative mehr gesehen zu haben, als so zu handeln, wie er es getan habe. Ein nochmaliges Zuschlagen auf die Nebenklägerin oder die Vornahme des zunächst geplanten sexuellen Missbrauchs sei ihm ebenso unmöglich gewesen wie das Verständigen des Notrufs.
158
Die Schilderungen des Angeklagten zu seinen inneren Vorgängen finden ihre Entsprechungen in den Beobachtungen der am Tatort anwesenden Zeugen. Diese nahmen den Angeklagten als „aufgeregt“ (A D, K S ), „nervös“ (H K, An D), „verwirrt“ (J D), „aufgebracht“ (J D, An D), „ganz aufgelöst“ (I K) und „kopflos“ (An D) wahr. Die polizeilichen Zeugen beschrieben den Angeklagten angesichts seines damaligen Zeugenstatus als „überdurchschnittlich nervös“ (POMin Ri) oder „sehr nervös“ (PM Dö). Er habe „fahl“ ausgesehen (POMin Ri), eine „weiße Gesichtsfarbe“ gehabt und „zittrig“ gewirkt (PM Dö).
159
Basierend auf den Angaben des Angeklagten, die in den Aussagen der Zeugen ihre Bestätigung fanden, kam der forensisch-psychiatrische Sachverständige Dr. S zu dem Schluss, dass der Angeklagte die typischen Anzeichen einer akuten Belastungsreaktion nach ICD-10: F43.0 gezeigt habe. In der forensischen Psychiatrie gebe es die Diagnose „Schock“ nicht. Diesem umgangssprachlichen Konstrukt entspreche aus forensisch-psychiatrischer Sicht die Diagnose „akute Belastungsreaktion“ nach ICD-10: F 43.0. Diese Diagnose könne gestellt werden, wenn jemand auf eine außergewöhnliche psychische oder physische Belastung unmittelbar vegetative Symptome, wie Panik, Angst, Überaktivität, Nervosität, Unruhe, Ärger oder (verbale) Aggression zeige. Die plötzlich drohende Änderung des sozialen Status könne eine derartige außergewöhnliche psychische Belastung sein. Die dem Angeklagten drohenden strafrechtlichen, beruflichen, familiären und sozialen Konsequenzen sowie die vom Angeklagten beschriebenen inneren Vorgänge ließen sich hiermit – gerade in Anbetracht seiner narzisstisch gestörten Persönlichkeit – zwanglos in Einklang bringen. Die Ausprägung sei beim Angeklagten so gravierend gewesen, dass sie seine Fähigkeit zu rationalem Handeln aufgehoben habe.
160
Die Kammer teilt die Einschätzung des Sachverständigen. Sie ist davon überzeugt, dass der Angeklagte in Folge des Tatgeschehens eine akute Belastungsreaktion im oben genannten Sinne zeigte und untechnisch ausgedrückt unter Schock stand. Dabei hat die Kammer in den Blick genommen, dass es sich bei der akuten Belastungsreaktion (ICD-10 F43.0) um ein relativ unspezifisches („gemischtes und wechselndes“) Störungsbild mit unterschiedlichen Ausprägungen des Schweregrades handelt (vgl. BGH NStZ 2021, 159). Allerdings lagen beim Angeklagten konkret feststellbare Auswirkungen in erheblichem Umfang bei prototypischem Verlauf vor. Die Belastungsreaktion begann – wie vom Angeklagten beschrieben – mit einer Art von „Betäubung“, mit einer gewissen Bewusstseinseinengung und eingeschränkten Aufmerksamkeit, einer Unfähigkeit, Reize zu verarbeiten und Desorientiertheit. Darauf folgte ein Zustand höchster Unruhe und Überaktivität. Das zeigte sich zudem in dem erratischen Verhalten des Angeklagten, der wirr durch die Gegend lief. Vegetative Zeichen panischer Angst wie Tachykardie und Schwitzen traten ebenfalls auf und wurden sowohl vom Angeklagten (Herzrasen, Schwitzen), als auch – soweit äußerlich wahrnehmbar – von den Zeugen geschildert (fahl, zittrig, aufgelöst). Dem Angeklagten drohte schlagartig der Verlust seines sozialen Status. Dies bedeutete für die narzisstisch gestörte Persönlichkeit des Angeklagten eine außergewöhnliche psychische Belastung und äußerte sich – wie vom Angeklagten selbst eingeräumt und auch von zahlreichen unabhängigen Zeugen beobachtet – in Nervosität, Angst, Panik und motorischer Unruhe.
161
Die Tat war – wie bereits an anderer Stelle erörtert – nicht von langer Hand geplant. Vielmehr sah der Angeklagte unerwarteterweise kurzfristig eine vermeintlich günstige Gelegenheit zur Verwirklichung seiner sexuellen Fantasien gekommen. Er wurde von seinen paraphilen Handlungsimpulsen zur Tat gedrängt und gab diesem Drang letztlich unüberlegt nach.
162
Als sich der Angeklagte dann jedoch – in Abweichung des von ihm vorgestellten Tatablaufs – mit einem – für ihn – unerwartet blutigen Tatbild konfrontiert sah, riss ihn dies jäh aus seinem erdachten Tatablauf. Die bislang handlungsleitenden paraphilen Impulse ließen schlagartig nach. Stattdessen wurde ihm das hohe Entdeckungsrisiko und schließlich die Ausweglosigkeit seiner Lage zunehmend bewusst. Er befand sich zur Tatzeit allein mit der Nebenklägerin in der Wohnung. Dies konnte sein Arbeitskollege bezeugen. Es war nicht davon auszugehen, dass die Tat unbemerkt blieb. Die Rückkehr seines Arbeitskollegen stand unmittelbar bevor. Im Zimmer der Nebenklägerin und im Flur vor dem Bad waren massive Blutspuren. Seine Hände und der Hammer seines Arbeitskollegen waren ebenfalls voller Blut. Auch an seiner Kleidung befanden sich Blutspuren. Der Angeklagte sah sich mit dem drohenden Verlust seines ganzen Lebenswerks konfrontiert. Die Nebenklägerin war nach seiner Einschätzung, wenn nicht gar bereits verstorben, so doch jedenfalls äußerst schwer verletzt und würde zeitnah ableben. Er musste mit einer langjährigen – möglicherweise gar lebenslangen – Haftstrafe rechnen. Er würde seinen Arbeitsplatz, seinen familiären Rückhalt und seinen Freundeskreis verlieren. Sein Ansehen und sozialer Geltungsanspruch wären ruiniert. Diese Bedrohung erschütterte seine narzisstisch gestörte Persönlichkeitsstruktur ihn ihren Grundfesten. Der Angeklagte wurde in zunehmendem Maße nervös, motorisch unruhig und geriet letztlich in panische Angst. Diese panische Angst ergriff ihn vollständig, ließ ihn keinen klaren Gedanken fassen und war fortan handlungsleitend. Er war innerlich getrieben und gezwungen einen Weg zu finden, die ihm drohende Vernichtung seiner Existenz abzuwenden. Auf der verzweifelten Suche nach diesem Ausweg kam er kurzentschlossen auf die (unausgegorene und zum Scheitern verurteilte) Idee, den Tatverdacht von sich auf einen Einbrecher abzulenken. Um diese Geschichte „glaubhaft“ zu machen, entledigte sich der Angeklagte des Tatmittels, rief laut wahrnehmbar „Wo ist der Wichser?!“ und täuschte die Suche und Verfolgung des vermeintlichen Einbrechers vor. Im Zuge dessen sah er sich auch gezwungen, möglichst viele Personen anzusprechen bzw. anzurufen und ihnen gegenüber die Suche und Verfolgung dieses Einbrecher vorzugeben. Dieses Vorgehen war für den Angeklagten alternativlos. Es galt um jeden Preis, die ihm drohenden Konsequenzen abzuwenden. Er befürchtete sie so sehr, dass er hierüber in „Schock“ geriet und aufgrund innerer Zwänge nicht anders handeln konnte. Dabei blieb dem Angeklagten auch keine andere Wahl, als auf die verletzte Nebenklägerin und deren Hilfsbedürftigkeit hinzuweisen. Dies war somit nicht etwa Ausdruck einer frei getroffenen inneren Entscheidung, sondern diente ausschließlich der Etablierung seines „unverdächtigen“ Verhaltens und war von der panikartigen Furcht des Angeklagten vor dem Verlust seines sozialen Status und seinem Ziel, diesen zu erhalten, zwingend vorgegeben.
163
Dass sich die akute Belastungsreaktion nicht aus der Sorge um das Leben der Nebenklägerin, sondern aus der Angst um den Verlust seines sozialen Status speiste, ergibt sich zur Überzeugung der Kammer aus einer Gesamtschau der Umstände:
164
Sein gesamtes Nachtatverhalten war auf die eigene Rettung ausgelegt. Er entfaltete keine eigenen Rettungsbemühungen, obwohl es ihm technisch ohne weiteres möglich gewesen wäre, selbst einen Notruf abzusetzen. Stattdessen rief er seinen Arbeitskollegen H K und seinen Arbeitgeber I K an, um ihnen die „Geschichte“ vom Einbrecher zu erzählen. Auch das bewusste Zuziehen der Wohnungstüre lässt sich mit der Annahme, der Angeklagte sei um die Rettung der Nebenklägerin ernsthaft bemüht und besorgt gewesen, nicht in Einklang bringen. Des Weiteren hatte der Angeklagte nicht unverzüglich nach Verlassen der Wohnung Dritte gebeten, Hilfe zu rufen. Vielmehr war er erst damit befasst eine Möglichkeit zu finden, seine Tatbeteiligung zu verschleiern. Erst danach leitete er – en passant – die Rettung der Nebenklägerin in die Wege. Zudem ist der Angeklagte aufgrund seiner narzisstischen Persönlichkeitsstörung nur sehr eingeschränkt in der Lage, Empathie zu empfinden. Seine Wahrnehmung und sein Denken sind autozentriert. Untechnisch ausgedrückt geht es dem Angeklagten immer nur um sich selbst. Dieses krankheitsbedingte Erlebens- und Verhaltensmuster erklärt auch plausibel sein Nachtatverhalten.
165
Dies alles zeigt aus Sicht der Kammer, dass der Angeklagte aus panischer Angst vor dem Verlust seines sozialen Status heraus handelte. Die akute Belastungsreaktion und seine narzisstisch gestörte Persönlichkeitsstruktur ließen ihm keine andere Wahl, als den Tatverdacht von sich abzulenken, wobei er im Zuge dessen zwangsläufig auch auf die Hilfsbedürftigkeit der Nebenklägerin hinweisen musste. Die vom Angeklagten veranlassten Rettungsmaßnahmen entsprangen damit einer schockbedingten inneren Zwangslage.
5. Zu den Tatfolgen
166
Die Feststellungen zu den Tatfolgen (B. IV.) stützt die Kammer auf die glaubhafte Aussage der Nebenklägerin. Diese hat ohne jeglichen Belastungseifer oder Aggravationstendenzen darüber berichtet, wie es ihr in den Tagen, Wochen und Monaten nach der Tat ergangen ist. Die von ihr geschilderten Folgen erschienen in Anbetracht der im häuslichen Umfeld aus heiterem Himmel erlittenen massiven Gewalt in jeglicher Hinsicht plausibel und nachvollziehbar. Darüber hinaus war ohne weiteres ersichtlich, dass die Nebenklägerin nach wie vor schwer erschüttert war und unter dem Eindruck der Ereignisse vom 09.05.2022 stand.
167
Ihre Aussagen wurden zudem durch den verlesenen Arztbrief der neurochirurgischen Klinik und Poliklinik des Universitätsklinikums Würzburg vom 18.05.2022 und dem ebenfalls verlesenen Bericht der psychologischen Psychotherapeutin V vom 27.02.2023 über die ambulante psychotherapeutische Behandlung der Nebenklägerin bestätigt.
168
Aufgrund der plausiblen und nachvollziehbaren Ausführungen des rechtsmedizinischen Sachverständigen Prof. Dr. med. B kam die Kammer zu der Überzeugung, dass die Verletzungen der Nebenklägerin akut lebensbedrohlich waren und ihr Tod nur durch die zeitnah vorgenommenen notfallmedizinischen Maßnahmen verhindert werden konnte. Es bedarf keiner vertieften rechtsmedizinischen Kenntnisse, um zu erkennen, dass mehrere Schläge mit einem Hammer mit Eisenkopf auf den Schädel eines anderen Menschen zu lebensgefährlichen Verletzungen führen können. Angesichts der multiplen Schädelfrakturen und der traumatischen Subarachnoidalblutung hat die Kammer keine Zweifel daran, dass das (Über-)Leben der Nebenklägerin konkret gefährdet und die Tathandlungen des Angeklagten konkret erfolgsgeeignet waren.
D. Rechtliche Würdigung
169
Der Angeklagte hat sich des versuchten Mordes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung gemäß §§ 211, 223 Abs. 1, 224 Abs. 1 Nr. 2, Nr. 5, 22, 23 Abs. 1, 52 StGB strafbar gemacht.
I. Verwirklichte Tatbestände
1. Gefährliche Körperverletzung
170
Der Angeklagte hat durch die Hammerschläge auf den Kopf der Nebenklägerin diese körperlich misshandelt und an der Gesundheit geschädigt, § 223 Abs. 1 StGB. Die schmerzhaften Schläge stellen eine üble und unangemessen Behandlung der Nebenklägerin dar, die deren körperliches Wohlbefinden mehr als nur unerheblich beeinträchtigt hat und die bei dieser zu heilbedürftigen Frakturen führten (Fischer, Strafgesetzbuch mit Nebengesetzen, 70. Auflage 2023, § 223 Rn. 4, 8).
171
Der Angeklagte hat die Körperverletzung mittels eines gefährlichen Werkzeugs im Sinne des § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB begangen. Der 405 Gramm schwere Hammer mit Eisenkopf war nach seiner objektiven Beschaffenheit und der konkreten Art seiner Verwendung geeignet, erhebliche (Kopf-)Verletzungen hervorzurufen (Fischer, a. a. O., § 224 Rn. 14).
172
Darüber hinaus hat der Angeklagte die Körperverletzung mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung begangen, § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB. Die Behandlung muss nicht konkret lebensgefährdend gewesen sein. Erforderlich, aber auch ausreichend ist, dass die Handlung ihrer Art und den Umständen des Einzelfalls nach generell geeignet gewesen ist, das Leben des Geschädigten zu gefährden (Fischer, a. a. O., § 224 Rn. 27). Bei Schlägen mit einem Eisenhammer auf den Kopf eines anderen Menschen besteht grundsätzlich die Gefahr, dass Schädelbrüche und Verletzungen des Gehirns auftreten, welche zu lebensbedrohlichen Zuständen führen können. Bei der Verletzung größerer Gefäße besteht zudem die Gefahr, dass es ohne medizinische Maßnahmen zu einem tödlichen Blutverlust kommen kann. Die Hammerschläge des Angeklagten waren vorliegend sogar konkret lebensgefährlich, da das Überleben der Angeklagten einzig durch die zeitnah vorgenommenen notfallmedizinischen Versorgungsmaßnahmen gesichert werden konnte.
2. Versuchter Mord
173
Der Angeklagte hat sich darüber hinaus wegen versuchten Mordes gemäß §§ 211, 22, 23 Abs. 1 StGB strafbar gemacht.
174
Der Angeklagte war zur Tatbegehung entschlossen. Er hatte die Absicht die Nebenklägerin zu erschlagen und anschließend mit ihrer Leiche den vaginalen Geschlechtsverkehr zu vollziehen. Der Angeklagte handelte daher mit Tötungsabsicht (dolus directus 1. Grades).
175
Er hatte zudem die Absicht, die Nebenklägerin zur Befriedigung seines Geschlechtstriebs zu töten. Der Angeklagte empfand durch den beabsichtigten Tötungsakt selbst sexuelle Erregung. Bereits die körperliche Gewalt war für ihn sexuelle Stimulanz, wie er sie auch beim
176
Betrachten der Gewaltpornografischen Filme empfand. Der Angeklagte hatte aufgrund der Hammerschläge gegen die Nebenklägerin eine Erektion. Darüber hinaus ist dieses Mordmerkmal auch gegeben, wenn – wie hier – getötet wird, um sich danach an der Leiche sexuell zu befriedigen (BGH, Urteil vom 8. 6. 1955 – 3 StR 163/55).
177
Darüber hinaus hatte der Angeklagte die Absicht, die Nebenklägerin zur Ermöglichung einer anderen Straftat zu töten. Der von ihm erstrebte Vollzug des vaginalen Geschlechtsverkehrs mit der Leiche der Nebenklägerin erfüllt den Tatbestand der Störung der Totenruhe nach § 168 Abs. 1 StGB in der Variante der „Verübung beschimpfenden Unfugs“. Hierfür ist erforderlich, dass der Täter eine mit einer gravierenden Pietätsverletzung verbundene Handlung vornimmt und in einer auf die missbräuchliche oder tabuverletzende Verwendung der Leiche gerichteten Motivation handeln möchte. Der Täter muss bewusst Verachtung gegenüber der Toten zeigen wollen (Fischer, ebenda, § 168 Rn. 16 ff.). Die Ausübung des Geschlechtsverkehrs mit dem Körper einer zuvor eigenhändig getöteten Frau widerspräche jeglichem Verständnis von einem pietätvollen Umgang mit dem Leichnam der Verstorbenen. Neben der bereits durch ihre Tötung zum Ausdruck gebrachten Missachtung ihres Rechts auf Leben, käme es durch den Vollzug des zu Lebzeiten von ihr nicht gewollten Geschlechtsverkehrs zu einer zusätzlichen Verletzung ihres postmortalen Achtungsanspruchs. Dies würde eine von der Tötung unabhängige, eigenständige und zusätzliche Demütigung und Erniedrigung des Tatopfers darstellen. Hierauf kam es dem Angeklagten auch an, da er die Nebenklägerin aufgrund ihres Geschlechts für seinen subjektiv empfundenen Macht- und Kontrollverlust sowie sein ihm vermeintlich widerfahrenes Leid verantwortlich machte. Ihm ging es durch den Vollzug des Geschlechtsverkehrs um die Wiedererlangung und Ausübung von Macht und Kontrolle, sowie Vergeltung für das ihm vermeintlich widerfahrene Unrecht. Die Störung der Totenruhe nach § 168 Abs. 1 StGB wäre zudem eine andere Straftat im Sinne des § 211 Abs. 2 StGB. Die andere Tat muss nicht prozessual selbstständig im Sinne von § 264 StPO sein; auch die in rechtlicher Tateinheit oder natürlicher Handlungseinheit stehende Verwirklichung eines gegen ein anderes Rechtsgut gerichteten anderen materiellen Straftatbestandes reicht grundsätzlich aus (Fischer, a. a. O., § 211 Rn. 65). Zwar verletzen die in Rede stehenden Straftatbestände vorliegend dieselbe Rechtsgutträgerin, allerdings betreffen sie unterschiedliche Rechtsgüter. Während § 211 StGB das Recht auf Leben schützt, erfasst § 168 StGB den postmortalen Achtungsanspruch einer bereits verstorbenen Person. Die Störung der Totenruhe stellt somit eine andere Tat im Sinne von § 211 Abs. 2 StGB dar. Die Tötung der Nebenklägerin sollte diese andere Tat ermöglichen. Dass es nicht zu dieser Tat oder zumindest deren Versuch gekommen ist, steht der Annahme dieses Mordmerkmals nicht entgegen (Fischer, a. a. O., § 211 Rn. 63).
178
Der Angeklagte hatte darüber hinaus die Absicht die Nebenklägerin heimtückisch zu töten. Heimtückisch handelt, wer bewusst und in feindseliger Willensrichtung die infolge der Arglosigkeit bestehende Wehrlosigkeit des Opfers zu dessen Tötung ausnutzt bzw. ausnutzen will (Fischer, a. a. O. § 211 Rn. 34, 44 f.). Die Geschädigte war zum Zeitpunkt des Angriffs arglos und infolgedessen wehrlos. Arglos ist, wer sich zum Zeitpunkt der Tat eines Angriffs auf sein Leben oder seine körperliche Unversehrtheit nicht versieht (Fischer, a. a. O., § 211 Rn. 35). Als die Nebenklägerin vor dem Angeklagten das Bad verließ und ihm dabei den Rücken zuwandte, rechnete sie nicht mit einem Angriff auf ihr Leben. Infolge dieser Arglosigkeit war die Nebenklägerin zum Zeitpunkt des Angriffs wehrlos. Wehrlos ist, wem die natürliche Abwehrbereitschaft und -fähigkeit fehlt oder wer in dieser stark eingeschränkt ist (Fischer, a.a. O., § 211 Rn. 39). Der Nebenklägerin fehlte jegliches Gefahrenbewusstsein. Sie sah den Angriff nicht kommen und war aufgrund dessen nicht zur Verteidigung bereit und fähig. Diese Umstände erkannte der Angeklagte und wollte sie sich gezielt zur Erleichterung der Tötung der Nebenklägerin zunutze machen.
179
Der Angeklagte hat zwölfmal mit dem Hammer auf den Kopf der Nebenklägerin eingeschlagen und damit zur Tatbestandsverwirklichung unmittelbar angesetzt.
180
Er ist zudem nicht strafbefreiend vom Versuch zurückgetreten, § 24 Abs. 1 StGB. Zwar hat der Angeklagte die Vollendung verhindert, allerdings geschah dies nicht freiwillig.
181
Die Kammer geht zugunsten des Angeklagten davon aus, dass er bei Verlassen der Wohnung noch nicht sicher davon ausging, die Nebenklägerin sei bereits verstorben, sondern es für möglich hielt, dass sie noch lebte und erst binnen kurzer Frist ohne Hilfe versterben würde. Der strafbefreiende Rücktritt scheitert daher nicht bereits daran, dass der Angeklagte die Tat für vollendet hielt (vgl. BGH, Beschluss vom 11. März 2008 – 3 StR 40/08)
182
Aus Sicht des Angeklagten lag ein beendeter Versuch vor. Ein derartiger Versuch ist dann gegeben, wenn der Angeklagte im Zeitpunkt seiner letzten tatbestandlichen Ausführungshandlung subjektiv davon ausging, alles Erforderliche zur Herbeiführung des tatbestandlichen Erfolges getan zu haben, sodass dieser ohne ein weiteres Zutun seinerseits eintreten werde (Fischer, a. a. O., § 24 Rn. 14a). Der Angeklagte ging nicht ausschließbar nach Beendigung seiner Schlagserie subjektiv davon aus, dass die Nebenklägerin zwar möglicherweise noch am Leben war. Allerdings war ihm aufgrund der schweren Verletzungen, der Reglosigkeit und der großen Blutlache um ihren Kopf klar, dass die Nebenklägerin jedenfalls in Kürze ihren schweren Kopfverletzungen erliegen würde.
183
Den Eintritt des tatbestandlichen Erfolges hat der Angeklagte zwar objektiv dadurch verhindert, dass er die Zeugin D. dazu veranlasste einen Krankenwagen anzufordern. Er hat damit in ausreichendem Maße kausal zur Rettung der Nebenklägerin beigetragen. Das er darüber hinaus noch mehr hätte tun oder andere/weitergehende Maßnahmen hätte ergreifen können, die die Vollendung aus seiner Perspektive mit größerer Sicherheit verhindert hätten, ist nicht erforderlich (Fischer, a. a. O., § 24 Rn. 32). Im Gegensatz zu § 24 Abs. 1 S. 2 StGB sind bei Satz 1 2. Alternative keine bestmöglichen Rettungsbemühungen geschuldet.
184
Allerdings verhinderte der Angeklagte den Eintritt des Erfolges nicht freiwillig. Zwar setzt Freiwilligkeit weder ein billigenswertes oder gar sittlich hochwertiges Motiv voraus, noch steht die Erreichung außertatbestandlicher Ziele der Freiwilligkeit entgegen (BGH, Beschluss vom 19.05.1993 – GSSt 1/93). Allerdings erfordert Freiwilligkeit, dass der Täter aus selbst gesetzten (autonomen) Motiven und nicht aufgrund einer (äußeren oder inneren) Zwangslage (heteronome Motive) von der weiteren Tatausführung Abstand nimmt (Fischer, a. a. O., § 24 Rn. 19). Eine innere Zwangslage liegt insbesondere dann vor, wenn willensunabhängige Tatumstände das Weiterhandeln unmöglich machen. Solche Umstände können gegeben sein, wenn der Täter an der weiteren Tatbegehung wegen unwiderstehlicher innerer Hemmungen, etwa infolge eines Schocks oder seelischen Drucks gehindert ist und deswegen nicht mehr „Herr seiner Entschlüsse“ ist (BGH, Urteil vom 28.05.2015 – 3 StR 89/15; BGH, Beschluss vom 27.02.2003 – 4 StR 59/02; BGH, Beschluss vom 13.01.1988 – 2 StR 665/87, BGH, Beschluss vom 24.10.2017 – 1 StR 393/17; BGH, Urteil vom 14.05.1996 – 1 StR 51/96; BGH, Beschluss vom 14.02.2023 – 4 StR 442/22; BGH, Urteil vom 09.11.1976 – 1 StR 645/76). Maßgeblich für die Beurteilung der Freiwilligkeit ist beim beendeten Versuch der Zeitpunkt der Vornahme der Rücktrittshandlung, was sich bereits aus dem Wortlaut der Norm ergibt („freiwillig […] deren Vollendung verhindert“). Als der Angeklagte die Zeugin D. dazu veranlasste den Notruf abzusetzen, hatte sich jedoch bei ihm aufgrund der schweren schockartigen Ausprägung seiner akuten Belastungsreaktion eine so große panische Angst und ein so großer innerer Druck aufgebaut, dass er zu selbstbestimmtem Handeln nicht mehr in der Lage war. Ihm blieb in Folge seines psychischen Ausnahmezustands keine andere Handlungsalternative, sodass es an der Freiwilligkeit seiner Rücktrittshandlung fehlte. Der Angeklagte hat sich damit auch des versuchten Mordes strafbar gemacht.
II. Rechtswidrigkeit
185
Der Angeklagte handelte rechtswidrig. Rechtfertigungsgründe lagen nicht vor.
III. Schuld
186
Der Angeklagte handelte im Zustand verminderter Schuldfähigkeit, § 21 StGB. Die Paraphilie des Angeklagten erfüllt die Voraussetzungen einer schweren anderen seelischen Störung im Sinne des § 20 StGB. Zwar führte sie zu keiner Aufhebung der Einsichtsfähigkeit, allerdings beeinträchtigte sie die Fähigkeit des Angeklagten, seinen paraphilen Handlungsimpulsen zu widerstehen, im Verhältnis zu einer gesunden Person erheblich.
IV. Konkurrenzen
187
Da der Angeklagte durch dieselbe Handlung sowohl den Tatbestand des versuchten Mordes als auch den Tatbestand der gefährlichen Körperverletzung verwirklicht hat, stehen diese im Verhältnis der Tateinheit zueinander, § 52 StGB.
E. Rechtsfolgen
I. Strafe
188
Die Kammer erachtet für die Tat des Angeklagten eine Freiheitsstrafe von 11 (elf) Jahren für tat- und schuldangemessen.
1. Strafrahmen
189
Dabei wurde die Strafe aus dem nach §§ 21, 49 Abs. 1 Nr. 1 StGB gemilderten Strafrahmen des § 211 StGB geschöpft.
190
Hat der Täter – wie vorliegend – tateinheitlich mehrere Strafgesetze verletzt, ist die Strafe dem Gesetz zu entnehmen, das die schwerste Strafe androht, § 52 Abs. 2 S. 1 StGB.
191
Dies ist vorliegend § 211 Abs. 1 StGB. Dieser sieht für den Mord an einer anderen Person zwingend eine lebenslange Freiheitsstrafe vor. Die gefährliche Körperverletzung wird dagegen nur mit einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren bestraft, § 224 Abs. 1 StGB. Doch auch der im konkreten Fall maßgebliche Strafrahmen des § 211 StGB ist immer noch schwerer als der der gefährlichen Körperverletzung:
a) Verschiebung nach §§ 21, 49 StGB
192
Die Kammer hat den Strafrahmen wegen der verminderten Schuldfähigkeit des Angeklagten nach §§ 21, 49 Abs. 1 Nr. 1 StGB gemildert. Die Milderung des Strafrahmens liegt im Ermessen des erkennenden Gerichts. Dabei hat die Kammer sämtliche schuldrelevanten Gesichtspunkte in den Blick genommen, wie sie unten (b) aa) und bb)) dargestellt sind. Die Kammer hat den Aspekten, die der erheblichen Verminderung der Steuerungsfähigkeit zugrunde liegen (insb. der Paraphilie in Form des sexuellen Sadismus, konstellativ der narzisstischen Persönlichkeitsstörung und Einschränkung der intellektuellen Leistungsfähigkeit) besonderes Gewicht verliehen. Dabei erkennt die Kammer an, dass eine erhebliche eingeschränkte Schuldfähigkeit regelmäßig auch zu einem verringerten Maß an Schuld führt, wenn nicht ausnahmsweise erhebliche schulderhöhende Gesichtspunkte entgegenstehen. Hier war insbesondere maßgeblich, dass den Angeklagten an der Entstehung seiner tatursächlichen Paraphilie kein Verschulden traf, weswegen die Kammer trotz der durchaus erheblichen schulderhöhenden Umstände (s.u.) ihr Ermessen dahingehend ausgeübt hat, den Strafrahmen zu verschieben.
b) Keine weiteren Verschiebungen nach §§ 46a StGB und § 23 Abs. 2 StGB
193
Dagegen hat die Kammer von weiteren Strafrahmenverschiebungen nach § 46a StGB (aa) und § 23 Abs. 2 StGB (bb) jeweils in Verbindung mit § 49 StGB abgesehen.
aa) Kein Täter-Opfer-Ausgleich
194
Zwar hat sich der weitgehend geständige Angeklagte mit anwaltlichem Schriftsatz vom 07.03.2023 gegenüber der Nebenklägerin entschuldigt und ihr ein Schmerzensgeld in Höhe von 10.000 Euro angeboten, allerdings hat die Kammer den Strafrahmen nicht nach § 46a StGB gemildert. In dem bloßen Angebot zur Zahlung eines Schmerzensgeldes liegt weder eine vollständige oder teilweise Wiedergutmachung seiner Tat (Nr. 1) noch eine vollständige oder teilweise Entschädigung der Nebenklägerin (Nr. 2). Das Angebot stellt darüber hinaus auch kein „ernsthaftes Erstreben“ einer vollständigen oder teilweisen Wiedergutmachung (Nr. 1) dar. Ein Täter-Opfer-Ausgleich nach § 46a Nr. 1 StGB verlangt bei schweren Gewalttaten unter anderem einen kommunikativen Prozess zwischen Täter und Opfer, den das Opfer als friedensstiftenden Ausgleich akzeptiert (BGH, Beschluss vom 04.08.2009 – 1 StR 297/09). Hierfür bedarf es nicht immer zwingend eines persönlichen Kontakts zwischen dem Täter und dem Geschädigten. Insbesondere bei schwerwiegenden Gewalt- und Sexualdelikten kann aus Opferschutzgesichtspunkten auch eine Verständigung über vermittelnde Dritte genügen. Dennoch muss sich das Opfer auf freiwilliger Grundlage zu einem Ausgleich bereitfinden, sich auf ihn einlassen und als friedensstiftend akzeptieren. Hieran fehlt es jedoch, wenn sich das Tatopfer – etwa, weil das Delikt oder Art und Umfang der Schädigung ihm einen Ausgleich unmöglich macht – nicht auf den kommunikativen Prozess einlässt (BGH, Urteil vom 07.12.2005 – 1 StR 287/05). Gerade dies war vorliegend der Fall. Die Nebenklägerin hat in ihrer Vernehmung und über ihre anwaltliche Vertreterin unmissverständlich zum Ausdruck gebracht, dass sie weder an einer persönlichen noch an einer schriftlichen Entschuldigung des Angeklagten Interesse habe, da manche Taten nicht verziehen werden könnten. Dies ließ sie später über ihre Vertreterin wiederholen und auch auf das angebotene Schmerzensgeld erstrecken. Die Nebenklägerin hat damit unmissverständlich zum Ausdruck gebracht, dass sie weder eine Entschuldigung noch ein etwaiges Schmerzensgeld als friedensstiftenden Ausgleich akzeptieren würde. Dies ist in Anbetracht des Ausmaßes der ihr widerfahrenen Gewalt und ihrer nach wie vor persistierenden psychischen Leiden ohne weiteres nachvollziehbar und vom Angeklagten hinzunehmen (BGH, Urteil vom 24.08.2017 – 3 StR 233/17). Damit ist jedoch auch einem Täter-Opfer-Ausgleich nach § 46a Nr. 1 StGB und einer hierauf gestützten (weiteren) Strafmilderung nach §§ 46a Nr. 1, 49 Nr. 2 S. 1, Nr. 3 StGB der Boden entzogen. Hinzu kommt, dass der Angeklagte – wie ihm selbst und der Nebenklägerin bewusst ist – auf absehbare Zeit nicht in der Lage sein wird, dass Schmerzensgeld auch nur zum Teil zu bezahlen. Dies hat der Angeklagte in der Hauptverhandlung offen eingeräumt.
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Daher fehlt es auch am ernsthaften Bestreben, einen Ausgleich herbeizuführen.
(bb) Keine Verschiebung wegen des Versuchs
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Ebenso hat die Kammer von einer (weiteren) Strafrahmenverschiebung nach § 23 Abs. 2, 49 Abs. 1 Nr. 2 S. 1, Nr. 3 StGB abgesehen. Die Kammer verkennt nicht, dass der Mord an der Nebenklägerin nicht zur Vollendung gelangt ist. Allerdings kann der Versuch milder bestraft werden als die vollendete Tat, § 23 Abs. 2 StGB. Die Strafrahmenverschiebung steht daher im Ermessen des erkennenden Gerichts. Zwar liegt wegen der bereits erfolgten Verschiebung nach § 21 i.V.m. § 49 StGB kein Fall vor, in dem dem Angeklagten bei Versagung der Verschiebung eine lebenslange Freiheitsstrafe droht (BGH, Urteil vom 15.06.2004 – 1 StR 39/04, NStZ 2004, 620). Die Kammer hat ihre Ermessensausübung aber dessen ungeachtet besonders sorgfältig vorgenommen. Bei einer Gesamtschau der Tatumstände im weitesten Sinne und der Persönlichkeit des Täters hat die Kammer von einer (weiteren) Strafrahmenverschiebung abgesehen. Dabei wurde den versuchsbezogenen Umständen, wie der Nähe zur Tatvollendung, der Gefährlichkeit des Versuchs, der aufgewandten kriminellen Energie sowie etwaigen Rücktrittsbemühungen, besonderes Gewicht beigemessen (BGH, Urteil vom 15.09.1988 – 4 StR 352/88; BGH, Urteil vom 15.06.2004 – 1 StR 39/04). Zwar spricht vorliegend das vorstrafenfreie Vorleben und die weitgehend geständige Einlassung des Angeklagten für eine Strafrahmenverschiebung. Ebenso hat die Kammer in den Blick genommen, dass der Angeklagte zwei Mordmerkmale („zur Befriedigung des Geschlechtstriebs“; „zur Ermöglichung einer anderen Straftrat“) eingeräumt hat, deren Nachweis angesichts der zur Verfügung stehenden Beweismittel möglicherweise mit Schwierigkeiten verbunden gewesen wäre. Dem Geständnis kam insoweit ein nicht unerhebliches Gewicht zu. Ebenso war das Geständnis des Angeklagten – soweit ihm dies vor dem Hintergrund seiner narzisstischen Persönlichkeitsstörung möglich war – von Unrechts- und Schuldeinsicht getragen. Er hat sich für seine Tat schriftlich und – nachdem sich die Nebenklägerin weigerte – gegenüber der Nebenklägervertreterin persönlich entschuldigt. Auch hat die Kammer in den Blick genommen, dass die physischen Verletzungen der Nebenklägerin weitestgehend ausgeheilt sind und sich der Angeklagte zur Zahlung eines Schmerzensgeldes in Höhe von 10.000 Euro bereit erklärt hat, auch wenn es sich nur um ein Angebot „auf dem Papier“ handelt. Schließlich hat die Kammer im vorliegenden Kontext mit besonderem Gewicht berücksichtigt, dass der Angeklagte kausal zur Rettung der Nebenklägerin beigetragen hat. Dem stehen jedoch erhebliche
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Strafzumessungsgesichtspunkte zulasten des Angeklagten gegenüber. Der Angeklagte hat drei Mordmerkmale verwirklicht und tateinheitlich zwei Delikte begangen. Die gefährliche Körperverletzung hat er darüber hinaus in zwei Varianten erfüllt. Ebenfalls mussten sich die schwerwiegenden physischen Verletzungsfolgen und die persistierenden psychischen Belastungen der Nebenklägerin strafschärfend auswirken. Besonderes Gewicht entfalten im vorliegenden Kontext jedoch die Nähe zur Tatvollendung und die Gefährlichkeit des Versuchs. Das (Über-)Leben der Nebenklägerin war konkret gefährdet und hing von Unwägbarkeiten – insbesondere dem rechtzeitigen Eintreffen der Rettungskräfte – ab. Ohne die zeitnah erfolgte notfallmedizinische Behandlung wäre die Nebenklägerin verstorben. Dabei konnte auch nicht unberücksichtigt bleiben, dass der Angeklagte Rettungsmaßnahmen durch das Zuziehen der Wohnungstüre erschwert hätte, wäre es der Nebenklägerin nicht gelungen aus eigener Kraft ihre Wohnung zu verlassen, was für ihn völlig unvorhersehbar war. Darüber hinaus hat der Angeklagte insgesamt zwölf Mal mit einem Eisenhammer auf den Kopf der Geschädigten eingeschlagen. Jeder Schlag wäre bereits für sich genommen geeignet gewesen die Nebenklägerin zu töten. Der Angeklagte hat mithin eine Vielzahl jeweils erfolgsgeeigneter Verletzungshandlungen vorgenommen. Daher überwiegen bei der vorzunehmenden Gesamtbetrachtung unter besonderer Berücksichtigung der versuchsspezifischen Aspekte diejenigen Gesichtspunkte, die gegen eine derartige Verschiebung sprechen, weswegen die Kammer von einer solchen abgesehen hat.
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Die Kammer hat demzufolge die Strafe aus dem (einfach) gemilderten Strafrahmen des § 211 StGB entnommen. Dieser erstreckte sich gemäß §§ 49 Abs. 1 Nr. 1, 38 Abs. 2 StGB auf Freiheitsstrafe von drei Jahren bis zu 15 Jahren.
2. Strafzumessung im engeren Sinn
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Innerhalb dieses Strafrahmens erachtet die Kammer unter Berücksichtigung und Abwägung der oben genannten Strafzumessungsgesichtspunkte eine
Freiheitsstrafe von 11 (elf) Jahren
für tat- und schuldangemessen. Die Kammer hat bei der Zumessung im engeren Sinn im nochmals die oben bereits genannten Gesichtspunkte in den Blick genommen. Dabei hat sie die versuchsspezifischen Umstände, die maßgeblich zur Versagung der Strafrahmenverschiebung nach § 23 Abs. 2 StGB geführt haben, insbesondere die Vollendungsnähe, nicht strafschärfend berücksichtigt (BGH, Beschluss vom 12.5.2016 – 5 StR 102/16, BeckRS 2016, 9870). Auf der anderen Seite kam der verminderten Schuldfähigkeit des Angeklagten nur noch ein geringeres strafmilderndes Gewicht zu, da diese bereits zu einer Verschiebung des Strafrahmens führte. Diese Erwägung gilt jedoch nicht für die fehlende Vollendung des Mordes. Insoweit sah die Kammer von einer Verschiebung des Strafrahmens ab, sodass dem fehlenden Erfolgsunrecht im Rahmen der Strafzumessung ein unverändert hohes Gewicht beigemessen wurde. Dagegen wird die strafmildernde Wirkung des angebotenen Schmerzensgeldes dadurch relativiert, dass der Angeklagte wirtschaftlich nicht in der Lage ist, dieses in absehbarer Zeit zu zahlen und das Angebot daher „nur auf dem Papier steht“. Soweit die physischen Verletzungsfolgen mittlerweile nahezu vollständig ausgeheilt sind, ist dies zwar ebenfalls strafmildernd zu berücksichtigen, wird in seiner Bedeutung aber dadurch geschmälert, dass dies – anders als das Überleben der Nebenklägerin – nicht auf einem Verdienst des Angeklagten beruht, sondern letztlich der schnellen intensivmedizinischen Versorgung und in hohem Maße dem glücklichen Zufall geschuldet ist. Strafmaßbestimmend waren dagegen vor allem, dass der Angeklagte sogar drei Mordmerkmale verwirklicht hat. Insoweit hätte bei einer lebenslangen Freiheitsstrafe die Feststellung der besonderen Schwere der Schuld durchaus nicht fern gelegen (vgl. BGH, Urteil vom 27.06.2012 – 2 StR 103/12). Dabei verkennt die Kammer nicht, dass sich die Mordmerkmale „zur Befriedigung des Geschlechtstriebs“ und „um eine andere Straftat zu ermöglichen“ im konkreten Fall in ihrem Unrechtskern erheblich überschneiden, weil beide letztlich motivational auch dem paraphilen Störungsbild entspringen (vgl. BGH, Beschluss vom 23.1.2014 − 2 StR 637/13, NStZ 2013, 212). Das gilt aber gerade nicht für die heimtückische Begehungsweise, das massive Vorgehen des Angeklagten und die schwerwiegenden Tatfolgen. Auch diese prägen maßgeblich das Tatbild. Der Angeklagte hat mehrere Straftatbestände tateinheitlich verwirklicht und dabei drei Mordmerkmale und zwei Varianten der gefährlichen Körperverletzung erfüllt. Er hat in einer natürlichen Handlungseinheit vielfach zugeschlagen, wobei jeder einzelne Schlag bereits die Tatbestände des versuchten Mordes und der gefährlichen Körperverletzung erfüllt hätte. Die physischen Verletzungsfolgen waren zwar weitgehend nur vorübergehender, dafür aber umso intensiverer Natur, wobei migräneartige Kopfschmerzattacken persistieren und nach Aussage des medizinischen Sachverständigen mit hoher Wahrscheinlichkeit lebenslang bleiben werden. Die Nebenklägerin steht nach wie vor noch massiv unter dem Eindruck des Geschehens und wird in ihrem Alltag auf unabsehbare Zeit erheblich eingeschränkt sein. Unter Berücksichtigung dieser Erwägungen erachtet die Kammer die ausgeurteilte Freiheitsstrafe für tat- und schuldangemessen. Bei der Bemessung der Strafhöhe wurde das dem Angeklagten aus der zusätzlich angeordneten Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus erwachsende Gesamtübel zu seinen Gunsten berücksichtigt (Fischer, a. a. O. § 46 Rn. 71; Maier in Münchener Kommentar zum StGB, 4. Auflage 2020, § 46 Rn. 350, § 63 Rn. 73).
II. Maßregel der Besserung und Sicherung
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Daneben war die Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus anzuordnen, § 63 StGB. Zwar lagen darüber hinaus auch die Voraussetzungen für den Vorbehalt der Sicherungsverwahrung nach § 66a StGB vor, doch war diese nicht vorzubehalten, da die Sicherung der Allgemeinheit über die Behandlung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus hinreichend erreicht werden kann, § 72 Abs. 1 StGB.
1. Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus
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Nach § 63 StGB ist die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus anzuordnen, wenn ein Täter eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21) begangen hat und wenn die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Tat ergibt, dass von ihm infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird, zu erwarten sind und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist. Handelt es sich bei der begangenen rechtswidrigen Tat nicht um eine im Sinne von Satz 1 erhebliche Tat, so trifft das Gericht eine solche Anordnung nur, wenn besondere Umstände die Erwartung rechtfertigen, dass er Täter infolge seines Zustandes derartige erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird.
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Diese Voraussetzungen liegen zur Überzeugung der Kammer sämtlich vor.
a) rechtswidrige Anlasstaten
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Der Angeklagte hat rechtswidrig (und schuldhaft) tateinheitlich die Tatbestände des versuchten Mordes und der gefährlichen Körperverletzung gemäß §§ 211, 223 Abs. 1, 224 Abs. 1 Nr. 2, Nr. 5, 22, 23 Abs. 1, 52 StGB verwirklicht (s. o.).
b) Tatbegehung im Zustand der Schuldunfähigkeit oder verminderten Schuldfähigkeit
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Bei Begehung der Taten war die Fähigkeit des Angeklagten entsprechend seiner erhaltenen Unrechtseinsicht zu handeln krankheitsbedingt sicher erheblich eingeschränkt, § 21 StGB (s. o.).
c) Symptomatischer Zusammenhang
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Die Tat hat Ursprung in der psychischen Erkrankung des Angeklagten. Der Angeklagte leidet an einer Paraphilie in Form eines sexuellen Sadismus (ICD-10: F 65.5). Diese war tatursächlich. Der Angeklagte handelte, um aus der Ermordung und anschließenden „Vergewaltigung“ der Leiche sexuelle Befriedigung zu erlangen (s. o.).
d) überdauernde psychiatrische Störung
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Der Angeklagte leidet an (einer) überdauernden psychiatrischen Störung(en). Der zur Zeit der Tat bestehende, die Schuldfähigkeit beeinträchtigende Zustand muss, wie sich aus der Anknüpfung der Prognose an den Zustand ergibt, ein länger andauernder sein. Einen Dauerzustand von Schuldunfähigkeit oder eingeschränkter Schuldfähigkeit setzt § 63 StGB jedoch nicht voraus (Fischer, a. a. O., § 63 Rn. 12 f.). Der die Schuldfähigkeit beeinträchtigende Zustand ist vorliegend der sexuelle Sadismus. Diese bislang gänzlich unbehandelte Paraphilie stellt eine überdauernde und zeitlich stabile Störung dar, die das Erleben und das Handeln des Angeklagten permanent beeinflusst. Daneben leidet der Angeklagte an einer narzisstischen Persönlichkeitsstörung. Dieses ist ebenfalls überdauernder Natur und steht in einem untrennbaren inneren Zusammenhang mit dem sexuellen Sadismus.
e) Gefahrenprognose
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Bei einer Gesamtbetrachtung der Persönlichkeit des Angeklagten und der von ihm begangenen Tat sind aufgrund seiner psychiatrischen Erkrankung weitere erhebliche rechtswidrige Taten, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden, mit einer Wahrscheinlichkeit höheren Grades zu erwarten.
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Die Kammer hat sich zur Beurteilung der Kriminalprognose des Angeklagten von dem
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Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. S sachverständig beraten lassen. Dieser führte aus, dass der Angeklagte ohne eine intensive Behandlung seiner psychischen Erkrankung(en) zukünftig mit hoher Wahrscheinlichkeit erneut vergleichbare sexuell motivierte Gewaltstraftaten verüben werde. Bei einer Gesamtbetrachtung würden die prognostisch ungünstigen Faktoren deutlich überwiegen.
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Zwar verfüge der Angeklagte über einen Schulabschluss und eine abgeschlossene Berufsausbildung. Auch genieße er den familiären Rückhalt und habe bis zu seiner Inhaftierung, wenn auch in bescheidenen, so doch aber zumindest in geordneten wirtschaftlichen Verhältnissen gelebt. Er habe im beruflichen Kontext ein so hohes Maß an psychosozialem Anpassungsvermögen erlernt und gezeigt, dass er in der Lage sei, einer durchgehend geregelten Tagesstruktur zu folgen. Obwohl der Angeklagte die Pathomechanismen, die zu seinem kriminellen Verhalten geführt haben, naturgemäß noch nicht zu erfassen vermag, zeige er sich im Rahmen seiner Möglichkeiten zumindest an der Oberfläche krankheitseinsichtig, therapiemotiviert und risikobewusst. So habe er beispielsweise offen eingeräumt, dass von ihm ausgehende Risiko weiterer sexuell motivierter Gewaltstraftaten nicht einschätzen zu können. Auch erleichtere sein extrovertiertes und kontaktfreudiges Verhalten die Etablierung einer vertrauensvollen therapeutischen Beziehung.
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Dennoch vermochten diese stabilisierenden Faktoren den Angeklagten nicht von der Begehung der Anlasstat abzuhalten. Ihnen stünden nämlich prognostisch äußerst ungünstige Risikofaktoren gegenüber. Allen voran sei die Paraphilie des Angeklagten zu benennen. Diese habe bei der Anlasstat als Motivator und Disinhibitor fungiert. Infolge seiner Paraphilie hätten sich sadistisch-sexuell motivierte Gewalt- und Tötungshandlungen zur einzigen Quelle sexueller Erregung für den Angeklagten entwickelt. Seine paraphilen Fantasien hätte der Angeklagte am Tattag schließlich in die Tat umgesetzt und im Zuge dessen nicht nur ein schweres Gewaltdelikt verübt, sondern darüber hinaus sogar versucht die Nebenklägerin gezielt zu ermorden. Dies zeige, dass die Hemmschwelle des Angeklagten gegenüber schweren Gewalt- und Tötungsdelikten unter dem Einfluss seiner Paraphilie – selbst in sozial streng kontrollierten Situationen mit einem hohen Entdeckungsrisiko – nur gering ausgeprägt sei. Da dieses Störungsbild überdauernder Natur sei komme es auch in Zukunft als Motivator und Disinhibitor in Betracht. Die mit der Paraphilie einhergehenden Risiken würden durch die daneben bestehende narzisstische Persönlichkeitsstörung weiter verschärft. Die defizitäre Sozialkompetenz des Angeklagten erschwere ihm die Gestaltung zwischenmenschlicher Beziehungen und führe – insbesondere bei seiner Suche nach einer Partnerin – fortlaufend zu frustrierenden Erlebnissen. Diese aufgrund seiner narzisstischen Persönlichkeitsstruktur als schwere Kränkung empfundenen Zurückweisungen würden beim Angeklagten einerseits emotionale Krisen hervorrufen und zu einer weiteren Destabilisierung seiner ohnehin bereits gering ausgeprägten Resilienz beitragen. Andererseits würden derartige Zurückweisungen als Macht- und Kontrollverlust empfunden, die der Angeklagte mit der Ausübung von Gewalt und Kontrolle zu kompensieren suche. Hierbei sei auch das Konfliktverhalten des Angeklagten in den Blick zu nehmen. Er verfüge über keine „gesunden“ Strategien zur Lösung zwischenmenschlicher Konflikte. Der Angeklagte neige dazu aversive Gefühle in sich aufzustauen, statt sie zu verbalisieren und auf sozialadäquate Weise zu ventilieren. Dies führe zusätzlich zu einem deliktsbegünstigenden Aufstau von Wut und Aggressionen. Gefördert würde das Ganze noch durch die unterdurchschnittliche Intelligenz des Angeklagten, seine stereotypisierten misogynen Überzeugungen, seine fehlende Empathie und seine Tendenz zur Einnahme einer Opferrolle. Schließlich zeige auch eine statistische Risikoanalyse mittels des Prognoseinstruments „Sexual Offender Risk Appraisal Guide“ ein weit überdurchschnittliches Rückfallrisiko. Dieses liege in den nächsten sieben Jahren bei 23 % und in den nächsten zehn Jahren bei 59 %. Dagegen lägen die aktuellen Basisraten bei Tätern, die bereits wegen eines sexuell motivierten Gewaltdelikts verurteilt worden seien, bei zwei Prozent in den nächsten drei Jahren und jeweils bei drei Prozent in den nächsten sechs und neun Jahren. Die individuelle Risikoanalyse würde demnach durch die statistische Rückfallanalyse gestützt. Aufgrund der Paraphilie, ihrer konkreten Ausprägung und der sie begleitenden konstellativen Faktoren seien zukünftig vergleichbare spontane und sexuell motivierte Gewaltstraftaten gegen willkürlich ausgewählte weibliche Opfer zu erwarten. Dieses komplexe Störungsbild bedürfe dringend einer bislang nicht erfolgten intensiven therapeutischen Aufarbeitung. Erst hierdurch könne die Erkrankung und im Zuge dessen auch die Kriminalprognose positiv beeinflusst werden. Bis dahin sei der Angeklagte nach Auffassung des Sachverständigen für die Allgemeinheit hochgefährlich.
212
Die Kammer teilt die schlüssig und nachvollziehbar dargelegte Einschätzung des Sachverständigen. Dabei wird nicht verkannt, dass der Angeklagte bislang strafrechtlich nicht in Erscheinung getreten ist und die Tat vordergründig den Endpunkt einer mehrjährigen straffreien Entwicklung markiert. Dies steht jedoch der Annahme der von § 63 StGB geforderten negativen Kriminalprognose nicht entgegen. Denn anderenfalls bliebe außer Acht, dass der Angeklagte seine Präferenz für gewaltpornographische Inhalte und sadistische sexuelle Handlungen erst etwa ein dreiviertel Jahr vor der Tat entdeckte. Innerhalb dieses kurzen Zeitfensters entwickelte der Angeklagte – gefördert durch seine narzisstische Persönlichkeitsstörung – eine stark ausgeprägte Paraphilie, deren dranghaften Impulsen er nach nur wenigen Monaten trotz eines hohen Entdeckungsrisikos auf drastischste Art und Weise vollkommen unangekündigt und ungehemmt nachgab. Es bedarf keiner vertieften psychiatrischen Kenntnisse, um zu erkennen, dass die nach wie vor persistierenden devianten sexuellen Präferenzen des Angeklagten – gerade vor dem Hintergrund seiner narzisstischen Persönlichkeit und seiner misogynen Ansichten – Quell weiterer Straftaten gegen Leib und Leben beliebig ausgewählter Frauen sind. Zwar ist der Angeklagte im Rahmen seiner Möglichkeiten vordergründig krankheitseinsichtig und behandlungsbereit. Allerdings genügt dies nicht, um die von ihm ausgehende Gefahr weiterer sexuell motivierter Gewaltstraftaten zu beseitigen. Die Kammer ist davon überzeugt, dass der Angeklagte nicht in der Lage ist, seinen paraphilen Handlungsimpulsen dauerhaft aus eigener Willenskraft zu widerstehen. Er hat sich bislang nicht eingehend mit den Ursachen und Risiken seines kombinierten Störungsbildes, dessen pathogenen Mechanismen und der von ihm begangenen Tat auseinandergesetzt. Ihm fehlt nicht nur das erforderliche psychoedukative Wissen, um Risikofaktoren und Frühwarnsignale seiner Paraphile rechtzeitig zu erkennen. Ihm stehen darüber hinaus auch keine zuvor erarbeiteten und verinnerlichten Verhaltensstrategien zur Verfügung, mit denen er adäquat auf paraphile Handlungsimpulse reagieren kann. Er ist in keiner Weise besser gegen ein erneutes Durchbrechen derartiger Handlungsimpulse geschützt, als vor der Tat, sodass in absehbarer Zeit mit hoher Wahrscheinlichkeit weitere Straftaten vom Angeklagten zu erwarten sind.
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Ebenso ist die Kammer der Überzeugung, dass die infolge seiner Paraphilie zu erwartenden rechtswidrigen Taten mit einer Wahrscheinlichkeit höheren Grades erheblich sein werden und er deswegen für die Allgemeinheit gefährlich ist. Sowohl die begangene als auch die von ihm noch zu erwartenden rechtswidrigen Taten sind erheblich im Sinne des § 63 S. 1 StGB. Erheblich in diesem Sinne sind solche Taten, die eine schwere Störung des Rechtsfriedens zur Folge haben. Die verfahrensgegenständlichen und zu erwartenden Delikte müssen mindestens in den Bereich der mittleren Kriminalität ragen (Fischer, a. a. O., § 63 Rn. 26f). Dass die verfahrensgegenständliche Anlasstat mühelos den Bereich der schweren Kriminalität erreicht, bedarf keiner weitergehenden Erörterung. Doch auch die zu erwartenden Taten sind erheblich. Aufgrund der konkreten Ausprägung seiner Paraphilie sind beim Durchbrechen der sexuell-sadistischen Handlungsimpulse weitere Straftaten gegen Leib, Leben und die sexuelle Selbstbestimmung willkürlich ausgewählter Frauen zu erwarten. Derartige Gewalt- und Aggressionsdelikte sind regelmäßig zu den erheblichen Taten zu rechnen (BGH, Beschluss vom 25.04.2012 – 4 StR 81/12; BGH, Urteil vom 17.02.2002 – 1 StR437/02; BGH, Beschluss vom 03.04.2008 – 1 StR 153/08; BGH, Beschluss vom 10.08.2010 – 3 StR 268/10). Das gilt auch für die zu erwartenden erheblichen Sexualdelikte, die mit den Gewalttaten verknüpft werden. Nachdem der Angeklagte seine sexuelle Stimulation mittlerweile ausschließlich aus der Vergewaltigung und (vorangegangen, zeitgleichen, anschließenden) Tötung von Frauen zieht, sind dem Anlassdelikt vergleichbare Straftaten zu erwarten, die damit ebenfalls mühelos den Bereich der schweren Kriminalität zuzuordnen sind. Da derartige Taten geeignet sind den Rechtsfrieden (empfindlich) zu stören, ist der Angeklagte für die Allgemeinheit gefährlich.
f) Verhältnismäßigkeit
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Die Anordnung der Unterbringung war schließlich auch verhältnismäßig im Sinne des § 62 StGB.
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Die Unterbringung ist aufgrund ihrer freiheitsentziehenden Ausgestaltung geeignet, die vom Angeklagten ausgehende Gefahr für die Allgemeinheit zu beseitigen. Darüber hinaus ist sein (kombiniertes) Störungsbild einer Behandlung zugänglich, sodass auch (zur Anordnung nicht zwangsläufig erforderliche) hinreichende Behandlungsaussichten bestehen.
216
Die Anordnung ist zudem erforderlich, da mildere und gleichermaßen effektive Mittel nicht zur Verfügung stehen. Eine Aussetzung der Maßregel zur Bewährung nach § 67b StGB kam nicht in Betracht. Demnach ist die Anordnung zur Bewährung auszusetzen, wenn besondere Umstände die Erwartung rechtfertigen, dass der Zweck der Maßregel auch dadurch erreicht werden kann. Besondere Umstände sind solche, die in der Tat, der Person des Täters, seiner gegenwärtigen oder künftigen Lage liegen und die erwarten lassen, dass die von ihm ausgehende Gefahr weiterer Taten abgewendet oder so abgeschwächt wird, dass zunächst ein Verzicht auf den Vollzug gewagt werden kann. Die Möglichkeit, Weisungen zu erteilten, sowie der Eintritt von Führungsaufsicht sind für sich genommen keine „besonderen Umstände“ (Fischer, a. a. O., § 67b 3f.). Derartige besondere Umstände lagen jedoch weder in der massiven Gewalttat noch in der Person des Angeklagten oder seiner gegenwärtigen oder künftigen Lage vor. Wie bereits dargestellt bedarf der Angeklagte intensiver therapeutischer Behandlung. Ohne diese sind in absehbarer Zeit mit hoher Wahrscheinlichkeit weitere sexuell motivierte Gewaltstraftaten zu erwarten. Zwar bestünde die Möglichkeit den Angeklagten in eine Haftanstalt mit sozialtherapeutischer Einrichtung zu verlegen. Allerdings ist diese Alternative nicht gleichermaßen effektiv. Im Vergleich zum Maßregelvollzug sind die Behandlungsmöglichkeiten in einer sozialtherapeutischen Einrichtung äußerst begrenzt. Zum einen ermöglichen die Rahmenbedingungen des Strafvollzugs keine dem Maßregelvollzug vergleichbar intensive therapeutische Begleitung. Zum anderen wird der zur Behandlung zur Verfügung stehende Zeitrahmen durch die Höhe der verhängten Freiheitsstrafe vorgegeben. Spätestens nach deren vollständiger Verbüßung ist der Angeklagte unabhängig vom Stand seiner Behandlung aus der Haft zu entlassen. Diese Einschränkungen haben nicht nur negative Auswirkungen auf die Behandlungsaussichten, sondern auch auf die die damit verbundene Kriminalprognose. Dagegen ermöglicht die Ausgestaltung des Maßregelvollzugs eine umfassendere Betreuung des Angeklagten und eine intensivere therapeutische Bearbeitung seines Störungsbildes. Der Angeklagte wird stufenweise erprobt und erst aus dem Maßregelvollzug entlassen, wenn die von ihm ausgehende Gefahr für die Allgemeinheit beseitigt oder auf ein vertretbares Maß reduziert wurde. Hierdurch wird die Wahrscheinlichkeit weiterer krankheitsbedingter Straftaten im Verhältnis zur Behandlung in einer sozialtherapeutischen Einrichtung deutlich reduziert.
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Schließlich erweist sich die Anordnung der Unterbringung auch als angemessen. Eine Maßregel der Besserung und Sicherung darf nicht angeordnet werden, wenn sie zur Bedeutung der vom Täter begangenen und zu erwartenden Taten sowie zu dem Grad der von ihm ausgehenden Gefahr unter Berücksichtigung der jeweiligen Schwere des Eingriffs außer Verhältnis steht. Dabei hat die Kammer in den Blick genommen, dass die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus einen empfindlichen und zeitlich nicht absehbaren Eingriff in die Freiheitsrechte des Angeklagten darstellt. Dem steht jedoch eine äußerst schwerwiegende Anlasstat gegenüber, bei der die Nebenklägerin physisch und psychisch schwer verletzt wurde. Zudem sind ohne eine entsprechende therapeutische Behandlung weitere sexuell motivierte Gewaltstraftaten in absehbarer Zeit mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten. Da jede Frau, von der sich der Angeklagte angezogen oder herabgesetzt fühlt, Opfer derartiger Straftaten werden könnte, müssen die Freiheitsrechte des Angeklagten im konkreten Fall hinter dem Interesse am Schutz der Allgemeinheit zurücktreten.
2. Vorbehalt der Sicherungsverwahrung
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Darüber hinaus lagen die Voraussetzungen für den Vorbehalt der Sicherungsverwahrung nach § 66a Abs. 2 StGB grundsätzlich vor, diese war jedoch nach § 72 Abs. 1 StGB nicht anzuordnen.
a) Anlasstat, § 66a Abs. 2 Nr. 1 StGB
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Der Angeklagte wurde vorliegend wegen eines Verbrechens gegen das Leben (hier: versuchter Mord) zu einer Freiheitsstrafe von mindestens fünf Jahren (hier: elf Jahren) verurteilt.
b) Nichtvorliegen der Voraussetzungen des § 66 StGB, § 66a Abs. 2 Nr. 2 StGB
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Die Voraussetzungen für die Anordnung der Sicherungsverwahrung nach § 66 StGB lagen nicht vor:
aa) Anordnung der Sicherungsverwahrung nach § 66 Abs. 1 StGB
221
Der bislang nicht vorbestrafte Angeklagte erfüllt bereits die formellen Voraussetzungen des § 66 Abs. 1 S. 1 Nummern 2 und 3 StGB nicht. Weder wurde er mindestens zweimal wegen Straftaten im Sinne des § 66 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 StGB zu Freiheitsstrafen von jeweils mindestens einem Jahr verurteilt noch hat er wegen einer oder mehrerer dieser Taten mindestens zwei Jahre Freiheitsstrafe verbüßt oder sich im Vollzug einer freiheitsentziehenden Maßregel der Besserung und Sicherung befunden.
bb) Anordnung der Sicherungsverwahrung nach § 66 Abs. 2 StGB
222
Nachdem der Angeklagte vorliegend „nur“ eine Straftat nach § 66 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 StGB begangen hat, erfüllt er die formellen Anordnungsvoraussetzungen des § 66 Abs. 2 StGB ebenfalls nicht, da er hierfür (u. a.) mindestens drei Straftaten im genannten Sinne begangen haben müsste.
cc) Anordnung der Sicherungsverwahrung nach § 66 Abs. 3 StGB
223
Schließlich liegen auch die formellen Anordnungsvoraussetzungen des § 66 Abs. 3 StGB nicht vor.
224
Für eine Anordnung nach § 66 Abs. 3 S. 1 StGB fehlt es bereits an einer früheren Verurteilung (wegen einer der dort genannten Straftaten) zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren.
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Eine Anordnung nach § 66 Abs. 3 S. 2 StGB scheitert daran, dass der Angeklagte vorliegend nicht (mindestens) zwei Straftaten im Sinne des § 66 Abs. 3 S. 1 StGB begangen hat.
c) Wahrscheinlichkeit des Vorliegens eines „Hanges“, § 66a Abs. 2 Nr. 3 StGB
226
Bei einer Gesamtwürdigung der Persönlichkeitsstruktur des Angeklagten und seiner Tat ist es wahrscheinlich, dass er
- einen Hang zur Begehung erheblicher Straftaten hat und
- infolgedessen für die Allgemeinheit gefährlich ist.
227
Erforderlich aber auch ausreichend ist demnach die positive Feststellung, dass sowohl das Bestehen eines Hanges als auch die hangbedingte Gefährlichkeit wahrscheinlich sind (BGH, Beschluss vom 19.07.2017 – 4 StR 245/17).
aa) Hang
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Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs verlangt das Merkmal des „Hanges“ einen eingeschliffenen inneren Zustand des Täters, der ihn immer wieder neue Straftaten begehen lässt. Hangtäter ist derjenige, der dauerhaft zu Straftaten entschlossen ist oder aufgrund einer fest eingewurzelten Neigung immer wieder straffällig wird, wenn sich die Gelegenheit bietet, ebenso wie derjenige, der willensschwach ist und aus innerer Haltlosigkeit Tatanreizen nicht zu widerstehen vermag (BGH, Beschluss vom 28.07.2020 – 4 StR 108/20; BGH, Urteil vom 29.11.2018 – 3 StR 300/18).
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Die Prüfung erfolgt durch eine vergangenheitsbezogene, wertende und umfassende Betrachtung aller für und gegen das wahrscheinliche Vorliegen eines solchen Hanges sprechende Umstände, ohne die Heranziehung prognostischer Faktoren (BGH, Urteil vom 09.05.2019 – 4 StR 511/18; BGH, Beschluss vom 19.07.2017 – 4 StR 245/17).
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Darüber hinaus muss sich der Hang auf die Begehung erheblicher Straftaten beziehen. Diese müssen den Rechtsfrieden empfindlich stören und nicht bloß der leichten Kriminalität angehören. Auch hierbei ist eine Gesamtwürdigung aller maßgeblichen Umstände des Einzelfalles, bei der neben der Schwere der zu erwartenden Taten und den – auch nur potentiell bzw. typischerweise eintretenden – Folgen für die Opfer etwa die Tathäufigkeit oder die Rückfallgeschwindigkeit ins Gewicht fallen können. Als erhebliche Straftaten kommen danach vornehmlich solche in Betracht, die in den Deliktskatalog von § 66 Abs. 1 S. Nr. 1 StGB fallen und die im konkreten Fall mit mindestens 1 Jahr Freiheitsstrafe zu ahnden wären (BGH, Urteil vom 29.11.2018 – 3 StR 300/18).
231
Das Bestehen eines derartigen Hanges ist beim Angeklagten – wenn auch nicht sicher feststellbar – so doch zumindest wahrscheinlich. Dabei verkennt die Kammer nicht, dass der Angeklagte vorliegend erstmalig strafrechtlich in Erscheinung getreten ist. Dies steht der Annahme eines wahrscheinlich bestehenden Hanges jedoch nicht zwangsläufig entgegen. Denn beim Angeklagten bestehen mehrere überdauernde psychiatrische Störungsbilder, die in ihrer Kombination Grund zu der Annahme gegeben, dass der Angeklagte ohne Behandlung aufgrund einer fest eingewurzelten Neigung immer wieder straffällig werden wird, wenn sich die Gelegenheit bietet:
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Der Angeklagte leidet an einer Paraphilie in Form eines sexuellen Sadismus. Er bezieht seine sexuelle Stimulation mittlerweile ausschließlich aus der Vorstellung Frauen sexuell zu missbrauchen und zu töten. Diese Paraphilie entwickelte sich innerhalb weniger Monate auf dem Boden einer langjährig bestehenden narzisstischen Persönlichkeitsstörung, die maßgeblich von frauenfeindlichen Vorstellungen geprägt ist. Der Angeklagte reagierte auf seine ständigen Misserfolge bei der Partnersuche massiv gekränkt und machte für sein fortwährendes Scheitern bei der Partnerinnensuche sowie das Scheitern seines „Lebensplans“ ausschließlich sämtlichen Frauen wesensimmanente Charakterdefizite verantwortlich. Diese misogynen Vorstellungen bildeten den Nährboden für seine sexuell devianten Gewalt- und Machtfantasien. Zwischen beiden Störungsbildern besteht eine hochgradig dysfunktionale Wechselwirkung Sie erhalten sich gegenseitig aufrecht und verstärken einander. Die Kombination aus handlungsleitender Paraphilie und konstellativer narzisstischer Persönlichkeitsstörung erwies sich auch vorliegend als fatal. Der Angeklagte ergeht sich nicht mehr bloß im Konsum gewaltpornographischer Inhalte und Vorstellungen. Vielmehr kam es innerhalb eines vergleichsweisen kurzen Zeitraums zu einer Umsetzung seiner sexuell devianten Präferenzen auf der Handlungsebene. Beide Störungsbilder sind überdauernder Natur und mittlerweile tief in der Persönlichkeit des Angeklagten verwurzelt. Sie lassen sich als eine fest eingewurzelte Neigung verstehen, die befürchten lassen, dass der Angeklagte immer wieder straffällig werden wird, wenn sich ihm die Gelegenheit hierzu bietet. Die Paraphilie ist qua ihrer Ausprägung Quell weiterer Straftaten gegen Leib, Leben und die sexuelle Selbstbestimmung von Frauen. Erschwerend kommt die unterdurchschnittliche Intelligenz des Angeklagten hinzu. Diese bedingt eine niedrigere Resilienz gegenüber paraphilen Handlungsimpulsen. Dem Angeklagten fehlt die Fähigkeit sich von affektiv belastenden Ereignissen zu distanzieren und sich alternativer Konfliktlösungsstrategien und Coping-Mechanismen zu bedienen. Zwar wird nicht verkannt, dass der Angeklagte vorliegend von der Umsetzung seiner devianten sexuellen Vorstellungen Abstand genommen hat, allerdings rechtfertigt dies keine andere Bewertung. Der Angeklagte war lediglich von dem unerwartet blutigen Tatbild abgeschreckt und sah sich ausschließlich deswegen außer Stande seine sexuellen Fantasien in die Tat umzusetzen. Dies rechtfertigt jedoch nicht die Annahme, dass die sexuell devianten Präferenzen des Angeklagten remittiert sind. Vielmehr handelt es sich um ein überdauerndes Störungsbild, das erwarten lässt, dass der Angeklagte zukünftig auf weniger blutige Methoden (bspw. Strangulation) ausweichen wird. Da sich der Hang auf Straftaten gegen Leib, Leben und die sexuelle Selbstbestimmung anderer Menschen bezieht, sind diese wenigstens der mittleren, regelmäßig der schweren Kriminalität zuzuordnen und damit ohne weiteres als erheblich einzustufen. Die vorliegend eingetretenen und bei vergleichbaren Delikten zu erwartenden physischen und psychischen Tatfolgen sind für die weiblichen Opfer im Falle ihres Überlebens meist gravierend und führen zu erheblichen und nachhaltigen Einschränkungen ihrer Lebensqualität.
bb) Gefahrenprognose
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Bei einer Gesamtwürdigung der Persönlichkeitsstruktur des Angeklagten und seiner Tat ist es wahrscheinlich, dass er infolge seines Hanges für die Allgemeinheit gefährlich ist.
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Erforderlich für die Anordnung des Vorbehalts der Sicherungsverwahrung ist die Erwartung, d. h. die bestimmte – nicht aber extrem hohe – Wahrscheinlichkeit, dass von dem Angeklagten aufgrund seines Hanges weitere erhebliche rechtswidrige Taten ernsthaft zu erwarten sind. In diese Legalprognose sind die Persönlichkeit des Angeklagten und seine Taten zusammenfassend gewürdigt einzustellen (Drenkhahn/Morgenstern in Münchener Kommentar StGB § 66 Rn. 110, 113).
235
Nachdem der Hang des Angeklagten auf seine überdauernden psychiatrischen Störungen zurückzuführen ist, wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Ausführungen zur Gefahrenprognose im Rahmen des § 63 StGB [D. II. e)] verwiesen.
3. Verhältnis mehrerer Maßregeln der Besserung und Sicherung
236
Auch wenn die Voraussetzungen des Vorbehalts der Sicherungsverwahrung nach § 66a Abs. 2 StGB vorlagen, wurde von dessen Anordnung abgesehen, da der Sicherungszweck beider Maßregeln bereits durch die Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus erreicht werden kann und diese Maßregel den Angeklagten vorliegend „weniger beschwert“, § 72 Abs. 1 S. 1 und S. 2 StGB.
237
Dabei wird nicht verkannt, dass die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gegenüber der Sicherungsverwahrung „kein geringeres, sondern ein anderes Übel“ darstellt (BGH, Urteil vom 11.02.1954 – 4 StR 755/53).
238
Nachdem allerdings der Vorbehalt der Sicherungsverwahrung und die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus auf demselben behandelbaren psychischen Defekt beruhen, ist der Unterbringung nach § 63 StGB der Vorrang einzuräumen (BGH, Beschluss vom 06.08.1997 – 2 StR 199/97). Zum einen dient die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus neben der Sicherung der Allgemeinheit auch der – vorliegend möglichen – Behandlung des Angeklagten. Zum anderen wird die Unterbringung vor der Strafe vollzogen und auf diese angerechnet (BGH, Beschluss vom 22.03.2007 – 4 StR 56/07). Der Angeklagte kann damit im Falle seiner erfolgreichen Behandlung die weitere Vollstreckung der Freiheitsstrafe abwenden, § 67 Abs. 1, Abs. 4, Abs. 5 S. 1 StGB. Dabei hat die Kammer auch in den Blick genommen, dass lediglich die Voraussetzungen für den Vorbehalt der Sicherungsverwahrung vorlagen, mithin eine Entscheidung, ob die Anordnung der Sicherungsverwahrung tatsächlich erfolgt, einem nachgelagerten Verfahren vorbehalten bleibt. Dennoch wäre der Vorbehalt der Sicherungsverwahrung für den Angeklagten belastender, da er bis zur Entscheidung über die etwaige Anordnung der Sicherungsverwahrung seine Freiheitsstrafe verbüßen müsste und im Strafvollzug die Ursache seines delinquenten Verhaltens – anders als im Maßregelvollzug nach § 63 StGB – nicht mit der gleichen Erfolgsaussicht behandelt werden könnte (s. o.). Da sowohl die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus als auch der Vorbehalt der Sicherungsverwahrung auf derselben psychiatrischen Störung beruhen, würde dies jedoch die tatsächliche Anordnung der Sicherungsverwahrung deutlich wahrscheinlicher machen und den Angeklagten aufgrund der o. g. Gesichtspunkte im Ergebnis mehr belasten. Die Kammer hat daher die Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet und von einem zusätzlichen oder isolierten Vorbehalt der Sicherungsverwahrung nach § 66a Abs. 2 StGB abgesehen.
E. Kosten
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Als Verurteilter hat der Angeklagte die Kosten des Verfahrens zu tragen, §§ 464 Abs. 1, 465 Abs. 1 S. 1 StPO. Nachdem der Angeklagte wegen einer die Nebenklägerin betreffenden Tat verurteilt wurde, hat er auch ihre notwendigen Auslagen zu tragen, § 472 Abs. 1 S. 1 StPO.