Inhalt

VG Ansbach, Urteil v. 08.12.2023 – AN 17 K 19.50870
Titel:

unzulässiger Asylantrag von in Rumänien anerkanntem Schutzberechtigten

Normenketten:
AsylG § 29 Abs. 1 Nr. 2
Verfahrens-RL Art. 33 Abs. 2 lit. a
GRCh Art. 4
EMRK Art. 3
AufenthG § 60 Abs. 5, Abs. 7 S. 1
Leitsatz:
Nach Rumänien zurückkehrende, dort anerkannt Schutzberechtigte genießen hinsichtlich des Zugangs zum Arbeitsmarkt, des Zugangs zum Gesundheitswesen, staatlichen und/oder zivilgesellschaftlichen Unterstützungsleistungen grundsätzlich dieselben Rechte wie rumänische Staatsbürger. (Rn. 26) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
junger, lediger und gesunder Mann, Gleichbehandlung von aus dem Ausland rückkehrenden Schutzberechtigten mit im Inland verbliebenen Schutzberechtigten, Gefahr einer unmenschlichen und erniedrigenden Behandlung im Sinne des Art. 4 GRCh und Art. 3 EMRK bei Rückkehr nach Rumänien (verneint), in Rumänien anerkannt schutzberechtigter, unzulässiger Asylantrag, Abschiebungsandrohung, subsidiären Schutz in Rumänien
Fundstelle:
BeckRS 2023, 45413

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Tatbestand

1
Der Kläger wendet sich gegen den Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt), durch den sein Asylantrag als unzulässig abgelehnt und ihm die Abschiebung nach Rumänien angedroht wurde.
2
Der 1996 geborene Kläger, syrischer Staatsangehöriger, reiste über – unter anderem – Rumänien, wo er einen Asylantrag stellte, erstmals im Mai 2017 in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte am 30. Mai 2017 einen Asylantrag. Nachdem Rumänien die Rückübernahme des Klägers im Rahmen des Zuständigkeitsverfahrens nach der Verordnung (EU) Nr. 604/213 des Europäischen Parlaments und des Rates (Dublin III-VO) erklärt hatte, lehnte das Bundesamt die Zuständigkeit der Beklagten mit Bescheid vom 12. Oktober 2017 ab und ordnete die Abschiebung nach Rumänien an. Der hiergegen gerichtete Antrag des Klägers nach § 80 Abs. 5 VwGO zum Verwaltungsgericht Regensburg (RN 11 S 17.52237) blieb erfolglos (ablehnender Beschluss vom 3.11.2017). Der Kläger wurde daraufhin am 21. Februar 2018 nach Rumänien abgeschoben. Das Klageverfahren (RN 11 K 17.52239) wurde wegen Nichtbetreibens mit Beschluss vom 4. April 2018 eingestellt.
3
Am 19. Juni 2019 stellte der Kläger nach erneuter Einreise in das Bundesgebiet einen weiteren Asylantrag in der Bundesrepublik Deutschland und trug schriftlich bzw. in seinen Befragungen und Anhörungen beim Bundesamt am 2. August 2019 im Wesentlichen vor, dass er ein Jahr und drei Monate (bis Juni 2019) in Rumänien verbracht habe und dort in einem Camp untergebracht gewesen sei, in dem die Hygiene nicht gewährleistet gewesen sei. In einem zweiten Camp sei er insgesamt mit sieben bis acht Leuten in einem Zimmer ohne Privatsphäre untergebracht gewesen, mit denen eine Verständigung nicht möglich gewesen sei. Er habe aufgrund der Zuerkennung subsidiären Schutzes in Rumänien eine bis 20. Mai 2020 gültige Aufenthaltserlaubnis, aber nicht arbeiten und nicht in die Schule gehen dürfen. Er habe monatlich 50,00 EUR an Miete für sein Bett zahlen müssen, obwohl das Taschengeld mit 100,00 EUR im Monat sehr gering gewesen sei. In Rumänien herrschten unerträgliche Umstände, insbesondere seien die sanitären Anlagen dort menschenunwürdig und katastrophal. Er habe sich in extremer materieller Not befunden. Er sei depressiv und perspektivlos. Er sei mehrmals krank gewesen, habe aber keine Medikamente bekommen und keinen Dolmetscher beim Arzt gehabt. In Deutschland lebten Onkel und Tante von ihm, die ihn aufnehmen würden.
4
Auf das Übernahmeersuchen der Beklagten vom 5. August 2019 hin teilte Rumänien am 13. August 2019 mit, dass der Kläger in Rumänien am 22. Februar 2018 einen zweiten Asylantrag gestellt habe, am 25. April 2018 subsidiären Schutz verliehen und einen Reiseausweis sowie ein „residence document “, gültig bis 10. Mai 2020, bekommen habe und deshalb eine Übernahme nach Art. 18 Dublin III-VO nicht erklärt werden könne.
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Mit Bescheid vom 14. August 2019, per Einschreiben 22. August 2019 zur Post gegeben, lehnte das Bundesamt den Antrag des Klägers als unzulässig ab (Ziffer 1), stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht vorlägen (Ziffer 2), forderte den Kläger auf, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe dieser Entscheidung zu verlassen, drohte andernfalls die Abschiebung – in erster Linie – nach Rumänien an, wobei der Kläger nicht nach Syrien abgeschoben werden dürfe (Ziffer 3) und befristete das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot nach § 11 Abs. 1 AufenthG auf zwölf Monate ab dem Tag der Abschiebung (Ziffer 4).
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Mit Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 30. August 2019, eingegangen beim Verwaltungsgericht Ansbach am gleichen Tag, erhob der Kläger Klage gegen den Bescheid vom 14. August 2019. Zur Begründung trug die Klägerseite im Wesentlichen vor, dass Schutzberechtigte in Rumänien keinen Zugang zu Bildung, zur Gesundheitsvorsorge, zum Arbeitsmarkt, zur Sozialversicherung und zu Unterbringungsmöglichkeiten hätten. Eine Grundsicherung gebe es in Rumänien nicht. Der Kläger könne faktisch nicht ins Sozialhilfesystem aufgenommen werden, weil er keine Steuererklärung des Vorjahres vorlegen könne. Die Arbeitslosigkeit in Rumänien sei sehr hoch. Eine Gleichstellung mit rumänischen Staatsbürgern sei nicht gegeben. Der Kläger würde im Fall einer Rückkehr obdachlos werden und sei damit unmittelbar todesgefährdet. Eine Zusicherung Rumäniens, dass Schutzberechtigten alle Rechte der Qualifikationsrichtlinie zustehen, existiere nicht. Auch werfe der Fall die grundsätzlich bedeutsame Frage auf, ob aufgrund des Auslandsaufenthaltes eine in Rumänien erteilte Aufenthaltserlaubnis erloschen sei, so dass diese Personen in ihr Heimatland abgeschoben würden.
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Der Kläger beantragte,
unter Aufhebung des Bescheides der Beklagten vom 14. August 2019, dem Kläger zugestellt am 23. August 2019, die Beklagte zu verpflichten festzustellen, dass bei dem Kläger die Voraussetzungen der § 60 Abs. 5 bis 7 AufenthG vorliegen.
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Die Beklagte beantragte,
die Klage abzuweisen, bezog sich zur Begründung auf die Ausführungen im streitgegenständlichen Bescheid und setzte die Vollziehung der Abschiebungsandrohung im Bescheid vom 14. August 2019 mit Schriftsatz vom 3. September 2019 aus.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichts- und beigezogene Behördenakte sowie die Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 1. Dezember 2023 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

10
Das Gericht konnte trotz Ausbleibens eines Vertreters der Beklagten über die Sache verhandeln und entscheiden, da die Beklagte ordnungsgemäß geladen und in der Ladung darauf hingewiesen wurde, dass auch im Fall des Nichterscheinens der Beteiligten verhandelt und entschieden werden kann, § 102 Abs. 2 VwGO.
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Die zulässige Klage ist unbegründet und bleibt daher erfolglos.
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1. Die vom Kläger erhobene Anfechtungsklage ist die allein statthafte Klageart gegen die Unzulässigkeitsentscheidung in Ziffer 1 des angefochtenen Bescheids und die Folgeentscheidungen. Dabei geht das Gericht aufgrund des Wortlautes der Antragstellung davon aus, dass die vollumfängliche Bescheidsaufhebung, insbesondere auch die Aufhebung der Ziffer 1, vom Kläger beantragt wurde.
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Die Zulässigkeit der Anfechtungsklage ergibt sich aus der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts im Zuge der Änderung des Asylverfahrensgesetzes infolge des Inkrafttretens des Integrationsgesetzes vom 31. Juli 2016 (BGBl. I Nr. 39 v. 5.8.2016). Danach ist die Anfechtungsklage gegen Bescheide, die die Unzulässigkeit eines Asylantrags nach § 29 Abs. 1 AsylG feststellen, die allein statthafte Klageart. Hintergrund hierfür ist der Umstand, dass die Asylanträge in diesen Fällen ohne Prüfung der materiell-rechtlichen Anerkennungsvoraussetzungen, also ohne weitere Sachprüfung, abgelehnt werden. Insoweit kommt auch kein eingeschränkter, auf die Durchführung eines Asylverfahrens beschränkter Verpflichtungsantrag (vgl. BVerwG, U.v. 20.5.2020 – 1 C 34.19 – juris, U.v. 1.6.2017 – 1 C 9.17 – juris; BayVGH, U.v. 13.10.2016 – 20 B 14.30212 – juris) oder gar auf ein „Durchentscheiden“ des Gerichts in Betracht. Bei einer erfolgreichen Klage führt die isolierte Aufhebung der angefochtenen Regelung zur Fortführung des Asylverfahrens durch die Beklagte und damit zum erstrebten Rechtsschutzziel. Dabei bleibt es auch nach der neueren Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH, B.v. 13.11.2019 – Hamed, Omar, C-540/17, C-541/17 – NVwZ 2020, 137; zuvor schon angelegt in EuGH, U.v. 19.3.2019 – Ibrahim, C-297/17 u.a. – juris), der lediglich inhaltliche Vorgaben im Hinblick auf den effektiven Rechtsschutz für international Anerkannte im Sinne des Art. 47 GRCh und Art. 46 Verfahrens-RL macht, aber keine prozessualen oder verfahrensrechtlichen Vorgaben, die dem nationalen Recht überlassen sind.
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Hinsichtlich der Feststellung von Abschiebungsverboten in Bezug auf Rumänien gemäß § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG ist für den Fall des Unterliegens mit der Anfechtung der Unzulässigkeitsentscheidung, also hilfsweise, die Verpflichtungsklage zulässig, weil das Bundesamt insoweit gemäß § 31 Abs. 3 Satz 1 AsylG bereits eine Sachprüfung durchgeführt hat und deshalb eine gerichtliche Überprüfung möglich ist (vgl. BVerwG U.v. 14.12.2016 – 1 C 4/16 – juris Rn. 20). Das Gericht legt den klägerischen Antrag unter sachgerechter Auslegung des Gemeinten, § 88 VwGO, dahingehend aus, dass der diesbezügliche Antrag hilfsweise gestellt wurde und sich auf die Feststellung von Abschiebeverboten nach § 60 Abs. 5, Abs. 7 Satz 1 AufenthG bezieht.
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2. Die Unzulässigkeitsentscheidung in Ziffer 1 des streitgegenständlichen Bescheides begegnet keinen Bedenken.
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Nach § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein anderer Mitgliedsstaat der Europäischen Union dem Ausländer bereits internationalen Schutz im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 2 AsylG gewährt hat. Dem Kläger wurde durch Rumänien internationaler Schutz zuerkannt. Die Norm setzt Art. 33 Abs. 2 Buchst. a der Verfahrens-RL 2013/32/EU in nationales Recht um und ist daher richtlinien- und europarechtskonform auszulegen. Nach Art. 33 Abs. 1 und Abs. 2 Buchst. a der Verfahrens-RL dürfen die Mitgliedsstaaten einen Antrag auf internationalen Schutz als unzulässig ablehnen, wenn ein anderer Mitgliedsstaat internationalen Schutz gewährt hat. Allerdings hat der Europäische Gerichtshof der Vorschrift im Wege der Auslegung noch ein weiteres, negatives Tatbestandsmerkmal entnommen. Nach der Entscheidung vom 13. November 2019 ist es den Mitgliedsstaaten nämlich nicht möglich von der Befugnis des Art. 33 Abs. 2 Buchst. a der Verfahrens-RL Gebrauch zu machen und einen Antrag auf internationalen Schutz als unzulässig abzulehnen, wenn dem Antragsteller bereits von einem anderen Mitgliedsstaat die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt worden ist, aber die Lebensverhältnisse, die ihn dort als anerkannter Flüchtling erwarten würden, ihn der ernsthaften Gefahr aussetzen würden, eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne des Art. 4 GRCh zu erfahren (EuGH, B.v. 13.11.2019 – Hamed, Omar, C-540/17, C-541/17 – juris; s.a. schon EuGH, U.v. 19.3.2019 – Ibrahim, C-297/17 u.a. – juris). Nach Art. 52 Abs. 3 GRCh ist dabei auch die zu Art. 3 EMRK ergangene Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) zu berücksichtigen.
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Eine Unzulässigkeitsentscheidung nach § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG hat also in richtlinienkonformer Auslegung zu berücksichtigen, ob dem im anderen Mitgliedsstaat Anerkannten nach einer Rücküberstellung eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung droht. Dem steht auch nicht der Grundsatz des gegenseitigen Vertrauens im Unionsrecht entgegen, welcher besagt, dass die Mitgliedsstaaten regelmäßig grundlegende Werte der Union, wie sie etwa in Art. 4 GRCh zum Ausdruck kommen, anerkennen, das sie umsetzende Unionsrecht beachten und auf Ebene des nationalen Rechts einen wirksamen Schutz der in der GRCh anerkannten Grundrechte gewährleisten sowie dies gegenseitig nicht in Frage stellen. Dieser Grundsatz gilt auch im Rahmen des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems und gerade bei der Anwendung von Art. 33 Abs. 2 Buchst. a der Verfahrens-RL, in dem er zum Ausdruck kommt (EuGH, U.v. 19.3.2019 – Jawo, C-163/17 – juris Rn. 80 ff.; EuGH, U.v. 19.3.2019 – Ibrahim, C-297/17 u.a. – juris Rn. 83 ff.; s.a. Bergmann in Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 13. Aufl. 2020, Art. 4 GRCh Rn. 3). Der Grundsatz gegenseitigen Vertrauens gilt jedoch nicht absolut im Sinne einer unwiderlegbaren Vermutung, da nicht ausgeschlossen werden kann, dass das Gemeinsame Europäische Asylsystem in der Praxis auf größere Funktionsstörungen in einem bestimmten Mitgliedsstaat stößt, so dass ein ernsthaftes Risiko besteht, dass Personen, die internationalen Schutz beantragen (und bekommen), bei einer Überstellung in diesen Mitgliedstaat grundrechtswidrig behandelt werden. Dies zu prüfen obliegt den Mitgliedstaaten einschließlich der nationalen Gerichte (EuGH, U.v. 19.3.2019 – Jawo, C-163/17 – juris Rn. 83 ff.; EuGH, U.v. 19.3.2019 -Ibrahim, C-297/17 u.a. – juris Rn. 86 ff.).
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Derartige Funktionsstörungen müssen eine besonders hohe Schwelle an Erheblichkeit erreichen und den Antragsteller tatsächlich einer ernsthaften Gefahr aussetzen, im Zielland eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung zu erfahren, was von sämtlichen Umständen des Falles abhängt (EuGH, B.v. 13.11.2019 – Hamed, Omar, C-540/17, C-541/17 – juris Rn. 36; EuGH, U.v. 19.3.2019 – Ibrahim, C -297/17 u.a. – juris Rn. 89). Nicht ausreichend für das Erreichen dieser Schwelle ist der bloße Umstand, dass die Lebensverhältnisse im Rückführungsstaat nicht den Bestimmungen des Kapitels VII der Anerkennungs-RL 2011/95/EU entsprechen (EuGH, B.v. 13.11.2019 – Hamed, Omar, C-540/17, C-541/17 – juris Rn. 36). Die Schwelle ist jedoch dann erreicht, wenn die Gleichgültigkeit der Behörden eines Mitgliedstaates zur Folge hätte, dass eine vollständig von öffentlicher Unterstützung abhängige Person sich unabhängig von ihrem Willen und ihren persönlichen Entscheidungen in einer Situation extremer materieller Not befindet, die es ihr nicht erlaubt, ihre elementarsten Bedürfnisse zu befriedigen, wie insbesondere sich zu ernähren, sich zu waschen und eine Unterkunft zu finden, und die ihre physische oder psychische Gesundheit beeinträchtigt oder sie in einen Zustand der Verelendung versetzt, der mit der Menschenwürde unvereinbar wäre (EuGH, B.v. 13.11.2019 – Hamed, Omar, C-540/17, C-541/17 – juris Rn. 39; EuGH, U.v. 19.3.2019 – Ibrahim, C-297/17 u.a. – juris Rn. 90). Plakativ formuliert kommt es darauf an, ob der Anerkannte bei zumutbarer Eigeninitiative in der Lage wäre, an „Bett, Brot und Seife“ zu gelangen (VGH BW, B.v. 27.5.2019 – A 4 S 1329/19 – juris Rn. 5). Angesichts dieser strengen Anforderungen überschreitet selbst eine durch große Armut oder eine starke Verschlechterung der Lebensverhältnisse der betreffenden Person gekennzeichnete Situation nicht die genannte Schwelle, sofern diese nicht mit extremer materieller Not verbunden ist aufgrund derer sich die betreffende Person in einer solch schwerwiegenden Situation befindet, dass sie einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung gleichgestellt werden kann (EuGH, B.v. 13.11.2019 – Hamed, Omar, C-540/17, C-541/17 – juris Rn. 39; EuGH, U.v. 19.3.2019 – Ibrahim, C-297/17 u.a. – juris Rn. 91; BVerwG, B.v. 27.1.2022 – 1 B 93.21 – juris; B.v. 17.1.2022 – 1 B 66.21 – juris, BayVGH, B.v. 27.9.2023 – 24 B 22.30953 – juris). Daher kann auch der Umstand, dass international Schutzberechtigte in dem Mitgliedstaat, der sie anerkannt hat, keine oder im Vergleich zu anderen Mitgliedsstaaten nur in deutlich reduziertem Umfang existenzsichernde Leistungen erhalten, ohne dabei anders als die Angehörigen dieses Mitgliedsstaats behandelt zu werden, nur dann zur Feststellung der Gefahr einer Verletzung des Standards des Art. 4 GRCh führen, wenn der Antragsteller sich aufgrund seiner besonderen Verletzbarkeit unabhängig von seinem Willen und seinen persönlichen Entscheidungen in einer Situation extremer materieller Not im oben genannten Sinne befände. Dafür genügt nicht, dass in dem Mitgliedstaat, in dem einer neuer Antrag auf internationalen Schutz gestellt wurde, höhere Sozialleistungen gewährt werden oder die Lebensverhältnisse besser sind als in dem Mitgliedsstaat, der bereits internationalen Schutz gewährt hat (EuGH, U.v. 19.3.2019 – Ibrahim, C-297/17 u.a. – juris Rn. 93 f.; EuGH, U.v. 19.3.2019 – Jawo, C-163/17 – juris Rn. 97; BVerwG, B.v. 27.1.2022 – 1 B 93.21 – juris Rn. 13). Ebenso wenig ist das Fehlen familiärer Solidarität in einem Staat in Vergleich zu einem anderen eine ausreichende Grundlage für die Feststellung extremer materieller Not. Gleiches gilt für Mängel bei der Durchführung von Integrationsprogrammen (EuGH, U.v. 19.3.2019 – Jawo, C-163/17 – juris Rn. 94, 96).
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Die Schwelle der Erheblichkeit kann in Bezug auf vulnerable Personen schneller erreicht sein als etwa in Bezug auf gesunde und erwerbsfähige erwachsene Personen, hinsichtlich derer die Feststellung, sie seien vollständig von öffentlicher Unterstützung abhängig und befänden sich unabhängig von ihrem Willen und ihren persönlichen Entscheidungen in einer Situation extremer materieller Not, im Lichte des Grundsatzes des gegenseitigen Vertrauens grundsätzlich gesteigerten Anforderungen an die Entkräftung der Vermutung der Vereinbarkeit der Behandlung solcher Personen in dem betreffenden Mitgliedstaat mit den Erfordernissen der Charta, der Genfer Konvention und der Europäischen Menschenrechtskonvention, insbesondere aus Art. 4 GRC und Art. 3 EMRK, unterliegt (EuGH, U.v. 19.3.2019 – C-297/17, C-318/17, C-319/17 und C-438/17 – Rn. 93; BVerwG, B.v. 27.1.2022 – 1 B 93.21 – juris Rn. 13, U.v. 7.9.2021 – 1 C 3.21 – juris Rn. 20 und 23). Bei der für Art. 4 GRC maßgeblichen Bewertung der Lebensverhältnisse, die den Betroffenen im Falle seiner Rückkehr erwarten, sind zunächst seine Möglichkeiten, den eigenen Lebensunterhalt durch Erwerbstätigkeit auf einem Mindestniveau zu sichern, zu berücksichtigen. Insoweit ist es dem Betroffenen gegebenenfalls auch zumutbar, eine wenig attraktive und seiner Vorbildung nicht entsprechende Arbeit auszuüben, für die es keine Nachfrage auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt gibt, die nicht überkommenen Berufsbildern entspricht und die nur zeitweise, etwa zur Deckung eines kurzfristigen Bedarfs, beispielsweise während der Touristensaison, ausgeübt werden kann (BVerwG, B.v. 27.1.2022 – 1 B 93/21 – juris Rn. 25), selbst wenn es sich um Tätigkeiten in der sog. Schatten- oder Nischenwirtschaft handelt (BVerwG, U.v. 23.9.2020 – 1 C 27/19 – juris Rn 32; EuGH, U.v. 2.10.2019 – C-93/18 – juris Rn. 48; BayVGH, B.v. 27.9.2023 – 24 B 22.30953 -juris Rn. 38 mit Verweis auf BVerwG, B.v. 17.1.2022 – 1 B 66.21 – juris Rn. 29). Bei der Bewertung sind ferner die staatlichen Unterstützungsleistungen und auch die – alleinigen oder ergänzenden – dauerhaften Unterstützungs- oder Hilfeleistungen von vor Ort tätigen nichtstaatlichen Institutionen und Organisationen zu berücksichtigen (BVerwG, U.v. 7.9.2021 – 1 C 3.21 – juris Rn. 23 ff.). Deshalb kann etwa der Umstand, dass der betreffenden Person bezogen auf die Unterkunft ein Schlafplatz in einer von Kirchen, Nichtregierungsorganisationen oder Privatpersonen gestellten Notunterkunft oder in einer staatlich geduldeten „informellen Siedlung“ zur Verfügung steht, genügen, sofern die zur Verfügung gestellten Räumlichkeiten zumindest zeitweilig Schutz vor den Unbilden des Wetters bieten und Raum für die notwendigsten Lebensbedürfnisse lassen (BVerwG, B.v. 27.1.2022 - 1 B 93/21 – juris Rn. 14 mit Verweis auf VGH BW, B.v. 8.11.2021 – A 4 S 2850/21 – juris Rn. 10; vgl. ferner BVerwG, U.v. 7.9.2021 – 1 C 3.21 – juris Rn. 22).
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Für die demnach zu treffende Prognoseentscheidung, ob dem Kläger eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne des Art. 4 GRCh droht, ist eine tatsächliche Gefahr („real risk“) des Eintritts der maßgeblichen Umstände erforderlich, d.h. es muss eine ausreichend reale, nicht nur auf bloße Spekulationen gegründete Gefahr bestehen. Die tatsächliche Gefahr einer Art. 4 GRCh zuwiderlaufenden Behandlung muss insoweit aufgrund aller Umstände des Falles hinreichend sicher und darf nicht hypothetisch sein (OVG RhPf, B.v. 17.3.2020 – 7 A 10903/18.OVG – BeckRS 2020, 5694 Rn. 28 unter Verweis auf VGH BW, U.v. 3.11.2017 – A 11 S 1704/17 – juris Rn. 184 ff. m.w.N. zur Rspr. des EGMR). Es gilt der Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit. Die für eine solche Gefahr sprechenden Umstände müssen ein größeres Gewicht als die dagegensprechenden Tatsachen haben (OVG RhPf, a.a.O.; vgl. VGH BW, a.a.O., juris Rn. 187). Das Bundesverwaltungsgericht hat in seiner Entscheidung vom 27. Januar 2022 insoweit klargestellt, dass ein ernsthaftes Risiko eines Verstoßes gegen Art. 4 GRC und Art. 3 EMRK nicht bereits dann besteht, wenn nicht sicher festzustellen ist, ob im Falle einer Rücküberstellung die Befriedigung der bezeichneten Grundbedürfnisse sichergestellt ist, sondern nur für den Fall, dass die Befriedigung eines der bezeichneten Grundbedürfnisse mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit nicht zu erwarten ist und der Drittstaatsangehörige dadurch Gefahr läuft, erheblich in seiner Gesundheit beeinträchtigt zu werden oder in einen menschenunwürdigen Zustand der Verelendung versetzt zu werden (BVerwG, B.v. 27.1.2022 – 1 B 93/21 – juris Rn. 12).
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Das Gericht legt seiner Entscheidung hinsichtlich der in Rumänien herrschenden Lebensverhältnisse für zurückkehrende, anerkannt Schutzberechtigte folgende Lage zugrunde:
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Anerkannte Flüchtlinge und subsidiär Schutzberechtigte haben in Rumänien Zugang zu Bildung, Wohnungen, Erwachsenenbildung, Arbeit, öffentlicher Gesundheitsfürsorge und Sozialleistungen. In Rumänien ist jede Behörde (Innenministerium, Bildungsministerium, Arbeitsministerium, Gesundheitsministerium, etc.) in ihrem jeweiligen Fachgebiet für die Integration von ausländischen Staatsangehörigen verantwortlich. Die Koordination liegt bei der Generalinspektion für Migration (IGI). Die gesetzlich vorgesehenen Maßnahmen umfassen zum einen den Zugang zu Arbeit, Wohnung, Bildung, Krankenversorgung und Sozialleistungen, zum anderen die Umsetzung spezieller Integrationsprogramme zum Erwerb der rumänischen Sprache sowie kultureller und staatsbürgerlicher Bildung. Hauptaufgabe aller Integrationsmaßnahmen ist es, Personen mit Schutzstatus die Selbsterhaltung und Unabhängigkeit von der Hilfe des Staates oder NGOs zu ermöglichen. Um diese Ziele zu erreichen, unterstützt IGI über seine Regionalzentren und im Rahmen eines Integrationsprogramms die Schutzberechtigten mit verschiedenen Maßnahmen (vgl. Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich (BFA), Länderinformationsblatt der Staatendokumentation: Rumänien, Version 4, Stand: 4.9.2023., S. 11 f.).
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Allgemein gilt, dass nicht zwischen im Land verbliebenen Schutzberechtigten und Schutzberechtigten, die sich längere Zeit außerhalb Rumäniens aufgehalten haben und zurückgekehrt sind, unterschieden wird. Beim jeweiligen zurückkehrenden Schutzberechtigten wird betrachtet, in welchem Stadium des Integrationsprozesses er das Land verlassen hat, d.h. wie lange er bereits an Integrationsmaßnahmen teilgenommen hat. Dann wird versucht, die Person dort wieder in das Integrationsprogramm einsteigen zu lassen (vgl. Auswärtiges Amt, Auskunft an das Verwaltungsgericht Hannover vom 4.2.2022, S. 1; Auswärtiges Amt, Auskunft an das Verwaltungsgericht Ansbach vom 5.12.2017, S. 5). Zudem werden den Rückkehrern Unterstützungsleistungen umgehend nach Prüfung des Einzelfalles gewährt (vgl. Auswärtiges Amt, Auskunft an das Verwaltungsgericht Hannover vom 4.2.2022, S. 2).
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Antragsteller mit Flüchtlingsstatus erhalten in Rumänien zunächst eine dreijährige Aufenthaltserlaubnis, subsidiär Schutzberechtigte eine zweijährige, die jeweils problemlos verlängert werden kann (vgl. BFA; a.a.O., S. 11). Für die Ausstellung bzw. Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis ist nachzuweisen, dass ein legaler Wohnsitz besteht, z.B. durch die Vorlage eines Mietvertrages (vgl. Asylum Information Database (AIDA), Country Report: Romania – Update 2022, S. 137). Eine permanente Aufenthaltsbewilligung ist ab einem rechtmäßigen Aufenthalt von mindestens fünf Jahren möglich, wenn weitere Voraussetzungen wie etwa Sprachkenntnisse, Krankenversicherung und Unterkunft erfüllt sind (vgl. BFA, a.a.O., S. 11).
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Was die Unterbringung anerkannt Schutzberechtigter angeht, so haben diese nach dem Gesetz das Recht auf eine Wohnung. Dieses Recht auf eine Wohnung, das ihnen ebenso wie rumänischen Staatsbürgern zusteht, können sie auch tatsächlich durchsetzen (vgl. AIDA, a.a.O., S. 152 ff.). Wie bereits erwähnt, führt IGI Integrationsprogramme durch. Diese haben eine Dauer von zwölf Monaten. Auf begründete Anfrage des Schutzberechtigten und nach Evaluierung der Situation kann IGI die Verlängerung des individuellen Integrationsplanes um maximal sechs Monate genehmigen (vgl. AIDA, a.a.O., S. 153, 161; Auswärtiges Amt, Auskunft an das Verwaltungsgericht Hannover vom 4.2.2022, S. 2). Teilweise wird noch von einer Dauer des Integrationsprogrammes von sechs Monaten, verlängerbar auf zwölf Monate berichtet (vgl. AIDA, a.a.O., S. 152; Schweizerische Flüchtlingshilfe, Anfragebeantwortung an das OVG NRW vom 20.7.2022). Die Teilnahme am Integrationsprogramm muss binnen 90 Tagen ab Statuszuerkennung beantragt werden. Die Teilnahme ist nicht obligatorisch, bietet aber viele Vorteile (vgl. BFA, a.a.O., S. 11 f.). Während des Zeitraumes des Integrationsprogrammes können schutzberechtigte Ausländer in einem der von IGI verwalteten Aufnahmezentren bzw. anderen, vom Innenministerium verwalteten Einrichtungen, im Rahmen der verfügbaren Plätze, untergebracht werden (vgl. Auswärtiges Amt, Auskunft an das Verwaltungsgericht Hannover vom 4.2.2022, S. 2). Nach drei Monaten sind sie – ausgenommen besonders schutzbedürftige Personen – verpflichtet, hierfür Miete und Nebenkosten zu entrichten, wobei die Höhe nach den einzelnen Regionalzentren variiert, teilweise auch nicht erhoben wird, bzw. von NGOs übernommen werden kann, bis Schutzberechtigte andere Finanzbeihilfen erhalten (vgl. AIDA, a.a.O., S. 152 f.; Auswärtiges Amt, Auskunft an das Verwaltungsgericht Hannover, 4.2.2022, S. 2). Darüber hinaus hat die NGO Jesuit Refugee Service Romania in allen Regionalzentren das Projekt „A New House“ eingeführt, das die Miet- und Nebenkosten zum Teil oder insgesamt trägt. Im Jahr 2019 haben 241 Schutzberechtigte davon profitiert (vgl. AIDA; a.a.O., S. 153). Erhalten können sie umgesiedelte Schutzberechtigte, am Integrationsprogramm Teilnehmende sowie Schutzberechtigte in vulnerablen Situationen (vgl. AIDA, Country Report: Romania, Update 2021, S. 172). International Schutzberechtigte haben weiter denselben Rechtsanspruch auf entgeltlichen Zugang zu Sozialwohnungen wie rumänische Staatsbürger. Um den allgemeinen Mangel an Sozialwohnungen bzw. an freien Plätzen in den Ausländerheimen entgegenzuwirken, erlaubt die Gesetzgebung die Gewährung finanzieller Unterstützung zum Anmieten einer Wohnung und Zahlung der Nebenkosten. Die IGI kann auf Antrag des Schutzberechtigten einen Pauschalbetrag i.H.v. 734 Lei/Person/Monat für die Anmietung einer Unterkunft und eine materielle Unterstützung zur Deckung der Unterhaltskosten i.H.v. 131 Lei/Person/Monat während der Sommersaison bzw. von 167 Lei/Person/Monat während der Wintersaison gewähren. Zur Förderung der Integration auf lokaler Ebene werden außerdem durch den EU-Fonds für Asyl, Migration und Integration unterschiedliche Projekte zur Auffindung von Wohnungen auf dem freien Immobilienmarkt sowie zur Deckung von Miete und Betriebskosten finanziert, was in enger Abstimmung mit IGI durch die NGOs vor Ort erfolgt. Nach Beendigung des Integrationsprogrammes zahlt IGI für die Dauer eines Jahres eine finanzielle Unterstützung i.H.v. 50% der Mietkosten (ohne Nebenkosten (vgl. Auswärtiges Amt, Auskunft an das Verwaltungsgericht Hannover vom 4.2.2022, S. 3). Zwar ist international Schutzberechtigten die Anmietung einer Unterkunft auf dem freien Wohnungsmarkt im Vergleich zu rumänischen Staatsbürgern jedenfalls dann erschwert, wenn sie der rumänischen Sprache nicht mächtig sind. Es wird auch von Schwierigkeiten berichtet, einen Mietvertrag zu erhalten, der die von den Behörden geforderten Bedingungen für einen registrierten Wohnsitz erfüllt, da die Vermieter den Behörden oftmals nicht mitteilen wollen, dass sie ihre Wohnungen vermietet haben (vgl. AIDA, Country Report: Romania, Update 2022, S. 137). Es gibt dennoch keinerlei Berichte, dass international Schutzberechtigte der Obdachlosigkeit anheimfallen. Das vollständige Fehlen von Hinweisen auf extreme materielle Not bei gleichzeitiger vielseitiger Berichterstattung über Beschwernisse oberhalb extremer Armut lässt nur den Schluss zu, dass extreme Not nicht oder allenfalls äußerst ausnahmsweise auftritt (vgl. hierzu: OVG NRW, B.v. 25.8.2022 – 11 A 861/20.A – juris Rn. 57, B.v. 16.8.2023 – 11 A 4136/19.A – juris m.w.N.). Im Vergleich mit anderen EU-Mitgliedstaaten – etwa Italien oder Griechenland – hat Rumänien deutlich weniger Asylverfahren zu bearbeiten und anerkannte Schutzberechtigte zu integrieren. So wurden in den Jahren 2021 und 2022 nur 9.591 bzw. 12.368 Asylanträge gestellt und in 1.126 bzw. 1.013 Fällen wurde der internationale Schutz gewährt. vgl. AIDA, Country Report: Romania – Update 2021, S. 8, sowie AIDA, Country Report: Romania – Update 2022, S. 8). Rumänien registrierte im Jahr 2022 rund 80.000 ukrainische Flüchtlinge, die aber nicht in den Aufnahmezentren, sondern überwiegend privat und teilweise in öffentlichen Gebäuden und Schulen untergebracht wurden (vgl. Schweizerische Flüchtlingshilfe, Anfragebeantwortung an das OVG NRW vom 20.7.2022, S. 2 f.).
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Personen mit internationalem Schutz genießen hinsichtlich des Zugangs zum Arbeitsmarkt grundsätzlich dieselben Rechte wie rumänische Staatsbürger. Die rumänische Wirtschaft zeigt sich robust. Für 2023 wird ein reales Wachstum des Bruttoinlandprodukts von 2,0% und für 2024 von 4,4% prognostiziert (vgl. GTAI (Germany Trade & Invest), Wirtschaftsausblick Rumänien: Rumäniens Wirtschaft zeigt sich robust, 1.6.2023). Die Erwerbslosenquote in Rumänien bewegt sich im europäischen Vergleich im unteren Feld (5,4% im September 2023; EU-Durschnitt: 6,0%), vgl. Statistisches Bundesamt, Europa in Zahlen – Arbeitsmarkt, EUweitere Erwerbslosigkeit liegt im September bei 6%. Als Folge einer starken Abwanderung von Arbeitskräften aus Rumänien in den vergangenen Jahren herrscht ein landesweiter Arbeitskräftemangel. Nach Schätzungen von Unternehmensverbänden sind rumänienweit über eine halbe Million Stellen nicht besetzt. Firmen werben auf Job-Plattformen, auf F.oder bei der Nationalagentur für Arbeit mit hunderten von Stellenangeboten, ob im Call-Center, bei Putzfirmen, in Restaurants oder Kosmetiksalons. Große Engpässe gibt es auch in der Baubranche, im IT-Bereich und in der Transportbranche (vgl. mdr.de, Warum ukrainische Flüchtlinge in Rumänien so gefragt sind, 23.4.2022). Die nach Rumänien geflüchteten Ukrainer haben die Situation auf dem Arbeitsmarkt nicht wesentlich verändert. Da ein erheblicher Teil von ihnen wegen Alters (ältere Menschen oder Kinder) oder aufgrund der Verantwortung für die Kinderbetreuung nicht arbeiten kann, sind in Rumänien weiterhin Stellen auf dem offiziellen Arbeitsmarkt für anerkannt Schutzberechtigte verfügbar (vgl. Schweizerische Flüchtlingshilfe, Anfragebeantwortung an das OVG NRW vom 20.7.2022, S. 3). In der Praxis können mangelnde Kenntnisse der rumänischen Sprache, und in einigen Fällen der englischen Sprache, den Zugang zum Arbeitsmarkt behindern. Der Zugang zum Arbeitsmarkt hängt dabei auch von der Wirtschaftskraft der Stadt oder Region ab. Den Schutzberechtigten werden beim Zugang zum Arbeitsmarkt staatliche Unterstützungen gewährt. So wird den Schutzberechtigten die Teilnahme an einem Sprachkurs ermöglicht. Arbeitslose Berechtigte, die am Integrationsprogramm teilnehmen, können zudem Umzugs-, Mobilitäts- oder sonstige Beihilfen erhalten, um sich in wirtschaftlich stärkeren Teilen des Landes niederzulassen und eine Arbeit zu finden. Auch wird für diese von der Nationalen Agentur für Beschäftigung über ihre Agenturen ein individueller Plan erstellt und sie werden so schnell wie möglich als arbeitssuchend gemeldet (vgl. BFA, a.a.O., S. 11 f.). Trotz der noch immer bestehenden Schwierigkeiten finden sich in allen Landesteilen Banken, die anerkannt Schutzberechtigten ein Konto eröffnen (vgl. AIDA, Country Report: Romania Update 2022, S. 139).
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Auch NGOs unterstützen Schutzberechtigte eine Arbeit zu finden. Im März 2021 wurde in Kooperation der NGOs Global Help Association, der Internationalen Organisation für Migration (IOM) und AIDRom in G. ein neues regionales Integrationszentrum eröffnet. Das Zentrum bietet Unterstützung in Form von Informationen und Rechtsberatung sowie Erleichterungen beim Zugang zu Bildung einschließlich der Bereitstellung von Rumänisch-Sprachkursen, weiter kulturelle und soziale Dienstleistungen und die Bereitstellung von Sachleistungen. Zudem werden Flüchtlinge und Migranten beim Zugang zu Wohnraum, Gesundheitsversorgung und zum Arbeitsmarkt unterstützt. Ähnliche Unterstützungsleistungen sowie umfassende Hilfe und Dienstleistungen zur Förderung der wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Integration von Schutzberechtigten werden von IOM über die Programme Interact+, MYRO und ECLI:SIM:CIS angeboten (vgl. BFA, a.a.O., S. 12).
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Rückkehrenden Schutzberechtigten stehen auch staatliche und/oder zivilgesellschaftliche Unterstützungsleistungen zu. Personen mit internationalem Schutzstatus, die aus objektiven Gründen nicht über die notwendigen Mittel zum Lebensunterhalt verfügen, haben, sofern sie am Integrationsprogramm teilnehmen, auf Antrag im Rahmen der finanziellen Möglichkeiten des Staates Anspruch auf eine monatliche Beihilfe i.H.v. 567 Lei (ca. 115 EUR) pro Monat für einen Zeitraum von höchstens zwölf Monaten (vgl. AIDA, a.a.O., S. 160 ff.). Daneben haben Schutzberechtigte Anspruch auf Sozialhilfe und weiteren sozialen Leistungen unter denselben Bedingungen wie rumänische Staatsbürger (vgl. AIDA, a.a.O., S. 163 f.; siehe auch: OVG NRW, B.v. 16.8.2023 – 11 A 4136/19.A – juris Rn. 60 m.w.N.). Neben diesen staatlichen Geldleistungen bieten karitative Einrichtungen und verschiedene NGOs im Rahmen unterschiedlicher, meist EUgeförderter Projekte konkrete Hilfestellung an. Die staatlichen und zivilgesellschaftlichen Unterstützungsleistungen für international Schutzberechtigte gehen dabei teilweise sogar über das hinaus, was rumänischen Staatsangehörigen im Fall ihrer Hilfsbedürftigkeit angeboten wird (vgl. Auswärtiges Amt, Auskunft an das Verwaltungsgericht Hannover vom 4.2.2022, S. 3 f.; Auswärtiges Amt, Auskunft an das Verwaltungsgericht Ansbach vom 5.12.2017, S. 4 f.).
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Schutzberechtigte verfügen über denselben Zugang zum Gesundheitswesen wie rumänische Staatsbürger. Auch psychische Erkrankungen werden behandelt. Schutzberechtigte, die kein Einkommen haben, sind dennoch verpflichtet, eine staatliche Krankenversicherung zu bezahlen, wobei NGOs die Kosten für die Krankenversicherung übernehmen, wenn sich die Schutzberechtigten verpflichten, mindestens sechs Monate zu bleiben. Daneben bietet IOM B.medizinische Untersuchungen und psychosoziale Betreuung für legal aufhältige Migranten an, sofern diese in einem der Projekte von IOM registriert sind. Außerdem werden Schutzberechtigte in den regionalen Integrationszentren bei der Anmeldung zur nationalen Krankenkasse unterstützt und in enger Zusammenarbeit mit Krankenhäusern und Hausärzten an spezialisierte Dienste überwiesen. IOM übernimmt einen Teil der Gebühren in Höhe von durchschnittlich 100,00 EUR pro Person. Auch werden Medikamente in Asylzentren in Bu. und anderen Städten zur Verfügung gestellt (vgl. BFA, a.a.O., S. 13). Nicht versicherte Schutzberechtigte haben Zugang zu medizinischer Notfallversorgung (vgl. AIDA, a.a.O., S. 164).
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Dies zugrunde gelegt droht dem Kläger bei einer Rückkehr nach Rumänien keine Verelendung. Vorübergehend sind ihm, der keine Merkmale besonderer Schutzbedürftigkeit aufweist, auch schwierige Verhältnisse zumutbar. Ob der Kläger vor seiner Ausreise an einem Integrationsprogramm teilgenommen hat und wenn ja, wie lange, ist unklar. So gab der Kläger auf Nachfrage in der mündlichen Verhandlung hierzu an, dass er nicht an einem Integrationsprogramm teilgenommen habe. Andererseits berichtete er, dass er beantragt habe, einen Sprachkurs zu besuchen und dass es in der Asylunterkunft Leute gegeben habe, die ihnen Jobs vermittelt hätten und er dadurch den Job als Metzger bekommen habe, in dem er dann auch gearbeitet habe. Dies legt nahe, dass der Kläger an einem Integrationsprogramm teilgenommen hat. Wie bereits ausgeführt, wird bei Rückkehr Schutzberechtigter nach Rumänien geprüft, an welchem Stadium des Integrationsprozesses die jeweilige Person das Land verlassen hat und dann versucht, sie dort wieder in das Integrationsprogramm einsteigen zu lassen. Sofern der Kläger wieder Zugang zum Integrationsprogramm erlangt, kommt er in den Genuss der damit verbundenen umfänglichen Leistungen an Obdach, finanziellen Hilfen, Hilfen zur Arbeitssuche, Spracherwerb etc. Die Unterstützungsleistungen werden auch umgehend gewährt. Hinsichtlich des klägerischen Vortrags, dass die Verhältnisse in den Unterkünften unhygienisch seien, ist festzuhalten, dass sich aus den Erkenntnismitteln kein Hinweis hierauf ergibt. Dass der Kläger seine Unterkunft mit mehreren Personen teilen muss und sich mit diesen ggf. nicht verständigen kann, ist ihm zuzumuten.
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Selbst wenn der Kläger bei seiner Rückkehr nicht (mehr) am Integrationsprogramm teilnehmen kann, etwa weil er den maximalen Zeitraum für das Integrationsprogramm bereits ausgeschöpft hat, weil er hiervon ausgeschlossen wird, weil er vor der Weiterreise an einem Integrationsprogramm teilgenommen und dieses dann verlassen hat (so jedenfalls: Schweizerische Flüchtlingshilfe, Anfragebeantwortung an das OVG NRW vom 20.7.2022) oder aus anderen Gründen, wird er nach Überzeugung des Gerichts dennoch in der Lage sein, an „Bett, Brot und Seife“ zu gelangen. Selbst wenn der Kläger nicht in einem staatlichen Regionalzentrum unterkommen kann, ist realistischerweise davon auszugehen, dass er eine Sozialwohnung oder jedenfalls eine Wohnung auf dem freien Markt finden wird, welche er über eigene Erwerbstätigkeit und wenn nötig, insbesondere in der Anfangszeit, über Mietzuschüsse, sei es von staatlichen Stellen oder NGOs, finanzieren kann. Es ist ihm dabei auch zuzumuten, sich im Bedarfsfall hilfesuchend an NGOs zu wenden. Aufgrund seines längeren Voraufenthaltes in Rumänien sind ihm die Umstände vor Ort zudem vertraut. Auch wenn das Anmieten auf dem freien Markt – wie beschrieben – schwierig ist, gibt es dennoch keinerlei Berichte, dass international Schutzberechtigte der Obdachlosigkeit anheimfallen. Wie ausgeführt unterscheiden sich die Rechte rückkehrender Schutzberechtigter nicht von denen, die in Rumänien verblieben sind. Sämtliche Leistungen stehen daher auch dem Kläger zu. Er wird damit auch den für die Ausstellung/Verlängerung seiner zwischenzeitlich abgelaufenen Aufenthaltserlaubnis nötigen Wohnsitznachweis erlangen können.
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Der Kläger ist nach Überzeugung des Gerichts fähig, sich seinen Lebensunterhalt durch eigene Erwerbstätigkeit zu sichern. Konkrete gesundheitliche Beeinträchtigungen hat er nicht vorgetragen und schon gar nicht mittels ärztlichem Attest belegt. Der junge, ledige, gesunde und arbeitsfähige Kläger ist nicht durch familiäre Zwänge oder Verpflichtungen eingeschränkt, niemandem zum Unterhalt oder Personensorge verpflichtet und kann sich vollständig der Alltagsbewältigung und Erwirtschaftung seines Lebensunterhalts widmen. Bei dem jungen Kläger ist zu erwarten, dass er jedenfalls Aushilfstätigkeiten wie etwa in der Bau- oder Transportbranche, in der Reinigungsbranche, der Gastronomie, Bereiche, in denen Arbeitskräfte besonders gesucht werden, findet. Überdies spricht er etwas Deutsch, was ihm von anderen Bewerbern positiv unterscheidet. Der Kläger verfügt außerdem über handwerkliche Fähigkeiten (Tätigkeit als Motorradmechaniker im Heimatland), so dass insbesondere eine Anstellung in der Baubranche oder als Metzger, einer Tätigkeit, der er in Rumänien schon nachgegangen ist, realistisch erscheint. Dass der Verdienst nicht zum Leben reicht, ist dabei nicht anzunehmen. Zwar gab der Kläger in der mündlichen Verhandlung einerseits an, dass er bei seiner Tätigkeit als Metzger zu wenig verdient und deshalb wieder aufgehört habe zu arbeiten. Andererseits konnte er aber nach seinen eigenen Angaben von seinem Verdienst in Rumänien 400,00 EUR sparen. Es ist ihm zudem zuzumuten, auch wenig attraktive Arbeit, falls erforderlich auch im Bereich der Schattenwirtschaft, anzunehmen, um sich den Lebensunterhalt zu sichern. Es liegt weiter an ihm, die rumänische Sprache, ggf. mit Hilfe von NGOs, zu erlernen und damit seine Chancen auf dem Arbeitsmarkt, insbesondere im Hinblick auf besser bezahlte Stellen, weiter zu erhöhen. Im Bedarfsfall stehen dem Kläger jedenfalls die beschriebenen Sozialleistungen und Hilfestellungen der NGOs zur Verfügung. Ohne dass es noch darauf ankommt, tritt bei dem Kläger noch hinzu, dass er im Falle etwaiger Schwierigkeiten auf finanzielle Unterstützung von Freunden und Verwandten zurückgreifen kann. So hat der Kläger einen Freund in Schweden, der über Arbeitseinkommen verfügt, ihn bereits in der Vergangenheit finanziell unterstützt hat und mit dem er auch noch Kontakt hat. Auch die in Deutschland lebenden Verwandten, ein Onkel und eine Tante sowie der Schwager arbeiten. Zwar gab der Kläger an, mit dem Onkel keinen Kontakt mehr zu haben, jedoch pflegt er diesen mit Tante und Schwester, so dass zu erwarten ist, dass diese ihn im Bedarfsfall finanziell unterstützen. Einer Zusicherung Rumäniens, dass Schutzberechtigten alle Rechte der Qualifikationsrichtlinie zustehen, wie es die Klägerseite verlangt, bedarf es nach oben Gesagtem nicht.
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Soweit klägerseits vorgetragen wurde, dass zu klären sei, ob aufgrund des Auslandsaufenthaltes eine in Rumänien erteilte Aufenthaltserlaubnis erloschen sei, so dass diese Personen in ihr Heimatland abgeschoben würden, so rechtfertigt dies keine andere rechtliche Bewertung. Weder aus den Erkenntnismitteln zu Rumänien noch aus der Rechtsprechung ergeben sich Hinweise dahingehend, dass eine Aufenthaltserlaubnis wegen eines Auslandsaufenthaltes erlischt und demzufolge Personen in ihr Heimatland abgeschoben würden. Der zuerkannte Schutzstatus wird nur in besonderen Fällen widerrufen. Weder fällt hierunter ein Auslandsaufenthalt noch eine abgelaufene Aufenthaltserlaubnis (vgl. AIDA, a.a.O., S. 146). Sowohl die Ausstellung als auch die Verlängerung der Gültigkeit einer Aufenthaltserlaubnis ist, wie ausgeführt, problemlos möglich (vgl. AIDA, a.a.O., S. 137).
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Der Kläger ist nach Einschätzung des Gerichts nach alledem in der Lage, ggf. auch schwierigen Verhältnissen zu trotzen und die notwendige Eigeninitiative und Fähigkeiten für den Eintritt in den Arbeitsmarkt, die Inanspruchnahme von Hilfsangeboten und dem Finden einer Unterkunft zu entfalten. Die Prognose seiner Verelendung kann im Fall des Klägers nicht gestellt werden. Es ist nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit („real risk“) von einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung des Klägers bei einer Rückkehr nach Rumänien auszugehen.
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3. Der hilfsweise gestellte Verpflichtungsantrag auf Zuerkennung eines nationalen Abschiebungsverbotes hinsichtlich Rumäniens gemäß § 60 Abs. 5 oder 7 Satz 1 AufenthG, über den aufgrund der Erfolglosigkeit des Hauptantrages zu entscheiden war, hat keinen Erfolg.
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Ein Anspruch auf Zuerkennung eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK besteht nicht. Es ist der Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit zugrunde zu legen. Erforderlich aber auch ausreichend ist daher die tatsächliche Gefahr („real risk“) einer unmenschlichen Behandlung (vgl. BVerwG, U.v. 27.4.2010 – 10 C 5.09 – BVerwGE 136, 377 = NVwZ 2011, 51 – juris Rn. 22). Eine solche ist für den Kläger nach Überzeugung des Gerichts nicht gegeben. Auf die obigen Ausführungen unter 2. wird entsprechend verwiesen.
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Ein Abschiebungsverbot ergibt sich für den Kläger auch nicht aus § 60 Abs. 7 AufenthG. Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll gemäß § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG abgesehen werden, wenn dort für diesen eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Gefahren nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind gemäß § 60 Abs. 7 Satz 6 AufenthG bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG zu berücksichtigen. Im Hinblick auf die Lebensbedingungen, die einen Ausländer im Zielstaat erwarten – insbesondere die dort herrschenden wirtschaftlichen Existenzbedingungen und die damit zusammenhängende Versorgungslage – kann Abschiebungsschutz in verfassungskonformer Anwendung des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG nur ausnahmsweise beansprucht werden, wenn nämlich der Ausländer bei einer Rückkehr aufgrund dieser Bedingungen mit hoher Wahrscheinlichkeit einer extremen Gefahrenlage ausgesetzt wäre. Nur dann gebieten es die Grundrechte aus Art. 1 Abs. 1 GG und Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG ihm trotz einer fehlenden politischen Leitentscheidung nach § 60a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 60 Abs. 7 Satz 6 AufenthG Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG zu gewähren. Die Gefahren müssen dem Ausländer mit hoher Wahrscheinlichkeit drohen, er müsste gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausgeliefert sein und die Gefahren müssten sich alsbald nach der Rückkehr realisieren (vgl. BayVGH, U.v. 8.11.2018 – 13a B 17.31960 – juris Rn. 60 ff.; BVerwG, U.v. 29.9.2011 – 10 C 23.10 – juris Rn. 21 ff.).
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Unter Berücksichtigung obiger Grundsätze und der aktuellen Erkenntnismittel sind die Voraussetzungen aus § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG im Fall des Klägers nicht gegeben. Insoweit wird auf die Ausführungen 2. verwiesen. Insbesondere sind hinsichtlich allgemeiner Gefahren im Zielstaat die Anforderungen in § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG (eine mit hoher Wahrscheinlichkeit drohende Extremgefahr) höher als jene in § 60 Abs. 5 AufenthG (vgl. BVerwG, B.v. 23.8.2018 – 1 B 42.18 – juris Rn. 13), so dass im Lichte des Nichtvorliegens eines Abschiebungsverbots aus Art. 60 Abs. 5 AufenthG erst recht die Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG in verfassungskonformer Anwendung nicht gegeben sind (vgl. VGH BW, U.v. 12.10.2018 – A 11 S 316/17 – juris).
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Für den gesunden Kläger ergibt sich auch kein Abschiebungsverbot aus gesundheitlichen Gründen, Art. 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG.
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4. Weiter begegnet auch die Abschiebungsandrohung unter Ziffer 3 des streitgegenständlichen Bescheids – im Ergebnis – keinen Bedenken (vgl. ausführlich: VG Ansbach, B.v. 14.1.2021 – AN 17 K 19.50797- juris Rn. 58 f.). Nichts anderes gilt für Ziffer 4 des Bescheides (vgl. hierzu: VG Ansbach, a.a.O., juris Rn. 60 ff.).
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5. Die Klage ist mit der Kostenfolge des §§ 161 Abs. 1, 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Gerichtskosten werden gemäß § 83b AsylG nicht erhoben.