Inhalt

BayObLG, Beschluss v. 15.02.2023 – 204 StObWs 490/22
Titel:

Strafvollstreckungskammer, Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, Rechtsbeschwerdegericht, Beschwerdeführer, Antragsgegner, Antrag auf gerichtliche Entscheidung, Verpflichtungsantrag, Bewilligung von Prozesskostenhilfe, Strafgefangener, Nichtraucherschutz, besonderes Feststellungsinteresse, Nach Zurückverweisung, Nichtaushändigung, Fürsorgepflicht, Haftraum, Beschlüsse, Kammerbeschluss, Allgemeine Feststellungsklage, Feststellungsantrag, Kurzfristige Unterbringung

Normenketten:
GG Art. 1 Abs. 1 Satz 1, Art. 2 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1
StVollzG §§ 109 ff., 115 Abs. 3
BayStVollzG Art. 58 Abs. 3
GSG Art. 1, Art. 2 Nr. 1, Art. 3 Abs. 1
Leitsätze:
1. Ein zulässiger Antrag auf gerichtliche Entscheidung gehört zu den allgemeinen Verfahrensvoraussetzungen, die im Rechtsbeschwerdeverfahren von Amts wegen zu prüfen sind und deren Fehlen zur Unzulässigkeit der Rechtsbeschwerde führt.
2. Eine der allgemeinen verwaltungsgerichtlichen Feststellungsklage nachgebildete allgemeine Feststellungsklage ist zwar über die gesetzlich in Art. 208 BayStVollzG i.V.m. §§ 109 ff. StVollzG aufgeführten Antragsarten hinaus grundsätzlich anerkannt, jedoch ausschließlich zur Schließung ansonsten bestehender Rechtsschutzlücken statthaft. Sie kommt somit vor allem dann in Betracht, wenn die beanstandete Maßnahme oder deren Ablehnung vor der möglichen Erhebung eines Anfechtungs- oder Verpflichtungsantrags auf gerichtliche Entscheidung bereits erledigt war, demzufolge ein Anfechtungs- oder Verpflichtungsantrag ausgeschlossen ist und damit die Möglichkeit zur Anbringung eines Fortsetzungsfeststellungsantrags gemäß Art. 208 BayStVollzG i.V.m. § 115 Abs. 3 StVollzG gerade nicht eingreift.
3. Ein besonderes Feststellungsinteresse besteht trotz Erledigung unter anderem dann fort, wenn ein gewichtiger Grundrechtseingriff von solcher Art geltend gemacht wird, dass gerichtlicher Rechtsschutz dagegen typischerweise nicht vor Erledigungseintritt erlangt werden kann.
4. Angesichts der nicht auszuschließenden gesundheitsgefährdenden Wirkungen des Passivrauchens greift die zwangsweise gemeinschaftliche Unterbringung eines nichtrauchenden Gefangenen mit einem rauchenden Mitgefangenen in das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG) ein. Der Gefangene hat Anspruch auf Schutz vor Gefährdung und erheblicher Belästigung durch das Rauchen von Mitgefangenen und Aufsichtspersonal. Der Schutz der Nichtraucher vor Passivrauchen ist umfassend zu gewährleisten; er reicht über die gemeinsame Zellenunterbringung hinaus und ist etwa auch in Fernsehgemeinschaftsräumen, in Warteräumen, etwa des Krankenreviers, und in Durchgangsgruppenhafträumen zu gewährleisten. Dabei muss die Anstalt durch geeignete, von Beschwerden des betroffenen Nichtrauchers unabhängige Vorkehrungen für eine systematische Durchsetzung des gesetzlichen Verbots sorgen.
5. In Bezug auf die Haftbedingungen hängt es grundsätzlich von einer Gesamtschau der tatsächlichen, die Haftsituation bestimmenden Umstände ab, ob die Art und Weise der Unterbringung eines Strafgefangenen die Menschenwürde verletzt, wobei folgende Kriterien eine Rolle spielen: die Bodenfläche pro Gefangenem, die Situation der sanitären Anlagen, die Dauer der Unterbringung und die täglichen Einschlusszeiten, die Lage und Größe des Fensters, die Ausstattung und Belüftung des Haftraums sowie die Raumtemperatur und die hygienischen Verhältnisse.
6. Danach ist die Menschenwürde nicht verletzt, wenn die Toilette zwar baulich nicht abgetrennt ist, der Beschwerdeführer aber in der Einpersonenzelle bei der Toilettenbenutzung nicht den Blicken von Zellenmitgenossen ausgesetzt ist und nicht von den Bediensteten der Anstalt beim Betreten der Zelle beim Toilettengang beobachtet werden kann.
7. Verfügt die Toilette nicht über einen gesonderten Abzug, ist es dem Strafgefangenen bei nur kurzzeitiger Unterbringung zumutbar, den Haftraum über das Außenfenster zu lüften.
Schlagworte:
Feststellungsinteresse, Nichtraucherschutz, Menschenwürde, Rechtliches Gehör, Verletzung der Fürsorgepflicht, Verwarngeld, Verhängung eines Zwangsgelds
Vorinstanz:
LG Nürnberg-Fürth, Beschluss vom 14.10.2022 – II StVK 912/21
Fundstelle:
BeckRS 2023, 44780

Tenor

1. Auf die Rechtsbeschwerde des Strafgefangenen wird der Beschluss der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 14. Oktober 2022 insoweit aufgehoben, als seine Teilanträge auf Feststellung,
a) dass seine Unterbringung am 18. Oktober 2021 für eine Stunde gemeinsam mit Rauchern im Warteraum der Justizvollzugsanstalt N. rechtswidrig war,
b) dass die Nichtaushändigung einer frisch gewaschenen Bettdecke und eines frisch gewaschenen Kopfkissens gegen die Fürsorgepflicht verstieß,
c) dass die Nichtaushändigung einer Bastelschere an den Beschwerdeführer rechtswidrig war, zurückgewiesen worden sind. Mit aufgehoben werden auch die Kostenentscheidung und die Festsetzung des Gegenstandswertes.
2. Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist insoweit in der Hauptsache erledigt, als er sich auf die Rechtswidrigkeit der Nichtaushändigung einer Bastelschere bezieht.
3. Es wird festgestellt, dass die Unterbringung des Beschwerdeführers am 18. Oktober 2021 für eine Stunde gemeinsam mit Rauchern im Warteraum der Justizvollzugsanstalt N. rechtswidrig war.
4. Das Verfahren über den Teilantrag des Beschwerdeführers festzustellen, dass die Nichtaushändigung einer frisch gewaschenen Bettdecke und eines frisch gewaschenen Kopfkissens gegen die Fürsorgepflicht verstieß, wird zur neuen Entscheidung – auch über die Kosten erster und zweiter Instanz – an die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Nürnberg-Fürth zurückverwiesen.
5. Die weitergehende Rechtsbeschwerde des Strafgefangenen (betreffend die Unterbringung im Haftraum ohne abgetrennte Toilette und Abzug) wird als unbegründet verworfen.
6. Der Gegenstandswert für das erstinstanzliche Verfahren und für das Beschwerdeverfahren wird jeweils auf 410 € festgesetzt. Hiervon entfallen 100 € auf den Verfahrensgegenstand „Unterbringung im Warteraum mit Rauchern“, 200 € auf den Verfahrensgegenstand „Unterbringung im Einzelhaftraum ohne Toilettenabtrennung“, 100 € auf den Verfahrensgegenstand „Nichtzurverfügungstellung einer frisch gewaschenen Bettdecke und eines frisch gewaschenen Kopfkissens“ und 10 € auf den Verfahrensgegenstand „Nichtaushändigung der Bastelschere“.
7. Dem Beschwerdeführer wird Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung für die in Ziffer 1 genannten Verfahrensgegenstände bewilligt.

Gründe

I.
1
Der Beschwerdeführer ist Strafgefangener. Er befand sich vom Mittag des 18.10.2021 bis zum frühen Morgen des 20.10.2021 als sog. Durchgangsgefangener in der Schub- und Transportabteilung der Justizvollzugsanstalt N., der Antragsgegnerin.
2
Mit Schreiben vom 22.10.2021 stellte er Antrag auf gerichtliche Entscheidung mit folgendem Vorbringen: Er sei am 18.10.2021 nach Ankunft in der Justizvollzugsanstalt N. für eine Stunde gemeinsam mit Rauchern, die auch geraucht hätten, im Warteraum untergebracht gewesen, wobei dort auch das Mittagessen eingenommen worden sei. Sodann sei er für rund 42 Stunden allein im Haftraum D027 untergebracht worden, in dem sich ein nicht abgetrenntes WC ohne gesonderte Abluftanlage befunden habe und in dem auch die Nahrungsaufnahme erfolgt sei. Das Kopfkissen und die Bettdecke seien nicht frisch gewaschen gewesen, was in der (damals) aktuellen Pandemielage eine Verletzung der Fürsorgepflicht dargestellt habe. Dies habe er beim Beamten moniert, der entgegnet habe, es gebe nur das Bettzeug (Kopfbezug, Deckenbezug und Bettlaken) frisch. Dies sei menschenverachtend und ein Verstoß gegen die Menschenwürde. Ebenso habe er seine Bastelschere ausgehändigt erhalten wollen. Diese sei ihm in M. abgenommen worden, da der Besitz einer solchen im Bus verboten sei, und in N. leider nicht auffindbar gewesen.
3
Der Antragsteller begehrte die Feststellung,
1.
dass die Unterbringung am 18.10.2021 für eine Stunde gemeinsam mit Rauchern im Warteraum der Justizvollzugsanstalt N. rechtswidrig gewesen sei.
2.
dass die Unterbringung im Haftraum D027 mit offenem WC ohne Abluft menschenunwürdig gewesen sei, da dort auch die Nahrungsaufnahme erfolgt sei.
3.
dass die Nichtzurverfügungstellung eines frisch gewaschenen Kopfkissens und einer frisch gewaschenen Bettdecke in der (damals) aktuellen Pandemielage eine Verletzung der Fürsorgepflicht dargestellt und in menschenverachtender Weise gegen die Menschenwürde verstoßen habe.
4.
dass die Nichtaushändigung der dem Beschwerdeführer in M. abgenommenen Bastelschere rechtswidrig gewesen sei.
4
Das Feststellungsinteresse ergebe sich aus der beabsichtigten Geltendmachung von Schadensersatz- und Amtshaftungsansprüchen.
5
Desweiteren werde ein Verwarngeld von 10.000 € gegen die Antragsgegnerin beantragt, da diese wiederholt gegen den Nichtraucherschutz verstoßen habe.
6
Nach Einholung einer Stellungnahme der Justizvollzugsanstalt N. vom 15.12.2021 regte die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Nürnberg-Fürth (künftig: Strafvollstreckungskammer) an, den Antrag wegen Erledigung der Hauptsache zurückzunehmen. Hierauf entgegnete der Beschwerdeführer mit Schreiben vom 30.12.2021, 14.01.2022 und vom 29.01.2022. In letzterem erklärte er den Antrag hinsichtlich der Bastelschere für erledigt, da ihm diese in der Justizvollzugsanstalt A. ausgehändigt worden sei.
7
Die Strafvollstreckungskammer hat zunächst mit Beschluss vom 07.02.2022 entschieden, dass der Antrag auf gerichtliche Entscheidung vom 22.10.2021 infolge der Verlegung des Antragstellers in die Justizvollzugsanstalt A. in der Hauptsache erledigt sei, und dem Antragsteller die Kosten des Verfahrens auferlegt. Ein Feststellungsinteresse sei zwar wegen der Wiederholungsgefahr zu bejahen, eine Rechtswidrigkeit der vom Antragsteller vorgetragenen Handlungen sei jedoch nicht festzustellen.
8
Diesen Beschluss hat der Senat mit Beschluss vom 12.05.2022 auf die Rechtsbeschwerde des Strafgefangenen aufgehoben, da die Strafvollstreckungskammer zu Unrecht von einer Erledigung des Antrags des Strafgefangenen auf gerichtliche Entscheidung (infolge der Verlegung nach A.) ausgegangen sei und damit keine Entscheidung über die verfahrensgegenständlichen Anträge getroffen habe.
9
Die Strafvollstreckungskammer hat sodann mit Beschluss vom 14.10.2022 den Antrag auf gerichtliche Entscheidung vom 22.10.2021 kostenpflichtig zurückgewiesen und die Kosten dem Antragsteller auferlegt.
10
Gegen diesen ihm am 21.10.2022 zugestellten Beschluss hat der Beschwerdeführer zur Niederschrift des Amtsgerichts Amberg am 04.11.2022 Rechtsbeschwerde eingelegt mit dem Antrag auf Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und Entscheidung gemäß seinem Antrag auf gerichtliche Entscheidung, hilfsweise auf Zurückverweisung an die Strafvollstreckungskammer. Außerdem beantragt er die Bewilligung von Prozesskostenhilfe.
11
Der Beschwerdeführer macht unter anderem eine Verletzung materiellen Rechts, der Aufklärungspflicht und des Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend.
12
Die Generalstaatsanwaltschaft München hat mit Schreiben vom 17.11.2022 beantragt, die Rechtsbeschwerde als unbegründet kostenfällig zu verwerfen.
13
Hierauf hat der Beschwerdeführer mit Schreiben vom 02.12.2022 erwidert. .
II.
14
Die Rechtsbeschwerde ist zulässig. Sie ist gemäß Art. 208 BayStVollzG i.V.m. § 118 Abs. 1 bis 3 StVollzG form- und fristgerecht eingelegt worden. Auch die besonderen Zulässigkeitsvoraussetzungen liegen vor.
15
1. Gemäß Art. 208 BayStVollzG i.V.m. § 116 Abs. 1 StVollzG ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn es geboten ist, die Nachprüfung zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zu ermöglichen. Aufgabe des Rechtsbeschwerdegerichts ist die richtungweisende Beurteilung bestimmter Rechtsfragen und deren höchstrichterliche Durchsetzung. Diese Voraussetzungen liegen hinsichtlich der Frage des Nichtraucherschutzes von Gefangenen während der auch nur kurzfristigen gemeinsamen Unterbringung in einem Warteraum mit Rauchern vor.
16
Darüber hinaus macht der Beschwerdeführer schlüssig eine Verletzung seines grundrechtsgleichen Rechts auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) als elementares Verfahrensgrundrecht geltend, so dass die Rechtsbeschwerde über den Wortlaut des Art. 208 BayStVollzG i.V.m. § 116 Abs. 1 StVollzG hinaus zulässig ist [vgl. nur OLG München, Beschluss vom 31. Juli 2012 – 4 Ws 133/12 –, FS 2013, 59 (Ls.), juris Rn. 12; Arloth/Krä/Arloth, StVollzG, 5. Aufl., § 116 Rn. 3a]. Der Beschwerdeführer hat insoweit vorgetragen, die Strafvollstreckungskammer sei zu Punkt 3 seines Antrags unzutreffend davon ausgegangen, dieser betreffe die Bettwäsche anstelle der Bettdecke und des Kopfkissens. Außerdem macht er hinsichtlich der Unterbringung im Haftraum D027 in der Sache eine Verletzung seiner Grundrechte aus Art. 1 Satz 1 und Art. 2 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 GG schlüssig geltend.
17
2. Es liegt ein zulässiger Feststellungsantrag auf gerichtliche Entscheidung vor.
18
a) Ein zulässiger Antrag auf gerichtliche Entscheidung gehört zu den allgemeinen Verfahrensvoraussetzungen, die nach überwiegender Auffassung im Rechtsbeschwerdeverfahren von Amts wegen zu prüfen sind und deren Fehlen zur Unzulässigkeit der Rechtsbeschwerde führt [vgl. nur KG, Beschlüsse vom 25. September 2017 – 2 Ws 145/17 Vollz –, StraFo 2017, 521, juris Rn. 5; vom 1. Februar 2017 – 2 Ws 253/16 Vollz –, juris Rn. 8; vom 18. Mai 2009 – 2 Ws 8/09 Vollz –, juris Rn. 6; OLG Koblenz, Beschluss vom 23. Juni 2010 – 2 Ws 184/10 (Vollz) –, juris Rn. 11; OLG Nürnberg, Beschluss vom 28. Februar 2008 – 2 Ws 66/08 –, juris Rn. 21; Spaniol in: Feest/ Lesting/Lindemann, StVollzG, 8. Aufl., Teil IV, § 116 StVollzG, Rn. 4 m.w.N.; Laubenthal in: Schwind/Böhm/Jehle/Laubenthal, StVollzG, 7. Aufl., 12. Kap., Abschn. J Rn. 3]. Der Senat hat sich dieser Ansicht in mehreren nicht veröffentlichten Entscheidungen angeschlossen (vgl. Beschlüsse vom 19. März 2020 – 204 StObWs 2688/19 –; vom 24. Januar 2022 – 204 StObWs 9/22 –; vom 29. Juni 2022 – 204 StObWs 263/22 –; vom 1. Dezember 2022 – 204 StObWs 198/22 –, den Beschwerdeführer betreffend).
19
b) Eine der allgemeinen verwaltungsgerichtlichen Feststellungsklage nachgebildete allgemeine Feststellungsklage ist zwar über die gesetzlich in Art. 208 BayStVollzG i.V.m. §§ 109 ff. StVollzG aufgeführten Antragsarten hinaus grundsätzlich anerkannt (vgl. hierzu KG, Beschluss vom 29. August 2007 – 2 Ws 66/07 Vollz –, NStZ-RR 2008, 92, juris Rn. 13; Spaniol in: Feest/ Lesting/Lindemann, a.a.O., Teil IV, § 109 StVollzG, Rn. 34), jedoch ausschließlich zur Schließung ansonsten bestehender Rechtsschutzlücken statthaft (vgl. KG, Beschluss vom 1. Februar 2017 – 2 Ws 253/16 Vollz –, juris Rn. 10; OLG Frankfurt, Beschluss vom 18. Juli 2003 – 3 Ws 606/03 –, NStZ-RR 2004, 29; OLG Nürnberg, Beschluss vom 28. Februar 2008 – 2 Ws 66/08 –, juris Rn. 23; BeckOK Strafvollzug Bund/Euler, 22. Ed. 1.8.2022, StVollzG § 109 Rn. 5).
20
Sie kommt somit vor allem dann in Betracht, wenn die beanstandete Maßnahme oder deren Ablehnung vor der möglichen Erhebung eines Anfechtungs- oder Verpflichtungsantrags auf gerichtliche Entscheidung bereits erledigt war (Spaniol in: Feest/Lesting/ Lindemann, a.a.O., Teil IV, § 115 StVollzG, Rn. 73), demzufolge ein Anfechtungs- oder Verpflichtungsantrag ausgeschlossen ist und damit die Möglichkeit zur Anbringung eines Fortsetzungsfeststellungsantrags gemäß Art. 208 BayStVollzG i.V.m. § 115 Abs. 3 StVollzG gerade nicht eingreift. In den Fällen, in denen ein zulässiger Anfechtungs- oder Verpflichtungsantrag erhoben wurde, bzw. hätte erhoben werden können, ist die allgemeine Feststellungsklage hingegen subsidiär [vgl. KG, Beschluss vom 1. Februar 2017 – 2 Ws 253/16 Vollz –, juris Rn. 10; OLG Frankfurt, Beschluss vom 18. Juli 2003 – 3 Ws 606/03 –, NStZ-RR 2004, 29; OLG Naumburg, Beschluss vom 14. Juni 2017 – 1 Ws (RB) 24/17 –, juris Rn. 3; OLG Nürnberg, Beschluss vom 28. Februar 2008 – 2 Ws 66/08 –, juris Rn. 23; Arloth/Krä/Arloth, a.a.O., StVollzG § 109 Rn. 5 m.w.N.; BeckOK Strafvollzug Bund/Euler, a.a.O., StVollzG § 109 Rn. 5; Spaniol in: Feest/Lesting/ Lindemann, a.a.O., Teil IV, § 109 StVollzG, Rn. 34; and. Ans. für einen hier nicht vorliegenden Sonderfall OLG Karlsruhe, Beschluss vom 31. Januar 2005 – 1 Ws 279/04 –, ZfStrVo 2005, 299, juris Rn. 8].
21
Eine solche Subsidiarität der Feststellungsklage ist vorliegend nicht gegeben. Dem Antragsteller wäre es nicht möglich gewesen, gegen die für rund eine Stunde erfolgte Unterbringung in dem Warteraum, gegen die für rund zwei Tage erfolgte Unterbringung in dem Einzelhaftraum sowie gegen die Nichtaushändigung von frisch gewaschenem Bettzeug und der Bastelschere einen Anfechtungs- bzw. Verpflichtungsantrag zu stellen, um rechtzeitig Abhilfe zu erreichen.
22
c) Auch das besondere Feststellungsinteresse ist – jedenfalls hinsichtlich der beanstandeten Unterbringung im Warteraum sowie der Nichtaushändigung einer frisch gewaschenen Bettdecke und eines frisch gewaschenen Kopfkissens – gegeben. Ein Rechtsschutzinteresse besteht trotz Erledigung unter anderem dann fort, wenn ein gewichtiger Grundrechtseingriff von solcher Art geltend gemacht wird, dass gerichtlicher Rechtsschutz dagegen typischerweise nicht vor Erledigungseintritt erlangt werden kann. Effektiver Grundrechtsschutz gebietet es in diesen Fällen, dass der Betroffene Gelegenheit erhält, die Berechtigung des schwerwiegenden – wenn auch tatsächlich nicht mehr fortwirkenden – Grundrechtseingriffs gerichtlich klären zu lassen (vgl. nur BVerfG, Beschluss vom 8. November 2006 – 2 BvR 578/02, 2 BvR 796/02 –, BVerfGE 117, 71, juris Rn. 154, und zu Strafvollzugssachen BVerfG, Kammerbeschluss vom 7. März 2012 – 2 BvR 988/10 –, BVerfGK 19, 326 = NJW 2012, 2790, juris Rn. 27). Nur so kann verhindert werden, dass Rechte und insbesondere Grundrechte in bestimmten Konstellationen in rechtsstaatlich unerträglicher Weise systematisch ungeschützt bleiben (BVerfG, Beschluss vom 20. März 2013 – 2 BvR 67/11 –, BVerfGK 20, 249 = NJW 2013, 1943, juris Rn. 19).
23
Ein derartiger Fall liegt hier bereits deshalb vor, weil der Beschwerdeführer innerhalb der rund eine Stunde dauernden Unterbringung im Warteraum und der anschließenden rund 42 Stunden dauernden Unterbringung im Einpersonenhaftraum gerichtlichen Rechtsschutz nicht hätte erlangen können.
24
Hinsichtlich der Belästigung durch rauchende Mitgefangene während der Essenseinnahme kann der Beschwerdeführer angesichts der nicht auszuschließenden gesundheitsgefährdenden Wirkungen des Passivrauchens einen tiefgreifenden Grundrechtseingriff geltend machen, wobei insoweit die Anforderungen an das Feststellungsinteresse nicht überspannt werden dürfen (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 18. Mai 2017 – 2 BvR 249/17 –, StraFo 2018, 41, juris Rn. 3 bis 5). Ob daneben auch noch eine Wiederholungsgefahr vorliegt, weil der Beschwerdeführer nach eigenem Vorbringen wegen laufender Gerichtsverfahren noch weitere Male vorübergehend in die Justizvollzugsanstalt N. verschubt werden wird, kann somit dahinstehen.
25
Entsprechendes gilt hinsichtlich der Nichtaushändigung frisch gewaschenen Bettzeugs während der Coronapandemie wegen der schlüssig geltend gemachten Ansteckungsgefahr, da hier ebenfalls in das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG) eingegriffen wird.
III.
26
Die Rechtsbeschwerde des Strafgefangenen hat in der Sache jedoch nur teilweise Erfolg. Sie führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung im tenorierten Umfang (Art. 208 BayStVollzG i.V.m. § 119 Abs. 4 Satz 1 StVollzG), zum Ausspruch, dass die Hauptsache hinsichtlich des die Bastelschere betreffenden Antragsteils erledigt ist (s. unten unter 1), zur Feststellung, dass die kurzfristige Unterbringung des Beschwerdeführers als Nichtraucher in einem Warteraum nach seiner Ankunft in der Justizvollzugsanstalt N. am Mittag des 18.10.2021 zusammen mit rauchenden Mitgefangenen rechtswidrig war (s. unten unter 2) und zur Zurückverweisung des Verfahrens an die Strafvollstreckungskammer zu neuer Entscheidung hinsichtlich der Nichtaushändigung frischen Bettzeugs (s. unten unter 3).
27
Die weitergehende Rechtsbeschwerde (also hinsichtlich des Verfahrensgegenstandes Unterbringung für 22 Stunden im Einzelhaftraum ohne räumlich abgetrennte Toilette und gesonderte Entlüftung) war als unbegründet zu verwerfen (s. unten unter 4).
28
1. Hinsichtlich der Bastelschere ist die Hauptsache erledigt.
29
a) Die Erledigung ist auch im Rechtsbeschwerdeverfahren von Amts wegen festzustellen (BeckOK Strafvollzug, Bund/Euler, a.a.O., StVollzG § 121 Rn. 3; Bachmann in: Laubenthal/ Nestler/Neubacher/Verrel, StVollzG, 12. Aufl., Abschn. P Rn. 78 a.E.). Der Beschwerdeführer hat in dem von der Strafvollstreckungskammer (offensichtlich) nicht berücksichtigten Schreiben vom 29.01.2022 selbst die Hauptsache für erledigt erklärt, da die Schere zu den Effekten gegeben und ihm diese in der Justizvollzugsanstalt A. ausgehändigt worden sei. Wegen des Verfügungsgrundsatzes ist der Senat an die vom Antragsteller abgegebene Erledigungserklärung gebunden (BeckOK Strafvollzug, Bund/Euler, a.a.O., StVollzG § 121 Rn. 3).
30
b) Für die insoweit gemäß Art. 208 BayStVollzG i.V.m. § 121 Abs. 2 Satz 2 StVollzG nach billigem Ermessen zu treffende Kostenentscheidung ist die Strafvollstreckungskammer nach Zurückverweisung der Sache im Rahmen der Gesamtkostenentscheidung zuständig. Vorsorglich wird darauf hingewiesen, dass der Feststellungsantrag hinsichtlich der Aushändigung der Bastelschere mangels Bestehens eines besonderen Feststellungsinteresses unzulässig gewesen sein dürfte. Im Übrigen liegt insoweit bereits keine einzelfallbezogene Maßnahme der Antragsgegnerin vor.
31
2. Soweit die Strafvollstreckungskammer den Antrag des Strafgefangenen auf Feststellung, dass seine kurzfristige Unterbringung als Nichtraucher in einem Warteraum nach seiner Ankunft in der Justizvollzugsanstalt N. am Mittag des 18.10.2021 zusammen mit rauchenden Mitgefangenen rechtswidrig war, zurückgewiesen hat, hat die Rechtsbeschwerde mit der Sachrüge Erfolg und führt, da insoweit Spruchreife vorliegt (Art. 208 BayStVollzG i.V.m. § 119 Abs. 4 Satz 2 StVollzG), zur beantragten Feststellung.
32
a) Angesichts der nicht auszuschließenden gesundheitsgefährdenden Wirkungen des Passivrauchens greift die gemeinschaftliche Unterbringung eines nichtrauchenden Gefangenen mit einem rauchenden Mitgefangenen – jedenfalls wenn der Betroffene ihr nicht in gesicherter vollkommener Freiwilligkeit zustimmt – in das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG) ein. Der Gefangene hat Anspruch auf Schutz vor Gefährdung und erheblicher Belästigung durch das Rauchen von Mitgefangenen und Aufsichtspersonal (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 18. Mai 2017 – 2 BvR 249/17 –, StraFo 2018, 41, juris Rn. 4 m.w.N.). Der Schutz der Nichtraucher vor Passivrauchen ist umfassend zu gewährleisten. Er reicht über die gemeinsame Zellenunterbringung (Gegenstand obiger Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts) hinaus und ist etwa auch in Fernsehgemeinschaftsräumen, in Warteräumen, etwa des Krankenreviers, und in Durchgangsgruppenhafträumen zu gewährleisten (vgl. die Einzelnachweise zur Rechtsprechung in dem ebenfalls den Beschwerdeführer und die Antragsgegnerin betreffenden Senatsbeschluss vom 18. November 2020 – 204 StObWs 385/20 –, NStZ 2021, 445, juris Rn. 24). Hierbei ist zu berücksichtigen, dass die Gefangenen aufgrund des Freiheitsentzuges nicht in gleicher Weise wie freie Bürger Beeinträchtigungen ihrer Gesundheit begegnen können. Nach heutigem Kenntnisstand ist gesichert und allgemein anerkannt, dass Rauchen gesundheitsschädlich ist, Krebs sowie Herz- und Gefäßkrankheiten verursacht, damit zu tödlichen Krankheiten führt und auch die Gesundheit der nicht rauchenden Mitmenschen gefährdet. Die Schädlichkeit des Passivrauchens steht außer Frage. Demgemäß nennt Art. 1 GSG als Ziel des Gesundheitsschutzgesetzes den Schutz der Bevölkerung vor den gesundheitlichen Gefahren durch Passivrauchen. Der Schutz der Bevölkerung vor Gesundheitsgefahren zählt zu den überragend wichtigen Gemeinschaftsgütern, die Grundrechtsbeschränkungen (etwa die allgemeine Handlungsfreiheit von Rauchern und sogar die Berufsausübungsfreiheit) rechtfertigen können (vgl. zum Ganzen Senat, a.a.O., juris Rn. 24 m.w.N.).
33
b) Dies zugrunde gelegt war der Nichtraucherschutz auch in dem verfahrensgegenständlichen Warteraum zu gewährleisten.
34
Der Senat hat dies bereits für die Zugangsabteilung der Antragsgegnerin entschieden, was jedenfalls dann gilt, wenn sich die Gefangenen dort für einen nicht nur unerheblichen Zeitraum aufhalten. In dem dortigen Verfahren ging es um eine dreitägige Unterbringung, was zweifellos einen nicht unerheblichen Zeitraum darstellt (vgl. Beschluss vom 18. November 2020 – 204 StObWs 385/20 –, NStZ 2021, 445, juris Rn. 25). Der nach der Senatsrechtsprechung zu gewährleistende Nichtraucherschutz gilt aber für alle Räume, in denen sich Gefangene für einen nicht unerheblichen Zeitraum aufhalten, und somit auch für Räume, in denen Gefangene nach Ankunft in der Justizvollzugsanstalt bis zur Verlegung in den ihnen zugeteilten Haftraum warten müssen. Der Senat folgt insoweit der Rechtsprechung des Oberlandesgerichts Karlsruhe, wonach der Nichtraucherschutz auch in Durchgangshafträumen gewährleistet sein muss, in denen die Gefangenen für einen nicht völlig unerheblichen Zeitraum untergebracht werden, was bei einem Zeitraum von insgesamt 96 bzw. ca. 60 Minuten der Fall sei (vgl. OLG Karlsruhe, Beschluss vom 9. November 2018 – 2 Ws 225/18 –, StV 2020, 540, juris Rn. 24, 27 und 29). Hiervon ausgehend war der Nichtraucherschutz auch in besagtem Warteraum, in dem sich der Gefangene rund eine Stunde aufgehalten hat, zu gewährleisten, zumal dort auch eine Mahlzeit (hier das Mittagessen) eingenommen worden ist.
35
c) Dieser Nichtraucherschutz ist durch die Antragsgegnerin nicht gewährleistet worden.
36
aa) Die Strafvollstreckungskammer hat zwar ausgeführt, es lasse sich nicht feststellen, ob während der Anwesenheit des Beschwerdeführers im Warteraum geraucht wurde. Darauf kommt es aber letztlich nicht an.
37
Der Antragsgegnerin war aus dem genannten früheren Verfahren bekannt, dass es sich beim Antragsteller um einen Nichtraucher handelt, was sie auch nicht in Abrede gestellt hat. Sie hat in ihrer Stellungnahme vom 15.12.2021 mitgeteilt, dass in den Warteräumen der Schub- und Transportabteilung Rauchverbot herrsche. Alle zu verschubenden Gefangenen würden durch die jeweilige Absendeanstalt gründlich nach nicht zugelassenen und verbotenen Gegenständen durchsucht. Der Besitz von Feuerzeugen sei auf dem Schubweg nicht gestattet. Diese seien vorab abzugeben bzw. würden eingezogen. Es sei aber einzugestehen, dass es Gefangenen gelegentlich gelinge, weisungswidrig im Besitz der Rauchwaren zu bleiben, wobei die vorgenommenen Kontrollen dies ganz erheblich erschweren würden.
38
Ob in dem einstündigen Zeitraum, in dem sich der Antragsteller im Warteraum befunden habe, tatsächlich geraucht wurde, lasse sich nicht mehr verifizieren. Die Warteräume verfügten über eine Notrufanlage, so dass der Gefangene, wenn er sich während des Mittagessens durch das Rauchen anderer Gefangener in seinen Rechten verletzt gefühlt hätte, die Möglichkeit gehabt hätte, einen Verstoß gegen das Rauchverbot unverzüglich zu melden, die Unterbringung in einem anderen Warteraum oder sonstige Abhilfe zu verlangen. Der Antragsteller habe aber einen Verstoß gegen das Rauchverbot nicht unmittelbar gemeldet oder der Justizvollzugsanstalt auf anderem Wege rechtzeitig zur Kenntnis gebracht, so dass es ihr möglich gewesen wäre, Abhilfe zu schaffen. Den diensthabenden Beamten sei nicht erinnerlich, dass der Antragsteller um Zuweisung eines anderen Warteraums gebeten habe.
39
Im Schreiben vom 29.01.2022 hat der Antragsteller daraufhin erwidert, er habe mitgeteilt, dass er Nichtraucher sei und diesbezüglich auch separat untergebracht werden wolle. Ihm sei daraufhin mitgeteilt worden, es sei „eh“ Rauchverbot und dies (Anm.: die dortige Unterbringung) sei nur kurzfristig. Er habe dann bei der Essensausgabe durch die Kostklappe nochmals mitgeteilt, dass er nicht in diesem Raum verbleiben vermag, und gar sein Essen zu sich zu nehmen, da geraucht werde, was auch zu 100% ersichtlich gewesen sei. Vom Beamten sei durch die Kostklappe lediglich mitgeteilt worden, dass hier Rauchverbot bestehe. Dies sei nicht eingehalten worden.
40
Dieses Schreiben ist der Antragsgegnerin von der Strafvollstreckungskammer nicht zur Kenntnisnahme übermittelt worden, so dass diese nicht dazu hat Stellung nehmen können. Ob das Vorbringen des Antragstellers zutrifft, kann aber aus rechtlichen Gründen dahinstehen.
41
Denn unabhängig von der Nachweisbarkeit, ob tatsächlich im Warteraum geraucht wurde, liegt auch unter Zugrundelegung der (vom Antragsteller in Abrede gestellten) Angaben der Antragsgegnerin ein Verstoß gegen den zu gewährleistenden Nichtraucherschutz darin, dass weder eine räumliche Trennung der Nichtraucher von den Rauchern erfolgt ist, noch eine zumindest stichprobenartige Kontrolle vorgenommen worden ist, ob das Rauchverbot im Warteraum eingehalten wurde.
42
Dem Einwand der Justizvollzugsanstalt, dass die Warteräume über eine Notrufanlage verfügen, so dass der Gefangene die Möglichkeit gehabt hätte, einen Verstoß gegen das Rauchverbot unverzüglich zu melden, kommt keine Bedeutung zu. Der Senat hat im Beschluss vom 18. November 2020 (a.a.O., juris Rn. 20) – ebenfalls die Justizvollzugsanstalt N. betreffend – unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts darauf hingewiesen, dass die Durchsetzung von auf den Schutz von Nichtrauchern zielenden Geboten (vgl. Art. 58 Abs. 3 BayStVollzG und Art. 2 Nr. 1, Art. 3 Abs. 1 GSG) schon im Hinblick darauf, dass der nichtrauchende Gefangene sich damit der Gefahr von Repressalien seitens der Mitgefangenen aussetzen würde, nicht ihm – sei es auch auf dem Weg über auf Verbotsdurchsetzung zielende Beschwerden an die Anstalt – überlassen bleiben kann. Vielmehr muss die Anstalt durch geeignete, von Beschwerden des betroffenen Nichtrauchers unabhängige Vorkehrungen für eine systematische Durchsetzung des gesetzlichen Verbots sorgen [BVerfG, Kammerbeschluss vom 18. Mai 2017 – 2 BvR 249/17 –, StraFo 2018, 41, juris Rn. 4; OLG Hamm, Beschlüsse vom 18. Juli 2017 – III-1 Vollz (Ws) 274/17 –, NStZ-RR 2017, 328, juris Rn. 7, und vom 24. August 2017 – III -1 Vollz (Ws) 288/17, juris Rn. 11; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 9. November 2018 – 2 Ws 225/18 und 226/18 –, StV 2020, 540, juris Rn. 29; OLG Stuttgart, Beschluss vom 24. Juni 2020 – V 4 Ws 59/20 –, Justiz 2020, 264, juris Rn. 17; anderer Ansicht OLG München, Beschluss vom 8. Dezember 2014 – 1 W 2163/14, juris Rn. 11, für den Fall, dass sich ein Häftling gegenüber der Anstaltsleitung als Nichtraucher bezeichnet, aber dennoch in der Zelle raucht].
43
Somit bestand ein Handlungsauftrag für die Justizvollzugsanstalt, den Antragsteller als Nichtraucher vor schädlichem Passivrauchen zu schützen. Diesem wurde nicht dadurch genügt, dass nach dem Vorbringen der Antragsgegnerin die Gefangenen in den Absendeanstalten durchsucht werden und verbotene Gegenstände, u.a. Feuerzeuge, abzugeben seien oder eingezogen würden. Unabhängig davon, dass diese Durchsuchung primär eine andere Zweckrichtung (Sicherheit des Gefangenentransports) verfolgt, ist diese Maßnahme kein effektives Mittel, das Rauchverbot in den Warteräumen der Zielhaftanstalt durchzusetzen. Die Antragsgegnerin räumt selber ein, dass es Gefangenen gelegentlich gelinge, im Besitz der Rauchwaren zu bleiben.
44
Als effektive Maßnahme wäre bei gemeinsamer Unterbringung von Rauchern und Nichtrauchern zumindest eine stichprobenartige Kontrolle des Warteraums auf dort rauchende Gefangene erforderlich gewesen. Ob dies durch eine Kontrolle bei der Essensausgabe durch die Kostklappe hätte geschehen können, wobei der Geruch von Zigarettenrauch wohl nicht unbemerkt geblieben wäre, kann dahinstehen. Aufgrund der Einlassung der Antragsgegnerin ist nämlich davon auszugehen, dass eine solche Kontrolle nicht stattgefunden hat.
45
d) Da insoweit Spruchreife vorliegt (Art. 208 BayStVollzG i.V.m. § 119 Abs. 4 Satz 2 StVollzG), kann der Senat selbst die Rechtswidrigkeit der Unterbringung im Warteraum feststellen.
46
3. Soweit sich die Rechtsbeschwerde des Antragstellers gegen die Zurückweisung seines Feststellungsantrags hinsichtlich der unterlassenen Aushändigung eines frisch gewaschenen Bettes und Kopfkissens richtet, hat sie auf die Verfahrensrüge der Verletzung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) jedenfalls vorläufigen Erfolg.
47
a) Die Strafvollstreckungskammer hat eine Verletzung der Fürsorgepflicht durch die Anstalt verneint, da diese – was zwischen den Beteiligten unstreitig ist – dem Antragsteller sowohl einen frischen Decken- und Kissenbezug als auch ein frisches Bettlaken ausgehändigt habe.
48
Damit ging sie von einem unzutreffenden Antragsgegenstand aus. Der Antragsteller hat nämlich beanstandet, dass er nicht zugleich auch eine frisch gewaschene Bettdecke und ein frisch gewaschenes Kopfkissen erhalten habe, was er beim Beamten moniert habe, der ihm entgegnet habe, es gebe nur den Bettbezug frisch. Dies hat der Antragsteller im Schreiben vom 29.01.2022 nochmals klargestellt, was die Strafvollstreckungskammer jedoch verkannt und damit den Anspruch des Antragstellers auf Gewährung rechtlichen Gehörs in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat. Das Gebot rechtlichen Gehörs verpflichtet das entscheidende Gericht, die Ausführungen der Verfahrensbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 30. September 2022 – 2 BvR 2222/21 –, NJW 2022, 3413, juris Rn. 26 m.w.N.). Gegen diese Pflicht hat die Strafvollstreckungskammer verstoßen, weil sie gehörswidrig das hinreichend substantiierte Vorbringen des Antragstellers übergangen und versäumt hat, hierüber zu entscheiden.
49
b) Die angefochtene Entscheidung beruht auf dieser Verletzung des rechtlichen Gehörs.
50
Die Justizvollzugsanstalt hat im Schreiben vom 15.12.2021 zur Frage der Aushändigung einer frisch gewaschenen Bettdecke und eines ebensolchen Kopfkissens Stellung genommen und dies nicht für nötig gehalten, da sich Gefangene im verfahrensgegenständlichen Zeitraum in der Absendeanstalt vor dem Transport für 14 Tage in Quarantäne hätten begeben müssen, zusätzlich vor dem Transport ein PCR-Test durchgeführt worden sei und die Gefangenen überdies verpflichtet gewesen seien, FFP2 – Masken zu tragen, wenn die Abstände nicht hätten eingehalten werden können. Sie hat außerdem vorgebracht, Bettdecken und Kissen würden regelmäßig von der Wäscherei ausgetauscht und gereinigt, wodurch der übliche Hotelstandard und Hygienestandard im privaten Bereich übertroffen würde. So empfehle der deutsche Textilreinigungs-Verband eine einmal jährliche Reinigung der Kopfkissen und Bettdecken. Dieser Empfehlung werde in der Justizvollzugsanstalt nachgekommen. Darüber hinaus werde die Bettware je nach Grad der Verschmutzung öfter ausgetauscht und gereinigt, wenn dies von den Bediensteten angezeigt werde.
51
Dem ist der Antragsteller im Schreiben vom 29.01.2022 mit dem Vorbringen entgegengetreten, dies (Quarantäne, PCR-Test) sei bei seinen eigenen drei Verlegungen und bei den entsprechenden Mithäftlingen während der Pandemie-Zeit nicht geschehen. Vor dem Betreten des Busses sei lediglich die Temperatur gemessen worden. Die Empfehlungen des deutschen Textilreinigungs-Verbandes würden seit 2020 nicht mehr greifen, da sie aufgrund der Pandemielage überholt seien.
52
Die Strafvollstreckungskammer hat es unterlassen, das Schreiben vom 29.01.2022 der Antragsgegnerin zur Kenntnis- und Stellungnahme zuzuleiten und gegebenenfalls die Umstände bei der Verlegung von Gefangenen sowie die Frage, ob während der Pandemie-Zeit ein Waschen der Bettware (und nicht nur der Überzüge und Laken) veranlasst war, näher aufzuklären.
53
c) Da die Sache bezüglich der Frage des Austausches der Bettware nicht spruchreif ist, war sie insoweit zur neuen Entscheidung an die Strafvollstreckungskammer zurückzuverweisen (Art. 208 BayStVollzG i.V.m. § 119 Abs. 4 Satz 3 StVollzG).
54
4. Im Übrigen ist die Rechtsbeschwerde offensichtlich unbegründet (Art. 208 BayStVollzG i.V.m. § 119 Abs. 3 StVollzG).
55
Sie bleibt insoweit ohne Erfolg, als die Strafvollstreckungskammer die nur vorübergehende Unterbringung des Beschwerdeführers für rund zwei Tage in einem Einpersonenhaftraum ohne abgetrennte Toilette und ohne gesonderten Abzug für die Toilette als rechtmäßig angesehen hat.
56
Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts hängt es in Bezug auf Haftbedingungen grundsätzlich von einer Gesamtschau der tatsächlichen, die Haftsituation bestimmenden Umstände ab, ob die Art und Weise der Unterbringung eines Strafgefangenen die Menschenwürde verletzt, wobei folgende Kriterien eine Rolle spielen: die Bodenfläche pro Gefangenem, die Situation der sanitären Anlagen, die Dauer der Unterbringung und die täglichen Einschlusszeiten, die Lage und Größe des Fensters, die Ausstattung und Belüftung des Haftraums sowie die Raumtemperatur und die hygienischen Verhältnisse (vgl. BVerfG, Beschluss vom 1. Dezember 2020 – 2 BvR 1845/18 –, BVerfGE 156, 182, juris Rn. 62 m.w.N. zur Rspr. des BVerfG zu den Verhältnissen in deutschen Haftanstalten), wobei – jedenfalls bei gemeinschaftlicher Unterbringung – die Situation der sanitären Anlagen, namentlich die Abtrennung und Belüftung der Toilette, zu beachten sind (BVerfG, Kammerbeschluss vom 8. Dezember 2020 – 1 BvR 149/16 –, juris Rn. 17). Dies zugrunde gelegt kann bei einer nur vorübergehenden und kurzfristigen, hier maximal 42 Stunden währenden Verweildauer des Beschwerdeführers in dem Einzelhaftraum der Schub- und Transportabteilung von einer die Menschenwürde verletzenden Unterbringung nicht die Rede sein. In der Kurzzeitigkeit der Unterbringung in einer solchen Zelle liegt der Unterschied zu dem Sachverhalt, der dem vom Beschwerdeführer zitierten Beschluss des 3. Strafsenats vom 8. Juni 2021 (Az. 203 StObWs 160/21) zugrunde liegt, in dem es um eine rund sechswöchige Unterbringung ging.
57
Ein Verstoß gegen die Menschenwürde ergibt sich – anders als bei einer Mehrfachbelegung der Zelle (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 8. Dezember 2020 – 1 BvR 149/16 –, juris Rn. 21 a.E., Rn. 23) – auch nicht daraus, dass die Toilette baulich nicht abgetrennt war, da der Beschwerdeführer in der Einpersonenzelle nicht den Blicken anderer Zellengenossen ausgesetzt war und auch nicht von den Bediensteten der Anstalt beim Toilettengang beobachtet werden konnte.
58
a) Aus der Verfassung folgt kein Anspruch auf Installation eines Sichtschutzvorhanges in einem Einzelhaftraum. Die fehlende Abtrennung der Toilette vom übrigen Raum verletzt in Einzelhafträumen auch unter Einbeziehung internationaler Standards nicht den Anspruch des Gefangenen auf Achtung seiner Menschenwürde, weil grundsätzlich die Möglichkeit besteht, körperliche Bedürfnisse unter Wahrung der eigenen Intimsphäre zu verrichten (vgl. BVerfG, Kammerbeschlüsse vom 18. März 2020 – 2 BvR 1273/19 –, NStZ-RR 2020, 186, juris Rn. 3; vom 13. November 2007 – 2 BvR 939/07 –, BVerfGK 12, 422, juris Rn. 19 ff.). Gefangene, in deren Haftraum die Toilette nicht mit (ausreichendem) Sichtschutz versehen ist, haben allerdings einen aus Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG vermittelten Anspruch auf besondere Rücksichtnahme durch die Bediensteten der jeweiligen Justizvollzugsanstalt. Bedienstete, die einen solchen Haftraum betreten wollen, müssen dies grundsätzlich durch Anklopfen oder in anderer Form ausreichend vernehmbar ankündigen, so dass Gefangenen im Falle der Benutzung der Toilette oder der Waschvorrichtung ein rechtzeitiger Hinweis ermöglicht wird. Im Falle eines solchen Hinweises haben die Bediensteten vom Betreten des Raumes, wenn dieses nicht ausnahmsweise dringend geboten erscheint, für eine den Umständen angemessene Zeitspanne abzusehen. Bei Verstößen gegen dieses Rücksichtnahmegebot können sich die betroffenen Gefangenen beim Anstaltsleiter beschweren (§ 108 StVollzG) oder Antrag auf gerichtliche Entscheidung stellen (§ 109 StVollzG; vgl. zum Ganzen BVerfG, Kammerbeschlüsse vom 18. März 2020 – 2 BvR 1273/19 –, NStZ-RR 2020, 186, juris Rn. 3; vom 13. November 2007 – 2 BvR 939/07 –, BVerfGK 12, 422, juris Rn. 4). Die abstrakte Gefahr einer Verletzung des Rücksichtnahmegebots begründet unter Zugrundelegung dieser Rechtsprechung somit nicht die Rechtswidrigkeit der Unterbringung in einer Einzelzelle ohne abgetrennte Toilette.
59
b) Die Geruchsbelästigung, die auch bei der eigenen Nutzung einer nicht gesondert belüfteten Toilette in einem Einzelhaftraum entstehen kann, geht, anders als eine erzwungene Konfrontation mit dem körperlichen Intimbereich Anderer, über eine kurzfristige bloße Belästigung nicht hinaus. Ihr kann durch Lüftung über das Haftraumfenster ausreichend begegnet werden (BVerfG, Kammerbeschluss vom 13. November 2007 – 2 BvR 939/07 –, BVerfGK 12, 422, juris Rn. 19). Demgemäß ist es nicht unzumutbar, wenn der Gefangene – zumal für eine kurze Verweildauer von knapp zwei Tagen – darauf angewiesen ist, bei Bedarf den Haftraum über das Außenfenster zu lüften.
IV.
60
Die Zurückverweisung gibt der Strafvollstreckungskammer Gelegenheit, über den Antrag des Beschwerdeführers auf Verhängung eines „Verwarngelds“ gegen die Antragsgegnerin zu befinden. Eine Entscheidung hierüber ist bislang nicht (ausdrücklich) ergangen, was der Beschwerdeführer ebenfalls mit seiner Rechtsbeschwerde beanstandet.
61
Mit seinem Antrag bezweckt der Beschwerdeführer offenbar die Verhängung eines Zwangsgelds gegen die Antragsgegnerin. Ein solches sieht das Gesetz gemäß Art. 208 BayStVollzG i.V.m. § 120 Abs. 1 Satz 1 StVollzG und § 172 VwGO vor, wenn die Anstalt in den Fällen des § 114 Abs. 2 Satz 2 StVollzG sowie des § 115 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 4 StVollzG der ihr auferlegten Verpflichtung nicht nachkommt. Abgesehen davon, dass in dem vom Beschwerdeführer zitierten Beschluss des Senats vom 18.11.2020 keine Verpflichtung der Antragsgegnerin ausgesprochen, sondern (lediglich) festgestellt wurde, dass die Unterbringung des Beschwerdeführers als Nichtraucher nach seiner Aufnahme in die Justizvollzugsanstalt N. vom 16.02.2019 bis zum 19.02.2019 in einem Gemeinschaftshaftraum mit zwei rauchenden Mitgefangenen rechtswidrig war, wäre der Senat für ein ein Zwangsgeld betreffendes Rechtsmittel nicht zuständig (vgl. Laubenthal in: Schwind/Böhm/Jehle/Laubenthal, a.a.O., 12. Kap., Abschn. O Rn. 8 m.w.N.).
V.
62
1. Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens und die notwendigen Auslagen des Beschwerdeführers bleibt bei einer Zurückverweisung an die Strafvollstreckungskammer dieser vorbehalten (BeckOK Strafvollzug Bund/Euler, a.a.O., StVollzG § 121 Rn. 1).
63
2. Die Festsetzung des Gegenstandswerts für beide Instanzen beruht auf § 1 Abs. 1 Nr. 8, §§ 65, 60, 52, 63 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GKG.
64
3. Die Entscheidung über die Bewilligung der Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren im Umfang des Erfolges der Rechtsbeschwerde für den gerichtsbekannt mittellosen (insolventen) Beschwerdeführer beruht auf Art. 208 BayStVollzG i.V.m. § 120 Abs. 2 StVollzG, §§ 114, 115, 119 Abs. 1 ZPO.