Titel:
Die nachzuholende Prozesshandlung beim Wiedereinsetzungsantrag
Normenkette:
ZPO § 234, § 233, § 236 Abs. 2
Leitsatz:
Unter der nachzuholenden Prozesshandlung bei Versäumung einer Rechtsmittelbegründungsfrist ist nicht ein Fristverlängerungsantrag, sondern ausschließlich die Rechtsmittelbegründung selbst zu verstehen. (Rn. 19) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Berufung, Berufungsbegründung, Berufungsfrist, Fristverlängerungsantrag, Coronaerkrankung, Empfangsbekenntnis, Wiedereinsetzungsgesuch, Wiedereinsetzungsfrist, Prozesshandlung
Vorinstanz:
LG Nürnberg-Fürth, Urteil vom 30.11.2022 – 17 O 8058/18
Rechtsmittelinstanz:
BGH Karlsruhe, Beschluss vom 17.01.2024 – VII ZB 22/23
Weiterführende Hinweise:
NZB eingelegt am 13.07.2023 AZ: X ARZ 294/23
Fundstelle:
BeckRS 2023, 44739
Tenor
1. Die Anträge des Klägers vom 4.4.2023 und 21.04.2023 auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Berufungsbegründungsfrist werden verworfen.
2. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 30.11.2022, Aktenzeichen 17 O 8058/18, wird verworfen.
3. Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
4. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 30.894,38 € festgesetzt.
Gründe
1
1. Das Landgericht Nürnberg-Fürth hat die Klage auf Zahlung eines Vorschusses zur Mängelbeseitigung (9.130,42 Euro) und Schadensersatz (16.614,92 Euro) sowie auf Feststellung der Verpflichtung, weitere Schäden auszugleichen, mit Urteil vom 30.11.2022 abgewiesen (Bl. 306).
2
Auf die tatsächlichen Feststellungen auch zu den in der ersten Instanz gestellten Anträgen und die Entscheidungsgründe im angefochtenen Urteil wird Bezug genommen, § 540 I ZPO.
3
2. Gegen das, lt. Empfangsbekenntnis am 12.01.2023 zugestellte Urteil wendet sich der Kläger mit seiner am 10.2.2023 eingegangenen Berufung.
4
Mit Verfügung vom 15.3.2023, zugestellt laut Empfangsbekenntnis am 21.03.2023, wurde der Klägervertreter auf Bedenken gegen die Zulässigkeit der Berufung wegen Fehlens einer Berufungsbegründung hingewiesen (Bl. 351). Der Antrag des Klägervertreters auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist, überschrieben mit „Berufungsbegründung und Wiedereinsetzung“ ging mit einem Wiedereinsetzungsantrag am 04.04.2023 bei Gericht ein (Bl. 360). Mit Verfügung vom 6.4.2023, lt. Empfangsbekenntnis zugestellt am 11.4.2023, wurde der Klägervertreter darauf hingewiesen, dass die Berufungsbegründung innerhalb der Frist für das Wiedereinsetzungsgesuch nachgeholt werden müsse (Bl. 371). Am 21.4.2023 ging ein weiterer Schriftsatz, der überschrieben war mit „Berufungsbegründung und Wiedereinsetzung“ bei Gericht ein. Darin wurde beantragt, dem Kläger gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gem. § 233 ZPO zu gewähren und die Berufungsbegründungsfrist bis 19.5.2023 zu verlängern.
5
Die Berufung des Klägers und seine Wiedereinsetzungsgesuche waren nach §§ 238 Abs. 2, 522 Abs. 1 ZPO durch Beschluss zu verwerfen.
6
I. Der Kläger hat die Berufungsbegründungsfrist nicht eingehalten.
7
1. Ausgehend vom Empfangsbekenntnis des Klägervertreters hinsichtlich des angefochtenen Urteils endete die Berufungsbegründungsfrist nach § 520 Abs. 2 ZPO zwei Monate nach dem 12.1.2023 am Montag, den 13.3.2023.
8
2. Ein Fristverlängerungsantrag ist bis zum 13.3.2023 nicht eingegangen.
9
3. Bis zum 2.6.2023 ist keine Berufungsbegründung beim Oberlandesgericht Nürnberg eingegangen. Die Überschriften in den Schriftsätzen vom 4.4.2023 und 21.4.2023 sind irreführend.
10
II. Das Wiedereinsetzungsgesuch ist unzulässig, weil nicht innerhalb der Frist die versäumte Prozesshandlung nachgeholt wurde, § 234 ZPO.
11
1. Die Wiedereinsetzungsfrist beträgt nach § 234 Abs. 1 S. 2 ZPO einen Monat und beginnt mit dem Tag, an dem das Hindernis behoben ist.
12
a) Die Nichteinhaltung der Berufungsbegründungsfrist begründete der Klägervertreter zunächst mit Arbeitsüberlastung (Bl. 361) und dann mit ab 9.3.2023 einsetzenden fiebrigen gesundheitlichen Beschwerden (Bl. 362), die in der Folge am 10.3.2023 als Coronaerkrankung erkannt wurden.
13
Dieses Hindernis war mit dem 27.3.2023 behoben, nachdem der Klägervertreter ab diesem Tag seine Tätigkeit in begrenztem Umfang wieder aufnehmen konnte.
14
b) Als weiteren Grund für die Nichteinhaltung gab der Klägervertreter an, dass ein Fristverlängerungsantrag versehentlich nicht an das Oberlandesgericht übersandt worden sei. Die Fachangestellte Willmann habe am 9.3.2023 stattdessen einen Fristverlängerungsantrag an das Landgericht gesandt.
15
Der Klägervertreter erklärt nicht, wann er von diesem Versehen Kenntnis erlangt hat. Mit der Zustellung vom 21.3.2023 bekam er allerdings von den Bedenken gegen die Zulässigkeit der Berufung Kenntnis und hätte an diesem Tag aufklären können, warum nicht die von ihm erwartete Stellungnahme zu seinem Fristverlängerungsantrag einging.
16
Zusätzlich wurde der Klägervertreter mit Verfügung vom 6.4.2023, lt. Empfangsbekenntnis zugestellt am 11.4.2023, darauf hingewiesen, dass ein Schriftsatz vom 9.3.2023, sei er nun an das Landgericht oder das Oberlandesgericht gerichtet, beim Oberlandesgericht nicht eingegangen sei.
17
2. Damit lief die Wiedereinsetzungsfrist spätestens am 27.4.2023 und allerspätestens am Montag, den 12.5.2023 ab.
18
3. Innerhalb der Wiedereinsetzungsfrist ist nach § 236 Abs. 2 ZPO die versäumte Prozesshandlung nachzuholen. Hierauf wurde der Klägervertreter mit Verfügung vom 6.4.2023, lt. Empfangsbekenntnis zugestellt am 11.4.2023, hingewiesen.
19
Unter der nachzuholenden Prozesshandlung bei Versäumung einer Rechtsmittelbegründungsfrist ist nicht ein Fristverlängerungsantrag, sondern ausschließlich die Rechtsmittelbegründung selbst zu verstehen. Dies ergibt sich aus der dem Klägervertreter gleichzeitig mitgeteilten Entscheidung des BGH (Beschluss vom 20. September 2006 – IV ZB 16/06 –, juris, FamRz 2006,1754).
20
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
21
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wurde in Anwendung der §§ 47, 48 GKG bestimmt.