Titel:
Anspruch auf Ersatz der Spielverluste bei Glücksspielen im Internet
Normenketten:
VO (EU) 1215/2012 Art. 17 Abs. 1c, Art. 18 Abs. 1
BGB § 134, § 812 Abs. 1 S. 1, § 823 Abs. 2
GlüStV 2012 § 4 Abs. 4
StGB § 15, § 284, § 285
Leitsätze:
1. Liegt nur ein einseitiger Verstoß gegen § 4 Abs. 4 GlüStV 2012 vor, hat die Klagepartei bereits nicht ohne Rechtsgrund geleistet, denn ein einseitiger Verstoß führt nicht zur Nichtigkeit des Spielvertrages nach § 134 BGB (ebenso LG Gießen BeckRS 2023, 17924). (Rn. 15) (redaktioneller Leitsatz)
2. Bei einem einseitigen Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot ist das verbotswidrige Rechtsgeschäft in der Regel gültig (ebenso BGH BKR 2022, 811 (812)). Nur ausnahmsweise ist es auch bei einem einseitigen Verstoß nichtig, falls der Zweck des Verbotsgesetzes anders nicht zu erreichen ist und die rechtsgeschäftlich getroffene Regelung nicht hingenommen werden kann (ebenso BGH BKR 2022, 811 (812)). Eine solche Ausnahme ist vorliegend zu verneinen, so dass der Spielvertrag wirksam ist (ebenso LG Gießen BeckRS 2023, 17924). (Rn. 15) (redaktioneller Leitsatz)
3. Liegt ein beiderseitiger Verstoß gegen § 4 Abs. 4 GlüStV 2012 vor, erfolgte die Leistung der Klagepartei zwar ohne Rechtsgrund, weil der Spielvertrag dann gem. § 134 BGB nichtig ist. Sein Anspruch ist in diesem Fall jedoch gem. § 817 S. 2 BGB ausgeschlossen. (Rn. 16) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Online-Glücksspiel, Glücksspiellizenz, Internet, Inland, Zuständigkeit, einseitiger Verstoß, Verbotsgesetz, beiderseitiger Verstoß, Rechtsgrund, Schutzgesetz
Fundstelle:
BeckRS 2023, 44586
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.
4. Der Streitwert wird auf 6.247,75 € festgesetzt.
Tatbestand
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Die Beklagte ist eine in ... ansässige Gesellschaft, der von der ... Glücksspielbehörde eine Erlaubnis zur Veranstaltung von Online-Glücksspiel erteilt wurde. Über eine von der in Deutschland erteilte Glücksspiellizenz verfügte die Beklagte dagegen nicht. Im streitgegenständlichen Zeitraum bot die Beklagte im Internet auf dem deutschen Markt Online-Glücksspiele, insbesondere Online-Casinospiele an.
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Die Klagepartei hat mehrfach an Glücksspielen im Internet teilgenommen, die von der Beklagten auf einer deutschsprachigen Plattform angeboten wurden.
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Die Klagepartei behauptet, sie habe das Angebot der Beklagten ausschließlich aus dem Inland heraus genutzt. Die Klagepartei behauptet weiter, im Zeitraum vom 02.04.2013 bis 04.01.2020 einen Spielverlust in Höhe von 6.247,75 € erlitten zu haben. Sie ist der Meinung, ihr stünde hinsichtlich ihres Spielverlusts ein Rückzahlungsanspruch zu, weil es sich um illegales Glücksspiel handele.
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Die Klagepartei beantragt zuletzt, die Beklagte zu verurteilen,
1. an die Klagepartei 6.247,75 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 28.07.2022 zu zahlen.
2. an die Klagepartei die Kosten der außergerichtlichen Rechtsverfolgung in Höhe von 713,76 EUR zu zahlen.
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Die Beklagte beantragt,
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Die Beklagte ist der Meinung, die Klage unbegründet, weil das von ihr angebotenen Glücksspiele in Deutschland nicht unzulässig seien.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Parteien und das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 11.09.2023 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.
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Die Klage ist zulässig.
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Die internationale Zuständigkeit des Gerichts folgt aus Artt. 18 Abs. 1, 17 Abs. 1 c EuGVVO; die Verbrauchereigenschaft des Klägers ist zu bejahen (OLG Dresden, NJW-RR, 2023, 344, 344; OLG Braunschweig, BeckRS 2023, 2622).
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Die Klage ist unbegründet.
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Der Klagepartei steht kein Anspruch auf Ersatz ihrer Spielverluste zu.
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1. Ein Anspruch aus § 812 Abs. 1 S. 1 F. 1 BGB besteht nicht.
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Dabei kann es dahingestellt bleiben, ob nur die Beklagte gegen § 4 Abs. 4 GlüStV 2012 verstoßen hat, oder ob sich die Klaegepartei vorsätzlich iSd § 15 StGB an einem unerlaubten Glücksspiel iSd § 285 StGB beteiligt hat und deshalb sogar ein beiderseitiger Verstoß gegen § 4 Abs. 4 GlüStV 2012 vorliegt.
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a. Liegt nur ein einseitiger Verstoß gegen § 4 Abs. 4 GlüStV 2012 vor, hat die Klagepartei bereits nicht ohne Rechtsgrund geleistet, denn ein einseitiger Verstoß führt nicht zur Nichtigkeit des Spielvertrages nach § 134 BGB (Köhler, NJW 2023, 2449, 2452 f.; LG Gießen, BeckRS 2023, 17924) . Bei einem einseitigen Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot ist das verbotswidrige Rechtsgeschäft in der Regel gültig (Grüneberg/Ellenberger, BGB, § 134 Rn. 9; BGH, BKR 2022, 811, 812). Nur ausnahmsweise ist es auch bei einem einseitigen Verstoß nichtig, falls der Zweck des Verbotsgesetzes anders nicht zu erreichen ist und die rechtsgeschäftlich getroffene Regelung nicht hingenommen werden kann (BGH, BKR 2022, 811, 812). Eine solche Ausnahme ist vorliegend zu verneinen, so dass der Spielvertrag wirksam ist (ausführlich dazu Köhler, NJW 2023, 2449, 2452 f.; LG Gießen, BeckRS 2023, 17924).
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b. Liegt ein beiderseitiger Verstoß gegen § 4 IV GlüStV 2012 vor, erfolgte die Leistung der Klagepartei zwar ohne Rechtsgrund, weil der Spielvertrag dann gem. § 134 BGB nichtig ist. Sein Anspruch ist in diesem Fall jedoch gem. § 817 S. 2 BGB ausgeschlossen (Köhler, NJW 2023, 2449, 2452).
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2. Auch aus § 823 Abs. 2 BGB iVm § 4 Abs. Abs. 4 GlüStV 2012 bzw. § 284 BGB besteht kein Anspruch, weil es sich bei diesen Verboten nicht um Schutzgesetze iSd § 823 Abs. 2 BGB handelt (Köhler, NJW 2023, 2449, 2453).
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3. Damit kann auch kein Anspruch des Klägers auf Zinsen oder vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten bestehen.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 S. 1 ZPO, der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 11 F. 2, 709 S. 2, 711 S. 2 ZPO und die Streitwertfestsetzung auf §§ 63, 48 GKG, § 3 ZPO.