Inhalt

LG Bamberg, Beschluss v. 06.11.2023 – 32 S 39/23
Titel:

Darlegungslast des Versicherungsnehmers bei Zweifeln an der materiellen Rechtmäßigkeit einer Beitragsanpassung

Normenketten:
VVG § 203 Abs. 2, Abs. 5
VAG § 155
Leitsätze:
1. Der Versicherte einer Privaten Krankenversicherung muss, will er die Beitragsanpassung des Versicherers wirksam bestreiten, gewisse Anhaltspunkte benennen, die zumindest die Möglichkeit aufscheinen lassen, dass die Beitragsanpassung materiell rechtswidrig war. (Rn. 7) (redaktioneller Leitsatz)
2. Das erfordert zwar keinen Angriff gegen einzelne Berechnungsparameter, erst recht keine Nachberechnung des beklagtenseits vorgelegten Rechenwerks. Erforderlich ist aber, dass Umstände benannt werden, die ganz grundsätzlich – namentlich etwa durch einen Bezug auf allgemeine oder branchenspezifische Umstände oder einen konkreten Bezug auf vergleichbare andere Versicherungstarife – es legitimieren, mit erheblichem Zeit- und Kostenaufwand (zumal in mehrfacher Weise auch zulasten der Versichertengemeinschaft) die Beitragsanpassungen durch einen Sachverständigen überprüfen zu lassen (Anschluss an OLG Zweibrücken BeckRS 2023, 13996 Rn. 14; OLG Nürnberg BeckRS 2023, 12283 Rn. 54). (Rn. 7) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Krankenversicherung, Prämienanpassung, Beitragsanpassung, materielle Rechtmäßigkeit, Limitierungsmaßnahmen, maßgebliche Gründe, Treuhänder, Darlegungslast
Vorinstanzen:
LG Bamberg, Hinweisbeschluss vom 03.08.2023 – 32 S 39/23
AG Forchheim, Urteil vom 13.04.2023 – 70 C 179/22
Fundstelle:
BeckRS 2023, 44563

Tenor

1. Die Berufung der Klagepartei gegen das Urteil des Amtsgerichts Forchheim vom 13.04.2023, Aktenzeichen 70 C 179/22, wird zurückgewiesen.
2. Die Klagepartei hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Amtsgerichts Forchheim ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
4. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 2.593,11 € festgesetzt.

Gründe

I.
1
Die Berufung gegen das Urteil des Amtsgerichts Forchheim vom 13.04.2023, Aktenzeichen 70 C 179/22, ist gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil nach einstimmiger Auffassung der Kammer das Rechtsmittel offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.
2
Zur Begründung wird auf den vorausgegangenen Hinweis der Kammer vom 03.08.2023 Bezug genommen.
II.
3
Auch die Ausführungen in der Gegenerklärung geben zu einer Änderung keinen Anlass.
4
1. In der Gegenerklärung vom 23.08.2023 werden keine rechtlichen Gesichtspunkte vorgetragen, die nicht bei Erlass des Hinweises vom 03.08.2023 der Kammer bekannt und in die Entscheidungsfindung mit einbezogen wurden.
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Dies trifft insbesondere auf den Einwand, die Kammer habe verkannt, dass die letztlich festgesetzte Versicherungsprämie im Ergebnis gerade nicht unstreitig gestellt werde, zu. Wie unter I. 3. c) ausgeführt wurde, hat die Kammer zur Kenntnis genommen, dass das Limitierungkonzept der Prämienerhöhungen bestritten wurde. Unerheblich insoweit ist, dass mit der Gegenerklärung nunmehr insoweit von einer Limitierungsmittelvergabe bzw. Limitierungsmaßnahmen die Rede ist, da dies denselben Teilaspekt der materiellen Rechtmäßigkeit der hier in Rede stehenden Beitragsanpassung betrifft.
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2. Wie bereits ausgeführt wurde, ist für eine gerichtliche Überprüfung der Verwendung von Mitteln zur Begrenzung von Prämienerhöhungen (Limitierungmittel) nur dann Raum, wenn diese im Ergebnis wirksam beanstandet ist. Dies ist aus Sicht der Kammer nicht erfolgt.
7
Grundsätzlich trifft den Versicherer die Darlegungs- und Beweislast für die materielle Rechtmäßigkeit einer Beitragsanpassung, weswegen im Grundsatz auch eine Prämienerhöhung in materieller Hinsicht dahingehend zu überprüfen ist, ob Limitierungsmaßnahmen zutreffend angewandt wurden (vgl. etwa BGH, Urteil vom 14.12.1994 – IV ZR 304/93). Allerdings muss der Versicherte, will er die Beitragsanpassung des Versicherers wirksam bestreiten, gewisse Anhaltspunkte benennen, die zumindest die Möglichkeit aufscheinen lassen, dass die Beitragsanpassung materiell rechtswidrig war. Das erfordert keinen Angriff gegen einzelne Berechnungsparameter, erst recht keine Nachberechnung des beklagtenseits vorgelegten Rechenwerks. Erforderlich ist aber, dass Umstände benannt werden, die ganz grundsätzlich – namentlich etwa durch einen Bezug auf allgemeine oder branchenspezifische Umstände oder einen konkreten Bezug auf vergleichbare andere Versicherungstarife – es legitimieren, mit erheblichem Zeit- und Kostenaufwand (zumal in mehrfacher Weise auch zulasten der Versichertengemeinschaft) die Beitragsanpassungen, ggf. durch einen Sachverständigen, überprüfen zu lassen (OLG Zweibrücken, Hinweisbeschluss vom 22.05.2023 – 1 U 218/22; OLG Nürnberg, Hinweisbeschluss vom 05.06.2023 – 8 U 3284/22).
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Nach diesen Maßstäben – denen sich die Kammer anschließt – genügt der klägerische Vortrag im Hinblick auf die Rechtmäßigkeit der Limitierungmaßnahmen bzw. das insoweit erfolgte Bestreiten deren Rechtmäßigkeit nicht den Anforderungen an einen hinreichend konkreten, auf gewissen Anhaltspunkten fußenden Sachvortrag, weswegen das diesbezügliche Bestreiten als unbeachtlich zurückzuweisen ist.
9
Der Sachvortrag der Klagepartei enthält keinerlei Tatsachen oder sonstige Anhaltspunkte in tatsächlicher Hinsicht dazu, dass die Beklagte den Einsatz limitierender Maßnahmen nicht korrekt vorgenommen haben könnte. Noch mit der Klageschrift vom 13.04.2022 (dort Seite 16) wird insoweit ausgeführt, dass die der Klägerseite bekannten Unterlagen im Hinblick auf die Berücksichtigung von Rückstellungen auf ein systematisches Versagen der Treuhänderprüfung hindeuten würden. Um welche Unterlagen es sich insoweit handelt, wird ebenso wenig ausgeführt wie zu der Grundlage eines diesbezüglichen Vorwurfes. Aber auch im weiteren Verlauf des Rechtsstreits (vergleiche etwa Schriftsatz vom 18.10.2022, dort Seite 1) wird lediglich unter Bezugnahme auf Urteile in anderen Verfahren ausgeführt, dass bestritten wird, dass die gesetzlichen Voraussetzungen für die streitgegenständliche Beitragsanpassung vorgelegen haben, dies hinsichtlich des Limitierungskonzepts der Prämienerhöhung.
10
Auch in der Gegenerklärung vom 23.08.2023 wird – wiederum unter umfangreicher Bezugnahme auf Rechtsprechung in weiteren Verfahren – lediglich wiederholt dargelegt, was bestritten werden soll, nämlich die Rechtmäßigkeit der Limitierungsmaßnahmen. Teilweise (Verfahren vor dem OLG München, Aktenzeichen 14 U 1458/23 e) wird der wechselseitige Schriftverkehr zwischen Gericht und dem dortigen Klägervertreter vollständig durch Einfügungen wiedergegeben. Ein wie auch immer gearteter Anhalt dafür, warum die Klagepartei davon ausgeht, dass das Limitierungkonzept unzutreffend war, wird demgegenüber wiederum nicht aufgezeigt.
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Die hier in Rede stehende Beitragsanpassung ist daher in materieller Hinsicht als rechtmäßig anzusehen.
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3. Soweit in der Gegenerklärung weiterhin ausgeführt wird, die Beitragsanpassung zum 01.01.2018 sei auch formell unwirksam, so wird auch insoweit ausschließlich Bezug genommen auf Entscheidungen anderer Gerichte, die in den Schriftsatz hineinkopiert wurden.
13
An der Auffassung der Kammer, wonach die hier in Rede stehende Beitragsanpassung auch in formeller Hinsicht (noch) den Anforderungen des § 203 Abs. 5 VVG gerecht wird, ändert dies im Ergebnis nichts. Auf den Hinweis der Kammer vom 03.08.2023 wird insoweit Bezug genommen.
II.
14
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
15
Die Feststellung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit des angefochtenen Urteils erfolgte gemäß § 708 Nr. 10 ZPO.
16
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wurde in Anwendung der §§ 47, 48 GKG bestimmt.