Titel:
An Insolvenzschuldner bezahlter Kindesunterhalt unterliegt nicht dem Insolvenzbeschlag
Normenketten:
ZPO § 850b Abs. 1 Nr. 2, § 850k, § 906 Abs. 2
InsO § 36 Abs. 1 S. 2
BGB § 399
Leitsätze:
Ein erhöhter pfändungsfreier Betrag ist durch das Insolvenzgericht festzusetzen, wenn die vom Schuldner getrennt lebende Ehefrau den Kindesunterhalt nicht auf ein Konto der minderjährigen Tochter, sondern auf das Pfändungsschutzkonto des Schuldners, über dessen Vermögen das Verbraucherinsolvenzverfahren eröffnet wurde, überweist. (Redaktioneller Leitsatz) (Rn. 11) (redaktioneller Leitsatz)
2. Unterhaltszahlungen, die der Insolvenzschuldner für ein Kind erhält, unterliegen nicht dem Insolvenzbeschlag. (Rn. 13) (redaktioneller Leitsatz)
3. Der Insolvenzschuldner hat Anspruch auf Festsetzung eines um die Unterhaltszahlungen erhöhten pfändungsfreien Betrag für sein Pfändungsschutzkonto. (Rn. 16) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Insolvenzschuldner, Pfändungsschutzkonto, Unterhaltszahlungen, pfändungsfreier Betrag
Fundstellen:
JurBüro 2024, 610
ZVI 2024, 116
ZInsO 2024, 1401
BeckRS 2023, 44557
VuR 2024, 235
LSK 2023, 44557
FDInsR 2024, 944557
Tenor
Für das Pfändungsschutzkonto des Schuldners mit der IBAN …, BIC …, bei der …, das durch die Insolvenzeröffnung vom 10.11.2022 und den daraus folgenden Insolvenzbeschlag gepfändet wurde, wird ein abweichender pfändungsfreier Betrag mit Wirkung ab 01.11.2023 auf monatlich 2.250,- € festgesetzt.
Gründe
1
Über das Vermögen des Schuldners wurde am 10.11.2022 das Verbraucherinsolvenzverfahren eröffnet und Rechtsanwalt … zum Insolvenzverwalter bestellt.
2
Das Girokonto des Schuldners mit der IBAN …, BIC …, bei der …, wird als Pfändungsschutzkonto im Sinne von § 850k ZPO geführt.
3
Der Schuldner hat mit Schreiben vom 19.09.2023 beantragt, gemäß § 36 Abs. 1 Satz 2 InsO in Verbindung mit § 906 Abs. 2 ZPO einen abweichenden pfändungsfreien Betrag für sein Pfändungsschutzkonto auf monatlich 2.250,- € festzusetzen. Zur Begründung hat er ausgeführt, dass auf seinem Pfändungsschutzkonto folgende Zahlungen eingehen:
- Arbeitseinkommen in Höhe von rund 1.900,- € monatlich. Darin seien Nachtzuschläge von rund 250,- € enthalten, die seines Wissens nach nicht pfändbar sind,
- Kindesunterhalt in Höhe von 100,- € monatlich von der Kindesmutter seiner bei ihm lebenden Tochter,
- Kindergeld in Höhe von 250,- € monatlich.
4
Zum Nachweis hat der Schuldner jeweils eine Kopie seiner Lohnabrechnungen für die Monate Mai bis Juli 2023 sowie eine Kopie der Umsatzanzeige seines Pfändungsschutzkontos vorgelegt, aus dem die Gutschrift des Unterhalts sowie des Kindergeldes ersichtlich ist.
5
Der Insolvenzverwalter wurde zu dem Antrag des Schuldners vom 19.09.2023 gehört. Er hat in seiner Stellungnahme vom 18.10.2023 beantragt, einen abweichenden pfändungsfreien Betrag lediglich auf 2.150,- € festzusetzen, weil die Unterhaltszahlung der Kindesmutter in Höhe von 100,- Euro nicht dem Pfändungsschutz unterliege.
6
Der Antrag des Schuldners vom 19.09.2023 ist zulässig und begründet.
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Der Schuldner ist verheiratet, lebt aber seit dem 01.04.2022 von seiner Ehefrau … getrennt (Blatt … d. A.). Es bestehen keine wechselseitigen Unterhaltsverpflichtungen (Blatt … d. A.). Der Schuldner ist nur gegenüber seiner am … geborenen Tochter … zum Unterhalt verpflichtet (Blatt … und … d. A.), die bei ihm lebt.
8
Der monatliche Grundfreibetrag des Schuldners für sein Pfändungsschutzkonto beträgt gemäß § 899 Abs. 1 Satz 1 ZPO 1.410,- €. Dieser erhöht sich gemäß § 902 Satz 1 Nr. 1a ZPO um 527,76 €, weil der Schuldner seiner Tochter aufgrund gesetzlicher Verpflichtung Unterhalt gewährt und gemäß § 902 Satz 1 Nr. 5 ZPO um weitere 250,- € für das Kindergeld. Diese Erhöhungsbeträge hatte der Schuldner der … jeweils durch die Vorlage einer Bescheinigung nach § 903 ZPO nachzuweisen.
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Der monatliche Freibetrag des Schuldners für sein Pfändungsschutzkonto beträgt insgesamt 2.187,76 €. Die Unterhaltszahlung der Kindesmutter in Höhe von 100,- € ist in diesem Freibetrag bereits enthalten.
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Nach § 36 Abs. 1 Satz 2 InsO in Verbindung mit § 906 Abs. 2 ZPO setzt das Insolvenzgericht (§ 36 Abs. 4 InsO) auf Antrag einen abweichenden pfändungsfreien Betrag fest, wenn sich aus einer bundes- oder landesrechtlichen Vorschrift eine solche Abweichung ergibt.
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Eine solche bundesrechtliche Vorschrift könnte § 850b Abs. 1 Nr. 2 ZPO sein. Allerdings fallen unter dieser Vorschrift nur Unterhaltsrenten, die auf einer gesetzlichen Vorschrift beruhen, sowie die wegen Entziehung einer solchen Forderung zu entrichtenden Renten, die dem Schuldner als Berechtigtem zustehen (BGH, Beschluss vom 29. 3. 2006 – VII ZB 31/05 (LG Gießen), NJW 2006, 2040 Rn. 8). Berechtigter des Kindesunterhalts ist jedoch nicht der Schuldner, dieser ist nur der Zahlungsempfänger, weil der Kindesunterhalt auf sein Pfändungsschutzkonto überwiesen wird, sondern seine Tochter …, geboren am … (§ 1601 BGB in Verbindung mit § 1591 BGB).
12
Der Unterhaltsanspruch der Tochter ist jedoch entsprechend § 399 Alt. 1 BGB nicht übertragbar und damit auch nicht pfändbar (§ 851 Abs. 1 ZPO). Es besteht ein gesetzliches Abtretungsverbot nach § 399 Alt. 1 BGB, weil die Leistung an einen anderen als den ursprünglichen Gläubiger nicht ohne Veränderung ihres Inhalts erfolgen könnte. Dem § 399 Alt. 1 BGB unterliegen auch zweckgebundene Forderungen, soweit der Zweckbindung ein schutzwürdiges Interesse zugrunde liegt (BGH, Beschluss vom 10.3.2021 – VII ZB 24/20, NJW 2021, 1322 Rn. 10).
13
Der von der Kindesmutter auf das Pfändungsschutzkonto des Schuldners überwiesene Kindesunterhalt unterliegt nach dem Urteil des BGH v. 29.11.1990 – IX ZR 94/90 (Karlsruhe), NJW 1991, 839 (841), einer besonderen, treuhandähnlichen Zweckbindung, die sich am Auszahlungsanspruch gegenüber der Bank fortsetzt. Der Unterhalt dient nämlich dazu, den Lebensunterhalt der Tochter zu bestreiten (§ 1602 BGB). Dieser Zweck würde unterlaufen, wenn der Kindesunterhalt dem Insolvenzbeschlag unterliegen würde und damit letztlich für die Schulden des Kindesvaters herangezogen werden würde.
14
Der Unterhalt gehört daher nicht zum pfändbaren Einkommen des Schuldners.
15
Der monatliche Pfändungsfreibetrag des Schuldners in Höhe von 2.187,76 € reicht nicht aus, um die Unterhaltszahlung in Höhe von 100,- € monatlich vor der Pfändung zu schützen und der Erhöhungsbetrag kann auch nicht durch die Vorlage einer Bescheinigung nach § 903 ZPO bei der … von der Pfändung geschützt werden.
16
Daher war auf Antrag des Schuldners vom 19.09.2023 gemäß § 36 Abs. 1 Satz 2 InsO in Verbindung mit § 906 Abs. 2 InsO ein abweichender pfändungsfreier Betrag durch das Insolvenzgericht (§ 36 Abs. 4 Satz 1 InsO) auf monatlich 2.250,- € festzusetzen.