Inhalt

VG Ansbach, Urteil v. 10.11.2023 – AN 16 K 23.37
Titel:

Unzuverlässigkeit durch Versendung einer Waffe ohne Sicherstellung, dass diese nur an einen waffenrechtlich Berechtigten ausgehändigt wird

Normenkette:
WaffG § 4 Abs. 1 Nr. 2, § 5 Abs. 1 Nr. 2 lit. b, § 34 Abs. 2 S. 1, § 45 Abs. 2 S. 1
Leitsätze:
1. Weist der Versender einer Waffe den Transporteur nicht an, den waffenrechtlich relevanten Inhalt nur an die berechtigte Person iSd § 34 Abs. 1 S. 1 WaffG nach Prüfung ihrer waffenrechtlichen Legitimation auszuhändigen, um so insbesondere die Zustellung an einen unberechtigten „Ersatzempfänger“ auszuschließen, so verstößt er gegen eine grundlegende waffenrechtliche Verpflichtung, die im Interesse der öffentlichen Sicherheit und Ordnung verhindern soll, dass Waffen oder Munition in die Hände unberechtigter Dritter und damit solcher Personen gelangen, bei denen insbesondere die waffenrechtliche Zuverlässigkeit, Eignung und Sachkunde nicht überprüft wurden. (Rn. 23) (Rn. 26) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Verpackung muss darüber hinaus Gewähr dafür bieten, dass sie allen Beanspruchungen zuverlässig standhält, denen sie erfahrungsgemäß beim Transport ausgesetzt ist, und ein Abhandenkommen der gesamten Waffe oder von Teilen verhindert wird. (Rn. 25) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Waffenrecht, Unzuverlässigkeit, Waffenversand mit D., Empfangsberechtigung, Verpackung der Waffe, Widerruf waffenrechtlicher Erlaubnisse, Überlassen von Waffen an Dritte, Verlustgefahr, Ersatzempfänger, Verpackungsfehler
Fundstelle:
BeckRS 2023, 44409

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Tatbestand

1
Der Kläger wendet sich gegen den Widerruf seiner sieben Waffenbesitzkarten (mit insgesamt 45 eingetragenen Waffen bzw. Waffenteilen), seines Kleinen Waffenscheins und des Europäischen Feuerwaffenpasses.
2
Am 27. Juni 2022 versandte der Kläger die in seine Waffenbesitzkarte Nr. … eingetragene halbautomatische Büchse Hersteller Kolarms, Kaliber 9mmLuger zerlegt mit dem Transportdienstleister D. an die Firma …, adressiert an „… […]“.
3
Nachdem … dem Kläger mit Email vom 6. Juli 2022 mitteilte, die Waffe ohne zugehörigen Verschluss erhalten zu haben, zeigte der Kläger gegenüber dem Landratsamt … sowie dem Transportdienstleister D. mit Emails vom 6. Juli 2022 den Verlust des Verschlusses der Waffe an.
4
Am 7. Juli 2022 erstattete der Kläger Diebstahlsanzeige gegen Unbekannt.
5
Ausweislich der D.-Sendungsverfolgung vom 6. Juli 2022 (vgl. Bl. 5 ff. der Behördenakte) wurde die am 27. Juni 2022 durch den Kläger zum Versand aufgegebene Waffe am 4. Juli 2022 aufgrund einer Beschädigung der Umverpackung im Güterverkehrszentrum (GVZ) B. neu verpackt und am 6. Juli 2022 an … zugestellt.
6
Nach Mitteilung des Landratsamtes … vom 3. August 2022 ist … nicht im Besitz einer waffenrechtlichen Erlaubnis.
7
Mit Schreiben vom 4. August 2022 hörte das Landratsamt den Kläger zum beabsichtigten Widerruf seiner Waffenbesitzkarten, des Kleinen Waffenscheins sowie des Europäischen Feuerwaffenpasses an, woraufhin sich der Kläger über seinen Bevollmächtigten schriftlich äußerte. Beigefügt war ein Schreiben der Vorstandschaft des … ausweislich dessen der Kläger 2. Vorstand, Sportleiter, Referent für Kurzwaffen und eine tragende Stütze des Vereines sei. Er sei zuverlässig und gewissenhaft. Die Aberkennung seiner Zuverlässigkeit und der damit einhergehende Wegfall der Ehrenämter (Waffen- und Munitionsausgabe etc.) würden einen schweren Verlust für den Verein bedeuten. Auf die Schreiben wird Bezug genommen.
8
Mit Bescheid vom 8. Dezember 2022 widerrief das Landratsamt die dem Kläger ausgestellten Waffenbesitzkarten (Ziffer 1), den Kleinen Waffenschein (Ziffer 2) und den Europäischen Feuerwaffenpass (Ziffer 3). In Ziffer 4 stellte das Landratsamt fest, dass mit Aushändigung des Bescheides die erteilte Erlaubnis zur Ausübung der tatsächlichen Gewalt über sämtliche in den Waffenbesitzkarten eingetragenen Waffen sowie die zu diesen Waffen eingetragenen Erlaubnisse zum Erwerb und Besitz der Munition zu widerrufen seien. Es verpflichtete den Kläger, die in Ziffer 4 des Bescheides aufgeführten Waffen und jedwede vorhandene Munition bis zum 28. Februar 2023 unbrauchbar zu machen oder einem Berechtigten zu überlassen und die Unbrauchbarmachung oder die Überlassung der Waffen und Munition an einen Berechtigten schriftlich nachzuweisen (Ziffer 5). In Ziffer 6 ordnete das Landratsamt an, der Kläger habe jeweils die Originale seiner Waffenbesitzkarten bis spätestens 28. Februar 2023 an das Landratsamt zurückzugeben. In Ziffer 7 wurde festgestellt, dass mit dem Tage der Zustellung des Bescheides die Erlaubnis zum Führen einer Waffe erloschen sei. In Ziffern 8 und 9 ordnete das Landratsamt die Rückgabe des Kleinen Waffenscheins sowie des Europäischen Feuerwaffenpasses jeweils bis zum 15. Januar 2023 an. In Ziffer 10 drohte das Landratsamt dem Kläger die Sicherstellung der Schusswaffen und Munition durch die Polizei an, wenn er seiner Verpflichtung aus Ziffer 5 des Bescheides bis zum 28. Februar 2023 nicht nachkomme. In Ziffer 12 ordnete das Landratsamt die sofortige Vollziehung der Ziffern 5, 6, 8 und 9 des Bescheides an. Es stützte seine Entscheidung auf § 45 Abs. 2 Satz 1 Waffengesetz (WaffG) und die Unzuverlässigkeit des Klägers gemäß § 4 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b) und c) WaffG. Im Übrigen wird auf den Bescheid Bezug genommen.
9
Mit Schriftsatz vom 5. Januar 2023 hat der Kläger über seinen Bevollmächtigten gegen den Bescheid Klage erhoben und einen Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO gestellt.
10
Zur Begründung lässt der Kläger im Wesentlichen vortragen, im vorliegenden Fall spreche nichts dafür, dass er Waffen missbräuchlich verwendet habe. Er habe zehn Jahre lang legal und beanstandungsfrei Waffen besessen. Er sei sorgfältig und sachgemäß mit der versendeten Waffe umgegangen. Der Versand sei in einem im Beförderungsverkehr üblichen Verpackungskarton erfolgt und die Waffe zusätzlich durch geknülltes Zeitungspapier im Karton fixiert gewesen, um ein Verrutschen bzw. Wackeln zu verhindern. Dies entspreche der gängigen Praxis und sei angemessen und üblich. D. sei ein gewerbsmäßiger Transporteur i.S.d. § 12 WaffG. Zu keinem Zeitpunkt sei die Waffe an Nichtberechtigte im Sinne des Waffengesetzes überlassen worden. Bei der Ankunft des Paketes sei … anwesend gewesen. Zulässigerweise habe er sich aber zusätzlich einer von ihm beaufsichtigten Person, nämlich seiner Mutter, welche das Paket in seiner Anwesenheit angenommen und quittiert habe, bedient. … verfüge über eine Waffenhandels- und gewerbliche Waffenherstellungserlaubnis sowie viele weitere Berechtigungen. Eine Abgabe des Paketes in der Nachbarschaft wäre nicht erfolgt, der Geschäftsbetrieb der Firma … werde dauerhaft und zuverlässig aufrechterhalten. Die Entgegennahme von Pakten sei gewährleistet. Es habe sich vielmehr das allgemeine Risiko, welches jedem Transport anhafte, realisiert. Auf den Transport habe der Kläger nur sehr geringe Einflussmöglichkeiten. Eventuelle unvorhersehbare Unregelmäßigkeiten oder Versäumnisse des Transporteurs könnten nicht zu Lasten des Klägers gehen. Es müsse genügen, dass der Kläger einen seriösen Versender ausgesucht habe. Der entstandene Transportschaden müsse von einem außergewöhnlichen Ereignis, z.B. Gabelstapler, herrühren, was dem Kläger nicht zuzurechnen sei. Noch am selben Tag des Bekanntwerdens des Verlustes eines Waffenteils habe der Kläger die Sendungsverfolgung eingeleitet. Über den Verlust habe der Kläger unverzüglich nach Kenntnis Mitteilung erstattet und sich insgesamt im Rahmen des Versands an die geltenden Bestimmungen des Waffenrechts gehalten. Nach Aussage des Zeugen … sei es üblich, Waffen mit D. ohne ID-Prüfung zu versenden. In 13 Jahren Waffenhandel sei bei ihm keine Waffe beim Versand verloren gegangen oder falsch abgegeben worden.
11
Der Kläger beantragt,
Der Bescheid des Landratsamts …, Az. … vom 8. Dezember 2022, eingegangen am 16. Dezember 2022, wird aufgehoben.
12
Der Beklagte beantragt
Klageabweisung und bezieht sich zur Begründung auf den angegriffenen Bescheid.
13
Der Kläger sei unzuverlässig im Sinne des Waffenrechts. Mit dem Versanddienstleister D. habe er kein Unternehmen ausgesucht, welches auf den Versand von Waffen bzw. Waffenteilen und die damit einhergehende notwendige besondere Sorgfalt spezialisiert sei. Ein Versäumnis habe bereits in der Auswahl des Transportunternehmens gelegen. Die ordnungsgemäße Beförderung u.a. auch gemäß der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Waffengesetz (WaffVwV) sei daher nicht gewährleistet gewesen. Zudem sei bei der gewählten Beförderungsart nicht sichergestellt gewesen, dass die Sendung ausschließlich an die berechtigte Person ausgehändigt wird. Der Überlassende sei für die Prüfung der Erwerbsberechtigung des letztlich empfangenden Dritten verantwortlich. Darüber hinaus sei das vom Kläger verwendete Versandbehältnis nicht hinreichend stabil gewesen und die Einzelteile der Waffe seien im Behältnis nicht gesondert gesichert gewesen. Entgegen der Auffassung des Klägers sei dieser für Probleme während des Transports verantwortlich. Die Problematik des vorliegenden Sachverhalts läge im Verlust eines wesentlichen Waffenteiles, sodass dahinstehen könne, dass D. dem Kläger den Schaden mittlerweile erstattet habe. Der Kläger habe bereits erfahren müssen, dass der Versand von Waffen durch D. mit nicht unerheblichen Risiken verbunden sei, da er dem Landratsamt bereits am 17. September 2019 den Verlust einzelner Waffenteile beim Versand durch D. angezeigt habe. Trotzdem habe der Kläger erneut die im Vergleich zu Waffentransportunternehmen preisgünstigere Alternative gewählt und damit billigend das Risiko des Abhandenkommens oder der Beschädigung seines Pappkartons in Kauf genommen.
14
Den gleichzeitig mit der Klage gestellten Antrag, die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid des Landratsamtes … vom 8. Dezember 2022 anzuordnen bzw. wiederherzustellen (AN 16 S 23.36) lehnte die Kammer mit Beschluss vom 27. Januar 2023 ab. Die dagegen eingelegte Beschwerde wies der Bayerische Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 2. Mai 2023 zurück (24 CS 23.318).
15
Mit Beschluss vom 28. Juli 2023 ist der Rechtsstreit auf die Einzelrichterin übertragen worden.
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Bezüglich der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte sowie die vorgelegte Behördenakte Bezug genommen. Für den Verlauf der mündlichen Verhandlung am 10. November 2023 wird auf das Sitzungsprotokoll verwiesen.

Entscheidungsgründe

17
Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Bescheid des Beklagten vom 8. Dezember 2022 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Der Widerruf der waffenrechtlichen Erlaubnisse des Klägers sowie der Erlass der einschlägigen Nebenbestimmungen ist rechtlich nicht zu beanstanden.
18
1. Der unter Ziffern 1, 2 und 3 verfügte Widerruf der Waffenbesitzkarten des Klägers, des Kleinen Waffenscheins sowie des Europäischen Feuerwaffenpasses ist rechtmäßig.
19
a) Rechtsgrundlage für den Widerruf ist jeweils § 45 Abs. 2 Satz 1 WaffG. Danach sind Erlaubnisse nach dem Waffengesetz, zu denen die Waffenbesitzkarten, der Kleine Waffenschein sowie der Europäische Feuerwaffenpass gehören, zu widerrufen, wenn nachträglich Tatsachen eintreten, die zur Versagung hätten führen müssen.
20
Eine waffenrechtliche Erlaubnis ist gemäß § 4 Abs. 1 Nr. 2, § 5 WaffG unter anderem dann zu versagen, wenn der Antragsteller die erforderliche Zuverlässigkeit nicht besitzt. Gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b) WaffG besitzen die erforderliche Zuverlässigkeit Personen nicht, bei denen Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie mit Waffen oder Munition nicht vorsichtig oder sachgemäß umgehen oder diese Gegenstände nicht sorgfältig verwahren werden. Gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c) WaffG gilt dies auch für Personen, bei denen Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie Waffen oder Munition Personen überlassen werden, die zur Ausübung der tatsächlichen Gewalt über diese Gegenstände nicht berechtigt sind.
21
Vorliegend besitzt der Kläger die für eine waffenrechtliche Erlaubnis nach § 4 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 1 WaffG erforderliche Zuverlässigkeit nicht, weil Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass er mit Waffen oder Munition nicht sachgemäß umgehen wird und diese Personen überlassen wird, die zur Ausübung der tatsächlichen Gewalt über diese Gegenstände nicht berechtigt sind (§ 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b) und c) WaffG).
22
Gemäß § 34 Abs. 1 Satz 1 WaffG gehört es zu einem sachgemäßen Umgang mit Waffen oder Munition, diese nur berechtigten Personen zu überlassen. Die Berechtigung muss nach Satz 2 offensichtlich sein oder nachgewiesen werden. Gemäß Ziff. 34.1 WaffVwV ist der Überlassende im Fall der gewerbsmäßigen Beförderung von Waffen oder Munition für die Prüfung der ausreichenden Berechtigung des letztlich empfangenden Dritten verantwortlich, wobei sich die Prüfung der Berechtigung des Empfängers auf den waffenrechtlichen Sachverhalt insgesamt zu erstrecken hat. Gemäß § 34 Abs. 2 Satz 3 WaffG wird die Waffe bereits mit der Übergabe des Paketes an den gewerbsmäßigen Transportdienstleister, der gemäß § 12 Abs. 1 Nr. 2 WaffG keine Erlaubnis zum Erwerb und Besitz einer Waffe bedarf, dem letztlich empfangenden Dritten überlassen.
23
Seiner Pflicht aus § 34 Abs. 1 Satz 1 WaffG, Waffen oder Munition nur berechtigten Personen zu überlassen, ist der Kläger bei dem Versand der Waffe Kolarms Kaliber 9mmLuger nicht nachgekommen. Er hat es unterlassen, den Transportdienstleister D. nach den Allgemeinen Geschäftsbedingungen anzuweisen (vgl. AGB D. Paket, hier Ziffer 4 Abs. 2 https://www.dhl.de/content/dam/images/pdf/dhl-agb-paket-express-national-042022.pdf, 26.01.2023), die waffenrechtlich relevanten Gegenstände nur an eine berechtigte Person i.S.d. § 34 Abs. 1 Satz 1 WaffG auszuhändigen, um so insbesondere die Zustellung an einen unberechtigten Ersatzempfänger – wie hier …, eine Person, die über keinerlei waffenrechtliche Erlaubnisse verfügt – auszuschließen. Dies hätte er bereits bei Übergabe an den Transporteur sicherstellen müssen, da gemäß § 34 Abs. 2 Satz 3 WaffG die Waffe bereits mit der Übergabe des Paketes an diesen dem letztlich empfangenden Dritten überlassen wird. Der Kläger durfte nach den Allgemeinen Geschäftsbedingungen von D. nicht davon ausgehen und darauf vertrauen, dass das Paket ausschließlich an den auf dem Paketschein benannten Adressaten … als Inhaber der Firma … (bei dem eine ausreichende Berechtigung gemäß Ziffer 34.1. WaffVwV wohl offensichtlich anzunehmen wäre) oder ebenfalls berechtigte Mitarbeiter zugestellt wird. In Ansehung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Transportdienstleisters D. zur zulässigen Ersatzzustellung (vgl. hier Ziffer 4 Abs. 3), wonach Ersatzempfänger stets z. B. auch Angehörige des Empfängers oder Nachbarn sein können, hätte sich die Prüfung des Klägers bzgl. der Berechtigung des Empfängers auch auf die Sicherstellung der ausschließlichen Zustellung an diesen erstrecken müssen.
24
Für das Gericht war in diesem Zusammenhang unerheblich, welche Angaben der Inhaber der Fa. …, …, zu den üblichen Gepflogenheiten beim Versand von Waffen oder der konkreten Paketannahme im vorliegenden Fall bereits vorgebracht hat bzw. hätte noch vorbringen können. Der dies bzgl. Beweisanregung hinsichtlich einer Zeugeneinvernahme des … musste das Gericht im Rahmen seiner Amtsermittlungspflicht gemäß § 86 Abs. 1 VwGO nicht nachkommen. Der Verstoß des Klägers gegen die waffenrechtlichen Sorgfaltsplichten war zum Zeitpunkt der Aufgabe des Paketes und damit folglich auch bei Annahme des Paketes durch … bereits begangen, sodass letztlich unerheblich ist, in welcher Form sich das hervorgerufene Risiko tatsächlich konkret realisiert hat. Diese weiteren Umstände sind jedenfalls nicht geeignet, das Verhalten des Klägers im Nachhinein zu legitimieren (vgl. hierzu auch BayVGH, B.v. 2.5.2023 – 24 CS 23.318 – juris Rn. 16). Irrelevant ist in diesem Zusammenhang daher auch der Vortrag, dass faktisch stets eine Entgegennahme von Paketen durch eine berechtigte Person der Firma … gewährleistet sei (was im vorliegenden Fall jedoch nicht zutraf), mithin eine Abgabe in der Nachbarschaft ausscheide. Jedenfalls war im Zeitpunkt der Übergabe der Waffe oder Munition an den gewerbsmäßigen Beförderer seitens des Klägers die Erwerbsberechtigung des Empfängers gerade nicht sichergestellt, sodass eine Zustellung und damit Überlassung iSd § 34 Abs. 1 Satz 1 WaffG an eine waffenrechtlich nichtberechtigte Person, nämlich …, tatsächlich doch möglich war.
25
b) Gemäß § 34 Abs. 2 Satz 1 WaffG müssen im Falle der Überlassung von Waffen oder Munition zur gewerbsmäßigen Beförderung zudem die ordnungsgemäße Beförderung sichergestellt und Vorkehrungen gegen ein Abhandenkommen getroffen sein. Auch dieser Verpflichtung ist der Kläger ausweislich der Verpackung der Waffe in einem – nach seinen Angaben – wiederverwerteten Pappkarton der Firma … und dem bloßen Umschlagen der Waffenteile mit etwas Zeitungs- bzw. Packpapier ohne weitere Verpackung der Waffenteile (vgl. Bl. 8 ff. der Behördenakte) nicht nachgekommen. Die Verpackung bot ausweislich der vorhandenen Lichtbilder keine Gewähr (mehr) dafür, dass sie allen Beanspruchungen zuverlässig standhält, denen sie erfahrungsgemäß beim Transport ausgesetzt ist, und ein Abhandenkommen der gesamten Waffe oder von Teilen verhindert wird (vgl. hierzu auch BayVGH, B.v. 2.5.2023 – 24 CS 23.318 – juris Rn. 1). Der Kläger hat den Transportdienstleister auch nicht über den Inhalt der Sendung informiert (vgl. Ziff. 36.3.1 WaffVwV) und sichergestellt, dass ihm der Beförderer das Abhandenkommen von Schusswaffen oder Munition unverzüglich mitteilt (vgl. Ziff. 36.3.2 WaffVwV).
26
Indem der Kläger seinen Obliegenheiten nicht nachgekommen ist, verstieß er gegen eine grundlegende waffenrechtliche Verpflichtung, die im Interesse der öffentlichen Sicherheit und Ordnung verhindern soll, dass Waffen oder Munition in die Hände unberechtigter Dritter und damit solcher Personen gelangen, bei denen insbesondere die waffenrechtliche Zuverlässigkeit, Eignung und Sachkunde nicht überprüft wurden (vgl. zu alledem BayVGH, B.v. 25.10.2017 – 21 CS 17.1077 – juris Rn. 11; B.v. 2.5.2023 – 24 CS 23.318 – juris Rn. 15 ff.).
27
c) Die vorliegenden Verstöße rechtfertigen die Annahme, dass der Kläger auch künftig mit Waffen oder Munition nicht vorsichtig oder sachgemäß umgeht oder diese Gegenstände nicht sorgfältig verwahrt oder Waffen oder Munition Personen überlässt, die zur Ausübung der tatsächlichen Gewalt über diese Gegenstände nicht berechtigt sind.
28
Das Erfordernis der Zuverlässigkeit dient der Feinsteuerung von behördlichen Entscheidungen und soll Gefahren für die Allgemeinheit oder Dritte vermeiden. Entsprechend dieser Funktion geht es nicht um die Sanktionierung von Fehlverhalten, sondern um die Gewährleistung künftig ordnungsgemäßen und insbesondere gefahrlosen und rechtstreuen Agierens. Somit verlangt die Zuverlässigkeitsprüfung die Vornahme einer Prognose (vgl. BVerwG, B.v. 10.7.2018 – 6 B 79.18 – juris Rn. 6). Diese unterliegt der vollen gerichtlichen Kontrolle (vgl. OVG RhPf, U.v. 28.6.2018 – 7 A 11748/17 – juris Rn. 26). Maßgeblich für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Prognose und des Bescheids im Übrigen ist dabei die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung (vgl. BayVGH, B.v. 18.8.2008 – 21 BV 06.3271 – juris Rn. 25). Alle zu diesem Zeitpunkt vorhandenen und rechtlich relevanten Umstände dürfen für die Prognose herangezogen werden (vgl. BayVGH, B.v. 3.8.2023 – 24 CS 23.1075 – juris Rn. 23). Die diesbzgl. anzustellende Prognose hat sich an dem Zweck zu orientieren, die Risiken, die mit jedem Waffenbesitz ohnehin verbunden sind, nur bei solchen Personen hinzunehmen, die nach ihrem Verhalten Vertrauen darin verdienen, dass sie mit Waffen und Munition jederzeit und in jeder Hinsicht ordnungsgemäß umgehen. Dieses Vertrauen kann einer Person nicht (mehr) entgegengebracht werden, wenn sie eine waffenrechtliche Verpflichtung missachtet, die einem vordringlichen und wesentlichen Ziel des Waffengesetzes dient (vgl. BVerwG, U.v. 22.10.2014 – 6 C 30.13 – NJW 2015, 1127).
29
Dies ist bei den vorgenannten Verstößen gegen § 34 Abs. 1 und 2 WaffG der Fall, die gewährleisten sollen, dass Waffen nicht an Unberechtigte gelangen, und gilt vorliegend vor allem auch vor dem Hintergrund, dass dem Kläger die Verlustgefahren beim Versand durch D. bereits bekannt sein mussten, da an ihn adressierte Waffenteile 2019 beim Versand durch D. gänzlich abhandengekommen waren. Der Kläger hat billigend in Kauf genommen, dass es erneut zu einem solchen Verlust kommen kann und damit gezeigt, dass er die im Waffenrecht erforderliche Sorgfalt nicht besitzt. Vor diesem Hintergrund kann im Rahmen der Prognose nicht zu Gunsten des Klägers entscheidend ins Gewicht fallen, dass er, nachdem ihm der Verlust des Waffenteils bekannt wurde, seinen Anzeigepflichten etc. zeitnah und gewissenhaft nachgekommen ist, um weiteren Schaden abzuwenden.
30
Entgegen den Ausführungen des Klägerbevollmächtigten ist eine günstige Prognose auch nicht deshalb veranlasst, weil der Kläger sich über Jahre beanstandungsfrei im Schützenverein engagiert habe und die Unzuverlässigkeitsfeststellung bzgl. des Klägers einen erheblichen Verlust für den Verein darstellen würde. Dem Kläger hätten seine waffenrechtlichen Pflichten in Anbetracht seiner verantwortlichen Position im Schützenverein umso präsenter sein müssen und ihm daran gelegen sein müssen, sich nichts zu Schulden kommen zu lassen. Die vom Kläger wiederholt missachtete Sorgfalt im Zusammenhang mit dem Versand von Waffen zeigt vielmehr seine sorglose Fehleinstellung im Umgang mit Waffen. Es liegt auch kein außergewöhnlich langer Zeitraum zwischen der Anhörung bzw. dem zugrundeliegenden Verstoß und dem Bescheidserlass, der die Prognose zu Gunsten des Klägers beeinflussen könnte (vgl. BayVGH, B.v. 25.10.2017 – 21 CS 17.1077 – juris Rn. 13).
31
Im Rahmen der Prognose fällt auch nicht zu Gunsten des Klägers ins Gewicht, dass er – so sein Vortrag – im Schützenverein noch in verantwortlicher Position tätig sei, für diesen weitere Waffenbesitzkarten besitze und zudem noch im Besitz einer Sprengstofferlaubnis sei, die der Beklagte bislang nicht (v.a. nicht in zeitlichem Zusammenhang mit den streitgegenständlichen Erlaubnissen) widerrufen habe. Der Kläger schließe daraus, dass er nicht beanstandenswert unzuverlässig sein könne, v.a. wenn die Behörde ihm seine übrigen waffenrechtlichen Erlaubnisse belasse, von denen er theoretisch jederzeit Gebrauch machen könne.
32
Dieses Vorgehen der Behörde ist jedoch keine den Kläger entlastende Gegebenheit. Es handelt sich weder um eine Tatsache, auf die der Kläger Einfluss gehabt hätte noch eine, die sein eigenes Handeln betrifft und dieses für die anzustellende Prognose in einem anderen, positiveren Licht erscheinen lässt. Schlüsse auf das künftige Verhalten des Klägers lassen sich hieraus nicht ziehen. Gleiches gilt für Entscheidungen des Vereins bzgl. der dortigen Verantwortlichkeiten des Klägers. Für die Prognose der Zuverlässigkeit kommt es zudem auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung an. Eine Verpflichtung, sämtliche waffenrechtliche Erlaubnisse zeitgleich zu widerrufen besteht nicht.
33
2. Rechtgrundlage für die dem Kläger aufgegebene Verpflichtung, seine Waffen einem Berechtigten zu überlassen oder unbrauchbar zu machen und dies dem Landratsamt schriftlich nachzuweisen sowie die Waffenbesitzkarten, den Kleinen Waffenschein und den Europäischen Feuerwaffenpass zurückzugeben, ist § 46 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 WaffG, dessen Voraussetzungen vorliegend erfüllt sind. Ermessensfehler im Rahmen der Anwendung der Kannvorschrift des § 46 Abs. 2 WaffG sind nicht vorgetragen und auch sonst nicht ersichtlich.
34
Im Übrigen wird gemäß § 117 Abs. 5 VwGO auf den angegriffenen Bescheid des Beklagten sowie in analoger Anwendung von § 117 Abs. 5 VwGO auf die Entscheidung der Kammer im Eilverfahren (27.1.2023, AN 16 S 23.36) sowie den Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (2.5.2023, 24 CS 23.318) verwiesen.
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Nach alledem war die Klage abzuweisen.
36
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.