Titel:
Bindungswirkung nach erster Aufhebung durch das Revisionsgericht bei doppelrelevanten Tatsachen
Normenkette:
StPO § 358 Abs. 1
Schlagworte:
Bindungswirkung, Aufhebung und Zurückverweisung, doppelrelevante Tatsachen, Strafzumessungstatsachen
Vorinstanz:
AG Passau, Urteil vom 07.12.2022 – 10 Ds 27 Js 2858/22
Rechtsmittelinstanz:
BayObLG, Beschluss vom 22.02.2024 – 206 StRR 59/24
Fundstelle:
BeckRS 2023, 44193
Tenor
I. Der Angeklagte ist mit Urteil des Amtsgerichts Passau vom 07.12.2022 rechtskräftig schuldig gesprochen worden wegen Einschleusens von Ausländern nach §§ 96 Abs. 1 Nr. 1 a, 1 b, 95 Abs. 1 Nr. 1–3, 14 Abs. 1, 3 Abs. 1, 4 Abs. 1 AufenthG, 44, 56 StGB.
II. Der Angeklagte ist mit Urteil des Landgerichts Passau vom 23.05.2023 rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von 1 Jahr und 2 Monaten verurteilt worden.
Ihm wurde außerdem rechtskräftig für die Dauer von 3 Monaten verboten, im Straßenverkehr Kraftfahrzeuge aller Art zu führen.
III. Auf die Berufung der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Amtsgerichts Passau vom 07.12.2022 dahingehend abgeändert, dass die Aussetzung der Vollstreckung der Freiheitsstrafe zur Bewährung zum Wegfall kommt.
IV. Die Kosten des Berufungsverfahrens und der Revision trägt der Angeklagte.
Entscheidungsgründe
1
Der Angeklagte wurde durch Urteil des Amtsgerichts Passau, Strafrichter, am 07.12.2022 wegen Einschleusens von Ausländern zu einer Freiheitsstrafe von einem 1 Jahr verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Zudem wurde ihm für die Dauer von 3 Monaten verboten, im Straßenverkehr Kraftfahrzeuge jeder Art zu führen.
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Gegen dieses Urteil legte die Staatsanwaltschaft P. durch Schriftsatz vom 08.12.2022, eingegangen bei Gericht am selben Tage, form- und fristgerecht Berufung ein, wobei dieses Rechtsmittel auf die Rüge des Rechtsfolgenausspruches beschränkt wurde.
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Mit Urteil des Landgerichts Passau, 1. Kleine Strafkammer, vom 23.05.2023 wurde der Angeklagte unter Abänderung des Urteils des Amtsgerichts Passau zu einer Freiheitsstrafe von 1 Jahr und 2 Monaten unter Beibehaltung des Fahrverbots verurteilt.
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Die form- und fristgerecht eingelegte Revision des Angeklagten vom 30.05.2023 führte zu dem Beschluss des BayOLG vom 22.09.2023, mit dem das Urteil des LG Passau aufgehoben wurde, soweit die Aussetzung der Vollstreckung zur Bewährung versagt worden ist. Das Verfahren wurde an das Landgericht Passau zu neuer Verhandlung und Entscheidung auch über die Kosten der Revision an eine andere Kammer des Landgerichts Passau zurückverwiesen.
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1. Der ... 1989 in W... geborene Angeklagte wuchs in W... auf; seine Eltern stammen beide aus der Türkei. Der Angeklagte hat die österreichische Staatsangehörigkeit.
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Er besuchte in W... die Grund- und Hauptschule, sowie nachfolgend eine Berufsschule. Nach der Schule absolvierte er eine Lehre im Bereich des Karosseriebaus. Nach der Ausbildung leistete der Angeklagte in den Jahren 2008/2009 insgesamt 9 Monate lang den Dienst im Bundesheer. Anschließend war er ca. 1–2 Jahre als Warenzusteller bei der Firma ... tätig. 2010 wechselte der Angeklagte seinen Arbeitsbereich und war sodann etwa 1–2 Jahre als Verkäufer in einer Bäckerei beschäftigt. Danach war er mehrere Monate arbeitslos. In den Jahren 2012 bis 2014/2015 arbeitete er als Metallbauer und in den Jahren 2017 bis 2020 als Taxifahrer. Seit 2020 war er arbeitslos.
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Seit 01.10.2023 arbeitet er an 5 Tagen/Woche insgesamt 30 Stunden/Woche bei der T... GmbH in W... als Aushilfskellner und Küchenhelfer. Das Arbeitsverhältnis ist unbefristet.
8
Am 24.07.2023 hat der Angeklagte ausweislich des vorgelegten Zeugnisses der Fachgruppe für Beförderungswesen mit PKW vom 26.07.2023 die Kenntnisse für den nichtlinienmäßigen Personenverkehr 1994 nachgewiesen.
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Der Angeklagte war seit 2011 verheiratet und ist inzwischen durch Beschluss des Bezirksgerichts Innere Stadt W... seit 25.07.2023 geschieden.
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Er hat mit seiner früheren Ehefrau G... S... zwei Kinder, nämlich D... S... geb. ...2013 und M... S..., geb. ... 2015, die beide schulpflichtig sind.
11
Die Ehefrau lebt bei ihren Eltern, der Angeklagte mit den Kindern in der früheren Ehewohnung in W.... Auch die Eltern des Angeklagten, wie auch die beiden Geschwister des Angeklagten leben in W....
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Der Angeklagte erhält derzeit ein Bruttogehalt in Höhe von ca. 1.350,00 Euro im Monat sowie Wohnbeihilfe in Höhe von 450 €. Schulden wurden nicht angegeben. Ob dem Angeklagten Kindergeld nach österreichischem Recht zusteht oder dieses der Ehefrau ausbezahlt wird, ist ihm nicht bekannt.
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2. In der Bundesrepublik Deutschland ist der Angeklagte bislang nicht strafrechtlich verurteilt worden.
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Die Auskunft aus dem österreichischen Strafregister weist 4 Eintragungen auf.
15.04.2008 Bezirksgericht Schwechat (052) – 11 U 25/2008H –
Rechtskräftig seit 19.04.2008
Tatbezeichnung: Sonstige Straftaten
Datum der (letzten) Tat: 21.12.2007
Angewendete Vorschriften: PAR 88/1 94/1 StGB
Entscheidungsdaten - Urteilsstaat: Österreich.
Entscheidungsdaten - Übertragbarkeit: Keine Übermittlungsbeschränkung.
Tat - Straftatenkategorie: Sonstige Straftaten.
Tat - nationale Bezeichnung: Sonstige Straftaten.
Sanktion - Kategorie: Geldstrafe nach Tagessätzen.
Sanktion - Vollzugsende: 21.11.2008.
Sanktion - Anzahl Geldstrafen: 100.
Sanktion - Höhe Geldstrafe: 2,00.
Sanktion - Währung: EURO.
Sanktion - nationaler Code: 4Z.
Sanktion - nationale Bezeichnung: Geldstrafe Tagsatz mit Ersatzfreiheitsstrafe.
Sanktion - Multiplikator: I.
Sanktion - Kategorie: Freiheitsstrafe.
Sanktion - Freiheitsstrafe (Dauer): 50 Tag(e).
Sanktion - Vollzugsende: 21.11.2008.
Sanktion - nationaler Code: IF.
Sanktion - nationale Bezeichnung: Freiheitsstrafe.
Sanktion - Alternative: Alternative Strafe/Maßnnahme bei Missachtung der Hauptstrafe.
Sanktion - Multiplikator: I.
Sanktion - Sanktionsdauer: 50 Tag(e).
nachträgliche Entscheidung - ID: D-00101.
nachträgliche Entscheidung - Art der Änderung: Beendigung der Strafe.
nachträgliche Entscheidung - Entscheidungsdatum: 24.11.2008.
nachträgliche Entscheidung - Erkennende Stelle BKZ: 052.
nachträgliche Entscheidung - Erkennende Stelle: Bezirksgericht Schwechat.
Verknüpfung - Quelle: D-00101.
Verknüpfung - Ziele: O-00101.
Verknüpfung - Quelle: D-00101.
Verknüpfung - Ziele: S-00101, S-00102.
Verknüpfung - Quelle: S-00101.
Verknüpfung - Ziele: O-00101.
Verknüpfung - Quelle: S-00102.
Verknüpfung - Ziele: O-00101.
Verknüpfung - Quelle: S-00102.
Verknüpfung - Ziele: S-00101.
02.05.2011 Bezirksgericht Favoriten (011) – 22 U 50/2011Z –
Rechtskräftig seit 06.05.2011
Tatbezeichnung: Sonstige Straftaten
Datum der (letzten)Tat: 05.10.2010
Angewendete Vorschriften: PAR 88/1 U 3 StGB
Entscheidungsdaten - Urteilsstaat: Österreich.
Entscheidungsdaten - Übertragbarkeit: Keine Übermittlungsbeschränkung.
Tat - Straftatenkategorie: Sonstige Straftaten.
Tat - nationale Bezeichnung: Sonstige Straftaten.
Sanktion - Kategorie: Geldstrafe nach Tagessätzen.
Sanktion - Vollzugsende: 05.09.2011.
Sanktion - Anzahl Geldstrafen: 180.
Sanktion - Höhe Geldstrafe: 4,00.
Sanktion - Währung: EURO.
Sanktion - nationaler Code: 4Z.
Sanktion - nationale Bezeichnung: Geldstrafe Tagsatz mit Ersatzfreiheitsstrafe.
Sanktion - Multiplikator: I.
Sanktion - Kategorie: Freiheitsstrafe.
Sanktion - Freiheitsstrafe (Dauer): 90 Tag(e).
Sanktion - Vollzugsende: 05.09.2011.
Sanktion - nationaler Code: IF.
Sanktion - nationale Bezeichnung: Freiheitsstrafe.
Sanktion - Alternative: Alternative Strafe/Maßnahme bei Missachtung der Hauptstrafe.
Sanktion - Multiplikator: 1.
Sanktion - Sanktionsdauer: 90 Tag(e).
nachträgliche Entscheidung - ID: D-00201.
nachträgliche Entscheidung - Art der Änderung: Beendigung der Strafe.
nachträgliche Entscheidung - Entscheidungsdatum: 09.09.2011.
nachträgliche Entscheidung - Erkennende Stelle BKZ: 011.
nachträgliche Entscheidung - Erkennende Stelle: Bezirksgericht Favoriten.
Verknüpfung - Quelle: D-00201.
Verknüpfung - Ziele: O-00201.
Verknüpfung - Quelle: D-00201.
Verknüpfung - Ziele: S-00201, S-00202.
Verknüpfung - Quelle: S-00201.
Verknüpfung - Ziele: O-00201.
Verknüpfung - Quelle: S-00202.
Verknüpfung - Ziele: O-00201.
Verknüpfung - Quelle: S-00202.
Verknüpfung - Ziele: S-00201.
26.04.2018 Landesgericht für Strafsachen Wien (046) -091 HV 22/2018y
Rechtskräftig seit 01.05.2018
Tatbezeichnung: Nötigung, Druck, beharrliche Nachstellung, Belästigung und moralische oder psychische Angriffe
Datum der (letzten) Tat: 13.11.2017
Angewendete Vorschriften: § 105 (1) StGB
Entscheidungsdaten - Urteilsstaat: Österreich.
Entscheidungsdaten - Übertragbarkeit: Keine Übermittlungsbeschränkung.
Tat - Straftatenkategorie: Nötigung, Druck, beharrliche Nachstellung, Belästigung und moralische oder psychische Angriffe.
Tat - nationaler Code: StGB-105.
Tat - nationale Bezeichnung: Nötigung.
Tat - Grad der Vollziehung: Vollendete Straftat.
Tat - Grad der Beteiligung: Täter.
Sanktion - Kategorie: Geldstrafe nach Tagessätzen.
Sanktion - Vollzugsende: 07.06.2018.
Sanktion - Anzahl Geldstrafen: 200.
Sanktion - Höhe Geldstrafe: 4,00.
Sanktion - Währung: EURO.
Sanktion - nationaler Code: 4Z.
Sanktion - nationale Bezeichnung: Geldstrafe Tagsatz mit Ersatzfreiheitsstrafe.
Sanktion - Multiplikator: 1.
Sanktion - Kategorie: Freiheitsstrafe.
Sanktion - Freiheitsstrafe (Dauer): 100 Tag(e).
Sanktion - Vollzugsende: 07.06.2018.
Sanktion - nationaler Code: IF.
Sanktion - nationale Bezeichnung: Freiheitsstrafe.
Sanktion - Alternative: Alternative Strafe/Maßnahme bei Missachtung der Hauptstrafe.
Sanktion - Multiplikator: 1.
Sanktion - Sanktionsdauer: 100 Tag(e).
nachträgliche Entscheidung - ID: D-00301.
nachträgliche Entscheidung - Art der Änderung: Beendigung der Strafe.
nachträgliche Entscheidung - Entscheidungsdatum: 04.07.2018.
nachträgliche Entscheidung - Erkennende Stelle BKZ: 046.
nachträgliche Entscheidung - Erkennende Stelle: Landesgericht für Strafsachen Wien.
Verknüpfung - Quelle: D-00301.
Verknüpfung - Ziele: O-00301.
Verknüpfung - Quelle: D-00301.
Verknüpfung - Ziele: S-00301, S-00302.
Verknüpfung - Quelle: S-00301.
Verknüpfung - Ziele: O-00301.
Verknüpfung - Quelle: S-00302.
Verknüpfung - Ziele: O-00301.
Verknüpfung - Quelle: S-00302.
Verknüpfung - Ziele: S-00301.
14.01.2022 Landesgericht für Strafsachen Wien (046) - 013 HV 23/2020z
Rechtskräftig seit 18.01.2022
Tatbezeichnung: Unerlaubter Handel und andere Straftaten im Zusammenhang mit Waffen, Schusswaffen, ihren Teilen und Komponenten, Munition und Sprengstoffen
Datum der (letzten) Tat: 02.05.2019
Angewendete Vorschriften: § 50 (1) Z 2 WaffG
Tat - Bezeichnung: Fälschung von amtlichen Dokumenten durch eine Privatperson.
Tat - Datum der Tat: 02.05.2019.
Tat - Rechtsvorschriften: § 12 3. Fall StGB §§ 223 (2), 224 StGB.
Entscheidungsdaten - Urteilsstaat: Österreich.
Entscheidungsdaten - Übertragbarkeit: Keine Übermittlungsbeschränkung.
Tat - Straftatenkategorie: Unerlaubter Handel und andere Straftaten im Zusammenhang mit Waffen, Schusswaffen, ihren Teilen und Komponenten, Munition und Sprengstoffen.
Tat - nationaler Code: WaffG-50.
Tat - nationale Bezeichnung: Waffengesetz.
Tat - Grad der Vollziehung: Vollendete Straftat.
Tat - Grad der Beteiligung: Täter.
Tat - Straftatenkategorie: Fälschung von amtlichen Dokumenten durch eine Privatperson.
Tat - nationaler Code: StGB-223 224.
Tat - nationale Bezeichnung: Fälschung besonders geschützter Urkunden.
Tat - Grad der Vollziehung: Vollendete Straftat.
Tat - Grad der Beteiligung: Gehilfe oder Anstifter/Organisator, Verschwörer.
Sanktion - Kategorie: Freiheitsstrafe.
Sanktion - Freiheitsstrafe (Dauer): 8 Monat(e).
Sanktion - nationaler Code: IF.
Sanktion - nationale Bezeichnung: Freiheitsstrafe.
Sanktion - Multiplikator: 1.
Sanktion - Sanktionsdauer: 8 Monat(e).
Bewährung - Dauer: 3 Jahr(e).
Bewährung - Typ: Zur Bewährung ausgesetzte Strafe/Maßnahme.
Bewährung - Bemerkungen: Anfang der Bewährung: 18.1.2022.
nachträgliche Entscheidung - ID: D-00001.
Verknüpfung - Quelle: S-00401.
Verknüpfung - Ziele: O-00401, 0-00402.
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Dieser letztgenannten Verurteilung lag folgender Sachverhalt zugrunde:
„H... S... und Ö... Ö... sind schuldig, es haben in W... im Zeitraum von 15.06.2018 bis 31.01.2019
1. zum Gebrauch falscher inländischer öffentlicher Urkunden, nämlich total gefälschter österreichischer Taxiausweise, zum Nachweis der Berechtigung zur Durchführung von Taxifahrten anlässlich von Kontrollen durch Polizei und/oder der Taxiinnung, dadurch beigetragen, dass sie ihnen die gefälschten Taxiausweise zum Gebrauch übergeben, und zwar zum Gebrauch durch nachstehende angeführte Personen,
a. H... S... alleine zur Nutzung der Ausweise durch
b. H... S... und Ö... Ö... im bewussten und gewollten Zusammenwirken als Mittäter, dadurch, dass H... S... den Ö... Ö... die Ausweise übergab und dieser sie an die Empfänger weitergab
3. H... S... am 02.05.2019, wenn auch nur fahrlässig, einen als Taschenlampe getarnten Elektroschocker, sohin eine verbotene Waffe, unbefugt besessen.“
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3. Folgender Sachverhalt steht nach dem im Schuldspruch rechtskräftigen Urteil des Amtsgerichts Passau vom 07.12.2022 wie folgt fest:
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Am 24.02.2022 gegen 03.48 Uhr unterstützte der Angeklagte gemeinschaftlich mit dem anderweitig Verfolgten H... K... fünf türkische Staatsangehörige dabei, in das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland einzureisen, indem er diese mit dem von ihm geführten Pkw Mercedes-Benz Vito Tourer, österreichisches amtliches Kennzeichen ..., über den ehehmaligen Grenzübergang Ob., 94072 B. F., von Österreich kommend in das Bundesgebiet verbrachte. Der Angeklagte hielt bei der Fahrt telefonisch Kontakt mit dem anderweitig Verfolgten K..., der als Fahrer eines Vorausfahrzeugs fungierte und die Fahrtstrecke auf polizeiliche Kontrollen überprüfen sollte.
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Nachdem der Angeklagte eine Polizeistreife als solche erkannt hatte, setzte er mit erhöhter Geschwindigkeit seine Fahrt fort. Die Streife der Bundespolizei P.nahm die Verfolgung auf und konnte das Fahrzeug erst nach ca. zwei Kilometern stellen und einer polizeilichen Kontrolle unterziehen. Die beförderten Personen hatte der Angeklagte zu diesem Zeitpunkt bereits aussteigen lassen. Sie konnten zwischen ca. 05.00 Uhr und 06.00 Uhr fußläufig im Gemeindegebiet Bad Füssing aufgegriffen werden.
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Im Einzelnen beförderte der Angeklagte folgende fünf Personen türkischer Staatsangehörigkeit in das Bundesgebiet:
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R... A..., geboren ...1994
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M... B..., geboren ...1996
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M... P..., geboren ...1992
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A... D..., geboren ....1999
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Ö... F... B..., geboren ...1994
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Die beförderten Personen waren – wie sie selbst wussten und auch der Angeklagte wusste – weder im Besitz eines Reisepasses oder Passersatzpapiers noch im Besitz eines Aufenthaltstitels, welche zur Einreise und zum Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland berechtigt hätten.
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Für den Transport der oben genannten Personen ließen sich der Angeklagte vor Fahrtantritt von dem anderweitig Verfolgten K... einen Vermögensvorteil in Höhe von jedenfalls 500,00 Euro versprechen.
22
Die unter Ziffer II. 1. dargelegten persönlichen Verhältnisse des Angeklagten stehen fest aufgrund der glaubhaften eigenen Angaben des Angeklagten im Termin vom 24.11.2023 und der verlesenen Unterlagen. Das strafrechtliche Vorleben des Angeklagten zu Ziffer II. 2. ergibt sich aus dem verlesenen Auszug aus dem österreichischen Strafregister bzw. dem Bundeszentralregister und dem Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 14.01.2022.
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Der Angeklagte hat sich aufgrund des vorgenannten Geschehens – wie aufgrund der wirksamen Rechtsmittelbeschränkung rechtskräftig feststeht – wegen Einschleusens von Ausländern nach §§ 96 Abs. 1 Nr. 1 a, 1 b; 95 Abs. 1 Nr. 3; 14 Abs. 1; 3 Abs. 1; 4 Abs. 1 AufenthG schuldig gemacht.
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Aufgrund des hinsichtlich der Strafzumessung rechtskräftigen Urteils des Landgerichts Passau vom 23.05.2023 steht die verhängte Freiheitsstrafe von 1 Jahr und 2 Monaten wie folgt fest:
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Im Rahmen der konkreten Straffindung ist zu Gunsten des Angeklagten zu berücksichtigen, dass er die ihm zu Last gelegten Taten einräumt. Insbesondere erklärte er auch, dass ihm vor Fahrtantritt eine Zahlung von 500,00 Euro pro beförderte Person versprochen wurde. Auch ist zu seinen Gunsten zu würdigen, dass er jedenfalls auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland strafrechtlich noch nicht verurteilt wurde. Weiterhin ist zu seinen Gunsten zu werten, dass er – bereits vor dem Amtsgericht Passau – sein Einverständnis mit der form- und entschädigungslosen Einziehung des sichergestellten Mobiltelefons Samsung erklärt hat.
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Zu Lasten des Angeklagten ist jedoch zu werten, dass er den Tatbestand des Einschleusens von Ausländern nach § 96 Nr. 1 AufenthG in zwei Formen verwirklicht hat, und zwar zum einen durch sich Versprechen lassen eines Vorteils im Sinne von § 96 Abs. 1 Nr. 1 a AufenthG und zum anderen durch Handeln zugunsten von mehreren Ausländern im Sinne von § 96 Abs. 1 Nr. 1 b AufenthG. Außerdem wurde die Tat im Sinne von § 96 Abs. 1 Nr. 1 b AufenthG zugunsten von fünf Ausländern, mithin zugunsten einer erhöhten Anzahl von Geschleusten begangen. Weiterhin geht zu seinen Lasten, dass er – jedenfalls in Österreich – strafrechtlich bereits in Erscheinung getreten und vorgeahndet ist. So wurde er durch Urteil des Bezirksgerichts Schwechat vom 15.04.2008 zu einer Geldstrafe von 100 Tagessätzen zu je 2,00 Euro durch Urteil des Bezirksgerichts Favoriten vom 02.05.2011 zu einer Geldstrafe von 180 Tagessätzen zu je 4,00 Euro durch Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 26.04.2018 wegen Nötigung, Druck, beharrlicher Nachstellung, Belästigung und moralische oder psychische Angriffe zu einer Geldstrafe von 200 Tagessätzen zu je 4,00 Euro und durch Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 14.01.2022 wegen Gebrauches gefälschter besonders geschützter Urkunden und Vergehen nach § 50 Abs. 1, Ziff. 2, WaffG zu einer Freiheitsstrafe von 8 Monaten auf 3 Jahren Probezeit verurteilt. Aufgrund der zeitlichen Abstände und des nicht näher bekannten konkreten Inhalts sieht das Gericht jedoch davon ab, die erstgenannten 3 Verurteilungen (vom 15.04.2008, 02.05.2011 und 26.04.2018) zu Lasten des Angeklagten zu werten. Zu seinen Lasten geht allerdings die Verurteilung durch das Landesgericht für Strafsachen Wien vom 14.01.2022, der der oben zu II 2.4 dargestellte Sachverhalt zugrunde liegt.
27
Im Hinblick auf die letztgenannte Verurteilung ist insbesondere zu Lasten des Angeklagten zu würdigen, dass zwischen der Verurteilung durch Landesgericht Wien vom 14.01.2022 und der verfahrensgegenständlichen Tat vom 24.02.2022 lediglich ein zeitlicher Abstand von 40 Tagen lag. Mithin ist festzustellen, dass beim Angeklagten eine sehr hohe Rückfallgeschwindigkeit vorliegt.
28
Auch ist zu bedenken, dass der Angeklagte im Rahmen dieser letztgenannten Vorverurteilung zu einer Freiheitsstrafe von 8 Monaten mit Strafaussetzung zur Bewährung bei einer Bewährungszeit von 3 Jahren verurteilt wurde. Der Angeklagte hat sich mithin als Bewährungsversager erwiesen und die verfahrensgegenständliche Tat trotz erheblicher Bewährungssanktionen verwirklicht.
29
Bei Abwägung aller relevanten Strafzumessungsgesichtspunkte, auch unter Würdigung des oben genannten Strafrahmens von 3 Monaten bis zu 5 Jahren, erscheint eine Freiheitsstrafe von 1 Jahr 2 Monaten als angemessen. Die vom Amtsgericht Passau erkannte Freiheitsstrafe von 1 Jahr ist – gerade auch unter Berücksichtigung der sehr hohen Rückfallgeschwindigkeit – nicht hinreichend um den dem Schuldgehalt der Tat gerecht zu werden. Das Geständnis des Angeklagten und seine Aufklärungshilfe wurden zu seinen Gunsten berücksichtigt und geben insofern Anlass, von einer noch höheren Strafe abzusehen.
30
Eine Aussetzung der Strafvollstreckung der Freiheitsstrafe zur Bewährung ist auch nach den ergänzenden Feststellungen in der Hauptverhandlung vom 24.11.2023 nicht veranlasst.
31
1. Das Gericht hatte nach den bindenden Feststellungen zu Schuldspruch und Strafhöhe ausschließlich über die Frage der Aussetzung der Vollstreckung der Freiheitsstrafe zur Bewährung gem. § 56 Abs. 1, 2 und 3 StGB zu entscheiden.
32
Dazu ist zunächst gem. § 56 Abs. 1 StGB eine Prognoseentscheidung für die Zukunft zu treffen und dann, wenn diese positiv ausfällt, gem. § 56 Abs. 2 StGB zu prüfen, ob aufgrund besonderer Umstände eine Bewährung noch gerechtfertigt ist oder nicht.
33
Die Vollstreckung ist allerdings gem. § 56 Abs. 3 StGB nicht auszusetzen, wenn die Verteidigung der Rechtsordnung sie gebietet.
34
2. Der Kammer ist bewusst, dass an die Voraussetzungen für eine Sozialprognose gem. § 56 Abs. 1 StGB keine überzogenen Erwartungen gestellt werden dürfen.
35
Ausreichend, aber notwendig ist die Überzeugung der Kammer, dass die Wahrscheinlichkeit zukünftigen Legalverhaltens beim Angeklagten höher ist als die Wahrscheinlichkeit erneuter Straffälligkeit. Es muss also die Erwartung bestehen, dass sich der Angeklagte schon die Verurteilung zur Warnung dienen lässt und auch ohne Einwirkung des Strafvollzugs nicht mehr straffällig werden wird.
36
Die Beurteilung hat aufgrund einer Gesamtbewertung von Tat und Persönlichkeit zum Zeitpunkt der Hauptverhandlung am 24.11.2023 zu erfolgen.
37
Zu berücksichtigen sind alle Umstände, die zugunsten und zulasten des Angeklagten sprechen, insbesondere die persönlichen Lebensumstände, das Vorleben, evtl. Vorstrafen, das Nachtatverhalten, Schuldeinsichtigkeit und auch, ob der Angeklagte schon einen Eindruck von Haft hatte. Es darf nicht übersehen werden, welche positiven Aspekte die Bewährung für den Angeklagten hätte.
38
Von einer positiven Sozialprognose ist das Gericht nach der Gesamtabwägung, namentlich aufgrund es in der Hauptverhandlung gewonnenen persönlichen Eindrucks, aber nicht überzeugt, im Gegenteil.
39
Es wird nicht übersehen, dass sich der Angeklagte nach seiner Festnahme kooperativ gezeigt hat, indem er ein Geständnis abgelegt hat und den anderweitig verfolgten K... identifiziert hat. Er war mit der Einziehung seines Mobiltelefons einverstanden. Auch ist er in der Bundesrepublik Deutschland nicht vorbestraft.
40
In der Hauptverhandlung am 24.11.2023 war der Angeklagte sichtlich um einen guten Eindruck bemüht. Er hat auch die Zeit zwischen der letzten Hauptverhandlung am 23.05.2023 bis zur erneuten Hauptverhandlung am 24.11.2023 genutzt, um eine Arbeitsstelle zu finden, die er nach eigenen Angaben am 01.10.2023 tatsächlich auch angetreten hat.
41
Inzwischen ist er durch die Scheidung von seiner Ehefrau alleinerziehender Vater der beiden Kinder, die derzeit 10 und 8 Jahre alt sind. Der Angeklagte schilderte, dass seine frühere Ehefrau aufgrund ihrer psychischen Erkrankung nicht in der Lage sei, sich um die Kinder zu kümmern. Er habe seine Arbeitszeiten an die Bedürfnisse der Kinder angepasst und deshalb am Wochenende frei. Sein Sohn habe regelmäßiges Fußballtraining auf hohem Niveau mit Einsätzen außerhalb W...s, die er begleiten müsse. Ohne seine Anwesenheit müssten die Kinder ins Heim, da sie nicht anderweitig betreut werden könnten. Dies führt zu einer erhöhten Haftempfindlichkeit, da der Angeklagte glaubhaft um die Kinder besorgt ist.
42
Auf der anderen Seite fällt aber erschwerend ins Gewicht, dass der Angeklagte seit 2008 regelmäßig straffällig geworden ist.
43
Dabei spielt es keine Rolle, ob die österreichischen Strafen mit deutschen Strafen für entsprechende Fälle vergleichbar sind. Tatsache ist, dass dem Angeklagten nach österreichischem Recht Geldstrafen und zuletzt eine bedingte Freiheitsstrafe auferlegt wurden.
44
Die Schleusung von 5 Personen in Kenntnis der unerlaubten Einreise nur 40 Tage nach der rechtskräftigen Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von 8 Monaten zur Bewährung in Österreich zeigt jedenfalls, dass er sich durch eine Bewährungsstrafe nicht beeindrucken und nicht von weiteren Straftaten innerhalb der Bewährungsfrist abhalten lässt.
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Die positive Prognose in Österreich hat sich als nichtzutreffend herausgestellt. Der Bewährungsversuch ist schon nach kürzester Zeit fehlgeschlagen. Wieder hat der Angeklagte eine gleichartige Tat begangen, indem er im Zeitraum 15.06.2018 bis 31.01.2019 gefälschte Ausweispapiere transportiert hat und am 24.02.2022 unerlaubt Menschen nach Deutschland.
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Der Angeklagte ist trotz der Gerichtsverhandlung und Verurteilung am 14.01.2022 bewusst das Risiko eingegangen, dass die Bewährung widerrufen wird und diese Freiheitsstrafe vollzogen wird. Eine Strafaussetzung der in diesem Verfahren rechtskräftig verhängten Freiheitsstrafe wäre somit die 2. Bewährung für einen sog. Bewährungsversager mit hoher Rückfallgeschwindigkeit.
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Von der Tat am 24.02.2022 konnten ihn auch nicht Gedanken an die Auswirkung einer Vollstreckung auf die Kinder abhalten.
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Seine frühere Ehefrau war nach Angaben des Angeklagten bereits seit 2015 durchgehend psychisch krank. Auch ohne die zwischenzeitliche Scheidung wäre es deshalb zu Problemen mit der Kinderversorgung gekommen, was dem Angeklagten bewusst war. Die persönlichen Verhältnisse haben sich somit nicht erst jetzt derart geändert, dass eine Bewährung aufgrund geänderter Umstände in Betracht kommt. Es gibt keinen Grund anzunehmen, dass das Wohl der Kinder den Angeklagten tatsächlich von weiteren Straftaten abhalten würde.
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Das niedrige Einkommen stellt einen weiteren Anreiz für weitere Straftaten dar auch unter dem Aspekt, dass der Angeklagte zwei Kinder zu versorgen hat.
50
Der Angeklagte zeigt eine unstete berufliche Eingliederung und war längere Zeit ohne feste Arbeit. In dieser Zeit hat er sich nach eigenen Angaben durch Gelegenheitsjobs wie Autohandel, über-Fahren und Wettgeschäfte über Wasser gehalten.
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Ob er die erst am 01.10.2023 begonnene Arbeit im Gastrobereich tatsächlich beibehält, ist zweifelhaft. In der Hauptverhandlung hat der Angeklagte jedenfalls bereits angekündigt, dass er wieder im Transportgewerbe arbeiten möchte. Dazu legte er das Zeugnis über die Kenntnisse für den nichtlinienmäßigen Personenverkehr 1994 datiert vom 26.07.2023 vor.
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Die berufliche und finanzielle Situation ist somit unklar.
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Die finanziellen und persönlichen Verhältnisse sind jedenfalls nicht stabil.
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Es ist nicht ersichtlich, inwieweit eine Strafaussetzung zur Bewährung unter diesen Umständen eine stabilisierende Wirkung auf den Angeklagten entfalten könnte.
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Die geleistete Aufklärungshilfe durch Geständnis und Identifizierung des anderweitig verfolgten K... wurde bereits bei der Strafzumessung und der Sozialprognose berücksichtigt. Sie hat darüber hinaus kein besonderes Gewicht.
56
Die verstrichene Zeit zwischen der Tat am 24.02.2022 und der Hauptverhandlung am 24.11.2023 ist nicht derart beträchtlich, dass sie zu einer Milderung der Umstände führen kann. Der Angeklagte hätte die Zeit insbesondere zur Stabilisierung seiner Lebensumstände nutzen können und nicht erst kurz vor der Hauptverhandlung eine Arbeitsstelle ab 01.10.2023 vorweisen können.
57
Auch die „Vorbewährung“ ist daher nicht in einem Ausmaß geglückt, aus dem sich eine positive Entwicklung des Angeklagten ableiten ließe.
58
Die Straftat am 24.02.2022 war wegen der hohen Anzahl von Geschleusten, dem beabsichtigten finanziellen Vorteil durch schnelles Geld und der gesamten Tatumstände nicht geringfügig.
59
Nach Würdigung der Gesamtumstände kann eine positive Sozialprognose nicht getroffen werden.
60
Die Prüfung der besonderen Umstände gem. § 56 Abs. 2 StPO hat nicht mehr zu erfolgen.
61
3. Der Aussetzung der Strafvollstreckung steht außerdem die Verteidigung der Rechtsordnung entgegen, § 56 Abs. 3 StGB.
62
Die Bevölkerung könnte zum einen angesichts der mittlerweile massenhaften Schleusungen nicht nachvollziehen, dass im vorliegenden Fall wieder „nur“ eine Bewährungsstrafe verhängt wird.
63
Die Häufung der Straftaten durch den Angeklagten und sein darin zu erkennendes rechtsfeindliches Verhalten innerhalb einer laufenden Bewährung zeigen zum anderen konkrete Anhaltspunkte dafür, dass der Angeklagte den Rechtsfrieden bedroht und andere zur Nachahmung anregt, wenn, wie im vorliegenden Fall keine unbedingte Freiheitsstrafe verhängt werden würde.
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4. Das Urteil des Amtsgerichts Passau war daher dahingehend abzuändern, dass die Strafvollstreckung der vom Landgericht Passau rechtskräftig verhängten Freiheitsstrafe von 1 Jahr und 2 Monaten nicht zur Bewährung ausgesetzt wird. Ein straffreies Verhalten ist ohne Vollzug der Freiheitsstrafe nicht zu erwarten. Der Vollzug der Freiheitsstrafe ist erforderlich.
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Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 465, 473 StPO.