Inhalt

AG München, Endbeschluss v. 02.02.2023 – 545 F 1890/17
Titel:

Nachehelicher Unterhalt in einer untypischen Fallkonstellation

Normenketten:
VersAusglG § 1, § 3 Abs. 1, § 5 Abs. 3, § 10 Abs. 1, § 14, § 18 Abs. 3, § 47
BGB § 1573, § 1578 Abs. 3, § 1579 Nr. 7, § 1578b, § 1597 Nr. 3
Leitsätze:
1. Die im Rahmen des nachehelichen Unterhalts bestehende Erwerbsobliegenheit verpflichtet den Berechtigten grundsätzlich zu Bemühungen um einen Arbeitsplatz. Ist nach Überzeugung des Gerichts der Berechtigte aufgrund einer schweren Erkrankung sowie einer Jahrzehnte zurückliegenden Ausbildung und seitdem unterbrochenen Erwerbstätigkeit dagegen nicht in der Lage, eine auch nur geringfügige Arbeitsstelle zu finden, kommt es auf entsprechende Bewerbungsbemühungen nicht an. (Rn. 56 – 59) (redaktioneller Leitsatz)
2. Kommt es nach der Trennung auf Grund außergewöhnlicher Umstände zu einer unerwarteten, vom Normalverlauf erheblich abweichenden Entwicklung, sind die neuen Einkommensverhältnisse nicht mehr Ausdruck der früheren ehelichen Lebensverhältnisse und für diese prägend, da das das Unterhaltsrecht den geschiedenen Ehegatten nicht besser stellen will, als er während der Ehezeit stand. (Rn. 68) (redaktioneller Leitsatz)
3. Wenn der Unterhaltsberechtigte seinen Bedarf bei sehr hohen Einkünften im Wege der Quotenmethode darlegen will, muss er mangels tatsächlicher Vermutung für den vollständigen Verbrauch des Einkommens zu Konsumzwecken im Rahmen seiner Darlegungslast für den Unterhaltsbedarf vortragen, dass und in welchem Umfang das hohe Einkommen zur Deckung der ehelichen Lebensverhältnisse verwendet worden ist.  (Rn. 78) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Versorgungsausgleich, ausgleichspflichtige Anrechte, Entgeltpunkte, Lebensversicherung, Versorgungsträger, nachehelicher Unterhalt, Erwerbslosigkeit, Quotenmethode, Verwirkung des Unterhaltsanspruchs, Begrenzung des Unterhaltsanspruchs
Rechtsmittelinstanzen:
OLG München, Beschluss vom 07.02.2024 – 12 UF 268/23 e
OLG München, Beschluss vom 22.08.2024 – 12 UF 268/23 e
Fundstelle:
BeckRS 2023, 44168

Tenor

1. Die am 26.11.1998 vor dem Standesbeamten des Standesamtes M. (Heiratsregister Nr. ...) geschlossene Ehe der beteiligten Ehegatten wird geschieden.
2. Im Wege der internen Teilung wird zu Lasten des Anrechts des Antragstellers bei der Deutschen Rentenversicherung ... (Vers. Nr. ...) zugunsten der Antragsgegnerin ein Anrecht in Höhe von 11,6990 Entgeltpunkten auf das vorhandene Konto ... bei der Deutschen Rentenversicherung Bund, bezogen auf den 28.02.2017, übertragen.
Im Wege der internen Teilung wird zu Lasten des Anrechts des Antragstellers bei der Lebensversicherung von ... a.G. M. (Pensionszusage nach der Versorgungsordnung „Betriebliche Altersversorgung (…)“) zugunsten der Antragsgegnerin ein Anrecht in Höhe von 33.695,00 Euro nach Maßgabe Teilungsordnung der Lebensversicherung von ... a.G. M. für die betriebliche Altersversorgung im Durchführungsweg Pensionszusage in der jeweils gültigen Fassung, bezogen auf den 28.02.2017, übertragen.
Im Wege der internen Teilung wird zu Lasten des Anrechts des Antragstellers bei der Lebensversicherung von ... a.G. M. (individuelle Pensionszusage vom 19.4.2010 (…)) zugunsten der Antragsgegnerin ein Anrecht in Höhe von 186.134,00 Euro nach Maßgabe Teilungsordnung der Lebensversicherung von ... a.G. M. für die betriebliche Altersversorgung im Durchführungsweg Pensionszusage in der jeweils gültigen Fassung, bezogen auf den 28.02.2017, übertragen.
Im Wege der internen Teilung wird zu Lasten des Anrechts des Antragstellers bei der Lebensversicherung von ... a.G. M. (Vers. Nr. Vertragsnummer ...) zugunsten der Antragsgegnerin ein Anrecht in Höhe von 10.207,25 Euro nach Maßgabe Rentenversicherung nach Tarif RT1E gem. der aktuell geltenden Allg. Versicherungsbedingungen der Rentenversicherung, bezogen auf den 28.02.2017, übertragen.
Im Wege der externen Teilung wird zu Lasten des Anrechts des Antragstellers bei der Lebensversicherung von ... a.G. M. (Vers. Nr. VNR ...) zugunsten der Antragsgegnerin ein Anrecht in Höhe von 4.551,63 Euro bei der Versorgungsausgleichskasse nach Maßgabe Teilungsordnung 2009, bezogen auf den 28.02.2017, begründet. Die Lebensversicherung von ... a.G. M. wird verpflichtet, diesen Betrag nebst 2,75 % Zinsen seit dem 01.03.2017 bis zur Rechtskraft dieser Entscheidung an die Versorgungsausgleichskasse zu zahlen.
Im Wege der internen Teilung wird zu Lasten des Anrechts des Antragstellers bei der Lebensversicherung von ... a.G. M. (Vers. Nr. ...) zugunsten der Antragsgegnerin ein Anrecht in Höhe von 12.665,22 Euro nach Maßgabe Rentenversicherung nach Tarif RT1E gem. der aktuell geltenden Allg. Versicherungsbedingungen der Rentenversicherung, bezogen auf den 28.02.2017, übertragen.
Im Wege der externen Teilung wird zu Lasten des Anrechts des Antragstellers bei der Lebensversicherung von ... a.G. M. (Vers. Nr. VNR ...) zugunsten der Antragsgegnerin ein Anrecht in Höhe von 3.268,05 Euro bei der Versorgungsausgleichskasse nach Maßgabe Teilungsordnung 2009, bezogen auf den 28.02.2017, begründet. Die Lebensversicherung von ... a.G. M. wird verpflichtet, diesen Betrag nebst 2,75 % Zinsen seit dem 01.03.2017 bis zur Rechtskraft dieser Entscheidung an die Versorgungsausgleichskasse zu zahlen.
Ein Ausgleich des Anrechts der Antragsgegnerin bei der Deutschen Rentenversicherung Bund (Vers. Nr. ...) findet nicht statt.
3. Der Antragsteller wird verpflichtet, an die Antragsgegnerin ab Rechtskraft der Scheidung einen monatlichen, jeweils monatlich im Voraus fälligen nachehelichen Ehegattenunterhalt in Höhe 5.150 €, davon 1.387 € Altersvorsorgeunterhalt, bis zum 31.12.2030 und ab dem 01.01.2031 bis zum 30.09.2035 in Höhe von 2.575 €, davon 694 € Altersvorsorgeunterhalt, zu bezahlen.
4. Die Kosten des Verfahrens werden gegeneinander aufgehoben.

Entscheidungsgründe

1
Die Beteiligten haben durch Schriftsätze vom 07.11.2022 und 08.11.2022 einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren zugestimmt. Der Termin, bis zu dem Schriftsätze eingereicht werden konnten, wurde auf den 30.01.2023 bestimmt.
1. Scheidung
2
Die Ehegatten haben am 26.11.1998 vor dem Standesbeamten des Standesamtes M. unter Heiratsregister Nr. ... die Ehe miteinander geschlossen.
3
Der Scheidungsantrag wurde der Antragsgegnerin am 10.03.2017 zugestellt.
4
Die Ehegatten leben seit April 2016 getrennt.
5
Der Antragsteller trägt vor, die Ehe sei gescheitert. Er beantragt, die Ehe der Beteiligten zu scheiden. Die Antragsgegnerin stimmt der Scheidung zu.
6
Die Eheschließung und die Staatsangehörigkeit der Ehegatten wurden durch öffentliche Urkunden nachgewiesen.
7
Im Übrigen wird auf den Akteninhalt, insbesondere auf das weitere schriftliche Beteiligtenvorbringen und die Feststellungen zu gerichtlichem Protokoll, verwiesen.
8
Der Scheidungsantrag ist zulässig.
9
Das Amtsgericht München ist örtlich zuständig (§§ 122, 113 FamFG, 261 Abs. 3 Nr. 2 ZPO).
10
Der Scheidungsantrag ist begründet, weil die Ehe der Ehegatten gescheitert ist (§§ 1564 Satz 1 und 3, 1565 Abs. 1 Satz 1 BGB).
11
Das Familiengericht ist aufgrund des Ergebnisses der mündlichen Verhandlung davon überzeugt, dass die Ehegatten seit April 2016 im Sinne von § 1567 BGB voneinander getrennt leben.
12
Das Scheitern der Ehe wird gemäß § 1566 Abs. 2 BGB unwiderlegbar vermutet, da die Ehegatten seit mindestens drei Jahren getrennt leben.
2. Versorgungsausgleich
13
Nach § 1 VersAusglG sind im Versorgungsausgleich die in der Ehezeit erworbenen Anteile von Anrechten jeweils zur Hälfte zwischen den geschiedenen Ehegatten zu teilen. Die Ehezeit beginnt mit dem ersten Tag des Monats der Eheschließung und endet am letzten Tag des Monats vor Zustellung des Scheidungsantrags (§ 3 Abs. 1 VersAusglG).
Anfang der Ehezeit: 01.11.1998
Ende der Ehezeit: 28.02.2017
Ausgleichspflichtige Anrechte
14
In der Ehezeit haben die beteiligten Ehegatten folgende Anrechte erworben:
Der Antragsteller:
Gesetzliche Rentenversicherung
15
1. Bei der Deutschen Rentenversicherung Bayern-Süd hat der Antragsteller ein Anrecht mit einem Ehezeitanteil von 23,3979 Entgeltpunkten erlangt. Der Versorgungsträger hat gem. § 5 Abs. 3 VersAusglG vorgeschlagen, den Ausgleichswert mit 11,6990 Entgeltpunkten zu bestimmen. Der korrespondierende Kapitalwert nach § 47 VersAusglG beträgt 81.170,72 Euro.
Betriebliche Altersversorgung
16
2. Bei der Lebensversicherung von ... a.G. M. hat der Antragsteller ein Anrecht mit einem Ehezeitanteil von 69.389,00 Euro erlangt. Der Versorgungsträger hat gem. § 5 Abs. 3 VersAusglG vorgeschlagen, den Ausgleichswert mit 33.695,00 Euro zu bestimmen.
17
3. Bei der Lebensversicherung von ... a.G. M. hat der Antragsteller ein Anrecht mit einem Ehezeitanteil von 374.267,00 Euro erlangt. Der Versorgungsträger hat gem. § 5 Abs. 3 VersAusglG vorgeschlagen, den Ausgleichswert mit 186.134,00 Euro zu bestimmen.
18
4. Bei der Lebensversicherung von ... a.G. M. hat der Antragsteller ein Anrecht mit einem Ehezeitanteil von 20.914,48 Euro erlangt. Der Versorgungsträger hat gem. § 5 Abs. 3 VersAusglG vorgeschlagen, den Ausgleichswert mit 10.207,25 Euro zu bestimmen.
19
5. Bei der Lebensversicherung von ... a.G. M. hat der Antragsteller ein Anrecht mit einem Ehezeitanteil von 9.103,26 Euro erlangt. Der Versorgungsträger hat gem. § 14 VersAusglG die externe Teilung gefordert. Bei dem Versorgungsträger bestehen mehrere Anrechte im Sinne des Betriebsrentengesetzes, für die die externe Teilung verlangt wird. Mindestens eines der Anrechte ist eine Betriebsrente mit internem Durchführungsweg nach § 17 VersAusglG. Die Summe der Ausgleichswerte (7.819,68 Euro) übersteigt die Beitragsbemessungsgrenze von 76.200,00 Euro nicht. Für die externe Teilung ist deshalb eine Vereinbarung mit der Antragsgegnerin nicht erforderlich. Der nach § 14 Abs. 4 VersAusglG zu übertragende Ausgleichswert beträgt 4.551,63 Euro.
20
6. Bei der Lebensversicherung von ... a.G. M. hat der Antragsteller ein Anrecht mit einem Ehezeitanteil von 25.830,43 Euro erlangt. Der Versorgungsträger hat gem. § 5 Abs. 3 VersAusglG vorgeschlagen, den Ausgleichswert mit 12.665,22 Euro zu bestimmen.
21
7. Bei der Lebensversicherung von ... a.G. M. hat der Antragsteller ein Anrecht mit einem Ehezeitanteil von 6.536,10 Euro erlangt. Der Versorgungsträger hat gem. § 14 VersAusglG die externe Teilung gefordert. Bei dem Versorgungsträger bestehen mehrere Anrechte im Sinne des Betriebsrentengesetzes, für die die externe Teilung verlangt wird. Mindestens eines der Anrechte ist eine Betriebsrente mit internem Durchführungsweg nach § 17 VersAusglG. Die Summe der Ausgleichswerte (7.819,68 Euro) übersteigt die Beitragsbemessungsgrenze von 76.200,00 Euro nicht. Für die externe Teilung ist deshalb eine Vereinbarung mit der Antragsgegnerin nicht erforderlich. Der nach § 14 Abs. 4 VersAusglG zu übertragende Ausgleichswert beträgt 3.268,05 Euro.
Die Antragsgegnerin:
Gesetzliche Rentenversicherung
22
8. Bei der Deutschen Rentenversicherung Bund hat die Antragsgegnerin ein Anrecht mit einem Ehezeitanteil von 0,2518 Entgeltpunkten erlangt. Der Versorgungsträger hat gem. § 5 Abs. 3 VersAusglG vorgeschlagen, den Ausgleichswert mit 0,1259 Entgeltpunkten zu bestimmen. Der korrespondierende Kapitalwert nach § 47 VersAusglG beträgt 873,53 Euro.
Übersicht:
Antragsteller

Die Deutsche Rentenversicherung Bayern-Süd, Kapitalwert

81.170,72 Euro

Ausgleichswert:

11,699 Entgeltpunkte

Die Lebensversicherung von ... a.G. M.

Ausgleichswert (Kapital):

33.695,00 Euro

Die Lebensversicherung von ... a.G. M.

Ausgleichswert (Kapital):

186.134,00 Euro

Die Lebensversicherung von ... a.G. M.

Ausgleichswert (Kapital):

10.207,25 Euro

Die Lebensversicherung von ... a.G. M.

Ausgleichswert (Kapital, § 14 Abs. 4 VersAusglG):

4.551,63 Euro

Die Lebensversicherung von ... a.G. M.

Ausgleichswert (Kapital):

12.665,22 Euro

Die Lebensversicherung von ... a.G. M.

Ausgleichswert (Kapital, § 14 Abs. 4 VersAusglG):

3.268,05 Euro

Antragsgegnerin

Die Deutsche Rentenversicherung Bund, Kapitalwert:

873,53 Euro

Ausgleichswert:

0,1259 Entgeltpunkte

23
Nach Kapitalwerten hat der Ausgleich in Höhe von 330.818,34 Euro zu Lasten des Antragstellers zu erfolgen.
Ausgleich:
Bagatellprüfung:
24
Das Anrecht des Antragstellers bei der Lebensversicherung von ... a.G. M. mit einem Kapitalwert von 3.268,05 Euro überschreitet nicht den Grenzwert des § 18 Abs. 3 VersAusglG von 3.570,00 Euro. Ein Ausgleich des Anrechts erscheint trotzdem aufgrund besonderer Umstände geboten. Der Versorgungsträger hat die externe Teilung verlangt, bei der kein besonderer Aufwand bei dem Versorgungsträger entsteht. Zudem ist angesichts der weiteren extern zu teilenden Versorgung eine Splitterversorgung nicht zu erwarten. Dem Halbteilungsgrundsatz gebührt insoweit Vorrang.
25
Das Anrecht der Antragsgegnerin bei der Deutschen Rentenversicherung Bund mit einem Kapitalwert von 873,53 Euro überschreitet nicht den Grenzwert des § 18 Abs. 3 VersAusglG von 3.570,00 Euro. Das Anrecht wird deshalb gem. § 18 Abs. 2 VersAusglG vom Versorgungsausgleich ausgeschlossen.
Die einzelnen Anrechte:
26
Zu 1.: Das Anrecht des Antragstellers bei der Deutschen Rentenversicherung Bayern-Süd ist nach § 10 Abs. 1 VersAusglG durch interne Teilung mit einem Ausgleichswert von 11,6990 Entgeltpunkten zugunsten der Antragsgegnerin auszugleichen.
27
Zu 2.: Das Anrecht des Antragstellers bei der Lebensversicherung von ... a.G. M. ist nach § 10 Abs. 1 VersAusglG durch interne Teilung mit einem Ausgleichswert von 33.695,00 Euro zugunsten der Antragsgegnerin auszugleichen.
28
Zu 3.: Das Anrecht des Antragstellers bei der Lebensversicherung von ... a.G. M. ist nach § 10 Abs. 1 VersAusglG durch interne Teilung mit einem Ausgleichswert von 186.134,00 Euro zugunsten der Antragsgegnerin auszugleichen.
29
Zu 4.: Das Anrecht des Antragstellers bei der Lebensversicherung von ... a.G. M. ist nach § 10 Abs. 1 VersAusglG durch interne Teilung mit einem Ausgleichswert von 10.207,25 Euro zugunsten der Antragsgegnerin auszugleichen.
30
Zu 5.: Die Antragsgegnerin hat für den externen Ausgleich des Anrechts bei der Lebensversicherung von ... a.G. M. keine besondere Zielversorgung gewählt. Dieses Anrecht des Antragstellers ist nach § 14 Abs. 1 VersAusglG im Wege der externen Teilung durch Begründung eines Anrechts von 4.551,63 Euro bei der Versorgungsausgleichskasse auszugleichen. Hierfür ist von der Lebensversicherung von ... a.G. M. an die Versorgungsausgleichskasse ein Beitrag von 4.551,63 Euro zu bezahlen. Der Ausgleichsbetrag ist ab Ende der Ehezeit (hier: 01.03.2017) bis zur Rechtskraft der Entscheidung über den Versorgungsausgleich in Höhe des dem auszugleichenden Anrecht zugrundeliegenden Rechnungszins zu verzinsen (BGH, Beschluss vom 7.9.2011, Az. XII ZB 546/10 und vom 6.2.2013, Az. XII ZB 204/11).
31
Zu 6.: Das Anrecht des Antragstellers bei der Lebensversicherung von ... a.G. M. ist nach § 10 Abs. 1 VersAusglG durch interne Teilung mit einem Ausgleichswert von 12.665,22 Euro zugunsten der Antragsgegnerin auszugleichen.
32
Zu 7.: Die Antragsgegnerin hat für den externen Ausgleich des Anrechts bei der Lebensversicherung von ... a.G. M. keine besondere Zielversorgung gewählt. Dieses Anrecht des Antragstellers ist nach § 14 Abs. 1 VersAusglG im Wege der externen Teilung durch Begründung eines Anrechts von 3.268,05 Euro bei der Versorgungsausgleichskasse auszugleichen. Hierfür ist von der Lebensversicherung von ... a.G. M. an die Versorgungsausgleichskasse ein Beitrag von 3.268,05 Euro zu bezahlen. Der Ausgleichsbetrag ist ab Ende der Ehezeit (hier: 01.03.2017) bis zur Rechtskraft der Entscheidung über den Versorgungsausgleich in Höhe des dem auszugleichenden Anrecht zugrundeliegenden Rechnungszins zu verzinsen (BGH, Beschluss vom 7.9.2011, Az. XII ZB 546/10 und vom 6.2.2013, Az. XII ZB 204/11).
33
Zu 8.: Für das Anrecht der Antragsgegnerin bei der Deutschen Rentenversicherung Bund (Vers. Nr. 50 190968 Z 503) mit dem Ausgleichswert von 0,1259 Entgeltpunkten unterbleibt der Ausgleich.
3. Unterhalt
34
Mit Schreiben vom 02.10.2018 machte die Antragsgegnerin die Folgesache nachehelicher Unterhalt anhängig und verlangte zunächst einen Betrag von insgesamt 8.000 € inklusive Altersvorsorgeunterhalt und Krankheitsvorsorgeunterhalt, wobei sie einen konkreten Bedarf (ohne Altersvorsorgeunterhalt) von 11.950 € errechnete.
35
Die Beteiligten haben am 26.11.1998 im Standesamt M. die Ehe miteinander geschlossen. Die Beteiligten haben sich im Jahr 1988 kennengelernt und sind kurze Zeit später zusammengezogen. Nachdem der Antragsteller sein Studium beendet hatte und eine Tätigkeit bei der ... Versicherung in Köln aufnahm, beendete die Antragsgegnerin im Jahre 1992 ihre Tätigkeit als Sekretärin und ist seitdem nicht mehr berufstätig gewesen.
36
Vor der endgültigen Trennung der Beteiligten hat es bereits einige Trennungen gegeben, so im Jahr 2006 und Mitte September 2014. Die Beteiligten hatten sich im Anschluss wieder versöhnt und lebten seit dem 06.01.2015 wieder zusammen. Im April 2016 erfolgte die endgültige Trennung der Beteiligten. Zu diesem Zeitpunkt war der Antragsteller Sprecher des Vorstandes einer großen Versicherungsgesellschaft in München, seit dem Jahr 2018 ist er Vorstandsvorsitzender.
37
Bei der Antragsgegnerin entwickelte sich im Jahr 2015 ein sogenanntes Maamakarzinom. Später erlitt die Antragsgegnerin eine depressive Erkrankung.
38
Im Trennungsjahr 2016 erzielte der Antragsteller ein Jahresbruttoeinkommen von 526.180,43 € bzw. ein durchschnittliches Nettoeinkommen von 26.089,06 € zuzüglich Arbeitgeberzuschüssen/Leistungen zur PV in Höhe von 49,79 € und zur KV in Höhe von 309,34 € mit Abzügen für die freiwillige KV in Höhe von 682,24 € und die PV in Höhe von 110,18 €. Zur Verwendung seines Einkommens hatte der Antragsteller vorgetragen, er wisse nicht genau, für was er das Geld ausgegeben habe, es sei jedenfalls weder in das Ansparen eines Vermögens oder zur besonderen sonstigen Altersvorsorge verwendet worden, es sei schlicht verbraucht worden. Insoweit erklärte er im (später abgetrennten) Güterrechtsverfahren die Tatsache, das es während der Ehe zu keinem Zuwachs seines Vermögens gekommen ist.
39
Der Antragsteller wurde mit Beschluss vom 24.09.2018 im Wege der einstweiligen Anordnung zu einer monatlichen Unterhaltszahlung von 2.400 € ab dem 01.07.2018 verpflichtet.
40
Die Antragsgegnerin ist der Ansicht, für den nachehelichen Unterhalt sei auf das aktuelle Jahreseinkommen des Antragstellers abzustellen. Dieses habe im Jahr 2019 bereinigt monatlich netto 28.739 € betragen.
41
Sie ist weiter der Ansicht, dass ihr kein fiktives Einkommen zugerechnet werden könne. Sie hatte vorgetragen, keine abgeschlossene Berufsausbildung zu haben. Sie hätte 1987 die mittlere Reife gemacht, danach einige Ausbildungen begonnen und abgebrochen, in München im Sekretariat eines Fernsehsenders gearbeitet und danach im Empfang einer Agentur. Im Jahr 1992 sei sie mit dem Antragsteller nach Köln gegangen, nachdem dieser sein Studium beendet hätte und wäre seitdem im beiderseitigen Einvernehmen nicht mehr tätig gewesen. Darüber hinaus sei sie wegen ihrer Erkrankungen arbeitsunfähig.
42
Darüber hinaus sei ein Verwirkungstatbestand nicht erfüllt. Jedenfalls dürften die vor der endgültigen Trennung am 15.04.2016 liegende Vorfälle nicht berücksichtigt werden, da durch das weitere Zusammenleben, luxuriöse Urlaube und Liebesbriefe die Rechtsfigur der Verzeihung erfüllt wäre. Schließlich sei der Unterhalt auch nicht zeitlich zu befristen.
43
Zuletzt hatte die Antragsgegnerin beantragt, den Antragsteller zu verpflichten, ab Rechtskraft der Ehescheidung monatlich im Voraus nachehelichen Unterhalt in Höhe von 14.448 € einschließlich Altersvorsorgeunterhalt in Höhe von 3.931 € zu bezahlen.
44
Der Antragsteller hat die Abweisung des Antrages auf Zahlung von nachehelichem Unterhalt beantragt.
45
Er ist der Ansicht, eine quotale Unterhaltsberechnung sei allenfalls bis zum doppelten Betrag der Düsseldorfer Tabelle (Stand 2021), mithin bis zu einem Einkommen von 11.000,- € gerechtfertigt. Sollte darüber hinaus eine quotale Berechnung erfolgen, müsste sein bei der Trennung im Jahr 2016 erzielten Einkommen zu Grunde gelegt werden, nachdem seine Beförderung im Jahr 2019 zum Vorstandsvorsitzenden einen nicht in der Ehe angelegten Karrieresprung darstelle.
46
Bei der Berechnung des Einkommens müsse der Antragsgegnerin ein fiktives Einkommen zugerechnet werden, da sie in der Lage sei, beispielsweise als Sekretärin einer Rechtsanwaltskanzlei, ganztägig zu arbeiten.
47
Er ist der Ansicht, dass ein Anspruch auf nachehelichen Unterhalt im Übrigen jedenfalls verwirkt sei. Er hat hierfür eine Vielzahl von Vorfällen ins Feld geführt, die seitens der Antragsgegnerin größtenteils bestritten wurden. Auf die entsprechenden Schriftsätze wird insoweit Bezug genommen.
48
Der Antragssteller ist weiter der Ansicht, dass auch unabhängig von einer Verwirkung ein nachehelicher Unterhalt aufgrund der bisher geleisteten Zahlungen und des Zeitablaufs seit der Trennung im Jahr 2016 nicht mehr zu bezahlen sei.
49
Die Beteiligten haben in der mündlichen Verhandlung vom 26.04.2019 vereinbart, dass die Verfahrenserhebungen (insbesondere Beweiserhebungen) im Verfahren Trennungsunterhalt (Aktenzeichen 545 F 7167/16) auch in diesem Verfahren Verwendung finden und eine Entscheidung zugrunde gelegt werden sollen. Dies gelte insbesondere auch für die „Protokolle nebst Zeugeneinvernehmungen sowie (auch noch vorzulegende) Sachverständigengutachten. Im Verfahren 545 F 7167/16 hat das Gericht eine umfangreiche Beweisaufnahme durchgeführt, insbesondere eine Vielzahl von Zeugen angehört und im Ergebnis zwei Sachverständigengutachten in Auftrag gegeben. Insoweit wird daher Bezug genommen auf den Akteninhalt des Verfahrens 545 F 7167/16, insbesondere die dort durchgeführte Beweisaufnahme.
50
Der zulässige Antrag der Antragsgegnerin ist teilweise begründet. Im Übrigen war er als unbegründet abzuweisen.
51
Die Antragsgegnerin hat einen Anspruch auf Zahlung eines monatlichen nachehelichen Unterhalts in Höhe von 5.150 €, davon 1.387 € Altersvorsorgeunterhalt, bis einschließlich Dezember 2030 und in Höhe von 2.575 €, davon 694 € Altersvorsorgeunterhalt, bis einschließlich September 2035.
1. Anspruch aus § 1573 BGB
52
Die Antragsgegnerin hat einen Anspruch auf nachehelichen Unterhalt wegen Erwerbslosigkeit nach § 1573 BGB. Es kann insoweit dahinstehen, ob die Antragsgegnerin bereits einen Anspruch aus § 1572 BGB hat.
53
Nach § 1573 BGB kann ein Ehegatte Unterhalt verlangen, solange und soweit er nach der Scheidung keine angemessene Erwerbstätigkeit zu finden vermag. Voraussetzung ist demnach, dass die Antragsgegnerin über keine angemessene Erwerbsstelle verfügt und eine solche trotz angemessener eigener Bemühungen nicht zu finden vermag (BeckOK BGB/Beutler, 63. Ed. 1.8.2022, BGB § 1573 Rn. 5).
54
1.1. Die Antragsgegnerin geht seit dem Jahr 1992 bis heute keiner Arbeit nach, sie verfügt demnach über keine (angemessene) Erwerbstätigkeit.
55
1.2. Die Antragsgegnerin ist aus Sicht des Gerichts nicht in der Lage, eine angemessene Erwerbstätigkeit zu finden.
56
Da im Rahmen des nachehelichen Unterhalts eine grds. Erwerbsobliegenheit besteht, muss der Berechtigte sich in angemessener Weise um einen Arbeitsplatz bemüht haben. Ob er eine geeignete Stelle zu finden vermag, ist von den persönlichen Umständen (Alter, Ausbildung, Berufserfahrung und Gesundheitszustand) und den objektiven Verhältnissen auf dem Arbeitsmarkt abhängig. Leichtfertig und schuldhaft unterlassene Bewerbungsbemühungen lassen den Anspruch entfallen. (BeckOK BGB/Beutler, 63. Ed. 1.8.2022, BGB § 1573 Rn. 5, 6)
57
Das Gericht ist dabei der Überzeugung, dass die Antragsgegnerin auf Grund objektiver Umstände generell nicht in der Lage ist, eine auch nur geringfügige Arbeitsstelle zu finden.
58
Ausgehend von dem im Parallelverfahren 545 F 7167/16 eingeholten Sachverständigengutachten des Sachverständigen Dr. F. vom 28.05.2020 ist die Antragsgegnerin auf Grund ihrer Erkrankung allenfalls in der Lage, drei Stunden täglich zu arbeiten. Dabei ist zu berücksichtigen dass die Antragsgegnerin aufgrund ihrer Ausbildung, ihrer Erkrankung und dem Umstand, dass sie seit dem Jahr 1992 keiner Tätigkeit mehr nachgegangen ist, auf dem Arbeitsmarkt vernünftigerweise allenfalls eine Tätigkeit auf 450 € Basis erlangen könnte. Selbst wenn die Antragsgegnerin eine Ausbildung zur Rechtsanwaltsfachangestellten oder ähnlichen abgeschlossen hätte, ist das Gericht davon überzeugt, dass sie aufgrund des seit dem Jahr 1992 erfolgten massiven technischen Wandels im diesbezüglichen Arbeitsmarkt schlicht nicht vermittelbar wäre, auch wenn der Bedarf nach Arbeitskräften diesem Segment sehr hoch sein dürfte. In Zusammenschau dieser Umstände und der stark verminderten Arbeitskraft in zeitlicher Hinsicht ist das Gericht der Ansicht, dass es der Antragsgegnerin unmöglich ist, eine für sie angemessene Erwerbstätigkeit zu finden.
59
Insoweit kann es auch dahinstehen, ob die Antragsgegnerin überhaupt Bewerbungsbemühungen unternommen hat.
2. Bedürftigkeit der Antragsgegnerin
60
Die Antragsgegnerin ist bedürftig, da sie nicht in der Lage ist, ihren Bedarf selbst, auch nicht nur teilweise selbst, zu erwirtschaften.
61
Wie oben bereits beschrieben, ist die Antragsgegnerin nicht in der Lage, eine angemessene Erwerbstätigkeit zu finden. Darüber hinaus sind ihr auch keine fiktiven Einkünfte zuzurechnen und zwar auch nicht unter dem Gesichtspunkt, das sie es unterlassen hätte, die notwendigen Heilbehandlungen rechtzeitig vorzunehmen. Nach dem Gutachten des Sachverständigen Dr. F. vom 28.05.2020 lässt sich gerade nicht sicher feststellen, dass die Antragsgegnerin eine weitergehende Arbeitsfähigkeit bei rechtzeitiger Vornahme der angezeigten Heilbehandlungen hätte herstellen können oder wird in Zukunft herstellen können.
3. Höhe des Unterhalts
62
Der sich nach dem Halbteilungsgrundsatz ergebende Unterhaltsbedarf beträgt 9.407 € zuzüglich Altersvorsorgeunterhalt in Höhe von 3.468 €, insgesamt also 12.875 €.
3.1. Maßgebliches Einkommen des Antragstellers
63
Das Unterhaltsrechtlich relevante Einkommen des Antragstellers beträgt 21.935,68 €.
3.1.1 Maßgeblicher Zeitpunkt
64
Der Unterhaltsberechnung ist das vom Antragsteller zum Zeitpunkt der Trennung im April 2016 erzielte Einkommen zu Grunde zu legen.
65
Das Maß des Unterhalts richtet sich gem. § 1578 Abs. 1 BGB nach den ehelichen Lebensverhältnissen. Daneben besteht ein Anspruch auf Altersvorsorgeunterhalt nach § 1578 Abs. 3 BGB, der jedoch bei der Berechnung des Unterhalts bedarfsmindernd zu berücksichtigen ist. Die ehelichen Lebensverhältnisse werden durch das Einkommen geprägt. Sie richten sich daher grds. nach dem verfügbaren Familieneinkommen (BeckOK BGB/Beutler, 63. Ed. 1.8.2022, BGB § 1578 Rn. 5).
66
Maßgeblicher Zeitpunkt für die Berechnung des Familieneinkommens ist die Rechtskraft der Scheidung (BGH FamRZ 2012, 281). Seit der Trennung eingetretene Einkommensänderungen sind daher grds. zu berücksichtigen (BeckOK BGB/Beutler, 63. Ed. 1.8.2022, BGB § 1578 Rn. 5, 6).
67
Grds. wäre daher das im Jahr 2022 erzielte Einkommen für die Berechnung des Unterhalts maßgeblich. Im Jahr 2021 betrug es 628.877 € brutto.
68
Kommt es nach der Trennung auf Grund außergewöhnlicher Umstände zu einer unerwarteten, vom Normalverlauf erheblich abweichenden Entwicklung, sind die neuen Einkommensverhältnisse jedoch nicht mehr prägend (Wendl/Dose/Siebert, 10. Auflage 2019 § 4 Rn. 569). Dann kann nicht mehr davon ausgegangen werden, dass die neuen Verhältnisse Ausdruck der früheren ehelichen Lebensverhältnisse sind und dass sie diese maßgeblich bestimmt haben. Denn wie sich insbesondere aus §§ 1569, 1574, 1578b BGB ergibt, will das Unterhaltsrecht den geschiedenen Ehegatten nicht besser stellen, als er während der Ehezeit stand oder aufgrund einer bereits bei der Scheidung absehbaren Entwicklung ohne Scheidung stehen würde. Dabei kommt es, nicht darauf an, ob der Karrieresprung vor oder nach der Scheidung eintrat. Prüfungszeitpunkt für eine nicht in der Ehe angelegte Einkommensentwicklung ist vielmehr (nach wie vor, also auch trotz der Rückkehr zum Stichtagsprinzip nach der Entscheidung des BVerfG vom 25.01.2011, BVerfG FamRZ 2011, 437) die Trennung, da ab diesem Zeitpunkt kein gemeinsames Wirtschaften aus den vorhandenen Einkünften und keine gemeinsame Planung mehr vorliegt prägend (so ausdrücklich Wendl/Dose/Siebert, 10. Auflage 2019 § 4 Rn. 569 sowie 409-415). Nicht in der Ehe angelegt ist insoweit der Mehrverdienst, der wegen der vom Normalverlauf abweichenden Entwicklung erzielt wird. Das Einkommen bleibt in der bei Trennung bzw. bei Beginn der abweichenden Entwicklung erzielten Höhe prägend.
69
Wann eine vom Normalverlauf abweichende Entwicklung vorliegt, ist eine Einzelfallentscheidung des Tatrichters. Wie bereits ausgeführt hat die Rechtsprechung hierfür noch keine einheitlichen Kriterien gefunden, obwohl dies dringend erforderlich wäre. Indiz für eine außergewöhnliche, vom Normalverlauf abweichende Einkommensentwicklung ist eine erheblich über den normalen Gehaltserhöhungen liegende Einkommenssteigerung, vor allem bei Tätigkeiten in der freien Wirtschaft (Wendl/Dose/Siebert, 10. Auflage 2019, § 4 Rn. 571, m.w.N.).
70
Einzelfälle der Leistungsbeförderung bzw. des Karrieresprungs: Eine nach der Trennung eingetretene unerwartete, vom Normalverlauf abweichende Entwicklung liegt bei einer sog Leistungsbeförderung bzw. einem Karrieresprung vor. Letzteres ist z.B. gegeben bei einem Aufstieg vom Oberarzt zum Chefarzt, beim Wechsel eines Oberarztes in eine selbständige Praxis mit deutlich höheren Einkünften, vom ersten Beigeordneten einer Stadt zum Kreisdirektor, vom Vertriebsingenieur zum Geschäftsführer einer GmbH, vom Geschäftsführer eines mittelständischen Unternehmens zum „Senior Manager“ eines international operierenden Konzerns. (Wendl/Dose/Siebert, 10. Auflage 2019 § 4 Rn. 572 m.w.N.).
71
Diesen Grundsätzen folgend, ist die Beförderung in der Leitungsebene einer AG vom Vorstandsmitglied zum Vorstandsvorsitzenden als derartiger Karrieresprung anzusehen, auch unter Zugrundelegung der vorangegangenen Tätigkeit als Sprecher des Vorstandes. Diese Beförderung stellt, insbesondere auf Grund der begrenzten Anzahl der Vorstandsvorsitzendenstellen, keinen typischen Geschehensablauf dar und ist in der Regel nicht zu erwarten. Auf den damit erwirtschafteten Mehrverdienst kommt es insoweit nicht an. Ob das berufsschädigende Verhalten der Antragsgegnerin hier, wie seitens des Antragsstellers angenommen, zu berücksichtigen ist, kann daher dahinstehen.
72
Damit ist auf das bis zum Karrieresprung erzielte Einkommen abzustellen, also grds. auf das Einkommen des Jahres 2017. Die pauschale Behauptung der Antragsgegnerin, der Antragssteller habe ausweislich der Steuerbescheide unter Abzug der Einkommenssteuer und Soli abzüglich Vorsorgeaufwendungen und zuzüglich Zuschuss des Arbeitgebers für Vorsorgeaufwendungen im Jahr 2017 27.044 € erwirtschaftet, wurde vom Antragsteller bestritten. Nachdem der Vortrag nicht konkretisiert wurde und sich die Werte auch nicht aus den als Nachweis angegebenen Anlagen ohne weiteres Ergeben, war ein einfaches Bestreiten hier zulässig. Insoweit muss auf das zugestandene Nettoeinkommen aus dem Jahr 2016 zurückgegriffen werden, das höher ist, als das seitens der Antragsgegnerin angegebene Nettoeinkommen. Dies durfte erfolgen, da der Antragsteller nicht widersprochen hat, 2017 mehr verdient zu haben, als 2016 und damit unbestritten mindestens den Betrag aus 2016 erwirtschaftet hat.
3.1.2. Konkrete Höhe des Einkommens
73
Das der Unterhaltsberechnung zu Grunde zu legende Einkommen des Antragstellers berechnet sich nach dem unwidersprochenen Vortrag des Antragstellers für das Jahr 2016 wie folgt (Unterheft UE Bl. 144):

Bruttolohn 2016

526.180,43 €

abzgl. LSt. Kl.

1 202.001,27 €

abzgl. Soli

11.110,02 €

gesetzl. Netto

313.069,14 €

: 12

26.089,06 €

zzgl. AG PV Zuschuss

49,79 €

zzgl. AG KV Anteil

309,34 €

abzgl. freiw. KV-Beitrag

682,24 €

abzgl. PV

110,18 €

Zwischensumme

25.654, 85 €

74
Von diesem Nettoeinkommen sind noch die sog. berufsbedingten Aufwendungen abzuziehen sowie ein sog. Erwerbstätigenbonus (vgl. SüdL 2022).

abzgl. berufsbed. Aufw.

1.282,79 €

Zwischenergebnis:

24.372,06 €

abzgl. Erwerbstätigenbonus

2.437,30 €

bereinigtes Nettoeinkommen

21.935,68 €

3.2. Keine Beschränkung auf Sockelbetrag trotz Quotenunterhalt
75
Grds. steht es dem Berechtigten offen, einen konkreten Bedarf geltend zu machen oder aber einen sogenannten Quotenunterhalt, der sich aus der Halbteilung des Familieneinkommens ergibt.
76
Der BGH geht in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass es an sich für die Bedarfsbemessung des Ehegattenunterhalts (Trennungsunterhalt und nachehelicher Unterhalt) keine Obergrenze oder Sättigungsgrenze für die Bedarfsbemessung nach einer Einkommensquote gibt (Wendl/Dose/Siebert, 10. Auflage 2019, § 4 Rn. 760).
77
Der Rspr. des BGH ist zu entnehmen, dass sich das für die Halbteilung maßgebliche Einkommen grds. aus der Differenz von dem Gesamteinkommen und der Vermögensbildung ergibt, weshalb die tatsächliche Vermutung besteht, dass bei „normalen“ Einkommensverhältnissen das gesamte Einkommen für den Konsum verwendet worden ist. Nach der neuesten Rechtsprechung des BGH spricht aber eine tatsächliche Vermutung für den vollständigen Verbrauch des Familieneinkommens, soweit dieses das Doppelte des höchsten Einkommensbetrags der Düsseldorfer Tabelle, mithin einen Betrag von 11.000 EUR nicht übersteigt (BGH FamRZ 2020, 21 = BGHZ 223, 203 Rn. 26).
78
Bei sehr hohen Einkünften ist nach dem objektiven Maßstab eines vernünftigen Betrachters unter Berücksichtigung des tatsächlichen Konsumverhaltens der Ehegatten während des Zusammenlebens regelmäßig davon auszugehen, dass nicht alle Mittel für die Kosten der Lebensführung benötigt werden, sondern ein Teil in die Vermögensbildung fließt (Rubenbauer/Dose: Unterhaltsbedarf bei höherem Einkommen, NZFam 2021, 661 m.w.N.). Allerdings hat der BGH nun klargestellt, dass auch bei gehobenen Einkommensverhältnissen das gesamte Einkommen für den Lebensbedarf verbraucht worden sein kann, demnach auch hier eine Berechnung des Unterhalts nach Quote möglich ist. Auch bei besonders günstigen Verhältnissen bleibt das Einkommen nach der neuesten Rechtsprechung des BGH ein geeigneter Anknüpfungspunkt für die Darlegung des Bedarfs nach den ehelichen Lebensverhältnissen. Wenn der Unterhaltsberechtigte seinen Bedarf in diesen Fällen im Wege der Quotenmethode darlegen will, muss er mangels tatsächlicher Vermutung für den vollständigen Verbrauch des Einkommens zu Konsumzwecken im Rahmen seiner Darlegungslast für den Unterhaltsbedarf allerdings zusätzlich vortragen, dass und in welchem Umfang das hohe Einkommen zur Deckung der ehelichen Lebensverhältnisse verwendet worden ist. Denn nur aus dem für die ehelichen Lebensverhältnisse verwendeten Teil des eheprägenden Gesamteinkommens kann er dann den Quotenunterhalt verlangen. Wenn der Unterhaltsschuldner dem insoweit notwendigen Vortrag des Unterhaltsberechtigten zum Umfang des Verbrauchs des Einkommens substantiiert widerspricht und im Rahmen seiner – dann nur sekundären – Darlegungslast eine höhere Vermögensbildung vorträgt, bleibt es bei der Darlegungs- und Beweislast des Unterhaltsberechtigten für den vollständigen oder von ihm vorgetragenen (höheren) Verbrauch des Einkommens zu Konsumzwecken. (BGH FamRZ 2018, 260 = BGHZ 217, 24 Rn. 17; FamRZ 2020, 21 Rn. 26 ff.; Rubenbauer/Dose: Unterhaltsbedarf bei höherem Einkommen, NZFam 2021, 661).
79
Der Antragsteller hat hier selbst eingeräumt, dass keine weitere Vermögensbildung erfolgte und dass das Einkommen immer vollständig ausgegeben wurde. Wofür, könne er nicht mehr sagen. Insoweit hat er eingeräumt, keine Vermögensvorsorge betrieben zu haben, weshalb er – wie in der mittlerweile abgetrennten Folgesache Güterrecht vorgetragen – ohne Berücksichtigung der schenkungsweise erhaltenen Immobilie – keinen Zugewinn erwirtschaftet habe. Der Antragsteller selbst hat daher die für geringere Einkommen bestehende tatsächliche Vermutung bestätigt, dass das gesamte Familieneinkommen für den Konsum verwendet wurde. Der diesbezügliche Vortrag der Antragsgegnerin ist als zugestanden zu betrachten.
80
Ohne Bedeutung ist dabei, dass im Jahr 2016 besonders hohe Ausgaben für die Behandlung der Antragsgegnerin erfolgt sein sollen. Denn auch diese Ausgaben sind nicht dem Bereich der Vermögensbildung zuzurechnen und auch im Übrigen, also ohne den Anfall der hohen Behandlungskosten, keine Vermögensbildung erfolgt sein.
3.3. Einkommen der Antragsgegnerin.
81
Die Antragsgegnerin verfügt weder über ein eigenes Einkommen, noch sind ihr fiktive Einkünfte zuzurechnen (s.o.).
3.4 Konkrete Berechnung des Unterhaltsanspruches
82
Der Unterhaltsanspruch der Antragsgegnerin berechnet sich nunmehr wie folgt:
„Allein nach der Halbteilung der Einkünfte ergäbe sich ein Unterhaltsanspruch von 10.967,50 € [(21.935,00 € + 0 €)/2].“
83
Nachdem zusätzlich Altersvorsorgeunterhalt geltend gemacht wurde, berechnet sich der Unterhalt wie folgt:

Voller Unterhalt von M. R. (s.o.):

10.967,50 Euro

3.4.1. Altersvorsorgeunterhalt von M. R.

Bemessungseinkommen

10.967,50 Euro

Bremer Tabelle 1.1.2022., fiktives Brutto: 10968 + 70 % =

18.646,00 Euro

Altersvorsorgeunterhalt: 18646 * 18,6 % =

3.468,00 Euro

3.4.2. Bonusbereinigtes Einkommen des Antragstellers, zweite Stufe

Nettoeinkommen

24.372,00 Euro

Altersvorsorgeunterhalt

-3.468,00 Euro

Erwerbstätigenbonus: (24372 – 3468) * 10 %

-2.090,00 Euro

Bonusbereinigtes Einkommen von W. R., zweite Stufe:

18.814,00 Euro

Voller Unterhalt von M. R.: (18814.)/2

9.407,00 Euro

3.4.3. Kontrolle nach § 1581 BGB

Summe der Vorsorgebeträge

3.468,00 Euro

Gesamteinkommen: 0. + 24372 – 3468

20.904,00 Euro

Kontrollquote: 20904*1280/(2*1280)

10.452,00 Euro

Unterhalt von M. R. nach Kontrollquote: 10452

10.452,00 Euro

Der volle Unterhalt von M. R. in Höhe von 9.407,00 Euro unterschreitet den Unterhalt nach Kontrollquote und ist maßgebend.

W. R.

W. R. bleibt 24372 – 12875 =

11.497,00 Euro

Das Resteinkommen unterschreitet nicht den Ehegattenselbstbehalt von

1.280,00 Euro

3.4.4. Verteilungsergebnis

W. R.

11.497,00 Euro

M. R.

12.875,00 Euro

davon Vorsorgeunterhalt

3.468,00 Euro

insgesamt

24.372,00 Euro

3.4.5. Zahlungspflichten

W. R. zahlt an

M. R.

12.875,00 Euro

davon Altersvorsorgeunterhalt

3.468,00 Euro

1.4 Keine Beschränkung auf konkret geltend gemachten konkreten Bedarf gem. § 242 BGB
84
Es kann dahinstehen, ob der Unterhaltsanspruch der Höhe nach beschränkt ist auf den seitens der Antragsgegnerin eingangs des Verfahrens berechneten konkreten Bedarf der Antragsgegnerin. Dieser liegt mit den errechneten 11.950,- € höher als der hier errechnete volle Unterhalt von 10.967,50 €. Das Gericht ist zwar der Auffassung, dass jedenfalls im vorliegenden Einzelfall, in dem auf Grund der besonderen Umstände eine quotale Errechnung des Unterhaltsbedarfs über der Schwelle von 11.000,- € erfolgt, bei Zugrundelegung eines höheren bereinigten Nettoeinkommens eine entsprechende Beschränkung zu erfolgen hätte. Nachdem jedoch ein Karrieresprung erfolgte und auf das bei der Trennung erzielte Einkommen abzustellen ist, ist dieser Umstand hier im Ergebnis ohne Belang.
1.5. Leistungsfähigkeit des Antragstellers
85
An der Leistungsfähigkeit des Antragstellers bestehen im Hinblick auf sein mittlerweile nicht unerheblich gestiegenes Einkommen von bereinigt ca. 28.700 € netto keine Bedenken.
1.6. Verwirkung
86
Die Ansprüche der Antragsgegnerin sind gem. § 1579 Nr. 3 und Nr. 7 BGB in Höhe von 60 % verwirkt.
87
Nach Überzeugung des Gerichts hat sich die Antragsgegnerin eines Verbrechens oder eines schweren vorsätzlichen Vergehens gegen den Verpflichteten schuldig gemacht im Sinne des § 1579 Nr. 3 und ihr fällt ein offensichtlich schwerwiegendes, eindeutig bei ihr liegendes Fehlverhalten gegen den Antragsteller zur Last i.S.d. § 1579 Nr. 7 BGB.
88
Nach Gesamtabwägung aller Umstände scheint dem Gericht eine Unterhaltskürzung von 60 % als ermessensgerecht.
1.6.1. Zum Sachverhalt
89
Das Gericht hält die seitens des Antragstellers zur Begründung der Verwirkung geschilderten Vorfälle im Wesentlichen für erwiesen. Es haben sich hier im Rahmen der durchgeführten Beweisaufnahme allenfalls geringfügige Nuancen ergeben, in ihrem Kern treffen die Ausführungen indes zu. Soweit die Antragsgegnerin den Schilderungen des Antragstellers entgegentritt, überzeugt dies das Gericht in weiten Teilen nicht. Bezüglich der einzelnen Vorwürfe wird insoweit noch einmal auf den Schriftsatz des Antragstellervertreters vom 21.11.2018 sowie die Akte des Verfahrens 545 F 7167/16, insbesondere den Inhalt der durchgeführten Beweisaufnahme, allen voran die durchgeführte Zeugeneinvernahme, Bezug genommen. Ausgenommen hiervon sind die Vorwürfe, die Antragsgegnerin sei verantwortlich für einem Presseartikel vom August 2018 inklusive angeblich seitens der Antragsgegnerin verfasster Leserkommentare zu diesem Artikel im Internet sowie, die Antragsgegnerin habe den Antragsstellers bei der Bafin angezeigt.
90
Besonders schwer wiegen dabei – auch im Hinblick auf die Vielzahl der Vorfälle und des langen Zeitraums, in dem sie stattfanden – die folgenden Vorfälle, die sich zur Überzeugung des Gerichts im Wesentlichen abspielten wie seitens des Antragstellers beschrieben:
- der Angriff der Antragsgegnerin auf den Antragssteller in der vormaligen gemeinsamen Ehewohnung in der Nacht vom 22.11.2015 auf den 23.11.2015 mit Verletzungsfolgen für diesen,
- der Angriff der Antragsgegnerin auf den Antragssteller in der vormaligen gemeinsamen Ehewohnung in der Nacht vom 13.04.2016 auf den 14.04.2016 mit Faustschlägen ins Gesicht und Einstechen mit einer Schere, in der Folge erhebliche Schnittverletzungen,
- diverse „Szenen“ der Antragsgegnerin gegenüber ihrem Ehemann in Anwesenheit Dritter (z.B. am 17.09.2014 in Anwesenheit der Sekretärin des Antragsstellers und in Hörweite anderer Mitarbeiter, am 22.10.2015 auf dem Tennisplatz bei einem Tennisspiel des Antragstellers mit einem Mitglied des Aufsichtsrats, hier auch Schlag durch die Antragsgegnerin mit den Händen ins Gesicht des Antragstellers),
- zahlreiche Telefonate der Antragsgegnerin mit der Sekretärin des Antragstellers, in denen sie diesen in „Fäkalsprache“ beschimpfte,
- zahlreiche E-Mails mit drohendem und beleidigendem Charakter an den Antragsteller, wobei der Antragsgegnerin bewusst war, dass die Sekretärin des Antragstellers diese Nachrichten lesen kann,
- verbaler und körperlicher (mit einem Schlag in sein Gesicht) Angriff der Antragsgegnerin auf den Antragssteller am 15.04.2016 in der Eingangshalle von dessen Arbeitgeber in Anwesenheit der Sekretärin des Antragstellers und weiterer Mitarbeiter,
- Herabwürdigung des Antragstellers durch die Antragsgegnerin gegenüber dem Vorsitzenden des Aufsichtsrats des Arbeitsgebers des Antragstellers, auch mit möglichen Konsequenzen für die berufliche Tätigkeit des Antragstellers,
- Verschicken einer verleumderischen SMS durch die Antragsgegnerin an das Mitglied des Aufsichtsrats Dr. H. am 28.11.2015, auch mit strafrechtlich und damit auch für das Arbeitsverhältnis des Antragstellers relevanten Vorwürfen,
- Beleidigung des Antragstellers durch die Antragsgegnerin gegenüber dem weiteren Vorstandsmitglied Sch. am Telefon,
- Beleidigung des Antragstellers durch die Antragsgegnerin telefonisch gegenüber der Vorstandssekretärin G.,
- beleidigende Aussagen der Antragsgegnerin über den Antragsteller am 23.10.2015 gegenüber Arbeitskollegen / Mitarbeitern des Antragstellers.
- Auslegen von vertraulichen Unterlagen mit persönlichen Angaben des Antragstellers in einem Bistro nahe der Arbeitsstelle des Antragstellers am 24.05.2017, in der Absicht, dass diese aufgefunden und die enthaltenen sensiblen Daten Dritten bekannt werden,
- Senden weitere zahlreicher E-Mails durch die Antragsgegnerin an den Antragsteller gegen dessen erklärten Willen mit herabsetzendem Inhalt, Beschimpfungen und Bedrohungen in der Zeit von Juni 2018 bis 17.07.2018 und Verstoß gegen die hierauf erlassene Anordnung des Gerichts nach den Vorschriften des Gewaltschutzgesetzes vom 20.07.2018 am 30.07.2018.
91
Die Überzeugung des Gerichts, dass sich die aufgeführten Vorfälle im Wesentlichen so abspielten, wie seitens des Antragstellers geschildert, resultiert aus der durchgeführten Beweisaufnahme, der persönlichen Anhörung der Beteiligten und der Vorlage von Attesten / Unterlagen, die sich insoweit überzeugend in die Schilderungen des Antragstellers einfügen. Im Rahmen der persönlichen Anhörung haben sich die Bekundungen des Antragstellers zu den diversen Vorfällen als stringent, in sich stimmig und nachvollziehbar erwiesen. Sie ließen sich – soweit Zeugen bei den Vorfällen zugegen waren – auch weitestgehend mit den Wahrnehmungen dieser Zeugen und mit den vorgelegten Dokumenten in Einklang bringen. Demgegenüber waren die Angaben der Antragsgegnerin teilweise in sich nicht stimmig und teilweise schlichtweg nicht nachvollziehbar. Auffallend war, dass Vorfälle ohne Anwesenheit Dritter evident entgegengesetzt geschildert wurden als vom Antragsteller, sich die Antragsgegnerin aber bei Vorfällen, bei denen Dritte zugegen waren, teilweise auf (krankheitsbedingte) Erinnerungslücken berief.
92
Dies gilt jedoch nicht für die Vorwürfe des Antragstellers, die Antragsgegnerin sei verantwortlich für einem Presseartikel vom August 2018 inklusive angeblich seitens der Antragsgegnerin verfasster Leserkommentare zu diesem Artikel im Internet sowie der Vorwurf der Anzeige des Antragsstellers bei der Bafin. Der Nachweis hierfür wurde aus Sicht des Gerichts nicht hinreichend erbracht.
1.6.2. Zu den Tatbeständen.
1.6.2.1. § 1597 Nr. 3 BGB
93
Die Antragsgegnerin hat sich eines Verbrechens oder eines schweren vorsätzlichen Vergehens gegen den Verpflichteten schuldig, indem sie den Antragsteller am 14.04.2016 mit einer Schere zwei Stichverletzungen beibrachte.
94
Bei den unter § 1579 Nr. 3 BGB fallenden Taten muss es sich um wirklich gravierende Straftaten handeln. Körperverletzungen zwischen Ehegatten sollen als Härtegrund über das übliche Maß ehelicher Auseinandersetzungen hinausgehen (BeckOK BGB/Beutler, 64. Ed. 1.11.2022, BGB § 1579 Rn. 11 m.w.N.).
95
Die Tat vom 14.04.2016 stellt eine solche gravierende Straftat dar. Es handelt sich dabei um eine gefährliche Körperverletzung im Sinne des § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB, nachdem die Körperverletzung mittels eines gefährlichen Gegenstandes begangen wurde. Angesichts der Position der Stichverletzung am Halsbereich liegt auch eine Begehung mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung im Sinne des § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB zumindest sehr nahe.
96
Insgesamt stellt sich die Tat als weit über dem Maß „üblicher“ Fälle der häuslichen Gewalt mit einem erheblichen Gefährdungspotential dar und unterfällt damit dem Fall des schweren vorsätzlichen Vergehens im Sinne des § 1579 Nr. 3 BGB.
97
Entgegen der Annahme der Antragsgegnervertreterin liegen keine hinreichenden Anhaltspunkte für eine Schuldunfähigkeit der Antragsgegnerin zum Zeitpunkt der Tat vor. Zu diesem Ergebnis gelangte auch nachvollziehbar der Sachverständige Dr. F. in seinem Zusatzgutachten vom 24.08.2020. Zu Gunsten der Antragsgegnerin war hier allein eine alkoholbedingte sowie situationsbedingte Enthemmung zu berücksichtigen, die in der Gesamtschau der Annahme der Tat als Straftat von erheblichem Gewicht nicht zu entgegensteht
1.6.2.2. § 1579 Nr. 7 BGB.
98
Der Antragsgegnerin fällt ein offensichtlich schwerwiegendes, eindeutig bei ihr liegendes Fehlverhalten gegen den Antragsteller zur Last i.S.d. § 1579 Nr. 7 BGB.
99
Im Ergebnis ist der Tatbestand zu bejahen, wenn bei einer Gesamtabwägung des Verhaltens beider Parteien eine Unterhaltsverpflichtung wegen vom Unterhaltsberechtigten begangener gravierender Ehewidrigkeiten unerträglich erscheinen muss (Wendl/Dose/Siebert, 10. Auflage 2019, § Rn. 1343). Das Fehlverhalten muss dabei zunächst offensichtlich schwerwiegend sein, dh, es muss nach allgemeinem, nicht nur einseitigem Eheverständnis missbilligt werden. Es muss sich um einen Fall grober Verantwortungslosigkeit und Pflichtwidrigkeit handeln. Deshalb reicht ein einfaches Fehlverhalten oder die Feststellung durchschnittlicher Scheidungsschuld für die Bejahung der Nr. 7 nicht aus. Bei einem Fehlverhalten bis zur Scheidung muss es sich um einen Verstoß gegen schwerwiegende eheliche Pflichten handeln. Wichtige Pflichten sind in diesem Zusammenhang die ehelichen Treuepflichten, eheliche Solidarität und der Grundsatz der Gegenseitigkeit. Während der Ehe besteht eine gesteigerte Verantwortung der Eheleute füreinander. (Wendl/Dose/Siebert, 10. Auflage 2019, § Rn. 1339 bis 1343).
100
Diesen Grundsätzen folgend ist der Tatbestand der einseitigen schwerwiegenden Verfehlung i.S.d.. § 1579 Nr. 7 BGB erfüllt. Zwar vermag nicht jede einzelne der oben genannten Handlungen der Antragsgegnerin den Tatbestand erfüllen. In der Gesamtschau liegt jedoch auf Grund der Schwere der Einzelnen Verfehlungen der Antragsgegnerin sowie auf Grund der Intensität und der zeitlichen Dauer vom Jahr 2015 bis August 2018, über den sie sich erstreckten, auch unter Berücksichtigung des Fehlverhaltens des Antragstellers, eine eindeutig bei der Antragsgegnerin liegenden einseitige schwere Verfehlung vor.
1.6.2.3. Gesamtwürdigung
101
Eine Gesamtwürdigung der beiderseitigen Rechts- und Interessenlagen unter Berücksichtigung aller Umstände des vorliegenden Falles ergibt, dass eine vollständige oder auch überwiegende Inanspruchnahme des Antragstellers entsprechend den gesetzlichen Vorschriften auf (nach-)ehelichen Unterhalt grob unbillig wäre. Der nacheheliche Unterhalt ist vielmehr weit überwiegend verwirkt. Eine vollständige Verwirkung liegt indes noch nicht vor, der Anspruch auf Unterhalt der Antragsgegnerin entfällt daher nicht vollständig.
102
Bei der zu diesem Ergebnis führenden umfassenden Billigkeitsabwägung ist einerseits auf Seiten des Antragstellers zu berücksichtigen, dass die vorliegenden Sachverhalte, die das Vorliegen von Verwirkungstatbeständen begründen, teilweise besonders schwerwiegend sind. Neben ihrer Schwere im Einzelfall ist zudem die Anzahl der Verfehlungen der Antragsgegnerin zu berücksichtigen. Diese erfolgten überdies über einen ungewöhnlich langen Zeitraum und erstrecken sich vom Jahr 2015 bis in den August 2018. Eine Einsicht der Antragsgegnerin, dass ihr Verhalten auch nur teilweise falsch sein könnte oder gar Reue ist nicht zu erkennen. In den mehreren durchgeführten Verhandlungsterminen hat sich beim Gericht vielmehr der Eindruck festgesetzt, dass die Antragsgegnerin sich trotz allem, was sie dem Antragsteller angetan hat, in einer Opferrolle sieht und ihr Verhalten – soweit sie es nicht leugnet – als gerechtfertigt ansieht. Die Folgen der zur überwiegenden Verwirkung des Unterhaltsanspruchs der Antragsgegnerin führenden Sachverhalte sind für den Antragsteller einschneidend und schwer: einerseits sind hier die körperlichen Auswirkungen zu bedenken, insbesondere bei dem Angriff durch die Antragsgegnerin auf den Antragsteller mit der Schere, bei dem überdies die Möglichkeit erheblich schwererer Verletzungsfolgen für den Antragsteller bestand und die sich der Antragssteller nicht hätte selbst zufügen können. Hinzu treten die starken psychischen Belastungen des Antragsstellers und die beruflichen Auswirkungen der Vorfälle für ihn, der als Vorstandssprecher einer großen Versicherung in besonderer Weise auf eine gute Reputation und auf das Ansehen bei seinen Mitarbeitern, Vorstandskollegen, den Mitgliedern des Aufsichtsrats sowie allgemein in der Öffentlichkeit angewiesen ist. Die Zeugeneinvernahmen im parallelverfahren Trennungsunterhalt haben gezeigt, dass die Befürchtung des Antragsstellers, aufgrund des Verhaltens seiner Frau möglicherweise sogar seinen Job zu verlieren, nicht völlig unberechtigt waren.
103
Bei der Frage, welche rechtlichen Auswirkungen das Vorliegen von Verwirkungstatbeständen hat, ist der verfassungsrechtliche Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten. Dabei ist zu bedenken, dass die Beteiligten sehr lange verheiratet waren, es der vereinbarten Rollenverteilung entsprach, dass die Antragsgegnerin während der Ehe nicht arbeitete und die Antragsgegnerin schwer erkrankt ist. Das Gericht geht davon aus, dass die Trennung des Antragstellers und die Erkenntnis, dass diese diesmal offenkundig endgültig ist, bei der Antragsgegnerin eine große Verzweiflung ausgelöst und sie psychisch – auch krankheitsbedingt – in einem erheblichen Maße belastet hat. Dies ist insbesondere für den Vorfall vom 14.04.2016 anzunehmen. Die Antragsgegnerin hat hierzu glaubhaft geschildert, dass gerade die Aussage des Antragstellers, er könne eine erneute Krebsdiagnose mit der entsprechenden Erkrankung nicht mehr ertragen, eine massive Verzweiflungssituation ausgelöst hat und sie sich in dieser besonders belasten Situation entsprechend im Stich gelassen gefühlt hat. Weiter ist zu berücksichtigen, dass der Antragsteller über ein besonders hohes Einkommen verfügt und ihm daher eine – wenn auch in der Höhe beschränkte – Unterhaltsleistung leichter zuzumuten ist. Schließlich war zu berücksichtigen, dass sich das berufsschädigende Verhalten der Antragsgegnerin nicht ausgewirkt hat und der Antragsteller zum Vorstandsvorsitzenden gewählt wurde und der Antragsteller glücklicherweise keine Folgeschäden von den Angriffen der Antragsgegnerin davontrug.
104
Weiter zu Gunsten der Antragsgegnerin war zu berücksichtigen, dass jedenfalls teilweise eine Verzeihung anzunehmen ist, für die insbesondere der übersandte Liebesbrief vom 19.09.2015 spricht, in der sich der Antragsteller bei der Antragsgegnerin für sein eigenes Verhalten entschuldigt und eindeutig erklärt, dass er die Beziehung fortsetzen will. Dabei ist zunächst zu beachten, dass sich die Verzeihung naturgemäß nur auf Umstände auswirken kann, die vor den, den Tatbestand der Verzeihung auslösenden Umständen liegen
105
Eine Verzeihung liegt vor, wenn der Unterhaltspflichtige durch sein Verhalten eindeutig zu erkennen gibt, dass er aus dem ihn bekannten Härtegrund keine Rechte herleiten will und dadurch beim Unterhaltsberechtigten ein entsprechender Vertrauensschutz entsteht. An die Feststellung der Verzeihung sind strenge Anforderungen zu stellen (BeckOGK/Haidl, 1.11.2022, BGB § 1579 Rn. 233). Verzicht wie Verzeihung, die an der Verwirklichung und Bewertung eines Härtegrundes zum Zeitpunkt ihrer Vornahme nichts ändern, lassen nicht die Tatbestandsmäßigkeit der Härtegründe entfallen, sondern sind lediglich im Rahmen der Billigkeitsabwägung zu berücksichtigen (Wendl/Dose UnterhaltsR, § 4 Rn. 1241; MüKoBGB/Maurer, 9. Aufl. 2022, BGB § 1579 Rn. 115).
106
Diesen Grundsätzen folgend kann allein die Versöhnung und das erneute Zusammenziehen am 06.01.2015 und der Brief vom 19.09.2015 als Verzeihung angenommen werden. Durch diese Handlungen gab der Antragsteller eindeutig zu erkennen, dass er trotz des Geschehenen an der Beziehung festhalten und keine für die Antragsgegnerin negativen Rechtsfolgen herleiten möchte. Einen entsprechenden eindeutigen Vertrauenstatbestand wurden durch die weiteren seitens der Antragsgegnerin vorgetragen Sachverhalte nicht geschaffen. Dies gilt insbesondere für den gemeinsamen Saunabesuch am 19.04.2016 und das Wochenende in Kitzbühel am 10.03.2017. Auch das Weiterführen der Beziehung bis zum Vorfall am 14.04.2016 allein vermag den Tatbestand der Verzeihung nicht zu erfüllen.
107
Für die Zeit nach dem 19.09.2015 ist daher nicht mehr für das Vorliegen einer Verzeihung auszugehen. Dies gilt mithin insbesondere für die massive Tat am 14.04.2016 sowie den in der Nacht vom 22.11.2015 auf den 23.11.2015 begangenen Angriff der Antragsgegnerin.
108
Soweit eine Verzeihung anzunehmen ist, sind die Handlungen der Antragsgegnerin des Weitern nicht gänzlich außer Betracht zu lassen, ihnen ist jedoch ein geringeres Gewicht beizumessen.
109
Unter Gesamtwürdigung sämtlicher oben angesprochenen Umstände entspricht es er Billigkeit, einen Abzug auf Grund der Verwirkung in Höhe von 60 % anzunehmen. Nicht unmaßgeblich für einen nicht kompletten Ausschluss des Unterhaltsanspruches sind dabei die Vermögensverhältnisse der Beteiligten. Die Antragsgegnerin verfügt weder über Vermögen noch über ein eigenes Einkommen, der Antragsteller hingegen verfügt über ein sehr hohes Einkommen von zumindest 28.700 € netto sowie Vermögen im Millionenbereich. Eine Reduzierung des Unterhaltsanspruches von insgesamt 12.875 € um 60 % führt zu einem Wert von 5.150 €. Dies sind gerundet etwa 18 % des dem Antragsteller zur Verfügung stehenden Nettogehalts.
1.7. Begrenzung
110
Der Unterhaltsanspruch der Antragsgegnerin ist zeitlich und der Höhe nach gem. § 1578b BGB wie folgt zu begrenzen:
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Vom Zeitpunkt der Scheidung bis zum 31.12.2030 besteht der Unterhaltsanspruch in voller Höhe. Ab dem 01.01.2031 bis zum 30.09.2035 (dem Ablauf des Monats des Erreichens der Regelaltersgrenze für den Rentenbezug durch die Antragsgegnerin) verringert er sich um 50 %. Ab Erreichen der Regelaltersgrenze bzw. des Ablaufs des auf dieses Ereignis fallenden Monats ist kein Unterhalt mehr zu bezahlen.
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Gem. § 1578 Abs. 1 und Abs. 2 BGB ist der Unterhaltsanspruch der Höhe nach und oder zeitlich zu begrenzen, sofern ein zeitlich und oder der Höhe nach unbegrenzter Unterhaltsanspruch unbillig wäre.
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Die Anwendung des § 1578b Abs. 1 und 2 BGB verlangt eine umfassende Billigkeitsabwägung der dort genannten Billigkeitskriterien und die Einbeziehung aller Umstände des konkreten Einzelfalls, also aller in Betracht kommenden Gesichtspunkte. Grobe Unbilligkeit ist nicht erforderlich. Bei der Bewertung der ehebedingten Nachteile und der sie konkretisierenden Umstände (Dauer der Kinderbetreuung, Haushaltsführung und Erwerbstätigkeit während der Ehe, Dauer der Ehe) handelt es sich um die wertende Würdigung objektiver Umstände, denen kein Unwerturteil und keine subjektive Vorwerfbarkeit anhaftet. Es geht nicht um die Würdigung von Fehlverhalten oder Verschulden des Unterhaltsberechtigen. Solches bleibt bei der Billigkeitsabwägung unberücksichtigt. Denn die Rechtsfolgen eines Fehlverhaltens sind abschließend in § 1579 BGB geregelt. (Wendl/Dose/Wönne, 19. Aufl. § 4 Rn. 1035)
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Maßgebliche Kriterien sind hier, neben anderen, die Dauer der Ehe sowie die Frage, ob ehebedingte Nachteile bei der Antragsgegnerin vorliegen.
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Ehebedingte Nachteile liegen vor, wenn die Gestaltung der Ehe, insbes. die Arbeitsteilung der Ehegatten, die Fähigkeit eines Ehegatten, für seinen Unterhalt zu sorgen, beeinträchtigt hat (BGH FamRZ 2008, 582; 2009, 406 (408); FamRZ 2014; 2018; FamRZ 2020, 21). Die Minderung der Verdienstmöglichkeiten wegen fehlender beruflicher Praxis kann auch nach langer Ehedauer ein ehebedingter Nachteil sein (OLG Düsseldorf FamRZ 2008, 1950). Nachteile in der Altersversorgung durch eine ehebedingte Erwerbsunfähigkeit werden durch den Versorgungsausgleich ausgeglichen (BGH FamRZ 2008, 1325; FamRZ 2018, 1421).
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Bemessungszeitraum für die Dauer der Ehe ist der Zeitraum zwischen Eheschließung und Zustellung des Scheidungsantrags (BGH FamRZ 1986, 886 = NJW 1986, 2832; FamRZ 2009, 406 = NJW 2009, 989). Die Dauer der Ehe beträgt insoweit 18 Jahre und 4 Monate (11.1998 bis 03.2017). Allein die bloße Dauer der Ehe spricht für sich nicht generell gegen eine Unbilligkeit. Sie stellt im Regelungszusammenhang des § 1578b Abs. 1 S. 3 BGB nur ein Indiz für die zunehmende Verflechtung der beiderseitigen Verhältnisse dar (BGH FamRZ 2008, 1325).
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Eine Befristung des Aufstockungsunterhalts scheidet nicht schon bei einer Ehedauer von 20 Jahren aus (BGH FamRZ 2008, 134; OLG Brandenburg FamRZ 2008, 1952: bei 19 Jahren). Ist allerdings nach einer Ehe von langer Dauer der Berechtigte allein wegen fehlender beruflicher Praxis auf Tätigkeiten im Geringverdienerbereich angewiesen, stellt diese Minderung der Verdienstmöglichkeiten einen ehebedingten Nachteil dar (OLG Düsseldorf FamRZ 2008, 1950 bei einer Ehedauer von 30 Jahren).
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Unter besonderer Berücksichtigung der eben genannten Umstände im Rahmen der Gesamtabwägung ist das Gericht der Ansicht, dass eine Unterhaltszahlung in voller Höhe über den gesamten Zeitraum bis zum Eintritt der Antragsgegnerin in das Rentenalter – ab diesem Zeitpunkt partizipiert sie von dem Versorgungsausgleich – unbillig wäre.
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Gegen eine Herabsetzung oder Befristung spricht hier die lange Ehedauer von 18 Jahren und 4 Monaten sowie der Umstand, dass die Antragsgegnerin in dieser Zeit einvernehmlich nicht gearbeitet hat. Allein aus diesem Grund ist ihr ein Nachteil dahingehend entstanden, dass sie in Ermangelung beruflicher Erfahrung, insbesondere im Hinblick auf die erfolgten technischen Errungenschaften der letzten zwei Jahrzehnte, in Berufen, wie sie sie vor der Ehe ausübte, praktisch keine Chancen auf eine Anstellung mehr besitzt. Zu beachten ist hier jedoch, dass sie zum Zeitpunkt der Eheschließung über keine abgeschlossene Ausbildung verfügte und ihre geringen Erwerbsaussichten daher nicht allein auf der Gestaltung der Ehe beruhen, zumal die praktisch nicht vorhandene Vermittelbarkeit auf dem Arbeitsmarkt ihren Grund auch darin begründet hat, dass die Antragstellerin krankheitsbedingt allenfalls sehr eingeschränkt arbeitsfähig ist, was wiederum keinen in der Ehe bedingten Nachteil darstellt.
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Unter Abwägung aller Umstände, insbesondere der oben angesprochenen Punkte, aber auch dem an Stärkung gewonnenen Grundsatz der Eigenverantwortung, der beiderseitigen Einkommens- und Vermögensverhältnisse und Erwerbsmöglichkeiten sowie dem Umstand, dass der Antragsteller bereits seit der Trennung bzw. seit dem 01.07.2016 Trennungsunterhalt in nicht unwesentlicher Höhe bezahlt hat bzw. zu bezahlen hat, ist es nicht unbillig, dass der Antragsteller bis einschließlich Dezember 2030 den vollen Unterhallt bezahlt. Ab diesem Zeitpunkt erscheint es dem Gericht unbillig, ihn weiterhin mit der vollen Unterhaltslast zu belasten. Angesichts der günstigen Vermögensverhältnisse des Antragstellers und der damit im Vergleich sehr geringen finanziellen Belastung für diesen, ist auch für die Zeit danach kein vollständiger Ausschluss auszusprechen, sondern allein eine Verringerung des Anspruches um 50 %. Im Ergebnis hat der Antragsteller dann einen Unterhalt von insgesamt 2.575 € bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze durch die Antragsgegnerin zu bezahlen, was, ausgehend von seinem derzeitigen Einkommen, lediglich ca. 9 % seines Nettoeinkommens ausmacht. Ab dem Renteneintritt durch die Antragsgegnerin partizipiert diese durch den Versorgungsausgleich an den Rentenansprüchen des Antragstellers, weshalb mit Ablauf des Monats, in dem das Regelalter erreicht wird, ein Unterhaltsanspruch da gänzlich zu entfallen hat.
4. Kosten und Nebenentscheidungen
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 150 Abs. 1 FamFG. Es entsprach auch unter Berücksichtigung der Folgesache Unterhalt, dem billigen Ermessen, die Kosten des Verfahrens gegeneinander aufzuheben.