Inhalt

VG Bayreuth, Beschluss v. 24.11.2023 – B 5 E 23.767
Titel:

Amtsangemessene Beschäftigung einer Lehrkraft

Normenketten:
GG Art. 33 Abs. 5
BeamtStG § 45
BayEUG Art. 59 Abs. 1 S. 1, Art. 60a Abs. 1 S. 2
BayLDO § 9a Abs. 3 S. 2 Nr. 1, § 9b S. 3
VwGO § 123
Leitsätze:
1. Beamte haben grundsätzlich Anspruch auf Übertragung eines ihrem statusrechtlichen Amt entsprechenden funktionellen Amtes, mithin eines amtsgemäßen Aufgabenbereichs. (Rn. 22) (redaktioneller Leitsatz)
2. Bei der Beurteilung, ob ein Beamter amtsangemessen beschäftigt wird, ist nicht auf einzelne Arbeitsaufgaben, sondern auf das Gesamtbild des konkret wahrgenommenen Arbeitspostens abzustellen. (Rn. 22) (redaktioneller Leitsatz)
3. Der schwerpunktmäßige Einsatz einer Oberstudienrätin für Garten- und Reinigungsarbeiten ist nicht amtsangemessen. (Rn. 24) (redaktioneller Leitsatz)
4. Eine Lehrkraft kann nicht beanspruchen, eigenverantwortlich regulären Unterricht zu erteilen, solange gravierende Schwierigkeiten im Zusammenhang mit der Unterrichtstätigkeit bestehen und die Erreichung der Unterrichtsziele gefährdet ist. (Rn. 26) (redaktioneller Leitsatz)
5. Die getroffenen Maßnahmen zur Beschäftigung der Lehrkraft dürfen jedoch nicht zu einer faktischen Suspendierung führen. (Rn. 30) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
amtsangemessene Beschäftigung einer Lehrerin, ausschließlich außerunterrichtliche Aufgaben, Organisationsermessen des Dienstherrn, einstweilige Anordnung, Beamte, Lehrkraft, Oberstudienrätin, Statusamt, amtsangemessene Beschäftigung, Organisationsermessen, Fürsorgepflicht, Unterricht, Gefährdung, außerunterrichtliche Aufgaben, Suspendierung, vorläufiger Rechtsschutz
Rechtsmittelinstanzen:
VG Bayreuth, Beschluss vom 26.06.2024 – B 5 E 24.218
VGH München, Beschluss vom 19.02.2024 – 3 CE 23.2239
Fundstelle:
BeckRS 2023, 43995

Tenor

1. Der Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, die Antragstellerin vorläufig bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache amtsangemessen zu beschäftigen.
2. Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.
3. Die Beteiligten tragen die Kosten des Verfahrens je zur Hälfte.
4. Der Streitwert wird auf 5.000 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
1
Die Antragstellerin, die als Oberstudienrätin (BesGr. A 14) im Dienst des Antragsgegners steht und an der … Schule (Staatliche FOS/BOS) … beschäftigt ist, verfolgt im Wege des einstweiligen Rechtschutzes einen Anspruch auf amtsangemessene Beschäftigung.
2
Der Antragstellerin wurde am 04.05.2023 eine Anordnung zur Überprüfung der Dienstfähigkeit ausgehändigt. Ein hiergegen gerichteter Eilantrag wurde mit Beschluss der Kammer vom 24.05.2023 (Az. B 5 E 23.391) abgelehnt. Nachdem die Antragstellerin gegen diesen Beschluss Beschwerde eingelegt hatte, erklärten Antragstellerin und Antragsgegner den Rechtsstreit mit Schriftsätzen vom 13.07.2023 bzw. 28.07.2023 übereinstimmend für erledigt. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof führte in seinem Einstellungsbeschluss vom 31.07.2023 (Az. 3 CE 23.1033) aus, dass der Antrag der Antragstellerin nach § 123 VwGO ohne die zwischenzeitlich – mit Schreiben vom 05.07.2023 – erfolgte Aufhebung der Untersuchungsanordnung als statthaft und in der Sache voraussichtlich begründet anzusehen gewesen wäre.
3
Ab dem Beginn des Schuljahres 2023/24 (Montag, 11.09.2023) wurde die Antragstellerin nicht mehr für eigenverantwortliche Unterrichtstätigkeiten eingesetzt. Daraufhin ließ sie mit Schriftsatz ihres Bevollmächtigten vom 21.09.2023 – bei Gericht eingegangen am selben Tag – um einstweiligen Rechtschutz nachsuchen.
4
Die Antragstellerin beantragt,
Der Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, die Anweisung „Schuljahr 2023-24“ der Schulleitung der … Schule – Staatliche FOS/BOS (Anlage ASt 3) aufzuheben und die Antragstellerin amtsangemessen als Oberstudienrätin (Besoldungsgruppe A14) mit der Erteilung von Unterricht mit vollem Deputat zu beschäftigen.
5
Die Antragstellerin werde im Schuljahr 2023/24 nicht amtsangemessen mit Unterricht beschäftigt, sondern ausschließlich außerunterrichtlich und offensichtlich unterwertig eingesetzt. Es sei seitens der Schulleitung eine Anweisung ergangen, keinen Unterricht zu erteilen, sondern außerunterrichtliche „Aufsichten“ sowie bestimmte „weitere Aufgaben“ wahrzunehmen. Im Einleitungssatz der Anweisung werde ausdrücklich verfügt, dass die Antragstellerin keinen Unterricht zu erteilen habe. Zur Glaubhaftmachung werde die Anweisung „Schuljahr 2023-24“ vorgelegt. Ausweislich dieser Nachricht vom 08.09.2023 in ihrem Postkorb des schulinternen Infoportals sei die Antragstellerin dahingehend verständigt worden, dass sie diverse Aufsichten zu führen habe, insbesondere das Aufschließen der Klassenzimmer mit anschließender Aufsicht, Pausenaufsicht, Aufsicht Nachtermin Fachabitur in den Fächern Deutsch und PP, Aufsichten bei Schulaufgaben sowie Aufsicht bei Veranstaltungen im Schulhaus. Als weitere Aufgaben zugewiesen worden seien ihr die Pflege des grünen Klassenzimmers (zusammen mit anderen Kollegen), die Unterstützung von Lehrkräften bei außerunterrichtlichen Tätigkeiten, die Begleitung bei Unterrichtsgängen, die Unterstützung bei schulinternen Veranstaltungen, die Verschönerung des Schulhauses, die künstlerische Unterstützung bei der Erstellung des Jahresberichts sowie die Unterstützung beim Projekt „Neugestaltung Verwaltung“.
6
Die Antragstellerin trägt vor, die Tätigkeit „Pflege des grünen Klassenzimmers“ sei eine schlichte Gartenarbeit. Ferner habe sie am 17.09.2023 von Frau F. eine Anweisung zu den Arbeiten im grünen Klassenzimmer erhalten (vorgelegt als ASt 4). Die Antragstellerin macht geltend, sie werde nicht mehr im Unterricht eingesetzt. Schwerpunktmäßig sei sie nun im Garten tätig und dort mit der Säuberung der Pflasterflächen, Fugenreinigungen, Kehren, Sammeln von Pflanzenabfällen und Unkrautausstechen befasst. Sie sei bereits mehrfach von Kolleginnen und einer Schülerin auf ihre aktuelle Beschäftigungssituation angesprochen worden und am Dienstag, den 12.09.2023, während der ersten Pausenaufsicht von einer Schülerin gefragt worden, warum sie dieses Jahr keinen Kunstunterricht gebe, da sich die Schülerin extra dafür eingeschrieben hätte. Ferner sei die Antragstellerin von Kollegen darauf angesprochen worden, ob sie überhaupt noch unterrichten würde und es sei geäußert worden, dass die Aufsicht im Küchenbereich der undankbarste Job sei, den keiner machen wolle. Die Antragstellerin sei am 18.09.2023 im Garten gewesen und habe die Kollegin F. gefragt, wer geschnittene Sträucher auf den Boden und nicht in den Eimer geworfen habe. Die Kollegin habe geantwortet, dass sie das gewesen sei und die Antragstellerin für den Boden zuständig sei. Nicht einmal bei der Gartenarbeit finde somit ein angemessener Umgang mit der Antragstellerin statt. Frau F. habe der Antragstellerin außerdem mitgeteilt, dass das Unkrautjäten letztes Jahr von einer Schulklasse (12. Klasse) als Strafarbeit durchgeführt worden sei. Die gesamte Kommunikation gegenüber der Antragstellerin zu Beginn des Schuljahres sei in hohem Maße unangemessen und fürsorgewidrig erfolgt. Der Zugang zu den schulinternen Infoportalen sei gesperrt gewesen. Deswegen habe sie zunächst keine Information über die übliche Anfangskonferenz am Schuljahresbeginn erhalten und habe sich telefonisch bei einer Kollegin erkundigen müssen. An dieser Konferenz am 11.09.2023 habe die Antragstellerin dann teilgenommen, jedoch anders als die Kolleginnen und Kollegen keine Einteilung in die zu unterrichtenden Fächer erhalten. Erst auf eine Bitte der Antragstellerin gegenüber dem zuständigen Systembetreuer hin habe dieser den Zugang zum Infoportal wieder entsperrt. Erst zu jenem Zeitpunkt habe die Antragstellerin feststellen können, dass im Infoportal eine Anweisung zum Schuljahr 2023-24 ergangen sei, und zwar bereits am 08.09.2023. Über die Sperrung des Zugangs selbst habe sie niemand informiert.
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Ein Anordnungsanspruch der Antragstellerin liege vor. Jeder Inhaber eines statusrechtlichen Amtes könne nach Art. 33 Abs. 5 GG beanspruchen, dass ihm ein abstrakt-funktionelles Amt sowie ein amtsangemessenes konkret-funktionelles Amt, d.h. ein entsprechender Dienstposten, übertragen werde. Dieser Anspruch werde im laufenden Schuljahr nicht erfüllt. Die bloße Vornahme von Aufsichten und Unterstützungstätigkeiten für andere Lehrer sowie die Arbeit im Garten entspreche nicht dem Amt einer Oberstudienrätin. Eine Beschäftigung als solche an einer Schule müsse immer die Beschäftigung mit Unterrichtsaufgaben beinhalten, was hier vollständig fehle. Bei der Beurteilung, ob ein Beamter amtsangemessen beschäftigt werde, sei nicht auf einzelne Arbeitsaufgaben, sondern auf das Gesamtbild des konkret wahrgenommenen Arbeitspostens abzustellen, wobei insbesondere das traditionelle Leitbild des Dienstpostens und die geforderte Aus- und Vorbildung Bedeutung hätten. Die ausschließliche Betrauung mit Aufsichten und sonstigen Tätigkeiten entspreche nicht dem Leitbild einer Oberstudienrätin und auch nicht der dafür notwendigen Vorbildung. Dies gelte erst recht für die Gartenarbeit und die weiteren Aufgaben, bei welchen es sich in der Terminologie des Bundesverwaltungsgerichts weitgehend um sog. „Pseudobeschäftigungen“ handele, die geradezu einer Verhöhnung und Demütigung gleichkämen. Leitbild einer Tätigkeit im höheren Lehramt sei die Erteilung von (wissenschaftlichem) Unterricht, nicht das Jäten von Unkraut im Schulgarten oder die Ausschmückung des Schulhauses. Das Schulhaus könne auch von Schülern ausgeschmückt werden, desgleichen im Rahmen eines Schulprojekts das Laub im Schulgarten gefegt werden. Allenfalls handele es sich um Hausmeistertätigkeiten, die bei Weitem nicht in A 14 eingestuft seien, zumal sie sogar laufbahnfremd seien. Auch die Teilaufgabe „künstlerische Unterstützung bei der Erstellung des Jahresberichts“ könne nur als grotesk bewertet werden. Das Malen eines Bildes oder Ähnliches zur Verschönerung eines Berichts stehe der Erteilung von Unterricht nicht gleich. Generell sei die Antragstellerin als Oberstudienrätin nicht Assistentin anderer Lehrkräfte, sondern trage nach Art. 59 des Bayerischen Erziehungs- und Unterrichtsgesetzes (BayEUG) selbst pädagogische Verantwortung. Sämtliche Aufgaben in Richtung einer Stützung anderer Lehrkräfte oder der Verwaltung seien völlig ungenügend und schlicht indiskutabel. Die Herabstufung einer Oberstudienrätin mit langjähriger Berufserfahrung und zum Teil besten Beurteilungen zur Vornahme von Unterstützungsarbeiten für andere Lehrkräfte werde dem Leitbild eines Lehrers im bayerischen Schuldienst nicht einmal ansatzweise gerecht. Einzelne der Antragstellerin aufgegebene Unterstützungstätigkeiten seien ganz offensichtlich auf eine Verspottung und Verächtlichmachung, eventuell auch eine Provokation ausgerichtet, wie etwas das Ansinnen, dass diese die „Begleitung bei Unterrichtsgängen“ vorzunehmen habe, also irgendwie als Begleitperson dabei sein solle, wenn ein anderer Lehrer eine Exkursion durchführe. Da es auf das Gesamtbild der Tätigkeit ankomme, könne der Antragsgegner auch nicht damit durchdringen, dass bei isolierter Betrachtung die Vornahme einer Pausenaufsicht durchaus Lehreraufgabe sei und auch einer Oberstudienrätin in gewissen Grenzen zugemutet werden könne. Die Lehrerdienstordnung (LDO) gehe offensichtlich davon aus, dass Lehrer in erster Linie Unterricht erteilten. Die Wahrnehmung außerunterrichtlicher Dienstpflichten sei die Ausnahme und nicht geeignet, die Unterrichtsaufgabe zu verdrängen (§§ 2 ff. LDO). Die Anordnung verstoße nicht nur gegen die Lehrerdienstordnung, sondern auch gegen Art. 59 Abs. 1 Satz 1 BayEUG, wonach die Antragstellerin die unmittelbare pädagogische Verantwortung für den Unterricht und die Erziehung der Schülerinnen und Schüler trage. Außerdem bestimme Art. 60a Abs. 1 Satz 2 BayEUG, dass administrative oder der Bewirtschaftung der Schulanlage dienende Tätigkeiten von dem Verwaltungs- und Hauspersonal wahrgenommen würden, also gerade nicht von den Lehrkräften. Die Antragstellerin werde faktisch suspendiert, was allenfalls disziplinarrechtlich verfügt werden könnte, und zwar nur bei schwersten Dienstpflichtverstößen. Sie werde von jeder Perspektive in ihrem Beruf abgeschnitten und in ihrem beruflichen Ansehen sowie in ihrer beruflichen Fortentwicklung schwerstens geschädigt. Im Rahmen der Ermessensausübung seien aus Fürsorgegründen aber vor allem die tatsächlichen Auswirkungen der Umsetzung auf den beruflichen Werdegang des Betroffenen oder dessen private Lebensführung zu berücksichtigen. Eine Begründung für das Vorgehen des Antragsgegners sei nicht erfolgt. Bereits aus diesem Grund stehe die Ermessenfehlerhaftigkeit der Anordnung fest. Letztendlich weigere sich der Antragsgegner wohl einfach, die aus dem Verfahren, Az. 3 CE 23.1033, zu ziehenden Folgerungen umzusetzen, nämlich Kenntnis zu nehmen, dass die Antragstellerin uneingeschränkt dienstfähig und demzufolge uneingeschränkt zu beschäftigen sei. Der ganze Vorgang entspreche auch nicht den Vorgaben des Haushaltsrechts, das zu einer sparsamen und wirtschaftlichen Mittelverwendung verpflichte. Selbst wenn der Antragstellerin die angewiesenen Tätigkeiten zugewiesen werden könnten, hätte die Schulleitung gemäß § 9b Satz 3 LDO auf eine gerechte Verteilung zu achten, was nicht stattfinde. Außerdem werde die hierfür nicht ausgebildete Antragstellerin durch die Gartenarbeit auch körperlich belastet. Aufgrund der Offensichtlichkeit der Verletzung des Anspruchs sei auch der Anordnungsgrund zu bejahen. Die Durchführung eines Hauptsacheverfahrens komme hier zu spät. Der Anordnungsgrund folge aus der besonderen Schwere der Betroffenheit der Antragstellerin, der schlicht keine Unterrichtsaufgaben verblieben und die vollkommen abgewertet und aus ihrem Beruf herausgedrängt werde.
8
Der Antragsgegner beantragte mit Schriftsatz vom 28.09.2023,
den Antrag abzulehnen.
9
Es sei nicht ersichtlich, weshalb eine einstweilige Regelung des Einsatzes der Antragstellerin nötig sein solle, um deren Rechte zu wahren oder um wesentliche Nachteile abzuwenden. Zudem laufe der Unterrichtsbetrieb an den bayerischen Schulen im Schuljahr 2023/24 bereits seit dem 11.09.2023, sodass sich ein Unterrichtseinsatz der Antragstellerin nicht kurzfristig organisieren lasse. Im Übrigen sei die Erteilung von Unterricht nicht ausschließlich amtsprägend für die Tätigkeit einer Oberstudienrätin. Unbestreitbar gehöre die Unterrichtserteilung grundsätzlich zu den Aufgaben einer verbeamteten Lehrkraft. Darüber hinaus statuierten aber §§ 9a und 9b LDO eine ganze Reihe von außerunterrichtlichen Dienstpflichten, die gleichrangig neben der Erteilung von Unterricht stünden. Die Entscheidung, welche außerunterrichtlichen Aufgaben eine Lehrkraft zu erfüllen habe und in welchem Umfang dies zu geschehen habe, obliege dem Ermessen der Schulleitung im Hinblick auf die dienstlichen Erfordernisse der Dienststelle. Im konkreten Fall lägen eine Reihe von Beschwerden über das Verhalten und die Leistungen der Antragstellerin im unterrichtlichen Einsatz vor, die einen ausschließlichen Einsatz der Antragstellerin in außerunterrichtlichen Dienstaufgaben rechtfertigten und dieser insofern ermessensfehlerfrei angeordnet worden sei. Zudem wisse die Antragstellerin, dass seitens des Dienstherrn weiterhin die Einleitung eines Verfahrens zur Überprüfung ihrer Dienstfähigkeit geprüft werde. Bevor in dieser Sache keine endgültige Entscheidung getroffen werde, sei ein unterrichtlicher Einsatz im Sinne der Kontinuität in den Klassen nicht opportun.
10
Mit Schriftsatz ihres Bevollmächtigten vom 29.09.2023 ließ die Antragstellerin ergänzend vortragen, dass die Antragstellerin sich bei einer rein außerunterrichtlichen Tätigkeit vorwiegend im Garten nicht mehr mit anderen Lehrkräften austauschen könne und von allen Informationen abgeschnitten werde. Sie sei im Garten sozial isoliert und faktisch gar nicht mehr Teil des Schullebens. Die Tatsache, dass der Unterrichtsbetrieb bereits seit einigen Tagen laufe, stehe einem Anspruch der Antragstellerin nicht entgegen, da ein Wechsel der Lehrkraft im laufenden Schuljahr selbstverständlich möglich sei, was etwa auch bei Krankheitsausfällen geschehe. Zur weiteren Darlegung der der Antragstellerin drohenden Nachteile sowie zur Veranschaulichung, was sie sich gefallen lassen müsse, werde eine E-Mail von Frau F. vom 24.09.2023 vorgelegt, aus der sich ergebe, dass der Umgang der Schule mit der Antragstellerin mittlerweile jedes Maß verloren habe (auf die als Anlage ASt 7 vorgelegte E-Mail wird Bezug genommen). Darin werde ihr die Verwendung des Gasbrenners zur Unkrautvernichtung verboten. Der von der Antragstellerin zur Unkrautvernichtung eingesetzte Gasbrenner gehöre selbstverständlich zum Arbeitsmaterial der Schule und diene dort genauso dem Zweck, zu dem ihn die Antragstellerin eingesetzt habe, nämlich dem Wegbrennen von Unkraut in den Pflasterfugen. Die Antragstellerin habe auch nicht aus eigener Initiative zu diesem Hilfsmittel gegriffen, sondern nach Absprache mit dem zuständigen Hausmeister, der dazu aus sachlichen Gründen geraten habe. Indem man der Antragstellerin nicht einmal den Einsatz des Gasbrenners erlaube, wolle man sie zur mühevollen Handarbeit ohne wesentliche Hilfsmittel zwingen. Der schikanöse Charakter des Vorgehens sei offensichtlich. Die Aussagen wie, dass „alles aus Holz“ sei oder es sich um „ein Klassenzimmer aus Holz“ handele, seien selbstverständlich reiner Unsinn, es handle sich um einen Garten. Der Umgangston entspreche dem mit einem unmündigen Kind, nicht mit einer Oberstudienrätin. Die Antragstellerin habe mit E-Mail vom 25.09.2023 nachgefragt, ob die als Anlage ASt 7 vorgelegte E-Mail eine Anweisung sei. Die Schulleitung habe sich dann dahingehend geäußert, dass die Antragstellerin außerdienstliche Aufgaben erhalten habe. Weiter habe sich die Schulleitung dahingehend geäußert, dass die Anmerkungen, die Frau F. zur Pflege des „grünen Klassenzimmers“ geschrieben habe, der Schulleitung bekannt seien. Indem die Schulleitung geäußert habe, die Antragstellerin werde angewiesen, die Aufgaben so zu erledigen, wie Frau F. sie dazu anleite, stehe fest, dass die genaue Steuerung der als außerdienstlich bezeichneten Aufgaben aus der Hand gegeben worden sei. Frau F. sei der Antragstellerin aber nicht übergeordnet, eine Kompetenz zur Erteilung von Anweisungen gegenüber der Antragstellerin sei schul- und beamtenrechtlich nicht auffindbar. Die Anweisung, die Aufgaben so zu erledigen wie von Frau F. angewiesen, sei mithin rechtswidrig. In Bezug auf das „grüne Klassenzimmer“ werde darauf hingewiesen, dass die zu reinigende Fläche in dem Garten insgesamt circa 150 m2 umfasse und die damit verbundene Arbeit körperlich sehr fordernd sei. Insgesamt sei der Garten aber noch wesentlich größer. Es handle sich um ein Schulprojekt, wobei die Pflege den Schülern obliege, sei es als Projektarbeit oder als Strafarbeit. Bemerkenswert sei die Verknüpfung der Gartenarbeiten mit dem Schulfest am 27.09.2023, wie sie etwa in der vorgelegten E-Mail der Frau F. zum Ausdruck komme (Anlage ASt 8). Es verstehe sich von selbst, dass das Schulgelände vor dem Schulfest gereinigt und aufgeräumt werden müsse, was jedoch die Aufgabe des Verwaltungs- und Hauspersonals sei. Die Rechtswidrigkeit der streitgegenständlichen Anweisung folge nach ständiger Rechtsprechung außerdem daraus, dass diese zeitlich nicht begrenzt sei. Die Erledigung außerunterrichtlicher Dienstpflichten stehe entgegen der Behauptung des Antragsgegners nicht gleichrangig neben der Erteilung von Unterricht. Die ausschließlich außerunterrichtliche Tätigkeit der Antragstellerin sei nicht zu rechtfertigen. Sollten mit den genannten Beschwerden die in der Personalakte befindlichen Beschwerden gemeint sein, habe die Antragstellerin davon erstmals durch Akteneinsicht im Rahmen des Eilverfahrens gegen die Anordnung der amtsärztlichen Anordnung erfahren. Auf die im dortigen Verfahren vorgelegte eidesstattliche Versicherung vom 21.06.2023 [gemeint wohl: vom 19.05.2023] werde verwiesen. Der Umgang des Dienstherrn mit den Beschwerden sei personalakten-rechtswidrig und fürsorgewidrig. Soweit sich der Antragsgegner darauf berufe, die Antragstellerin wisse, dass weiterhin die Einleitung eines Verfahrens zur Überprüfung ihrer Dienstfähigkeit geprüft werde, sei diese Behauptung falsch. Im Übrigen gelte insoweit die Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs, wonach der Dienstherr Zweifel an der Dienstfähigkeit des Beamten nicht dadurch begegnen dürfe, dass er diesen gegen seinen Willen unterwertig beschäftige und ihm damit die Beweislast für seine Dienstfähigkeit überbürde.
11
Der Antragsgegner führte mit Schriftsatz vom 06.10.2023 noch aus, dass sich aus den vorliegenden Unterlagen eindeutig ergebe, dass die Antragstellerin in einer Vielzahl von schulischen Aufgaben eingesetzt werden solle, die hohen Wert für die pädagogische Arbeit und für das Schulleben hätten. Nachdem die Antragstellerin so dezidiert mit dem Einsatz im sogenannten „grünen Klassenzimmer“ hadere, sei darauf hingewiesen, dass das Thema Bildung für nachhaltige Entwicklung im bayerischen Schulwesen eine herausgehobene Stellung habe.
12
Nachdem die Antragstellerin bei Gericht am 12.10.2023 Einsicht in die vorgelegten Personalakten genommen hatte, ließ sie mit Schriftsatz ihres Bevollmächtigten vom 17.10.2023 ergänzend vortragen, dass sie das Programm Bildung für nachhaltige Entwicklung durchaus sehr schätze. Hierbei handele es sich um ein Bildungskonzept, kein Konzept zur Bekämpfung von Unkraut. Zur Glaubhaftmachung werde auf die einschlägige Internetseite des Staatsinstituts für Schulqualität und Bildungsforschung verwiesen.
13
Mit Schriftsatz vom 24.10.2023 trug der Antragsgegner noch vor, dass gravierende Mängel der Unterrichtsführung der Antragstellerin einem Einsatz im laufenden Schuljahr entgegenstünden. Schülerinnen und Schüler sowie deren Erziehungsberechtigte hätten sich in der Vergangenheit insbesondere über die unzureichende Vorbereitung der Abschlussklasse in Prüfungsfächern beschwert sowie darüber, dass keine Besprechung von Arbeitsergebnissen im Unterricht erfolge und die Bewertung von Leistungserhebungen nicht nachvollziehbar sei. Ferner habe es Beschwerden über die Wahrnehmung und Einbindung nur einzelner Schülerinnen und Schüler im Unterricht gegeben, die Ankündigung von Themen für kurz bevorstehende Leistungsnachweise, die nicht im Unterricht behandelt worden seien, sowie verärgertes und launisches Verhalten der Antragstellerin auf fachliche Fragen der Schülerinnen und Schüler hin. Zur Glaubhaftmachung legt der Antragsgegner eine Schülerbeschwerde vom 30.01.2023 sowie diverse Elternbeschwerden vor (Anlage Ag 1 und 2), auf die insgesamt Bezug genommen wird. Vor diesem Hintergrund sei es der Schulleitung nicht zumutbar, die Antragstellerin zu beschäftigen. Die Schulleitung trage nicht nur die Verantwortung für das an der Schule tätige Personal, sondern auch gegenüber den Schülerinnen und Schülern für einen ordnungsgemäßen und inhaltlich qualitativ hochwertigen Unterricht entsprechend dem Lehrplan plus. Insgesamt sei der Unterricht der Antragstellerin so verlaufen, dass diese den Schülerinnen und Schülern zu Beginn der Unterrichtsstunde ein Thema genannt habe, gegebenenfalls hierzu ein Arbeitsblatt ausgeteilt habe und die Schülerinnen und Schüler angewiesen habe, dieses in Eigenregie zu bearbeiten. Das Thema bzw. die Arbeitsergebnisse der Unterrichtsstunde seien im Anschluss in aller Regel nicht besprochen worden. Auch sei es vorgekommen, dass die Antragstellerin in mehreren aufeinanderfolgenden Unterrichtseinheiten die gleichen Themen behandelt habe und dementsprechend das identische Arbeitsblatt öfter ausgeteilt habe. Die Beschreibung des Unterrichtsstils der Antragstellerin decke sich mit den Beobachtungen der Ministerialbeauftragten für die berufliche Oberschule in Nordbayern, deren fachaufsichtliche Würdigung die Antragstellerin selbst erbeten habe, deren fachliche Kritik sie aber im Ergebnis nicht habe nachvollziehen können.
14
Aus der antragsgegnerseits in Bezug genommenen fachaufsichtlichen Würdigung der Ministerialbeauftragten vom 13.03.2023, auf die das Gericht ebenfalls Bezug nimmt, geht als Fazit hervor, dass sich in der besuchten Unterrichtsstunde etliche der in der Schülerbeschwerde vom 30.01.2023 beklagten Defizite bestätigt hätten. Es bestehe dringender Handlungsbedarf, da die beobachtete Unterrichtsführung nicht geeignet sei, angemessene Unterrichtsfortschritte im Sinne des gültigen Lehrplans zu erzielen. Besorgniserregend sei die Erkenntnis aus der Nachbesprechung, dass die Antragstellerin offensichtlich grundlegende Aufgaben einer Lehrkraft in Frage stelle und in grundlegenden methodisch-didaktischen Fragestellungen eine rational nicht nachvollziehbare Einschätzung vornehme. Eine echte Problemeinsicht sei bei der Antragstellerin nicht erkennbar gewesen.
15
Der Antragsgegner bringt weiter vor, dass zahlreiche Mitarbeitergespräche zwischen der Schulleitung und der Antragstellerin sowie auch die angebotene Unterstützung zu keiner Verbesserung in der Unterrichtsführung geführt hätten. Auch die Bereitschaft der Schulleitung, den Rechtsanwalt zum Mitarbeitergespräch hinzuzuziehen, habe die Antragstellerin nicht dazu bewogen, zu den angebotenen Terminen zu erscheinen. Eine Aufklärung der Gründe für ihr aufgezeigtes Verhalten sei somit nicht möglich gewesen. Wegen der aufgezeigten Mängel in der Unterrichtführung und Unterrichtsgestaltung sei bis zum Abschluss dieses Verfahrens ein Einsatz im Unterricht nicht zu verantworten.
16
Dem trat der Bevollmächtigte der Antragstellerin mit Schriftsatz vom 06.11.2023, auf welchen verwiesen wird, nochmals entgegen.
17
Der Antragsgegner nahm mit Schriftsatz vom 20.11.2023 abschließend Stellung und wies insbesondere darauf hin, dass der geltend gemachte Anspruch auf amtsangemessene Beschäftigung nach der Rechtsprechung voraussetze, dass der betreffende Beamte dazu in der Lage sei, die mit dem Amt verbundenen Dienstgeschäfte ordnungsgemäß zu führen. Die vorliegenden Schüler- und Elternbeschwerden zeigten jedoch, dass die Antragstellerin nicht imstande sei, den Unterricht ordnungsgemäß zu führen. Zur Überprüfung der Dienstfähigkeit der Antragstellerin sei vonseiten des Staatsministeriums am 11.10.2023 eine Untersuchung bei der Medizinischen Untersuchungsstelle bei der Regierung von … veranlasst worden. Eine frühere Beauftragung der Untersuchungsstelle sei nicht möglich gewesen, da das als vorgelagerter Schritt beabsichtigte Mitarbeitergespräch der Schulleitung mit der Antragstellerin mangels Reaktion der Antragstellerin auf Einladungen hierzu nicht habe stattfinden können.
18
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichts- und Behördenakten ergänzend Bezug genommen.
II.
19
1. Der zulässige Antrag hat im tenorierten Umfang Erfolg.
20
Nach § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann das Gericht, gegebenenfalls bereits vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert wird. § 123 Abs. 1 VwGO setzt ein besonderes Bedürfnis für die Inanspruchnahme vorläufigen Rechtsschutzes (Anordnungsgrund) im Interesse der Wahrung des behaupteten Rechts (Anordnungsanspruch) voraus. Beides ist vom Antragsteller glaubhaft zu machen, § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung (ZPO). Maßgebend für die Beurteilung sind die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung. Ist die geltend gemachte materielle Rechtsposition grundsätzlich sicherungsfähig, hängt die Bejahung eines Anordnungsanspruchs regelmäßig davon ab, welche Erfolgsaussichten im Hauptsacheverfahren bestehen.
21
a. Die Antragstellerin hat die für den Anordnungsanspruch – hier: den materiellen Anspruch auf amtsangemessene Beschäftigung – maßgeblichen Tatsachen glaubhaft gemacht (§ 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 294 ZPO).
22
aa. Der Inhaber eines statusrechtlichen Amtes kann gemäß Art. 33 Abs. 5 GG beanspruchen, dass ihm ein abstrakt-funktionelles Amt sowie ein amtsangemessenes konkret-funktionelles Amt, d.h. ein entsprechender Dienstposten, übertragen werden. Die im Zuge der Eingliederung des Beamten in die Behördenorganisation und seiner tatsächlichen Verwendung erforderliche Übertragung eines abstrakt-funktionellen Amtes folgt dem statusrechtlichen Amt. Gemeint ist der einem statusrechtlichen Amt entsprechende Aufgabenkreis, der einem Inhaber dieses Statusamtes bei einer bestimmten Behörde auf Dauer zugewiesen ist. Das abstrakt-funktionelle Amt wird dem Beamten durch gesonderte Verfügung des Dienstherrn übertragen. Der Beamte hat deshalb grundsätzlich Anspruch auf Übertragung eines seinem statusrechtlichen Amt entsprechenden funktionellen Amtes, mithin eines „amtsgemäßen“ Aufgabenbereichs. Deshalb ist der Dienstherr gehalten, dem Beamten solche Funktionsämter zu übertragen, die in ihrer Wertigkeit dem Amt im statusrechtlichen Sinne entsprechen. Das konkret-funktionelle Amt, der Dienstposten, bezeichnet die dem Beamten tatsächlich übertragene Funktion, seinen Aufgabenbereich. Der Dienstherr hat im Rahmen seiner Fürsorgepflicht für eine amtsangemessene Verwendung eines Beamten Sorge zu tragen. Im Rahmen dieser Vorgaben liegt es im Ermessen des Dienstherrn, den Inhalt des abstrakt- und des konkret-funktionellen Amtes festzulegen. Jedoch hat der Beamte kein Recht auf unveränderte und ungeschmälerte Ausübung des ihm einmal übertragenen Dienstpostens, sondern muss vielmehr Änderungen seines dienstlichen Aufgabenbereichs durch Umsetzung oder andere organisatorische Maßnahmen nach Maßgabe seines Amtes im statusrechtlichen Sinne hinnehmen, selbst wenn das mit einer Einbuße an gesellschaftlichem Ansehen und an Aufstiegsmöglichkeiten, einer Verringerung der Mitarbeiterzahl wie auch dem Verlust der Vorgesetzteneigenschaft verbunden ist. Bei jeder sachlich begründbaren Änderung der dem Beamten übertragenen Funktionsämter muss ihm jedoch ein amtsangemessener Tätigkeitsbereich verbleiben. Ohne sein Einverständnis darf dem Beamten keine Tätigkeit zugewiesen werden, die – gemessen an seinem statusrechtlichen Amt, seiner Laufbahn und seinem Ausbildungsstand, d.h. dem abstrakten Aufgabenbereich seines statusrechtlichen Amtes – „unterwertig“ ist. Insbesondere darf er nicht aus dem Dienst gedrängt und nicht dadurch, dass ihm Pseudobeschäftigungen zugewiesen werden, zur Untätigkeit in perspektivlosem Zuwarten genötigt werden. Bei der Beurteilung, ob ein Beamter amtsangemessen beschäftigt wird, ist nicht auf einzelne Arbeitsaufgaben, sondern auf das Gesamtbild des konkret wahrgenommenen Arbeitspostens abzustellen. Bedeutung haben dabei mitunter das traditionelle Leitbild des Dienstpostens und die geforderte Aus- und Vorbildung (vgl. VG München, U.v. 28.03.2023 – M 5 K 21.2236 – juris Rn. 13 m.w.N., insb. aus der st.Rspr. des BVerwG; vgl. auch Conrad in Weiß/Niedermaier/Summer, Beamtenrecht in Bayern, Stand: November 2023, § 45 BeamtStG Rn. 132 ff. m.w.N.).
23
bb. Legt man dies zugrunde, erweist sich die derzeitige Beschäftigung der Antragstellerin als nicht amtsangemessen. Die gerichtliche Überprüfung ist grundsätzlich darauf beschränkt, ob die Gründe des Dienstherrn für die Änderung des übertragenen Funktionsamtes seiner tatsächlichen Einschätzung entsprechen und nicht nur vorgeschoben sind, um eine in Wahrheit allein oder maßgeblich auf anderen Beweggründen beruhende Entscheidung zu rechtfertigen, oder ob sie aus sonstigen Gründen willkürlich sind (vgl. BayVGH, B.v. 27.08.2014 – 3 ZB 14.454 – juris Rn. 22; B.v. 26.02.2015 – 3 ZB 14.499 – juris Rn. 6; VG München, B.v. 26.01.2022 – M 5 E 21.6337 – juris Rn. 27). Die in Rede stehende aktuelle Beschäftigung der Antragstellerin kann jedoch nicht mehr als ermessensgerecht angesehen werden.
24
Dem Antragsgegner mag zuzugeben sein, dass die Erteilung von Unterricht nicht ausschließlich amtsprägend für die Tätigkeit einer Oberstudienrätin ist und dass dem Dienstherrn hinsichtlich des Einsatzes der Antragstellerin ein Organisationsermessen zukommt. So verlangt eine amtsangemessene Beschäftigung in der Tat nicht zwingend die Übertragung des „üblichen“ Aufgabenbereiches und ist nicht nur dann anzunehmen, wenn ein möglichst breites oder gar das gesamte mit dem statusrechtlichen Amt verbundene Aufgabenspektrum abgedeckt ist. Das dem Dienstherrn beim Personaleinsatz und bei der sachgerechten Aufgabenbewältigung zustehende organisatorische Ermessen ist jedoch dann überschritten, wenn gerade der verbleibende Aufgabenbereich üblicherweise einem niedrigeren statusrechtlichen Amt zuzuordnen ist oder er durch eine erhebliche und einseitige Verengung – etwa auf reine Routinearbeiten – keine dem statusrechtlichen Amt entsprechende Wertigkeit mehr aufweist (vgl. OVG NW, B.v. 11.08.2014 – 6 B 834/14 – juris Rn. 9, VG Kassel, U.v. 11.12.2019 – 1 K 451/19.KS – juris Rn. 30). Gerade dies ist vorliegend anzunehmen. Die Antragstellerin hat insbesondere durch die Vorlage einer eidesstattlichen Versicherung sowie entsprechender Nachrichten der Schulleitung glaubhaft gemacht, ausschließlich mit außerunterrichtlichen Tätigkeiten betraut zu sein. Einen wesentlichen Schwerpunkt bilden dabei neben Aufsichten die ihr übertragenen Garten- und Reinigungsarbeiten. Die Kammer tritt dem Standpunkt der Antragstellerseite bei, dass es dem Leitbild einer Oberstudienrätin entspricht, zumindest in einem gewissen Umfang Unterricht zu erteilen, sodass das durchaus breit gefächerte Aufgabenspektrum einer entsprechenden Lehrkraft vorliegend in unzulässiger Weise einseitig durch den Dienstherrn verengt wurde. Dass der schwerpunktmäßige Einsatz einer Oberstudienrätin für Garten- und Reinigungsarbeiten nicht amtsangemessen ist, bedarf dabei keiner vertieften Auseinandersetzung.
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cc. Soweit die Antragstellerin jedoch explizit eine Beschäftigung in Form der „Erteilung von Unterricht mit vollem Deputat“ beantragt hat, bleibt ihr Antrag ohne Erfolg.
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Die Antragstellerin kann nach Auffassung der Kammer in der momentanen Situation nicht beanspruchen, eigenverantwortlich regulären Unterricht zu erteilen. Hierfür sind nach Lage der Akten die Schwierigkeiten im Zusammenhang mit der Unterrichtstätigkeit und die Gefährdung der Erreichung der Unterrichtsziele zu gravierend, wobei nicht nur auf die vorhandenen Eltern- und Schülerbeschwerden zu rekurrieren ist, sondern insbesondere auch auf die fachaufsichtliche Würdigung der Ministerialbeauftragen für die Berufliche Oberschule in … vom 13.03.2023. Diesbezüglich geht der Antragsgegner zu Recht davon aus, dass es sachgerecht ist, über die Berücksichtigung der fachbezogenen Lehrbefähigung hinaus auch etwaige besondere Kenntnisse und Fähigkeiten, aber auch individuelle Stärken und Schwächen beim Einsatz der Lehrkräfte zu berücksichtigen. Dies gilt – nicht zuletzt mit Blick auf Gründe der dienstlichen Fürsorge – auch und gerade dann, wenn die Dienstfähigkeit des betreffenden Beamten in Frage steht (vgl. OVG NW, B.v. 11.08.2014 – 6 B 834/14 – juris Rn. 10), wie dies auch hier der Fall ist. Da die Schulleitung insbesondere für einen geordneten Schulbetrieb und Unterricht sowie gemeinsam mit den Lehrkräften für die Bildung und Erziehung der Schülerinnen und Schüler verantwortlich ist (Art. 57 Abs. 2 Satz 1 BayEUG), trägt sie auch die Verantwortung für den ordnungsgemäßen Einsatz der Lehrkräfte und bestimmt insoweit auch über die Zweckmäßigkeit ihres Einsatzes (vgl. VG Kassel, U.v. 11.12.2019 – 1 K 451/19.KS – juris Rn. 37).
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Demzufolge kann die Antragstellerin derzeit nicht beanspruchen, eigenverantwortlich regulären Unterricht zu erteilen, weil ihr der Antragsgegner im konkreten Einzelfall ermessensgerecht anderweitige, amtsangemessene Aufgaben zuweisen darf.
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dd. Die Kammer ist weder dazu angehalten, noch wäre sie überhaupt dazu befugt, dem Antragsgegner dezidierte Vorgaben für die amtsangemessene Beschäftigung der Antragstellerin zu machen, da dies einen unzulässigen Eingriff in das Organisationsermessen des Dienstherrn darstellte. Allerdings wird sich das weitere Vorgehen des Antragsgegners an nachfolgenden Grundsätzen zu orientieren haben:
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Wie bereits dargelegt, darf die Antragstellerin nicht ausschließlich oder weit überwiegend für Arbeiten eingesetzt werden, die zwar „auch“ zum Aufgabenspektrum einer Lehrkraft des entsprechenden Amtes gehören mögen, ihren Einsatz jedoch bei einer Gesamtbetrachtung insgesamt nicht mehr als amtsangemessen erscheinen lassen. Insoweit kommt für eine angemessene Beschäftigung der Antragstellerin insbesondere eine unterrichtende Tätigkeit im Rahmen der Heranziehung zu Vertretungsunterricht oder Ähnlichem in Betracht. Dies trüge einerseits dem Umstand Rechnung, dass es zum Leitbild einer Oberstudienrätin zählt, Unterricht zu erteilen, andererseits aber dem Interesse des Antragsgegners an einem geordneten Unterricht, um die Ziele des einschlägigen Lehrplans zu erreichen und der Verantwortung gegenüber den Schülerinnen und Schülern Genüge zu tun. Insgesamt wird der Antragsgegner daher in den Blick zu nehmen haben, dass es zwar – wie zu Recht vorgebracht – auch zu den Aufgaben einer Lehrkraft gehört, außerunterrichtliche Tätigkeiten auszuüben, jedoch nicht ausschließlich. Demzufolge wird der Antragsgegner den Einsatz der Antragstellerin im „grünen Klassenzimmer“ sowie bei anderen von der Schulleitung als „weitere Aufgaben“ bezeichneten Tätigkeiten zu reduzieren und der Antragstellerin – zumindest auch – eine gewisse Unterrichtstätigkeit zu ermöglichen haben, der sie konkret gerecht werden kann. Bei der insoweit (beispielsweise) in Betracht kommenden Erteilung von Vertretungsunterricht handelt es sich um eine typische Aufgabe einer Lehrkraft, auch im Amt einer Oberstudienrätin (s. § 9a Abs. 3 Satz 2 Halbs. 1 LDO, wonach die Lehrkraft verpflichtet ist, u.a. zur Übernahme von Vertretungen zur Verfügung zu stehen; vgl. auch OVG NW, B.v. 11.08.2014 – 6 B 834/14 – juris Rn. 8: Verwendung einer Lehrkraft nahezu ausschließlich im Vertretungsunterricht als amtsangemessen angesehen).
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Soweit der Antragsgegner die Antragstellerin zu Aufsichten verpflichtet hat und ihr weitere Aufgaben zugewiesen hat (vgl. insb. die Nachricht vom 08.09.2023), stellt die Kammer klar, dass es sich hierbei dem Grunde nach durchaus um zumutbare, dem Amt der Antragstellerin entsprechende Tätigkeiten handelt. Auf §§ 4, 5 und 9b LDO hat der Antragsgegner in diesem Zusammenhang im Ergebnis zutreffend hingewiesen. Jedoch darf die Beschäftigung der Antragstellerin nicht das Gesamtgepräge einer Pseudobeschäftigung erhalten, durch die die Antragstellerin zur Untätigkeit in perspektivlosem Zuwarten genötigt wird (vgl. BVerwG, U.v. 07.09.2004 – 1 D 20/03 – juris Rn. 37; U.v. 22.06.2006 – 2 C 1/06 – juris Rn. 13). Gleichzeitig ist zu unterstreichen, dass die getroffenen Maßnahmen zur Beschäftigung der Antragstellerin nicht zu einer faktischen Suspendierung führen dürfen. Sollte der Dienstherr der Auffassung sein, dass z.B. die Voraussetzungen eines Verbots der Führung der Dienstgeschäfte nach § 39 des Beamtenstatusgesetzes (BeamtStG) gegeben sind, wäre es an ihm, ein solches in Betracht zu ziehen und ggf. zu verfügen.
31
Was das Vorbringen des Antragsgegners angeht, der geltend gemachte Anspruch setze voraus, dass der betreffende Beamte in der Lage sei, die mit seinem Amt verbundenen Dienstgeschäfte ordnungsgemäß zu führen, ist darauf hinzuweisen, dass ein Anspruch auf amtsangemessene Beschäftigung nach der zitierten Rechtsprechung nur dann nicht geltend gemacht werden kann, wenn feststeht, dass gesundheitliche Einschränkungen einen entsprechenden Einsatz faktisch unmöglich machen (vgl. BayVGH, B.v. 27.01.2020 – 6 B 19.1776 – juris Rn. 30 a.E.). Hierfür sind mit Blick auf das verbleibende, amtsangemessene Aufgabenspektrum (s.o.). vorliegend jedoch keine hinreichenden Anhaltspunkte gegeben.
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b. Die Antragstellerin hat ferner die tatsächlichen Voraussetzungen eines Anordnungsgrundes glaubhaft gemacht. Dies gilt auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass hier der Sache nach eine Vorwegnahme der Hauptsache begehrt wird.
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Der vorliegenden Anordnung kann eine besondere Dringlichkeit nicht abgesprochen werden, nachdem es sich bei den konkret zugewiesenen, in der Zusammenschau als unterwertig und unzumutbar zu beschreibenden Aufgaben um besonders einschneidende Maßnahmen handelt, sodass der Antragstellerin ein Zuwarten bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache nicht zugemutet werden kann (vgl. hierzu auch VG Saarl, B.v. 20.04.2009 – 2 L 90/09 – juris Rn. 4). Eine zeitweise unterwertige Beschäftigung mag bei lediglich geringer Schwere des Eingriffs hinzunehmen sein (vgl. OVG NW, B.v. 25.06.2001 – 1 B 789/01 – juris Rn. 9 ff.; VG München, B.v. 26.01.2022 – M 5 E 21.6337 – juris Rn. 23 f.). Jedoch kann hier von einer lediglich geringen Schwere keine Rede sein, insbesondere da die im Schwerpunkt ausgeübten Tätigkeiten im „grünen Klassenzimmer“ oder bei Aufsichten nach außen wahrnehmbar sind und – wie von der Antragstellerin glaubhaft gemacht – auch entsprechend von Dritten wahrgenommen werden.
34
Durch die vorliegende einstweilige Anordnung wird die Hauptsacheentscheidung nicht in unzulässiger Weise vorweggenommen. Das grundsätzliche sog. Verbot einer Vorwegnahme der Hauptsache steht einer Anordnung nach § 123 VwGO ausnahmsweise dann nicht entgegen, wenn diese zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes geboten ist und ein hoher Grad an Wahrscheinlichkeit dafür spricht, dass der mit der Hauptsache verfolgte Anspruch begründet ist (vgl. BVerwG, U.v. 18.04.2013 – 10 C 9/12 – juris Rn. 22; VG München, B.v. 16.11.2022 – M 5 E 22.5053 – juris Rn. 9; Happ in Eyermann, VwGO, 16. Auflage 2022, § 123 Rn. 66a). Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Die Beeinträchtigung der Antragstellerin ist mit unwiederbringlichen Nachteilen verbunden, da die übertragenen Aufgaben in der derzeitigen Form einen herabsetzenden Charakter aufweisen und das Obsiegen der Antragstellerin in der Hauptsache wie oben dargestellt – im dargelegten Umfang – sehr wahrscheinlich ist.
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2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 1 Var. 2 VwGO. Zwar mag das Gericht im Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht derselben Bindung an den Antrag (vgl. § 88 VwGO) unterliegen wie in anderen Verfahren, da die zu treffende Anordnung gem. § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 938 Abs. 1 ZPO in das Ermessen des Gerichts gestellt wird. Jedoch handelt es sich bei dem expliziten Begehren auf die Erteilung von Unterricht mit vollem Deputat um ein Mehr im Vergleich zur tenorierten und durch die Beschlussgründe konturierten einstweiligen Anordnung. Demzufolge ist von einem Teilunterliegen der Antragstellerin auszugehen, welches auch kostenmäßig Berücksichtigung finden muss. Dieses bewertet das Gericht vorliegend mit ½. Hierbei ist nicht etwa auf den – ohnehin im Organisationsermessen des Dienstherrn stehenden – Zeitanteil des zu leistenden Unterrichts abzustellen, der ermessensgerecht auch geringer ausfallen kann, sondern es ist vielmehr eine wertende Betrachtung des stattgebenden Teils (= amtsangemessene Beschäftigung an sich) im Vergleich zum gesamten Antragsbegehren (= Erteilung von Unterricht „mit vollem Deputat“) vorzunehmen.
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3. Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 2 GKG. Eine Halbierung des Streitwerts kommt nicht in Betracht, weil die Antragstellerin – wie ausgeführt – in der Sache eine Vorwegnahme der Hauptsacheentscheidung begehrt (vgl. BayVGH, B.v. 14.03.2022 – 3 CE 22.413 – juris Rn. 17 m.w.N.).