Titel:
Einstellung der Beseitigung eines denkmalgeschützten Gebäudes
Normenketten:
BayBO Art. 75 Abs. 1 S. 1 Nr. 1
BayDSchG Art. 1 Abs. 1, Art. 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, Art. 15 Abs. 1
Leitsätze:
1. Baudenkmäler sind bauliche Anlagen oder Teile davon aus vergangener Zeit, deren Erhaltung wegen ihrer geschichtlichen, künstlerischen, städtebaulichen, wissenschaftlichen oder volkskundlichen Bedeutung im Interesse der Allgemeinheit liegt, wobei eine „Bedeutung“ in diesem Sinn zwar nicht erfordert, dass das Gebäude Hervorragendes oder Einzigartiges repräsentiert; sie setzt jedoch voraus, dass das Gebäude in besonderer Weise geeignet ist, geschichtlich, künstlerisch, städtebaulich, wissenschaftlich oder volkskundlich Relevantes zu dokumentieren. (Rn. 20) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Baudenkmaleigenschaft einer baulichen Anlage endet mit ihrer Zerstörung. Sie endet auch dann, wenn die aus vergangener Zeit stammenden Teile beseitigt werden oder die bauliche Anlage insoweit beeinträchtigt ist, dass die Bedeutungsschwelle des Art. 1 Abs. 1 BayDSchG nicht mehr erreicht wird. (Rn. 21) (redaktioneller Leitsatz)
3. Für die Baudenkmaleigenschaft hat die Eintragung eines Baudenkmals in die Denkmalliste keine Bedeutung, vielmehr hat die Eintragung in die Liste in Bayern nur deklaratorische Bedeutung. (Rn. 22) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Denkmaleigenschaft, Gebäude, Baudenkmal, Bedeutung, Denkmalliste, Abbruch, Einstellung, Arbeiten, Verhältnismäßigkeit
Fundstelle:
BeckRS 2023, 43911
Tenor
1. Der Bescheid vom 30. März 2022 wird aufgehoben.
2.Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens. Das Urteil ist insoweit vorläufig vollstreckbar.
3.Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der festgesetzten Kosten abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
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Der Kläger wendet sich gegen einen Bescheid zur Einstellung der Beseitigung eines nach Ansicht der Beklagten denkmalgeschützten Gebäudes.
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Der Kläger ist Eigentümer des Grundstücks …, … (FlNr. 1356/27, Gemarkung …*). Auf dem Grundstück befand sich ursprünglich ein 1933 errichtetes zweigeschossiges Einfamilienhaus mit durchfenstertem Kellergeschoss und einem Walmdach mit mehreren Dachgauben.
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Auf dem klagegegenständlichen Grundstück wollte die Firma „…“ ein Mehrfamilienhaus mit Tiefgarage errichten. Hierzu stellte sie am 10. November 2021 bei der Beklagten eine Bauvoranfrage. Zur Verwirklichung des Bauvorhabens hätte das zu diesem Zeitpunkt noch bestehende Einfamilienhaus des Klägers abgerissen werden müssen. Mit Schreiben vom 1. Dezember 2021 teilte die Beklagte dem Kläger daraufhin mit, dass die Denkmaleigenschaft des Hauses geprüft werden solle.
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Auf Anregung der Beklagten prüfte das Bayerische Landesamt für Denkmalpflege (Landesamt) die Denkmaleigenschaft des Hauses. In einer an die Beklagte gerichteten Stellungnahme mit Schreiben vom 9. März 2022 kam das Landesamt zu dem Ergebnis, dass es sich bei dem Haus um ein Baudenkmal nach Art. 1 BayDSchG handele und in die Bayerische Denkmalliste, Teil A: Baudenkmäler, nachzutragen sei. Aufgrund seiner besonderen geschichtlichen und künstlerischen Bedeutung liege die Erhaltung des Hauses im Interesse der Öffentlichkeit. Das Haus, das qualitätsvoll errichtet worden sei, stehe in seiner Bauausführung und in seinen Grundrissen für den versachlichten Heimatstil der 1920er und 1930er Jahre. Die bewusst schlichte Fassadengestaltung ohne Gliederungselemente, die ausschließlich durch den rechten Winkel geprägte Loggia ohne Bogenmotive oder sonstige Ornamentik, die breite, gemauerte Gaube mit extrem flachen Walmdach und der Verzicht auf jegliche Sprossierung der Fenster würden eine klare Abkehr vom Expressionismus bedeuten. Das über Eck gezogene Fensterband im Wohnzimmer des Erdgeschosses greife Motive des Neuen Bauens auf und weise in die Zukunft des privaten Wohnhausbaus. Auch mit den Grundrissen seien neue Wege beschritten worden: Die bis dato vor allem der Repräsentation dienenden offenen Räume wie Diele, Fluren und Treppenhaus seien zugunsten der privaten Räume flächenmäßig auf ein Minimum reduziert worden. Das für einen Finanzbeamten errichtete Wohnhaus stehe in einem Wohnviertel abseits der die Altstadt mit dem 1848/49 errichteten Bahnhof verbindenden … Die intensivere Bebauung dieses Stadtbereichs habe in den Jahren unmittelbar vor dem Ersten Weltkrieg begonnen und sei in der Zwischenkriegszeit stetig fortgesetzt worden. Als baulicher Zeuge dieser Stadtentwicklung besitze das 1933 errichtete Anwesen des Klägers auch eine stadtgeschichtliche Bedeutung. Das Einfamilienhaus … besitze daher eine wichtige geschichtliche und künstlerische Bedeutung.
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Am 19. März 2022 wurde das Mauerwerk des Hauses bis auf die Oberkante des Kellers abgerissen, was von der Beklagten zunächst unbemerkt blieb. Mit Schreiben vom 22. März 2022 zeigte die Beklagte der „…“ die Denkmaleigenschaft des Einfamilienhauses an. Diese teilte der Beklagten daraufhin mit E-Mail vom 29. März 2022 mit, dass der Kläger bereits ein Unternehmen mit dem Abriss des Hauses beauftragt habe. Bei einer Ortseinsicht am 30. März 2022 stellte die Beklagte den bereits erfolgten Abriss des Hauses bis zur Oberkante des Kellers fest.
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Mit Bescheid vom 30. März 2022 verpflichtete die Beklagte den Kläger, die Abbrucharbeiten zur vollständigen Beseitigung des denkmalgeschützten Gebäudes einzustellen, was insbesondere für den Keller als letzten verbliebenen Bestandteil des Baudenkmals gelte (I.), drohte ein Zwangsgeld in Höhe von 10.000,00 Euro an, falls der Kläger der Anordnung aus Ziffer I. nicht nachkäme (II.), ordnete den Sofortvollzug der Ziffer I an (III.) und trug dem Kläger auf, die Kosten des Verfahrens zu tragen, wobei eine Gebühr in Höhe von 150,00 Euro festgesetzt wurde und Auslagen in Höhe von 4,11 Euro erhoben wurden (IV.).
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Begründet wurde der Bescheid wie folgt: Die Baueinstellung folge aus Art. 75 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BayBO i.V.m. Art. 15 Abs. 1 BayDSchG. Die Beseitigung eines Baudenkmals sei nach Art. 6 Abs. 1 Nr. 1 Halbs. 1 BayDSchG erlaubnispflichtig. Die Erlaubnispflicht werde vorliegend auch nicht durch eine sonstige baurechtliche Genehmigung ersetzt, da das Gebäude der Gebäudeklasse 1 gemäß Art. 57 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 BayBO verfahrensfrei abgebrochen werden könne (Art. 6 Abs. 3 BayDSchG). Die bereits durchgeführten Abrissarbeiten bis zur Oberkante des Kellers seien daher erlaubnispflichtig gewesen. Dem Kläger sei keine Erlaubnis für den Abbruch erteilt worden. Die Baueinstellung sei erforderlich, um zu verhindern, dass auch der Keller als letzter Bestandteil der historischen Bausubstanz beseitigt werde. Es bleibe die Entscheidung des Landesamts abzuwarten, ob eine Rekonstruktion des zerstörten Baudenkmals auf dem noch bestehenden Keller gefordert werden müsse. Das angedrohte Zwangsgeld stehe im angemessenen Verhältnis zu seinem Zweck.
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Ein u.a. gegen den Kläger gerichtetes Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft … wegen des Verdachts auf gemeinschädliche Sachbeschädigung wurde am 16. Juni 2023 gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt.
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Gegen den Bescheid vom 30. März 2022 erhob der Kläger mit Schriftsatz seines damaligen Bevollmächtigten vom 28. April 2022 Klage. Er beruft sich darauf, die Denkmaleigenschaft des Hauses nicht gekannt zu haben. Selbst im staatsanwaltlichen Ermittlungsverfahren habe dem Kläger keine Kenntnis von der Denkmaleigenschaft nachgewiesen werden können. Es sei bereits vor dem Schreiben des Landesamts vom 9. März, das dem Kläger auch nicht zugestellt worden sei, mit den Abrissarbeiten am Haus begonnen worden. Die Abrissarbeiten seien nicht im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften durchgeführt worden. Es fehle an einer Rechtsgrundlage, da die Denkmaleigenschaft noch nicht gegeben gewesen sei, diese könne sich allenfalls auf das Gebäude und nicht den Keller beziehen. Außerdem sei das Haus zuvor 40 Jahre nicht bewohnt gewesen, sämtliche Ver- und Entsorgungsleitungen hätten nicht mehr funktioniert, die Fenster, der Dachstuhl und die Dacheindeckung seien defekt gewesen und das Objekt sei aus seiner Sicht daher als Bauruine zu bezeichnen gewesen. Aufgrund dieses Zustands habe es kein Baudenkmal sein können.
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Der Kläger beantragt den Bescheid der Beklagten vom 30. März 2022 aufzuheben und die Abbrucharbeiten beim Anwesen … in … vollständig ausführen zu lassen.
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Die Beklagte beantragt,
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Die Beklagte verweist im Wesentlichen auf die Bescheidsbegründung. Es könne außerdem dahingestellt bleiben, ob der Kläger im Vorfeld von der Denkmaleigenschaft Kenntnis gehabt habe. Einwendungen, die sich gegen die Folgen der erkannten Denkmaleigenschaft richteten, seien erst in einem denkmalrechtlichen Erlaubnisverfahren zu würdigen. Erst hier sei das Erhaltungsinteresse der Allgemeinheit und andere öffentliche und private Belange gegeneinander abzuwägen. Für die Baueinstellung sei bereits die formelle Rechtswidrigkeit ausreichend, auf einen wissentlichen Abriss und auf die Frage, ob es sich um einen gemeinschädlichen Abriss handele, komme es hingegen nicht an.
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Ergänzend wird auf die beigezogene Behördenakte, die Gerichtsakte und das Protokoll der mündlichen Verhandlung verwiesen.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Klage ist begründet und hat somit Erfolg. Der streitgegenständliche Bescheid ist rechtwidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
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1. Gegenstand der Klage ist, nachdem der Kläger seinen weiteren Antrag, die Beklagte zu verpflichten, ihm den weiteren Abriss zu erlauben, zurückgenommen hatte und das Verfahren insoweit abgetrennt und eingestellt wurde (AN 17 K 23.2137), nur noch die Aufhebung des Bescheids vom 30. März 2022.
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2. Die Anordnung in Ziffer l des Bescheids vom 30. März 2022, wonach die Abbrucharbeiten zur weiteren Beseitigung des Gebäudes eingestellt werden, ist rechtswidrig.
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Offen bleiben kann, ob der angegriffene Bescheid formell rechtmäßig ist, denn er ist jedenfalls materiell rechtswidrig.
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Gemäß Art. 15 Abs. 1 Satz 2 DSchG i.V.m. Art. 75 Abs. 1 Satz 1 BayBO kann die Bauaufsichtsbehörde die Einstellung von Arbeiten anordnen, wenn Anlagen im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften errichtet, geändert oder beseitigt werden. Die Einstellung von Arbeiten setzt dabei einen Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften voraus. Dabei kann es sich sowohl um einen Verstoß gegen verfahrensrechtliche als auch um einen solchen gegen materiell-rechtliche Regelungen handeln. Ein solcher Verstoß ist nicht gegeben.
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Die Beseitigung des Kellers des Gebäudes bedarf, entgegen der Auffassung der Beklagten, keiner Erlaubnis gemäß Art. 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BayDSchG, da es sich bei dem Keller um kein Baudenkmal mehr handelt.
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Der Begriff des Baudenkmals ist in Art. 1 Abs. 2, Abs. 1 BayDSchG legaldefiniert. Baudenkmäler sind demnach bauliche Anlagen oder Teile davon aus vergangener Zeit, deren Erhaltung wegen ihrer geschichtlichen, künstlerischen, städtebaulichen, wissenschaftlichen oder volkskundlichen Bedeutung im Interesse der Allgemeinheit liegt. Eine „Bedeutung“ in diesem Sinn erfordert zwar nicht, dass das Gebäude Hervorragendes oder Einzigartiges repräsentiert. Sie setzt jedoch voraus, dass das Gebäude in besonderer Weise geeignet ist, geschichtlich, künstlerisch, städtebaulich, wissenschaftlich oder volkskundlich Relevantes zu dokumentieren (BayVGH, U.v. 16.7.2015 – 1 B 11.2137 – juris Rn. 17). Denkmalpflege und Denkmalschutz zielen darauf, historische Zusammenhänge in Gestalt einer baulichen Anlage oder einer Mehrheit baulicher Anlagen in der Gegenwart zu veranschaulichen (vgl. BVerwG, U.v. 18.5.2001 – 4 CN 4.00 – BVerwGE 114, 247). Die den Denkmalwert begründende geschichtliche Bedeutung muss nicht unmittelbar am Objekt ablesbar sein, es kann ausreichen, wenn das Objekt zusammen mit anderen Quellen seinem Betrachter die geschichtlichen Zusammenhänge vor Augen führen kann (vgl. OVG Hamburg, U. v. 16.5.2007 – 2 Bf 298/02 – NVwZ-RR 2008, 300). Es kommt dabei nicht auf den Erkenntnisstand eines unbefangenen Betrachters, sondern auf den Wissens- und Erkenntnisstand von sachverständigen Betrachtern an (vgl. BayVGH, B.v. 13.5.2015 – 1 ZB 13.1334 – BayVBl 2016, 456). Für die Beurteilung der Denkmaleigenschaft kommt nach ständiger Rechtsprechung der Stellungnahme des Landesamts für Denkmalpflege ein erhebliches tatsächliches Gewicht zu. Hierbei handelt es sich gemäß Art. 12 Abs. 1 Satz 1 BayDSchG um eine staatliche Fachbehörde für alle Fragen des Denkmalschutzes und der Denkmalpflege. Für die Stellungnahme staatlicher Fachstellen, die sich durch die jahrelange Bearbeitung eines bestimmten Gebiets auszeichnen und nicht nur Aktenvorgänge im Einzelfall auswerten, ist anerkannt, dass sie grundsätzlich ein wesentlich größeres Gewicht als Expertisen von privaten Fachinstituten haben (BayVGH, U.v. 2.8.2018 – 2 B 18.742 – BayVBl 2019, 346). Dabei ist das Gericht rechtlich nicht an die fachliche Beurteilung des Landesamts gebunden. Das Gericht hat deren Aussage- und Überzeugungskraft nachvollziehend zu überprüfen und sich aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens eine eigene Überzeugung zu bilden (BayVGH, U.v. 18.7.2013 – 22 B 12.1741 – juris Rn. 27).
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Die Baudenkmaleigenschaft einer baulichen Anlage endet mit ihrer Zerstörung. Sie endet auch dann, wenn die aus vergangener Zeit stammenden Teile beseitigt werden oder die bauliche Anlage insoweit beeinträchtigt ist, dass die Bedeutungsschwelle des Art. 1 Abs. 1 DSchG nicht mehr erreicht wird (BayVGH, B.v. 4.9.2012 – 2 ZB 11.587 – juris Rn. 5). Für die Frage, wann die historische Identität eines Baudenkmals entfällt, kommt es nicht auf eine schematische, an Zahlenwerten orientierte Betrachtungsweise an. Es lässt sich keine feste Regel darüber aufstellen, welcher relative Anteil an historischer Substanz eines Gebäudes wegfallen kann, ohne dass es zu einer Gefährdung oder zum Wegfall seiner Identität kommt. Erforderlich ist vielmehr eine qualitative Betrachtung, die die Gründe der Unterschutzstellung und alle Besonderheiten des Einzelfalles berücksichtigt. Maßgeblich ist die Frage, ob ein Objekt trotz eingetretener Verluste an historischer Substanz noch die Erkennbarkeit der Aussage bewahrt hat, die zu seiner Anerkennung als Denkmal geführt hat (vgl. OVG NRW, U.v. 26.8.2008 – 10 A 3250/07 – juris Rn. 48).
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Keine Bedeutung hat hingegen die Eintragung eines Baudenkmals in die Denkmalliste. In Bayern hat diese nach dem Wortlaut des Art. 2 Abs. 1 Satz 1 BayDSchG („Die Baudenkmäler und die Bodendenkmäler sollen nachrichtlich in ein Verzeichnis (Denkmalliste) aufgenommen werden“) nur deklaratorische Bedeutung.
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Gemessen hieran handelt es sich bei den Resten des Gebäudes um kein Baudenkmal i.S.d. Art. 1 Abs. 2, Abs. 1 BayDSchG. Zwar spricht vieles dafür, dass es sich bei dem Gebäude ursprünglich bis zu seinem Abriss bis zur Oberkante des Kellers um ein Baudenkmal handelte. Das Landesamt hat insoweit in seiner Stellungnahme vom 9. März 2022 dargelegt, weshalb das Haus eine besondere geschichtliche und künstlerische Bedeutung habe und die Erhaltung des Hauses im Interesse der Öffentlichkeit liege. Insbesondere soweit das Landesamt auf die äußeren Merkmale des Gebäudes Bezug nahm (schlichte Fassadengestaltung ohne Gliederungselemente, breite gemauerte Gaube mit extrem flachen Walmdach, Verzicht auf jegliche Sprossierung der Fenster, über Eck gezogenes Fensterband im Wohnzimmer des Erdgeschosses), konnten diese Merkmale vom Gericht auf den von der Beklagten vorgelegten Lichtbildern und den Bauplänen bzw. den zeichnerischen Darstellungen des ehemaligen Gebäudes wiedererkannt werden und lassen die Schlussfolgerung des Landesamts nachvollziehbar erscheinen. Dabei ist unerheblich, dass das Haus nach Vortrag des Klägers bereits seit längerer Zeit unbewohnt und als Bauruine unbewohnbar war, jedenfalls solange das Gebäude noch nicht vollständig zerstört und deshalb seine Denkmaleigenschaft entfallen war. Die Denkmaleigenschaft eines Gebäudes richtet sich nicht nach seiner Funktionsfähigkeit, sondern seiner besonderen geschichtlichen, künstlerischen, städtebaulichen, wissenschaftlichen oder volkskundlichen Bedeutung. Insofern hat die Beklagte in dem angegriffenen Bescheid wohl zurecht darauf hingewiesen, dass der (bereits erfolgte) Abriss des Hauses bis zur Oberkannte des Kellers nach Art. 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BayDSchG der Erlaubnispflicht unterlag. Der Abriss war wohl rechtswidrig, ob Vorsatz des Bauherrn vorliegt ist unerheblich.
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Hierauf kommt es allerdings nicht an, da die Denkmaleigenschaft des Gebäudes durch die Beseitigung des oberirdischen Teils des Gebäudes weggefallen war und bereits zum Zeitpunkt des Bescheidserlasses nicht mehr bestand. Dabei verkennt das Gericht nicht, dass ein Abrissverbot als bauaufsichtliche Sofortmaßnahme der Verhinderung der Schaffung vollendeter Tatsachen dient und nicht erst dann gerechtfertigt ist, wenn sicher feststeht, dass die Bauarbeiten einem rechtswidrigen Vorhaben dienen. Vielmehr reicht für den Erlass der durch Tatsachen belegte „Anfangsverdacht“ eines formellen oder materiellen Rechtverstoßes aus. Für das Vorliegen der Voraussetzungen für eine Baueinstellungsverfügung ist entscheidend, ob die Behörde im Zeitpunkt des Erlasses der Anordnung nach den ihr erkennbaren objektiven Umständen annehmen durfte, dass durch die von ihr festgestellten Arbeiten ein dem öffentlichen Recht widersprechender Zustand geschaffen wird (BayVGH, B.v. 14.10.2013 – 9 CS 13.1407 – juris Rn. 15; B.v. 10.11.2021 – 15 ZB 21.1329 – juris Rn. 9). Dies wäre in der vorliegenden Konstellation dann der Fall, wenn die Beklagte hinreichenden Anlass für die Annahme hatte, dass der Abriss auch des Kellers denkmalrechtlich genehmigungspflichtig sei. Diese Voraussetzungen lagen zum Zeitpunkt des Bescheidserlasses nicht vor. Die Beklagte konnte nach der Zerstörung des restlichen Hauses nicht davon ausgehen, dass es sich bei dem übrig gebliebenen Keller um ein Baudenkmal i.S.d. Art. 1 Abs. 2, Abs. 1 BayDSchG handelte. Hierfür lagen keine Anhaltspunkte vor. Durch den Abriss des oberirdischen Teils des Gebäudes bis zur Oberkante des Kellers hat das Haus alle wesentlichen Eigenschaften verloren, die nach Ansicht des Landesamts für Denkmalpflege zu dessen besonderen Bedeutung beigetragen haben. Die vom Landesamt zur künstlerischen Bedeutung des Hauses aufgeführten Argumente, die zu seiner Denkmalbedeutung beitrugen, betrafen ganz wesentlich die optischen Merkmale des oberirdisch liegenden Teils des Hauses. Genannt wurde die Fassadengestaltung, die Loggia, die Gaube und die Fenstergestaltung, insbesondere das über das Eck gezogene Fensterband im Erdgeschoss. Hinsichtlich der inneren Gestaltung des Hauses wurden die Flure, die Diele und das Treppenhaus genannt. Diese Merkmale waren in Folge des Abrisses nicht mehr vorhanden. Das Gericht ist daher davon überzeugt, dass die für die Denkmaleigenschaft maßgeblichen Teile des Gebäudes in einem solchen Umfang zerstört worden sind, dass die verbliebene historische Substanz keinen Zeugniswert mehr besitzt und weiterhin davon, dass die fehlende Denkmaleigenschaft des Kellers für die Beklagte zum Zeitpunkt des Bescheidserlasses aufgrund der ihr bekannten Tatsachen objektiv auch erkennbar war. Für eine eigenständige Denkmaleigenschaft des Kellers liegen und lagen keinerlei Anhaltspunkte vor. Die fehlende Denkmaleigenschaft des Kellers wird auch durch die Einschätzung des Landesamts gestützt, welches in der E-Mail vom 9. Oktober 2023 an die Beklagte ausführte, dass es sich bei dem Keller aus Sicht des Landesamts um kein Baudenkmal handele.
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Selbst wenn man davon ausgehen würde, dass der Beklagten objektive Anhaltspunkte für eine etwaige Denkmaleigenschaft des Kellers und eine sich hieraus ergebende Genehmigungspflicht seiner Beseitigung vorlagen, wäre der Bescheid jedenfalls unverhältnismäßig. Die Einstellung von Bauarbeiten liegt nach Art. 75 Abs. 1 BayBO im Ermessen der Bauaufsichtsbehörde. Die Bauaufsichtsbehörde hat ihr Ermessen entsprechend dem Zweck der Ermächtigung auszuüben und die gesetzlichen Grenzen des Ermessens einzuhalten. Nach § 114 Satz 1 VwGO prüft das Gericht, ob der Verwaltungsakt rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist. Ist die Denkmaleigenschaft eines Gebäudes noch nicht abschließend geklärt und umstritten, wird der Bauherr unverhältnismäßig stark belastet, wenn die Baueinstellung, wie hier, unbedingt erlassen wird und der Bauherr dadurch dem Risiko ausgesetzt wird, auch nach Klärung, dass es sich bei dem Gebäude um kein Baudenkmal handelt, aufgrund der (bestandskräftigen) Abrissuntersagung das Gebäude nicht beseitigen zu dürfen. Wie bereits ausgeführt dient die Einstellung von Bauarbeiten dazu, der Schaffung vollendeter Tatsachen vorzubeugen. Die Beklagte verweist in der Begründung des Bescheids darauf, dass verhindert werden solle, dass der Keller als letzte historische Substanz des Baudenkmals beseitigt werde. Diesen Zweck kann die Behörde auch erreichen, indem sie die Abrissuntersagung für den Fall der Klärung, dass es sich bei dem Gebäude um kein Denkmal handeln sollte, auflösend bedingt oder zumindest zeitlich befristet, bis die zuständigen Behörden die Denkmaleigenschaft des Gebäudes ausreichend prüfen können. Dieses Mittel wäre zur Zweckerreichung gleich geeignet, würde den Bauherren aber weniger stark belasten, denn er wäre nicht gezwungen, die Abrissuntersagung vorsorglich zu beklagen bzw. bei bestandskräftiger Abrissuntersagung eine Aufhebung des Bescheids etwa nach Art. 48 BayVwVfG zu erreichen, falls die Behörde, die die Abrissuntersagung als Dauerverwaltungsakt unter Kontrolle zu halten hat, den Bescheid bei letztlich fehlender Denkmaleigenschaft dennoch nicht aufhebt. Dafür, dass bei Klärung der fehlenden Denkmaleigenschaft des Kellers die Abrissuntersagung automatisch entfällt, wie es etwa bei der nachträglichen Genehmigung eines eingestellten Bauvorhabens der Fall ist (BayObLG, B.v. 29.31988 – 3 Ob OWi 52/87 – juris Rn. 16; Weber in Schwarzer/König, BayBO 5. Auflage, 2022, Art. 75 Rn. 6; Decker in Busse/Kraus, BayBO Werkstand: 152. EL, Oktober 2023, Art. 75 Rn. 135), gibt es keine Anhaltspunkte. Eine Baugenehmigung hat rechtsgestaltende Wirkung und erlaubt dem Adressaten, die genehmigungspflichtige Anlage zu errichten. Sie setzt damit eine im Widerspruch zu der zuvor erlassenen Baueinstellung stehende Rechtsfolge und lässt die Bindungswirkung der Abrissuntersagung entfallen. Hingegen ist die Denkmaleigenschaft einer baulichen Anlage nicht von einem dahingehenden Verwaltungsakt der zuständigen Behörden abhängig, vielmehr ist sie lediglich die rechtliche Folge bestimmter objektiver Merkmale der Anlage. Sofern die Denkmaleigenschaft nicht – wie hier (vgl. die obigen Ausführungen) – inzident i.R.d. gegen die Abrissuntersagung erhobenen Anfechtungsklage geklärt wird, ist eine Feststellungsklage, gerichtet auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens der Denkmaleigenschaft, möglich (vgl. Davydov in Martin/Krautzberger, Denkmalschutz und Denkmalpflege, 5. Auflage 2022, Teil C, lll, Rn. 115 ff.; Dieter Martin in PdK Bayern, Denkmalschutzrecht in Bayern, 2018 2. Fassung, 2.8). Eine Befristung des Bescheids entspräche auch dem denkmalschutzrechtlichen Rechtsgedanken aus Art. 15 Abs. 6 DSchG, der eine Aussetzung der Entscheidung über eine Abrisserlaubnis auf höchstens zwei Jahre ermöglicht, soweit dies zur Klärung der Belange des Denkmalschutzes erforderlich ist (vgl. VG München, U.v. 28.7.2014 – M 8 K 13.2636 – juris Rn. 51 ff.; so wohl auch Viebrock in Martin/Krautzberger, Denkmalschutz und Denkmalpflege, 5. Auflage 2022, Teil E, lV, Rn. 151). Auch der weitere von der Beklagten genannte Zweck, dass geklärt werden solle, ob eine Rekonstruktion des Kellers nach Art. 15 Abs. 4 DSchG gefordert werden müsse, hätte, unabhängig davon, ob eine Wiederherstellungsanordnung eines Denkmals aufgrund dieser Norm nach der vollständigen Zerstörung des Baudenkmals überhaupt möglich ist (vgl. BayVGH, U.v. 22.5.2014 – 1 B 14.196 – juris Rn. 30), jedenfalls durch eine Befristung des Bescheids oder die Aufnahme einer auflösenden Bedingung schonender erreicht werden können.
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3. Unabhängig davon, ob vorliegend eine Aufrechthaltung des angefochtenen Bescheids durch Austausch seiner Rechtsgrundlage möglich wäre, kann jedenfalls dahinstehen, ob die Maßnahme auch auf Art. 4 Abs. 4 BayDSchG als Rechtsgrundlage gestützt werden könnte, wonach Handlungen, die ein Baudenkmal schädigen oder gefährden, untersagt werden können, oder ob die Anwendbarkeit dieser Norm voraussetzt, dass die Baudenkmaleigenschaft feststeht (vgl. VG München, U.v. 28.7.2014 – M 8 K 13.2636 – juris Rn. 31), da der Bescheid aus den o.g. Gründen jedenfalls materiell rechtswidrig wäre.
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4. Der Bescheid ist auch dann rechtswidrig, wenn er aufgrund der nicht bestehenden Denkmaleigenschaft des Kellers direkt auf Art. 75 Abs. 1 Satz Nr. 1 BayBO gestützt würde. Der Bescheid ist materiell rechtswidrig. Der Abriss verstößt nicht gegen Vorschriften des öffentlichen Rechts. Insbesondere ist er nicht formell rechtswidrig. Nach Art. 57 Abs. 5 Nr. 2 BayBO ist der Abriss von Gebäuden der Gebäudeklasse 1 und 3 vielmehr verfahrensfrei. Bei Gebäuden der Gebäudeklasse 1 handelt es sich gemäß Art. 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BayBO um freistehende Gebäude mit einer Höhe bis zu 7 m und nicht mehr als zwei Nutzungseinheiten von insgesamt nicht mehr als 400 m² und land- oder forstwirtschaftlich genutzte Gebäude. Hingegen sind Gebäude der Gebäudeklasse 1 nach Art. 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BayBO sonstige Gebäude mit einer Höhe bis zu 7 m. Die Höhe ist nach Art. 2 Abs. 3 Satz 2 BayBO das Maß der Fußbodenoberkante des höchstgelegenen Geschosses, in dem ein Aufenthaltsraum möglich ist, über der Geländeoberfläche im Mittel.
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Nach den von der Beklagten vorgelegten Bauplänen beträgt die Höhe des Erdgeschosses bis zur Oberkante des Fußbodens im Dachgeschoss 5,65 m. Die genaue Höhe des Kellergeschosses über der Geländeoberfläche lässt sich aus den Plänen nicht entnehmen. Allerdings beträgt die Gesamthöhe des Kellers 2,15 m und es ist erkennbar, dass lediglich ca. ein Drittel des Kellers über die Geländeoberfläche hinausragt. Die Höhe des Gebäudes beträgt somit unter 7 m. Unabhängig von der Grundfläche des Gebäudes handelt es sich daher jedenfalls um ein Gebäude der Gebäudeklasse 1 oder 3 und sein Abriss ist verfahrensfrei. Ein Verstoß gegen andere Vorschriften des öffentlichen Rechts ist nicht erkennbar.
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5. Als unmittelbare Folge der Aufhebung der Ziffer I des Bescheids vom 30. März 2022 sind auch die Ziffern II und IV des Bescheids aufzuheben. Aus dem gleichen Grund ist zumindest klarstellend die in Ziffer IlI des Bescheids angeordnete sofortige Vollziehung der Ziffer I des Bescheides aufzuheben.
30
6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 161 Abs. 1, § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Satz 1 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.