Titel:
Anhebung der Festsetzung des Rehwildabschusses im Dreijahresabschussplan
Normenketten:
BJagdG § 21 Abs. 1, Abs. 2, § 37 Abs. 1
AVBayJG § 14, § 15
BayVwVfG Art. 28
Leitsätze:
1. Vor Erstellung der revierweisen Aussage ist ein Revierbegang mit allen Beteiligten rechtlich nicht vorgeschrieben. Der Revierinhaber muss jedoch die Möglichkeit erhalten, Einwendungen noch vor Erlass des Abschussplanes vorzubringen. (Rn. 20) (redaktioneller Leitsatz)
2. Bei der Festsetzung des Abschussplans gemäß § 21 Abs. 2 S. 1 BJagdG steht der Behörde kein Ermessen und auch kein gerichtlich nicht nachprüfbarer Beurteilungsspielraum zu. Die Abschusszahl ist aber nicht mathematisch-logisch, etwa anhand einer normativen Formel zu bestimmen, sondern die Behörde hat insoweit eine gewisse Bandbreite von Entscheidungsmöglichkeiten, weshalb die Prüfung des Gerichts darauf beschränkt ist, ob die Höhe des Abschusses sich noch in einem vertretbaren Zahlenrahmen hält. (Rn. 24) (redaktioneller Leitsatz)
3. Ausgangspunkt und Grundlage jeglicher Abschussplanung ist das gemäß Art. 32 Abs. 1 S. 3 BayJG einzuholende Gutachten, welches den Zustand der Vegetation und der Waldverjüngung insbesondere im Hinblick auf die Einwirkungen des Schalenwildes auf diesen Zustand feststellen soll. (Rn. 25) (redaktioneller Leitsatz)
4. Amtlichen Auskünften und Gutachten der Forstverwaltung kommt bei Abschlussplanung eine besondere Bedeutung zu, weil sie auf jahrelanger Bearbeitung eines bestimmten Gebiets und nicht nur auf der Beweisaufnahme und der Auswertung von Aktenvorgängen im Einzelfall beruhen. Sie haben daher grundsätzlich ein wesentlich größeres Gewicht als Expertisen von privaten Fachinstituten. In der Rechtsprechung ist geklärt, dass die Art und Weise bzw. die Methode der Gutachtenerstellung durch die Forstbehörden nicht zu beanstanden ist und demzufolge praxistaugliche Maßstäbe zur Festlegung des erforderlichen Abschusses liefert. (Rn. 27 – 28) (redaktioneller Leitsatz)
5. Hinsichtlich der konkret vorgegebenen Abschusszahl kann sich die Untere Jagdbehörde den Beschluss des Jagdbeirates zu Eigen machen, mit dem nach § 21 Abs. 2 S. 1 BJagdG im Rahmen der Bestätigung oder Festsetzung des Abschussplans Einvernehmen herzustellen ist. (Rn. 35) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Aufhebung Abschussplan, Unrichtigkeit forstliches Gutachten und revierweise Aussage, kein Revierbegang
Fundstelle:
BeckRS 2023, 43909
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
1
Der Kläger wendet sich gegen den Dreijahresabschussplan für Rehwild im Gemeinschaftsjagdrevier … für die Jahre 2022 bis 2024.
2
Der Kläger ist Revierinhaber des Gemeinschaftsjagdreviers … Dieses ist Teil der Hegegemeinschaft … Im forstlichen Gutachten zur Situation der Waldverjüngung 2021 für die Hegegemeinschaft … bewertete das Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (AELF) die Verbissbelastung zusammenfassend als tragbar. Es wurde empfohlen, den Abschuss beizubehalten.
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In der ergänzenden revierweisen Aussage zur Verjüngungssituation vom 1. Juli 2021 wurde die Verbissbelastung durch Schalenwild im Jagdrevier … als zu hoch bewertet. Die Tendenz der Verbisssituation sei unverändert.
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Mit Schreiben vom 26. April 2022 teilte der Beklagte dem Kläger mit, dass die revierweise Aussage für das Revier des Klägers festgestellt hätte, dass der Verbiss immer noch zu hoch sei. Aus diesem Grund habe der Jagdbeirat beschlossen, den Abschussplan für das Revier … auf 26 Stück Rehwild zu erhöhen. Es werde Gelegenheit zur Äußerung gegeben.
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Mit Schreiben vom 13. Mai 2022 teilte der Kläger mit, dass er der Abschusserhöhung auf 26 Stück nicht zustimme. Das forstliche Gutachten habe die Situation mit „tragbar“ und „beibehalten“ bewertet. Darüber hinaus habe eine Aufstockung auf Basis des Planes statt ausgehend von einem Ist-Abgang stattgefunden. Der Waldbegang für die revierweise Aussage sei nicht terminlich angekündigt worden, so dass keiner der Beteiligten habe dabei sein können. Zudem werde das Revier zunehmend von massivem Freizeitdruck heimgesucht, der hauptsächlich von dem ca. 10 Hektar großen Campingplatz ausgehe.
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Mit Schreiben vom 23. Mai 2022 übersandte der Beklagte dem Kläger den Dreijahresabschussplan für Rehwild für die Jahre 2022 bis 2024. Für die Jagdjahre 2019 bis 2021 waren 23 Stück Rehwild festgesetzt worden. Der Abschussvorschlag des Klägers für die Jagdjahre 2022 bis 2024 beträgt 24 Stück Rehwild, davon sieben Stück männliches Wild, sieben Stück weibliches Wild und zehn Kitze. Der bestätigte bzw. festgesetzte Abschuss beträgt 26 Stück Rehwild, davon acht Stück männliches Wild, acht Stück weibliches Wild und zehn Kitze.
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In Anlage des Abschussplanes führte der Beklagte zudem im Wesentlichen aus, dass man die Einwendungen des Klägers im Jagdbeirat gut hätte nachvollziehen können. Man sei jedoch der Meinung gewesen, dass trotz der teilweise erschwerten Bedingungen der Bejagung eine Erhöhung der Abschusszahlen unumgänglich sei. Die Abschussempfehlung des AELF sei dahingehend berücksichtigt worden, dass der Erhöhungssatz beim klägerischen Revier lediglich 10 Prozent vom alten Soll betrage. In dauerroten Hegegemeinschaften liege dieser für als rot bewertete Reviere höher.
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Gegen den Abschussplan für das Jagdrevier … erhob der Kläger mit am 28. Juni 2022 eingegangenem Schriftsatz Klage.
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Zur Begründung trägt der Kläger im Wesentlichen vor, dass die Erhöhung des Abschusses stets anhand des Einzelfalls begründet werden müsse. Das Mitbestimmungsrecht des Revierinhabers und der Jagdgenossenschaft, vertreten durch den Jagdvorstand, sei vorliegend vom Beklagten übergangen worden. Bei der Festlegung der Abschusszahlen durch den Jagdbeirat seien die Vorstellungen des Klägers in keinster Weise gehört, gewürdigt oder berücksichtigt worden. Der notwendige Waldbegang für die revierweise Aussage habe offenbar nie stattgefunden. Die Ergebnisse seien offenbar aus dem Jahr 2018 übernommen worden. Hierfür spreche auch die Tatsache, dass das Ergebnis des angeblichen Waldbegangs deutlich früher (1.7.2021) beim Kläger eingetroffen sei als die Ergebnisse der Verbissaufnahme (30.10.2021). Es könne keine revierweise Aussage vorliegen, wenn das Vegetationsgutachten noch überhaupt nicht vorliege. Der Waldbegang für die revierweise Aussage sei terminlich nicht angekündigt gewesen, Beteiligte hätten nicht dabei sein können. Damit seien auch die Gutachten unrichtig.
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Die neuen Abschusszahlen für die Jahre 2022 bis 2025 würden ohne Begründung des Beklagten und des Jagdbeirats auf den Soll-Zahlen der letzten Abschussperiode basieren. Sie müssten jedoch auf den Ist-Zahlen basieren. Im Jagdrevier habe der Freizeitdruck enorm zugenommen, was eine Planerfüllung deutlich erschwere.
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Der Kläger beantragt zuletzt,
Der Dreijahresabschlussplan für Rehwild für das Gemeinschaftsjagdrevier … vom 25. Mai 2022 wird aufgehoben soweit die Festsetzung über den gemeinsamen Vorschlag des Klägers und der Jagdgenossenschaft hinausgeht.
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Der Beklagte beantragt,
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Zur Erwiderung trägt der Beklagte im Wesentlichen vor, dass der Jagdbeirat für seine Entscheidung das forstliche Gutachten, die revierweise Aussage, das alte Soll, das erreichte Ist sowie die Abschusszahl pro 100 Hektar miteinbezogen habe. Durch die Untere Jagdbehörde und den Jagdbeirat sei das Einvernehmen des Jagdpächters und der Jagdgenossenschaft zur Abschussplanung zur Kenntnis genommen und die Äußerungen des Klägers im Jagdbeirat am 25. Mai 2022 beraten worden. Jedoch sei nicht nur das Einvernehmen Voraussetzung für eine Bestätigung. Es sei zudem notwendig, dass der Abschussplanvorschlag den Vorschriften des Bundesjagdgesetzes und des Bayerischen Jagdgesetzes entspreche. In der vergangenen Abschussplanperiode 2019 bis 2021 sei der Abschussplan annähernd erfüllt worden. Es habe lediglich ein Tier gefehlt. Die Erhöhung würde lediglich 8,33 Prozent vom alten Soll betragen. Der Kläger sei im Juli 2021 für den Waldbegang zur revierweisen Aussage angeschrieben worden und damit beteiligt worden. Auch wenn ein erhöhter Freizeitdruck die Jagd erschwere, könne dies kein Grund für eine niedrigere Abschusszahl sein.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird Bezug genommen auf die beigezogene Behördenakte, die Gerichtsakte sowie das Protokoll über die mündliche Verhandlung.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Klage ist unbegründet.
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Die Festsetzung des Dreijahresabschussplans für Rehwild für das Gemeinschaftsjagdrevier … vom 25. Mai 2022 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
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1. Der festgesetzte Abschussplan ist formell rechtmäßig.
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Insbesondere steht der möglicherweise unterbliebene Revierbegang nicht der Gesetzmäßigkeit der dem Abschussplan zugrundeliegenden revierweisen Aussage, und damit auch nicht der Rechtmäßigkeit des Abschussplanes selbst, entgegen.
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Der Kläger trägt hierzu vor, nicht beim Revierbegang 2021 dabei gewesen zu sein und hiervon auch nicht von Seiten der Unteren Jagdbehörde oder des AELF informiert worden zu sein. Der diesbezügliche Dissens zwischen den Beteiligten, inwiefern dem Kläger der Serienbrief zur Einladung zum Revierbegang zugegangen ist bzw. ob das vom Kläger ausgefüllte Teilnahmeschreiben dem AELF zugegangen ist, kann dahinstehen, da dies nicht entscheidungserheblich ist.
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Selbst bei Annahme, dass der Kläger beim Revierbegang nicht dabei gewesen ist aufgrund unterbliebener Einladung von Seiten des Beklagten, würde dies nicht zur Gesetzwidrigkeit der revierweisen Aussage und damit auch nicht zur Rechtswidrigkeit des festgesetzten Abschussplans führen. Ein Revierbegang mit allen Beteiligten ist sicherlich wünschenswert, jedoch nicht rechtlich vorgeschrieben. Gemäß der „Anweisung zur Erstellung der ergänzenden revierweisen Aussagen zum forstlichen Gutachten zur Situation der Waldverjüngung 2021“ des Bayerischen Staatsministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (StMELF), Seite 2, sollen gemeinsam mit dem Revierinhaber möglichst jährlich gemeinsame freiwillige Revierbegänge organisiert werden. Es ist zunächst festzuhalten, dass eine ministerielle Anweisung an nachgeordnete Behörden das Gericht nicht bindet. Darüber hinaus ist der Revierbegang bereits in dieser Anweisung als Soll-Vorschrift ausgestaltet. Eine formell-gesetzliche Grundlage eines Revierbegangs fehlt. Demnach ist das Unterlassen des Revierbegangs rechtlich unerheblich. Eine entsprechende Anhörungsvorschrift vor Erstellung der revierweisen Aussage, vergleichbar Art. 28 BayVwVfG, fehlt in diesem Rahmen. Dem Kläger ist gesetzlich die Möglichkeit gegeben, Einwendungen noch vor Erlass des festgesetzten Dreijahresabschussplanes vorzubringen, da insoweit die Vorschrift des Art. 28 BayVwVfG Anwendung findet. Dies ist auch im Rahmen des vorliegenden Verwaltungsverfahrens geschehen, vgl. das Schreiben des Klägers vom 13. Mai 2022 an das Landratsamt … Dies ist die rechtlich vorgesehene Möglichkeit, in welchem der Betroffene Einwendungen gegen das forstliche Gutachten sowie die revierweise Aussage vorbringen kann. Eine Rechtsverletzung des Klägers kann daher vorliegend nicht erkannt werden.
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2. Der festgesetzte Abschussplan ist zudem materiell rechtmäßig.
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2.1 Rechtsgrundlage für die Festsetzung des Abschussplans ist § 21 Abs. 2 Satz 1 Bundesjagdgesetz (BJagdG), wonach unter anderem Schalenwild, wozu gemäß § 2 Abs. 3 BJagdG auch Rehwild gehört, nur aufgrund und im Rahmen eines Abschussplans erlegt werden darf, der von der zuständigen Behörde im Einvernehmen mit dem Jagdbeirat (vgl. § 37 BJagdG) zu bestätigen oder festzusetzen ist. Das Nähere bestimmt die Landesgesetzgebung (vgl. § 21 Abs. 2 Satz 5 BJagdG), vorliegend Art. 32 Bayerisches Jagdgesetz (BayJG) in Verbindung mit § 14 Abs. 1 Satz 1, § 15 Abs. 1 Ausführungsverordnung zum BayJG (AVBayJG). Danach ist für Rehwild ein Abschussplan jeweils für 3 Jagdjahre aufzustellen. Nach § 15 Abs. 1 Satz 1 AVBayJG ist der eingereichte Abschussplan zu bestätigen, wenn er den Vorschriften des § 21 Abs. 1 BJagdG und des Art. 32 Abs. 1 Satz 2 BayJG entspricht und im Einvernehmen mit dem Jagdvorstand oder dem Inhaber des Eigenjagdrevieres aufgestellt ist; andernfalls wird der Abschussplan, wie vorliegend, von der Behörde festgesetzt, § 15 Abs. 1 Satz 2 AVBayJG.
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Nach § 21 Abs. 1 BJagdG ist der Abschuss so zu regeln, dass die berechtigten Ansprüche der Land-, Forst- und Fischereiwirtschaft vor Schutz gegen Wildschäden voll gewahrt bleiben sowie die Belange von Naturschutz und Landschaftspflege berücksichtigt werden. Innerhalb der hierdurch gebotenen Grenzen soll die Abschussregelung dazu beitragen, dass ein gesunder Wildbestand aller heimischer Tierarten in angemessener Zeit erhalten bleibt und insbesondere der Schutz von Tierarten gesichert ist, deren Bestand bedroht erscheint. Neben der körperlichen Verfassung des Wildes ist bei der Abschussplanung vorrangig der Zustand der Vegetation, insbesondere der Waldverjüngung zu berücksichtigen, Art. 32 Abs. 1 Satz 2 BayJG. In der Entscheidung sind die gesetzlich geregelten öffentlich- und privatrechtlichen Belange einzustellen und mit dem Ziel eines Interessenausgleichs zwischen den volkswirtschaftlichen und landeskulturellen Belangen einerseits und den jagdlichen Intensionen andererseits abzuwägen (vgl. BVerwG, U. v. 19.3.1992 – 3 C 62.89 – juris Rn. 25). Dabei kommt dem Interesse am Schutz des Waldes wegen der überragenden Bedeutung des Waldes für das Klima, den Wasserhaushalt, die Sauerstoffproduktion, die Nährstoffspeicherung und die biologische Vielfalt ein Vorrang gegenüber den jagdlichen Interessen zu (vgl. BVerwG, U. v. 30.3.1995 – 3 C 8.94 – juris Rn. 45; BayVGH, U. v. 19.5.1998 – 19 B 95.3738 – juris Rn. 94). Dementsprechend sind nach Art. 1 Abs. 2 Nr. 3 BayJG Beeinträchtigungen einer ordnungsgemäßen, d. h. nachhaltigen (vgl. § 11 Abs. 1 Satz 1 BWaldG) forstwirtschaftlichen Nutzung durch das Wild möglichst zu vermeiden und nach Art. 32 Abs. 1 Satz 2 BayJG die Waldverjüngung zu gewährleisten (vgl. BayVGH, U. v. 19.5.1998 a.a.O.).
24
Bei der Festsetzung des Abschussplans steht der Behörde kein Ermessen (vgl. BVerwG, U. v. 19.3.1992 – 3 C 62.89 – juris Rn. 25) und auch kein gerichtlich nicht nachprüfbarer Beurteilungsspielraum zu (vgl. BayVGH, U. v. 7.11.1996 – 19 B 93.956 – juris Rn. 51). Das Gericht prüft, ob die Behörde den maßgeblichen Sachverhalt richtig gewertet und die verschiedenen Belange entsprechend der Zielvorgabe des Gesetzgebers zutreffend abgewogen hat (BVerwG, U. v. 19.3.1992 a.a.O.; BayVGH, U. v. 30.4.1992 – 19 B 91.1220 – juris Rn. 38, U. v. 19.5.1998 – 19 B 95.3738 – juris Rn. 91; VG München, U. v. 29.3.2017 – M 7 K 16.3638 – juris Rn. 35 m.w.N.). Allerdings ist die Abschusszahl auch nicht mathematisch-logisch, etwa anhand einer normativen Formel zu bestimmen, sondern der Behörde insoweit eine gewisse Bandbreite von Entscheidungsmöglichkeiten eingeräumt und die Prüfung des Gerichts darauf beschränkt, ob die Höhe des Abschusses sich noch in einem vertretbaren Zahlenrahmen hält (vgl. BVerwG, U. v. 19.3.1992 a.a.O.; BayVGH, U. v. 19.5.1998 – 19 B 95.3738 – juris Rn. 91, U. v. 30.4.1992 – 19 B 91.1220 – juris Rn. 37 ff.).
25
Ausgangspunkt und Grundlage jeglicher Abschussplanung ist das gemäß Art. 32 Abs. 1 Satz 3 BayJG einzuholende Gutachten, welches den Zustand der Vegetation und der Waldverjüngung insbesondere im Hinblick auf die Einwirkungen des Schalenwildes auf diesen Zustand feststellen soll (vgl. BayVGH, U. v. 19.5.1998 – 19 B 95.3738 – juris Rn. 95), vorliegend mithin das hegegemeinschaftsbezogene forstliche Gutachten zur Situation der Waldverjüngung 2021 sowie die ergänzende revierweise Aussage zur Verjüngungssituation vom 1. Juli 2021.
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2.2 Die Kammer hat keine Zweifel an der Richtigkeit des forstlichen Gutachtens zur Situation der Waldverjüngung 2021 sowie der ergänzenden revierweisen Aussage zur Verjüngungssituation vom 1. Juli 2021.
27
Amtlichen Auskünften und Gutachten der Forstverwaltung kommt eine besondere Bedeutung zu, weil sie auf jahrelanger Bearbeitung eines bestimmten Gebiets und nicht nur auf der Beweisaufnahme und der Auswertung von Aktenvorgängen im Einzelfall beruhen. Sie haben daher grundsätzlich ein wesentlich größeres Gewicht als Expertisen von privaten Fachinstituten (vgl. BayVGH, B. v. 31.8.2011 – 8 ZB 10.1961 – juris Rn. 17 zu Auskünften und Gutachten des Wasserwirtschaftsamtes; VG München, U. v. 29.3.2017 – M 7 K 16.3638 – juris Rn. 38; VG Bayreuth, U. v. 8.6.2021 – B 1 K 20.634 – juris Rn. 29).
28
In der Rechtsprechung ist geklärt, dass die Art und Weise bzw. die Methode der Gutachtenerstellung durch die Forstbehörden nicht zu beanstanden ist und demzufolge praxistaugliche Maßstäbe zur Festlegung des erforderlichen Abschusses liefert (vgl. BayVGH, U. v 30.4.1992 – 19 B 91.1220 – juris Rn. 52 ff., B. v. 20.11.2018 – 19 ZB 17.1601 – juris Rn. 32 ff.).
29
Im vorliegenden Fall bewertet das forstliche Gutachten die Verbissbelastung in der Hegegemeinschaft mit „tragbar“ und empfiehlt, den Abschuss beizubehalten. Die ergänzende revierweise Aussage zur Verjüngungssituation wertet die Verbisssituation mit „zu hoch“.
30
Zunächst ist festzuhalten, dass es keinen Widerspruch darstellt, wenn die Situation in der Hegegemeinschaft mit „tragbar“, im einzelnen Revier die Verbisssituation jedoch mit „zu hoch“ bewertet wird. Denn es entspricht dem nicht zu beanstandenden System, die hegegemeinschaftsangehörigen Reviere bei Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen einzeln zu betrachten und damit konkret auf die Situation vor Ort im jeweiligen Revier reagieren zu können.
31
Wie die Vertreter des AELF in der mündlichen Verhandlung vorgetragen haben, hat der Unterzeichner … in Zusammenarbeit mit dem zuvor zuständigen Mitarbeiter des AELF, Herrn …, die ergänzende revierweise Aussage erstellt. Damit ist auch in der vorliegenden ergänzenden revierweisen Aussage zur Verjüngungssituation davon auszugehen, dass eine Gesamtbetrachtung mit allen Eindrücken der Waldverjüngung, die auch die Historie und den Werdegang des Reviers heranzieht, vorliegt.
32
Konkrete Einwendungen gegen das forstliche Gutachten oder die ergänzende revierweise Aussage hat der Kläger vorliegend nicht erhoben. Es sind auch sonst keine Umstände erkennbar, die an der Richtigkeit und Plausibilität der Gutachten zweifeln ließen.
33
Soweit der Kläger vorträgt, dass vor Erstellung der ergänzenden revierweisen Aussage kein Waldbegang 2021 stattgefunden hätte, so ist dies vorliegend unerheblich. Diesbezüglich wird auf die obigen Ausführungen unter Ziffer 1. verwiesen.
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2.3 Ein Abwägungsmangel liegt nicht vor.
35
Zunächst ist nicht zu beanstanden, dass sich die Untere Jagdbehörde den Beschluss des Jagdbeirates zu Eigen gemacht hat. Es ist nicht ersichtlich, weshalb es der Unteren Jagdbehörde verwehrt sein sollte, ihrer Überzeugungsbildung das Beratungsergebnis eines zwingend vorgesehenen, vgl. § 37 Abs. 1 BJagdG, Gremiums zugrunde zu legen, das mit sachkundigen Vertretern von fünf maßgeblichen Interessengruppen, nämlich der Land- und Forstwirtschaft, der Jagdgenossenschaften, der Jäger und des Natur- und Waldschutzes besetzt ist und zur Beratung aller Jagdangelegenheiten von grundsätzlicher Bedeutung sowie wichtige Einzelfragen, vgl. Art. 50 Abs. 1 BayJG, gesetzlich berufen ist. Darüber hinaus hat die Untere Jagdbehörde nach § 21 Abs. 2 Satz 1 BJagdG im Rahmen der Bestätigung oder Festsetzung des Abschussplans Einvernehmen mit dem Jagdbeirat herzustellen. Das Vorgehen der Unteren Jagdbehörde rechtfertigt nicht den Schluss, dass sie sich keine eigene Überzeugung gebildet hat und generell die Auffassung des Jagdbeirates ungeprüft und schematisch übernimmt (vgl. auch VG München, U. v. 29.3.2017 – M 7 K 16.3638 – juris Rn. 29).
36
Entgegen dem klägerischen Vortrag ist nicht erkennbar, dass Einwendungen des Klägers nicht gewürdigt worden wären. Gemäß Schreiben der Unteren Jagdbehörde vom 26. April 2022 ist der Jagdbeirat jedoch zu dem Ergebnis gekommen, dass nur bei Erhöhung der Abschusszahl die gesetzlichen Ziele erreicht werden könnten. Darüber hinaus hat der Jagdbeirat offensichtlich berücksichtigt, dass die Verbisssituation in der Hegegemeinschaft, anders als im konkreten Revier des Klägers, mit „tragbar“ bewertet worden ist.
37
2.4 Die Erhöhung der Abschusszahlen um rund 10% ausgehend vom alten Soll statt vom alten Ist ist vorliegend unerheblich.
38
Der Beklagte hat im Rahmen der Festsetzungen die Erhöhung der Abschusszahl um rund 10% vom alten Soll-Abschuss ausgehend berechnet.
39
Es spricht viel dafür, dass bei der Überlegung, welche Abschusszahlen künftig festgesetzt werden sollen, vom alten tatsächlich erbrachten Ist-Abschuss und nicht vom alten festgesetzten Soll-Abschuss auszugehen ist. Im Rahmen der Abschussplanung ist von den tatsächlichen Gegebenheiten auszugehen. Dies folgt insbesondere daraus, dass das zugrunde liegende forstliche Gutachten sowie die revierweise Aussage die tatsächlichen Gegebenheiten vor Ort im Wald erfassen, wie sie sich auf Grundlage des tatsächlichen Abschusses, der bisher erfolgt ist, darstellen. Eine Beurteilung der Situation der Waldverjüngung auf Basis des Soll-Abschusses wäre weder feststellbar noch belastbar nachzuweisen. Das forstliche Gutachten bewertet den Zustand des Waldes bei der Begutachtung der Verbisssituation zutreffend entsprechend den vorgefundenen tatsächlichen Verbissbelastungen und der Aufwuchssituation der Bäume, die auf dem Wildbestand beruht, wie er sich aufgrund des tatsächlichen Ist-Abschusses darstellt, und nicht, wie er sich bei Annahme des Soll-Abschusses darstellen würde. Eine solche Annahme wäre reine Spekulation und findet keine Grundlage im Wald vor Ort (vgl. VG Augsburg, U. v. 22.1.2014 – Au 4 K 13.958 – juris).
40
Dieses Ausgehen des Beklagten vorliegend vom alten Soll-Abschuss ist jedoch für das vorliegende Verfahren unerheblich.
41
Der Abschuss ist, wie die Rechtsprechung mehrfach dargelegt hat, nicht mathematisch festzusetzen, sondern anhand der gesetzlichen Ziele. Da vorliegend der tatsächliche Ist-Abschuss bzw. der Abgang für die drei vergangenen Jagdjahre 23 Stück Wild und der alte festgesetzte Soll-Abschuss 24 Stück Wild beträgt, wirkt sich es vorliegend nicht aus, ob vom alten Soll- oder vom alten Ist-Abschuss ausgegangen wurde. Die Differenz würde, wie der Kläger in seinem Schreiben vom 13. Mai 2022 an das Landratsamt … selbst darstellt, bei einem Stück Rehwild liegen. Damit liegen der Jagdbeirat und die Untere Jagdbehörde vorliegend jedoch noch in der bereits oben genannten Bandbreite der Festsetzungen, die ihnen in solchen Fällen verbleibt.
42
2.5 Soweit der Kläger vorträgt, dass ihm die Erfüllung des Abschussplanes aufgrund Freizeitdruckes im Jagdrevier unmöglich sei, so führt dieser Einwand nicht zum Erfolg der Klage.
43
Die diesbezüglichen Einwendungen des Klägers, dass ihm der weitere Abschuss im Vergleich zum vorherigen Abschussplan von einem Stück weiblichen Wild und zwei Kitzen unmöglich sein sollte innerhalb von 3 Jahren, bleibt vollständig unsubstantiiert. Es ist nicht erkennbar, dass der Beklagte vom Kläger etwas Unmögliches verlangen würde. Im Übrigen bleibt es diesem unbenommen, sich der Unterstützung durch Jagdgäste zu bedienen.
44
Nach alledem war die Klage abzuweisen.
45
3. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO.