Titel:
Darlegungslast zum Temperaturbereich eines Thermofensters in Dieselfall
Normenketten:
BGB § 823 Abs. 2
EG-FGV § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1
Fahrzeugemissionen-VO Art. 3 Nr. 10, Art. 5 Abs. 2
Leitsatz:
Ein Thermofenster, das die Abgasrückführung erst unter – 24°C und über +70 °C reduziert oder sogar abschaltet, deckt den normalen Fahrzeugbetrieb im Sinne von Art. 3 Nr. 10, Art. 5 Abs. 2 der VO EG) Nr. 715/2007 ab, da Fahrten außerhalb dieses Temperaturbereichs gar nicht oder extrem selten zu erwarten sind. (Rn. 51) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Schadensersatz, Schutzgesetz, Dieselskandal, unzulässige Abschalteinrichtung, EA 288, Thermofenster, normaler Fahrbetrieb, Temperaturbereich, Darlegungslast, Differenzschaden
Vorinstanz:
LG Landshut, Urteil vom 15.09.2022 – 75 O 1377/22
Fundstelle:
BeckRS 2023, 43901
Tenor
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Landshut vom 15.09.2022, Az. 75 O 1377/22, wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Das in Ziffer 1. genannte Urteil des Landgerichts Landshut ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 32.288,04 € festgesetzt.
Entscheidungsgründe
1
Der Kläger macht gegen die Beklagte Schadensersatz aus dem Kauf eines Dieselfahrzeugs geltend.
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Der Entscheidung liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
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1. Der Kläger erwarb am 05.07.2017 von einem nicht am Verfahren beteiligten Autohaus einen Neuwagen der Marke VW Tiguan 4Motion, FIN … zum Preis von 43.746,50 € brutto.
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Das Fahrzeug ist mit einem Dieselmotor des Typs EA 288, Hubraum 2,0 l TDI, Leistung 110 kW, ausgestattet, der der Abgasnorm Euro 6 unterfällt. Es verfügt über ein Abgasnachbehandlungssystem in Form eines SCR-Katalysators. In der Motorsteuerungssoftware ist ein Thermofenster implementiert, das die Abgasrückführung abhängig von der Umgebungstemperatur regelt.
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Für das Fahrzeug existiert kein individueller Rückruf des Kraftfahrtbundesamts und es gibt kein verpflichtendes Software-Update.
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Zum 23.10.2023 betrug der Kilometerstand des Fahrzeugs 108.781 km.
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2. Der Kläger hat erstinstanzlich zuletzt beantragt, die Beklagte zu verurteilen, 43.746,50 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit abzüglich einer Nutzungsentschädigung in Höhe von 11.458,46 € Zug um Zug gegen Rückgabe und Übereignung des Fahrzeugs zu zahlen.
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Der Kläger hat seinen Anspruch auf das Vorhandensein unzulässiger Abschalteinrichtungen gestützt, namentlich ein Thermofenster, das bewirke, dass die Abgasrückführung bei Außentemperaturen unterhalb von 17 °C zurückgefahren und unterhalb von 5 °C komplett abgeschaltet werde. Daneben sei die Software mit einer Fahrzykluserkennung (Fahrkurve, Lenkwinkel, Temperatur, Zeit) versehen, infolge der die Abgasrückführungsrate im NEFZ – anders als im normalen Straßenbetrieb – substantiell erhöht werde. Das On-Board-Diagnosesystem melde bei einer Überschreitung der zulässigen Stickoxid-Grenzwerte keine Störung.
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3. Das Landgericht Landshut hat mit Endurteil vom 15.09.2022 die Klage abgewiesen.
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Einen Schadensersatzanspruch des Klägers gemäß §§ 826, 31 BGB hat das Landgericht abgelehnt. Zwar komme in dem streitgegenständlichen Fahrzeug eine Motorsteuerungssoftware zum Einsatz, die die Abgasrückführungsrate in Abhängigkeit von der Außentemperatur steuere. Es fehle jedoch substantiierter Klägervortrag dazu, weshalb dies als sittenwidrig anzusehen sei und auf einen Schädigungsvorsatz schließen lasse. Bei der Frage nach der Zulässigkeit des Thermofensters handele es sich im Kern um eine technische Bewertung vor rechtlichem Hintergrund. Es müsse daher auch eine möglicherweise falsche, aber dennoch grundsätzlich vertretbare Auslegung und Anwendung der rechtlichen Vorgaben in Betracht gezogen werden. Hinzu komme, dass das Kraftfahrtbundesamt temperaturgesteuerte AGR-Regelungen nicht als unzulässige Abschalteinrichtung beanstande. Die Beklagte habe dargelegt, dass die Fahrkurvenerkennung beim streitgegenständlichen Fahrzeug aufgrund des späten Produktionsstarts nach der Applikationsrichtlinie aus Oktober 2015 schon gar nicht mehr hinterlegt gewesen sei. Des Weiteren habe das KBA spätestens ab Ende 2015 Kenntnis von der Applikationsrichtlinie und der Fahrkurvenerkennung gehabt und gleichwohl keine Veranlassung für einen Rückruf gesehen, sondern die beklagtenseits vorgesehenen Änderungen geprüft und akzeptiert. Messungen der Deutschen Umwelthilfe trügen der Applikationsrichtlinie keine Rechnung.
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Das Landgericht hat darüber hinaus eine Haftung der Beklagten nach § 823 Abs. 2 BGB, §§ 6 Abs. 1, 27 Abs. 1 EG-FGV wegen des fehlenden individualschützenden Charakters abgelehnt.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes sowie der Anträge erster Instanz wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.
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4. Gegen diese Entscheidung richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung des Klägers, der zunächst seinen Anspruch auf großen Schadensersatz weiterverfolgt hat, zuletzt aber nur noch den Differenzschaden geltend macht.
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Der Kläger bringt vor, für die Substantiierung reiche es aus, wenn vorgetragen werde, dass ein vergleichbares Fahrzeug überhöhte Messwerte aufweise, die auf eine Abschalteinrichtung hindeuteten. Dafür habe er mehrere Indizien aufgezeigt, darunter konkrete Messwerte der D. U. und des Kraftfahrtbundesamts, Dokumente der Beklagten mit eindeutigen Hinweisen auf die Verwendung illegaler Abschalteinrichtungen, Äußerungen des ehemaligen Vorstandsvorsitzenden der Beklagten, Beweisangebote zu Sachverständigengutachten, Medienberichterstattungen etc.
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Bei der Fahrkurvenerkennung handele es sich um eine unzulässige Abschalteinrichtung. Der Kläger habe durch die vorgelegte Applikationsrichtlinie substantiiert dargelegt, dass die Beklagte auch in EA 288-Motoren eine Software verbaut habe, die mittels einer sog. Fahrkurve aktiv die Vorkonditionierung und den NEFZ-Modus erkenne und das Emissionsverhalten auf dem Prüfstand in anderer Weise regele als im normalen Betrieb, indem die Rohemissionsbedatung (AGR-High/Low) streckengesteuert bis zur Erreichung der SCR-Arbeitstemperatur von ca. 200 °C und der OBD-Schwellwerte umgeschaltet und die Abgasrückführungsrate erhöht werde. Die Abgasrückführung funktioniere lediglich 1.200 Sekunden nach jedem Motorstart (also für die Dauer des NEFZ) ordnungsgemäß.
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Daneben sorge eine von der Beklagten installierte Steuerungssoftware dafür, dass im realen Straßenbetrieb weniger AdBlue eingedüst werde. Dieser Rückschluss sei aus Rückrufschreiben der Beklagten zu ziehen, wonach es nach einem Update zu einem erhöhten AdBlue-Verbrauch kommen werde. Dass die Beklagte die Fahrkurve ab Kalenderwoche 22/2016 aus allen Fahrzeugen mit EA 288-Motor mit Modellstart oder Modellpflege nach diesem Zeitpunkt entfernt habe, da sie angeblich technisch nicht mehr erforderlich sei, spreche für ein Wissenselement.
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Überdies sei ein Thermofenster implementiert, bei dem die Grenzwerte bereits ab unterhalb 17 °C überschritten würden. In Temperaturbereichen unter 5 °C werde die Abgasrückführung komplett abgeschaltet und mindestens das Dreifache an Stickoxid ausgestoßen als gesetzlich zulässig (80 mg/km). Die Beklagte könne sich nicht darauf berufen, dass diese Spezifikationen nach der damals erkennbaren Rechtslage vertretbar gewesen seien.
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Die gesetzlichen Grenzwerte müssten sowohl auf dem Prüfstand als auch im Normalbetrieb auf der Straße eingehalten werden. Das On-Board-Diagnosesystem sei so manipuliert, dass es trotz eines dauerhaften, durchschnittlichen Stickoxidausstoßes von über 80 mg/km das Aufleuchten des Warnsignals bewusst unterdrücke. Jedenfalls stelle dieser Aspekt ein Indiz für eine unzulässige Abschalteinrichtung dar.
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Die Beklagte habe die genaue Applizierung des Thermofensters, der 1.200 SekundenSoftware sowie die Manipulation des OBD-Systems dem Kraftfahrtbundesamt nicht offengelegt. Dieses habe die Abschalteinrichtungen gar nicht erkennen können und mangels Anhaltspunkten keinen Anlass gehabt, Nachfragen zu stellen.
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Rechtfertigungstatbestände lägen nicht vor. Die Abschalteinrichtungen schützten den Motor nicht vor plötzlich eintretenden Schäden, sondern dienten lediglich der Verhinderung von Verschleißerscheinungen.
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Die Beklagte habe in Bezug auf die Schutzgesetzverletzung vorsätzlich gehandelt. Die Abschalteinrichtungen müssten aktiv implementiert werden, wobei sich einer fachkundigen Person die Rechtswidrigkeit aufdrängen müsse. Für Vorsatz spreche überdies, dass die Beklagte die Abschalteinrichtungen über einen längeren Zeitraum hinweg verbaut habe, obwohl die VO (EG) Nr. 715/2007 im Jahr 2007 in Kraft getreten sei. Die Beklagte sollte über ein ausreichendes Compliance- und Qualitätskontrollsystem verfügen. Die Beklagte sei auch von dem Hersteller des Motorsteuergeräts ausdrücklich vor rechtlichen Problematiken gewarnt worden, welche mit der Verwendung der illegalen Abschalteinrichtungen einhergingen.
22
Die Beklagte habe den Kläger in dem Glauben gelassen, die Voraussetzungen der Euro 6Norm und damit die Voraussetzungen für die EU-Typgenehmigung, die Zulassung nach deutschem Recht und die Erteilung einer Betriebserlaubnis seien erfüllt. Dem Kläger sei bereits mit Abschluss des Kaufvertrages ein Schaden entstanden, da eine Betriebsbeschränkung oder für das Fahrzeug drohe und die jederzeitige Nutzbarkeit des Fahrzeugs nicht mehr gewährleistet sei. Hätte der Kläger von dieser Stilllegungsgefahr Kenntnis gehabt, hätte er das Fahrzeug nicht erworben. Den Differenzschaden beziffert der Kläger mit 15%.
23
Die zu erwartende Gesamtlaufleistung des Fahrzeugs betrage 350.000 km. Es habe einen Restwert von 19.300,00 €.
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Der Kläger hat zunächst beantragt, die Beklagte zu verurteilen, 43.746,50 € nebst Zinsen abzüglich einer im Termin zur mündlichen Verhandlung zu beziffernden Nutzungsentschädigung Zug um Zug gegen Rückgabe und Übereignung des Fahrzeugs zu zahlen.
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Der Kläger beantragt zuletzt,
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klagepartei einen Betrag in Höhe von EUR 6.561,97 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
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Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
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Die Beklagte verteidigt die Entscheidung des Landgerichts. Sie habe keine unzutreffende Übereinstimmungsbescheinigung ausgestellt.
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Das Thermofenster stelle bereits tatbestandlich keine Abschalteinrichtung dar. Die Abgasrückführung im streitgegenständlichen Fahrzeug sei in unmittelbarer Abhängigkeit von der Umgebungstemperatur in einem Bereich zwischen -24 °C bis +70 °C (innerhalb der jeweils aktiven Motorbetriebsarten) zu 100% aktiv. Eine Abrampung finde nicht statt.
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Oberhalb und unterhalb dieses Thermofensters erfolge keine Abgasrückführung.
30
Eine Fahrkurvenerkennung sei in dem streitgegenständlichen Fahrzeug nicht verbaut. Eine grenzwerterelevante Einwirkung auf das Emissionskontrollsystem sei damit nicht verbunden.
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Die Beklagte habe nicht einmal fahrlässig gegen das EG-Typgenehmigungsrecht verstoßen. Sie könne sich auf eine tatsächliche, zumindest aber auf eine hypothetische Genehmigung der infrage stehenden Abschalteinrichtungen durch das Kraftfahrtbundesamt berufen. Seit dem Inkrafttreten der Verordnung (EG) Nr. 2016/646 (RDE2-Verordnung) vom 16.05.2016 seien Fahrzeughersteller für neue Fahrzeugtypen dazu verpflichtet, der Typgenehmigungsbehörde für neue Typgenehmigungen sowie Nachtragsgenehmigungen im Einzelnen darzustellen, welche Emissionsstrategie in dem zu genehmigenden Fahrzeugtyp zum Einsatz komme (BES/AES-Dokumentation). Die Beklagte als Herstellerin habe diese Vorgaben umgesetzt. Für vor Mai 2016 typgenehmigte Fahrzeuge und im Mai 2016 noch produzierte Fahrzeuge mit EA 288-Aggregat habe sie freiwillig die BES/AES-Dokumentation (einschließlich einer Beschreibung des Thermofensters) der Typgenehmigungsbehörde zur Kenntnis und Prüfung nachgereicht. Konkret habe die Beklagte dem Kraftfahrtbundesamt die Entwicklung und die neueste technische Ausgestaltung der Abgasrückführung einschließlich der Applikationsrichtlinie (unter anderem in Bezug auf das Thermofenster) im Rahmen eines „Technik-Workshops“ am 22.01.2016 erläutert, ohne dass das KBA Beanstandungen geäußert habe.
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Die Funktion der Fahrkurve sei dem KBA bekannt gewesen. Die Beklagte habe Ende 2015 entschieden, die Fahrkurve generell ab dem Modelljahreswechsel der Kalenderwoche 22/2016 bei allen EA 288-Fahrzeugen nicht mehr zu verwenden und mittels einer sogenannten Applikationsrichtlinie, die mit dem KBA abgestimmt gewesen sei, die Bedatung des Motorsteuergeräts zu ändern.
33
Dem Kläger sei kein Schaden entstanden. Unzulässige Abschalteinrichtungen kämen nicht zum Einsatz. Das Fahrzeug verfüge über eine wirksame EG-Typgenehmigung und könne uneingeschränkt genutzt werden. Einen Rückruf gebe es nicht, eine Stilllegung drohe nicht. Eine Schadensschätzung sei unzulässig. Die Ansicht des Bundesgerichtshofs sei nicht mit der Rechtsprechung des EuGH vom 21.03.2023 vereinbar. Die abstrakte Betroffenheit eines Fahrzeugs sei nicht ersatzfähig, da sie noch keinen tatsächlich entstandenen Schaden darstelle. Zumindest könne der Schaden nicht höher als 5% des Kaufpreises sein (kein Risiko einer behördlichen Anordnung, allenfalls geringer Grad des Verschuldens, geringes Gewicht des (unterstellten) Rechtsverstoßes). Ein Differenzschaden werde durch den Vorteilsausgleich mit Restwert (22.282,00 €) und Nutzungsvorteil (18.961,66 €) vollständig ausgeglichen.
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Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung Bezug genommen. Einer weitergehenden Darstellung des Sachverhalts bedarf es vorliegend nicht, da ein Rechtsmittel gegen das Urteil des Senats mangels Überschreitung einer Beschwer in Höhe von 20.000,00 € (§ 544 Abs. 2 Nr. 1 ZPO) unzweifelhaft nicht zulässig ist (§§ 540 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2, 313a Abs. 1 S. 1 ZPO).
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Die zulässige Berufung des Klägers erweist sich als unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Differenzschadensersatz gemäß § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. §§ 6 Abs. 1, 27 Abs. 1 EG-FGV, da er das Vorhandensein von unzulässigen Abschalteinrichtungen nicht ausreichend dargetan hat.
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1. Die Behauptung des Klägers, das streitgegenständliche Fahrzeug sei mit einem Thermofenster in einer engen Bedatung versehen, erfolgte angesichts des substantiierten Bestreitens der Beklagten ins Blaue hinein. Mangels hinreichender Anhaltspunkte für diese Behauptung ist eine Beweisaufnahme hierzu nicht veranlasst.
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a) Nach allgemeinen Regeln trifft die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen einer Abschalteinrichtung als solcher im Sinne der Art. 3 Nr. 10, Art. 5 Abs. 2 S. 1 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 den Kläger als Anspruchsteller, weil es sich um einen anspruchsbegründenden Umstand handelt. Der Kläger muss Tatsachen vortragen, die in Verbindung mit Art. 5 Abs. 2 S. 1 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 geeignet und erforderlich sind, den geltend gemachten Schadensersatzanspruch zu rechtfertigen, ohne allerdings seinen Tatsachenvortrag durch die Angaben weiterer Einzelheiten substantiieren zu müssen. Die Anforderungen an den Tatsachenvortrag des Klägers zum Vorhandensein einer Abschalteinrichtung dürfen dabei nicht überspannt werden. Der Kläger darf aber nicht willkürlich, aufs Geratewohl und ohne greifbare Anhaltspunkte Behauptungen aufstellen. Bei der Annahme von Willkür in diesem Sinne ist allerdings Zurückhaltung geboten. In der Regel wird sie nur bei Fehlen jeglicher tatsächlicher Anhaltspunkte vorliegen (BGH, Urteil vom 26.06.2023, VIa ZR 335/21, NJW 2023, 2259, juris Rdnr. 53; BGH, Urteil vom 13.07.2021, VI ZR 128/20, VersR 2021, 1252, juris Rdnr. 22; BGH, Beschluss vom 04.05.2022, VII ZR 733/21, juris Rdnr. 21).
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b) Der Kläger hat zum Thermofenster vorgebracht, die Abgasreinigung funktioniere nur bis 17 °C. Darunter werde die Abgasrückführung zurückgeführt, in Temperaturbereichen unter 5 °C werde sie sogar komplett abgeschaltet.
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Ein Sachvortrag zur Begründung eines Anspruchs ist bereits dann schlüssig und erheblich, wenn die Partei Tatsachen vorträgt, die in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet und erforderlich sind, das geltend gemachte Recht als in der Person der Partei entstanden erscheinen zu lassen. Die Angabe näherer Einzelheiten ist nicht erforderlich, soweit diese für die Rechtsfolgen nicht von Bedeutung sind. Das Gericht muss nur in die Lage versetzt werden, aufgrund des tatsächlichen Vorbringens der Partei zu entscheiden, ob die gesetzlichen Voraussetzungen für das Bestehen des geltend gemachten Rechts vorliegen (BGH, Beschluss vom 10.01.2023, VIII ZR 9/21, ZIP 2023, 989, juris Rdnr. 14, 17; BGH, Beschluss vom 04.05.2022, VII ZR 733/21, juris Rdnr. 20; BGH, Beschluss vom 23.02.2022, VII ZR 602/21, juris Rdnr. 17; BGH, Urteil vom 16.09.2021, VII ZR 286/20, juris Rdnr. 21).
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Die Behauptungen des Klägers haben zunächst einmal grundsätzlich für die Darlegung eines Anspruchs auf einen Differenzschaden ausgereicht.
41
c) Die Beklagte hat das Vorbringen des Klägers zum Thermofenster allerdings nicht nur einfach, sondern detailliert bestritten.
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Die Anforderungen an die Substantiierungslast des Bestreitenden hängen davon ab, wie substantiiert der darlegungspflichtige Gegner vorgetragen hat. In der Regel genügt gegenüber einer Tatsachenbehauptung des darlegungspflichtigen Klägers das einfache Bestreiten des Beklagten. Ob und inwieweit die nicht darlegungsbelastete Partei ihren Sachvortrag substantiieren muss, lässt sich nur aus dem Wechselspiel von Vortrag und Gegenvortrag bestimmen, wobei die Ergänzung und Aufgliederung des Sachvortrags bei hinreichendem Gegenvortrag immer zunächst Sache der darlegungs- und beweispflichtigen Partei ist. Eine darüberhinausgehende Substantiierungslast trifft die nicht beweisbelastete Partei nur ausnahmsweise dann, wenn der darlegungspflichtige Gegner außerhalb des von ihm darzulegenden Geschehensablaufs steht und die maßgebenden Tatsachen nicht näher kennt, während sie der anderen Partei bekannt und ihr ergänzende Angaben zuzumuten sind (BGH, Urteil vom 03.02.1999, VIII ZR 14/98, NJW 1999, 1404, juris Rdnr. 19).
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Die Beklagte hat die Bedatung des Thermofensters mit -24 °C bis +70 °C (innerhalb der jeweils aktiven Motorbetriebsarten) detailliert dargestellt und den technischen Hintergrund des Abgasrückführungssystems im Motor EA 288 erläutert. So habe sie softwareseitig die unteren Temperaturgrenzen an neue Entwicklungserkenntnisse angepasst. Hardwareseitig verfügten die Fahrzeuge über eine ungekühlte Hochdruck-Abgasrückführung sowie über ein gekühltes NiederdruckAbgasrückführungssystem. Damit werde erst nach dem Dieselpartikelfilter entnommenes Abgas zurück in den Brennraum geleitet, was zur Folge habe, dass dieses System nicht von den Verlackungs- und Versottungsschäden betroffen sei, die für Systeme mit (nur) gekühlter Hochdruck-Abgasrückführung typisch seien (z. B. EA 189). Darüber hinaus arbeite der EA 288-Motor mit indirekter Ladeluftkühlung, die es ermögliche, die Temperatur des Frischgases, das der Verbrennung zugeführt werde, in weiten Bereichen unabhängig von der Umgebungstemperatur festzulegen.
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d) Der Kläger ist diesem überschießenden Bestreiten der Beklagten nicht mehr durchgreifend entgegengetreten, obwohl die Ausführungen dafür Anlass geboten hätten.
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Der Grundsatz, dass sich der Umfang der Darlegungslast nach der Einlassung des Gegners richtet, besagt, dass der Tatsachenvortrag der Ergänzung bedarf, wenn er infolge der Einlassung des Gegners unklar wird und nicht mehr den Schluss auf die Entstehung des geltend gemachten Rechts zulässt. Die Ablehnung eines Beweises für eine beweiserhebliche Tatsache ist nur dann zulässig, wenn die unter Beweis gestellten Tatsachen so ungenau bezeichnet sind, dass ihre Erheblichkeit nicht beurteilt werden kann, oder wenn sie zwar in das Gewand einer bestimmt aufgestellten Behauptung gekleidet, aber aufs Geratewohl gemacht, gleichsam „ins Blaue“ aufgestellt, mit anderen Worten, aus der Luft gegriffen sind und sich deshalb als Rechtsmissbrauch darstellen. Bei der Annahme von Willkür in diesem Sinne ist Zurückhaltung geboten; in der Regel wird sie nur das Fehlen jeglicher tatsächlicher Anhaltspunkte rechtfertigen können (BGH, Urteil vom 23.04.1991, X ZR 77/89, NJW 1991, 2707, juris Rdnr. 20; BGH, Urteil vom 12.07.1984, VII ZR 123/83, NJW 1984, 2888, juris Rdnr. 13; BGH, Beschluss vom 15.09.2021, VII ZR 2/21, juris Rdnr. 28).
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Diese Situation liegt hier vor. Aufgrund der ausführlichen Veranschaulichung der Thermofensterfunktion durch die Beklagte wurde den pauschalen Behauptungen des Klägers der Boden entzogen und sie wurden auf Vermutungen zurückgestuft, denen keine validen Anhaltspunkte zugrunde lagen. Der Senat verkennt nicht, dass der Kläger nicht im Einzelnen dartun muss, wie die von ihm behauptete Abschalteinrichtung konkret funktioniert (vgl. BGH, Beschluss vom 10.01.2023, VIII ZR 9/21, ZIP 2023, 989, juris Rdnr. 25). Seine Behauptungen sind allerdings durch das eingehende Bestreiten der Beklagten und durch deren Ausführungen zur Funktionsweise des Thermofensters ergänzungsbedürftig geworden. Der Kläger hat sich in der Folge allerdings nicht mit dem Vorbringen der Beklagten auseinandergesetzt und keine greifbaren Anknüpfungstatsachen für die von ihm angegebene Bedatung des Thermofensters mit einer Untergrenze von 17 °C genannt. Er kann sich nicht darauf zurückziehen, dass die technischen Abläufe außerhalb seines Wahrnehmungsbereichs liegen (vgl. BGH, Urteil vom 04.10.1988, VI ZR 7/88, NJW-RR 1989, 23, juris Rdnr. 13). Auch wenn er mangels Sachkunde und Einblick in die Produktion des von der Beklagten hergestellten und verwendeten Motors einschließlich des Systems der Abgasrückführung regelmäßig keine sichere Kenntnis von Einzeltatsachen hat, entbindet ihn dies nicht von einem substantiierten Sachvortrag, der jedenfalls Grundzüge einer Tatsachenbasis erkennen lassen muss und nicht aus der Luft gegriffen sein darf. Im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung stellt sich die Sachlage jedoch so dar, dass der Kläger zwar Tatsachen bestimmt behauptet hat, dies aber gleichsam „ins Blaue hinein“ getan hat.
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Der Umstand, dass das Fahrzeug im realen Betrieb die gesetzlichen Grenzwerte nicht einhält, ist rechtlich unbeachtlich. Die Abweichung der Messwerte im Realbetrieb von den Messwerten nach NEFZ ist als Indiz für eine Abschalteinrichtung angesichts der unstreitigen gravierenden Unterschiede der Bedingungen, unter denen die Messung erfolgt, ungeeignet (BGH, Beschluss vom 15.09.2021, VII ZR 2/21, juris Rdnr. 30; BGH, Urteil vom 13.07.2021, VI ZR 128/20, ZIP 2022, 276, juris Rdnr. 23). Eine Beweisaufnahme zur Bedatung des Thermofensters war daher nicht veranlasst.
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Der Verweis auf die sog. Bosch-Unterlagen gibt, ungeachtet der Frage, ob sie überhaupt für das streitgegenständliche Fahrzeug relevant sind, für die Bedatung des Thermofensters nichts her.
49
e) Da es an einer ausreichenden Darlegung des Thermofensters durch den Kläger fehlt, ist von dem Vorbringen der Beklagten, die Abgasrückführung sei zwischen 24 °C und +70 °C zu 100% aktiv, auszugehen. Eine unzulässige Abschalteinrichtung liegt mithin nicht vor.
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Gemäß Art. 3 Nr. 10 der VO (EG) Nr. 715/2007 bezeichnet der Ausdruck „Abschalteinrichtung“ ein Konstruktionsteil, das die Temperatur, die Fahrzeuggeschwindigkeit, die Motordrehzahl (UpM), den eingelegten Getriebegang, den Unterdruck im Einlasskrümmer oder sonstige Parameter ermittelt, um die Funktion eines beliebigen Teils des Emissionskontrollsystems zu aktivieren, zu verändern, zu verzögern oder zu deaktivieren, wodurch die Wirksamkeit des Emissionskontrollsystems unter Bedingungen, die bei normalem Fahrzeugbetrieb vernünftigerweise zu erwarten sind, verringert wird.
51
Nach Art. 5 Abs. 1 der VO (EG) Nr. 715/2007 rüstet der Hersteller das Fahrzeug so aus, dass die Bauteile, die das Emissionsverhalten voraussichtlich beeinflussen, so konstruiert, gefertigt und montiert sind, dass das Fahrzeug unter normalen Betriebsbedingungen dieser Verordnung und ihren Durchführungsmaßnahmen entspricht.
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Die VO (EG) Nr. 715/2007 definiert den Begriff „normaler Fahrzeugbetrieb“ selbst nicht und verweist für die Festlegung seiner Bedeutung und Tragweite auch nicht auf das Recht der Mitgliedstaaten. Es handelt sich hierbei um unionsrechtliche Begriffe, die in der gesamten Union autonom und einheitlich auszulegen sind, wobei nicht nur der Wortlaut der Bestimmungen, in denen sie vorkommen, sondern auch der Kontext dieser Bestimmungen und das mit ihnen verfolgte Ziel zu berücksichtigen sind (vgl. EuGH, Urteil vom 26.01.2021, C-422/19, NJW 2021, 1081, juris Rdnr. 45; EuGH, Urteil vom 14.07.2022, C-128/20, NJW 2022, 2605, juris Rdnr. 38 f.). Wie sich schon aus dem Wortlaut von Art. 3 Nr. 10 der VO (EG) Nr. 715/2007 ergibt, bezieht sich der Begriff „normaler Fahrzeugbetrieb“ auf die Nutzung des Fahrzeugs unter normalen Fahrbedingungen, also nicht nur auf die Verwendung eines Fahrzeugs unter den Bedingungen des NEFZ, der im Labor durchgeführt wird, lediglich einen Ausschnitt aus einem durchschnittlichen Fahrverhalten nachbildet und nicht auf realen Betriebsbedingungen beruht. Der Begriff „normaler Fahrbetrieb“ verweist somit auf die Verwendung eines Fahrzeugs unter tatsächlichen Fahrbedingungen, wie sie im Unionsgebiet üblich sind (EuGH, Urteil vom 14.07.2022, C-128/20, NJW 2022, 2605, juris Rdnr. 40 zum früheren Zulassungstest NEDC).
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Ein Thermofenster, das die Abgasrückführung erst unter – °C und über +70 °C reduziert oder sogar abschaltet, deckt den normalen Fahrzeugbetrieb im Sinne der vorgenannten Vorschriften ab, da Fahrten außerhalb dieses Temperaturbereichs gar nicht oder extrem selten zu erwarten sind
54
2. Ebenso fehlt es an ausreichendem Sachvortrag dazu, dass in der Motorsteuerungssoftware des streitgegenständlichen Fahrzeugs eine Fahrkurvenerkennung mit emissionsbeeinflussender Wirkung hinterlegt ist.
55
a) Der Kläger ist bei seinen Ausführungen nicht konkret auf das streitgegenständliche Fahrzeug eingegangen. Dies wäre mit Blick auf die Erstzulassung im Juli 2017 erforderlich gewesen. Zu dieser Zeit war der sog. „Abgasskandal“ schon weit fortgeschritten, die Hersteller hatten bereits reagiert und das Kraftfahrtbundesamt hatte diverse Prüfungen durchgeführt. So hatte die Beklagte z. B. schon im November 2015 die „Entscheidungsvorlage: Applikationsrichtlinien & Freigabeverfahren EA 288“ vorgelegt und mit dem Kraftfahrtbundesamt abgestimmt.
56
Der Kläger hat sich in seiner Argumentation im Wesentlichen darauf gestützt, dass das Überschreiten der gesetzlichen Grenzwerte um ein Vielfaches im normalen Fahrbetrieb auf der Straße den Beweis dafür liefere, dass illegale Abschaltvorrichtungen vorhanden seien. Wie bereits ausgeführt, reichen Messergebnisse z. B. der D. Umwelthilfe (Anlagen K4, K5) auf der Straße für die Darlegung einer Abschalteinrichtung jedoch nicht aus, zumal sich die Messungen im Oktober 2019 (Anlage K4) schon nach eigener Darstellung des Klägers auf ein Fahrzeug der Abgasnorm Euro 5 erstreckten und somit eine Vergleichbarkeit fehlt.
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Soweit der Kläger in dem Schreiben der Beklagten vom 29.12.2015 (Verfasser Wummel) einen Beleg für die Existenz einer Fahrkurve im streitgegenständlichen Fahrzeug sieht, folgt ihm der Senat nicht. Die Beklagte räumt hier zwar ein, dass die in den Motorsteuerungsgeräten des Aggregats EA 189 hinterlegte Fahrkurve, mit welcher die Optimierung der NOx-Emissionen vorgenommen wurde, auch in dem Nachfolgeaggregat EA 288 enthalten sei, hier aber nicht zur Optimierung der NOxEmissionen im Prüfstandsbetrieb genutzt worden sei. Ein greifbarer Anhaltspunkt für den Bestand einer Fahrkurve im hiesigen Fahrzeug ist daraus nicht zu entnehmen. Es gibt schon nicht das eine Fahrzeug mit Dieselmotor des Typs EA 288 und SCR-System. Außerdem datiert dieses Schreiben von Ende 2015 und markiert den Beginn der von der Beklagten beschriebenen Vorgänge um die Ausbedatung der Fahrkurve aus EA 288-Fahrzeugen oder den unterlassenen Einbau bei Neumodellen.
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Dass der Kläger sich zur Untermauerung seiner Behauptungen unter anderem auf einen Zeitungsartikel im Spiegel bezieht, ist unbehelflich, da ein Kontext zum streitgegenständlichen Fahrzeug nicht erkennbar ist. Ebenso wenig aussagekräftig sind retrospektive Aussagen des Vorstandsvorsitzenden oder anderer Mitarbeiter der Beklagten und der Verweis auf Ermittlungs- und Strafverfahren. Daneben hat der Kläger Ausführungen zu Fahrzeugen mit SCR-Katalysator mit Ausführungen zu Fahrzeugen mit einem NOx-Speicherkatalysator (NSK) vermengt, obwohl beide Abgasnachbehandlungssysteme getrennt betrachtet werden müssen.
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Mit der Bezugnahme auf einen Bericht aus dem September 2019 (Anlage K15) erhärtet der Kläger seine Begründung nicht, sondern konterkariert sie. Er zieht daraus nämlich den Schluss, dass die Fahrzeuge mit dem Motor EA 288 bis Mitte 2016 Fahrkurven enthalten hätten. Er selbst hat am 05.07.2017 allerdings einen Neuwagen erworben, der nach seiner eigenen Darlegung keine Fahrkurve mehr enthalten haben dürfte.
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Seinem Hinweis auf Rückrufaktionen der Beklagten für andere Fahrzeuge, verbunden mit der Behauptung, die Beklagte versuche mit freiwilligen ServiceMaßnahmen, einem verbindlichen Rückruf des Kraftfahrtbundesamts zuvorzukommen, fehlt eine manifeste Grundlage. Die Verurteilung der Beklagten zur Leistung von Schadensersatz bei einem Audi A6, Baujahr 2017, wegen der Fahrkurvenerkennung (Anlage K28) überzeugt den Senat nicht, zumal die Beklagte auch im dortigen Verfahren die Existenz der Fahrkurve bestritten hat.
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Ferner bietet die „Entscheidungsvorlage: Applikationsrichtlinen & Freigabevorgaben EA 288“ der Beklagten vom 18.11.2015 keine valide Grundlage die Behauptung des Klägers. Dabei handelt es sich um einen mit dem Kraftfahrtbundesamt vereinbarten Leitfaden, der auch eine Applikationsanweisung für „Fahrkurven EA288 SCR“ beinhaltet, gültig ab Kalenderwoche 47/2015. Für den Produktionsstart vor Kalenderwoche 22/2016 ist festgehalten: „Fahrkurven dürfen nicht zur Einhaltung der Emissions- und OBD-Grenzwerte genutzt werden. Diese müssen durch Ausbedatung oder Software-Änderung entfernt werden. Möglicherweise notwendige Umschaltungen zur Einhaltung der Emissions- und OBD-Grenzwerte müssen auf Basis physikalischer Randbedingungen erfolgen.“ Für den Produktionsstart ab Kalenderwoche 22/2016 ist festgestellt: „Bei neuen Freigaben sind die Fahrkurven aus der Software entfernt. Umschaltungen oder die Platzierung von Abgasnachbehandlungsevents muss auf Basis physikalischer Randbedingungen unter Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben für Roh- und Endrohremissionen erfolgen.“ Tatsächlich hätte gerade diese, mit dem Kraftfahrtbundesamt abgestimmte Handlungsanweisung, Anlass für den Kläger gegeben, die Existenz einer Fahrkurve in seinem, eineinhalb Jahre später zugelassenen Fahrzeug näher zu erläutern.
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Mit den vielfältigen Bestätigungen des Kraftfahrtbundesamts oder dem Bericht der Untersuchungskommission Volkswagen setzt sich der Kläger ebenso wenig auseinander.
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b) Die Beklagte traf entsprechend der oben dargestellten Grundsätze keine sekundäre Darlegungslast. Dennoch hat sie die Existenz der Fahrkurvenerkennung im streitgegenständlichen Fahrzeug nicht nur einfach bestritten, sondern detailliert erläutert, welche Maßnahmen sie ab 2015 ergriffen hat und inwieweit die Genehmigungsbehörde involviert war.
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Gerade mit Blick auf die späte Erstzulassung Mitte 2017, wäre der Kläger gehalten gewesen, sich in seinem Vorbringen auf diesen Zeitraum zu fokussieren, da Vorgänge in den Jahren 2015/2016, wie er sie vielfach für seine Behauptungen heranzieht, hier bereits überholt waren.
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c) Gleiches gilt für die weiteren, vom Kläger behaupteten Abschalteinrichtungen wie die 1.200-Sekunden-Regel oder die AdBlue-Dosierung, die teils mit einer Prüfstandserkennung in Form der Fahrkurve verknüpft sind. Die wiederholte Behauptung des Klägers, an einer Überschreitung der NOx-Grenzwerte im Realbetrieb lasse sich das Vorhandensein unzulässiger Abschalteinrichtungen ablesen, ist – wie oben ausgeführt – nicht tragfähig.
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Im Ergebnis hat der Kläger keinen Anspruch auf den Differenzschadensersatz.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
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Die vorläufige Vollstreckbarkeit regelt sich nach §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.
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Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus §§ 47 Abs. 1 S. 1, 48 Abs. 1 S. 1 GKG in Verbindung mit § 3 ZPO. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Bewertung des Gebührenstreitwerts ist nach § 40 GKG der Zeitpunkt der Antragstellung, die den Rechtszug einleitet, in der Berufungsinstanz also die Einreichung der Berufungsanträge. Der Kläger hat mit der Berufung zunächst Zahlung von 43.746,50 € Zug um Zug gegen Herausgabe des Fahrzeugs abzüglich einer Nutzungsentschädigung beantragt, die der Senat mit den vom Kläger zuletzt berechneten 11.458,46 € beziffert.
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Die Revision ist nicht zuzulassen; die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor.
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Die aufgeworfenen Rechtsfragen lassen sich auf Grundlage der bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs beantworten. Im Übrigen handelt es sich um einzelfallbezogene, tatrichterliche Würdigungen.