Inhalt

OLG München, Beschluss v. 20.07.2023 – 2 UF 362/23 e
Titel:

Wirksamkeit einer Ehevertrages unter Verknüpfung von Geldforderungen mit der Gewährung von Unterhalt

Normenkette:
BGB § 134, § 138, § 1378, § 1684
Leitsätze:
1. Das Vorbringen, einen Vertrag mangels Sprachkenntnissen nicht verstanden zu haben, ist nicht nachvollziehbar, wenn der Betreffende seit 12 Jahren in Deutschland lebt, diverse Sprachkurse absolviert hat und eine Berufsschule mit einer Durchschnittsnote 2,33 bestanden hat. Dies gilt erst recht, wenn er den Vertrag zuvor erhalten und sich inhaltlich zu ihm geäußert hat. (Rn. 28) (redaktioneller Leitsatz)
2. Es ist nicht per se sittenwidrig, Zugeständnisse im Rahmen des Umgangs zu machen, weil dafür finanzielle Gegenleistungen erfolgen, bzw. finanzielle Zugeständnisse zu machen, um den Kontakt zu den Kindern nicht zu verlieren. (Rn. 35) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Ehevertrag, sittenwidrig, Deutschkenntnisse, Ausländer, Umgang, Geldforderung, Verknüpfung, Verbindung, Unterhaltsgewährung
Vorinstanz:
AG München, Beschluss vom 20.02.2023 – 518 F 2865/21
Rechtsmittelinstanz:
BGH Karlsruhe, Beschluss vom 31.01.2024 – XII ZB 385/23
Fundstelle:
BeckRS 2023, 43829

Tenor

1. Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Amtsgerichts München vom 20.02.2023 wird zurückgewiesen.
2. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
3. Der Verfahrenswert wird auf 80.000 € festgesetzt.
4. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe

I.
1
Die Antragstellerin macht die Unwirksamkeit des in dem vorliegenden Verfahren im Termin vom 14.12.2021 protokollierten Vergleichs geltend und begehrt die Fortsetzung des Verfahrens, dessen Gegenstand güterrechtliche Forderungen waren.
2
Die Beteiligten haben am 01.07.2002 die Ehe geschlossen und wurden am 13.06.2017 rechtskräftig geschieden. Die Beteiligten haben 2 gemeinsame minderjährige Kinder, S.B. G., geboren …2007, und M.B. G., geboren …2012.
3
Der Scheidungsantrag des hiesigen Antragsgegners wurde der Antragstellerin am 13.11.2015 zugestellt. Die Beteiligten waren im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft verheiratet. Der letzte gemeinsame Aufenthalt der Beteiligten war in München. Die Antragstellerin lebt mit den gemeinsamen Kindern in Lima/Peru, der Antragsgegner in München. Inwieweit der Umzug nach Peru mit Einverständnis des Antragsgegners erfolgte, ist zwischen den Beteiligten umstritten. Mit ihrem Antrag vom 22.03.2021 machte die Antragstellerin im Rahmen des Zugewinnausgleichs eine Teilforderung in Höhe von 80.000 € geltend; sie hatte zuvor unstreitig einen Vorausempfang auf den Zugewinn in Höhe von 30.000 € erhalten. Mit Schriftsatz der vormaligen Antragstellervertreterin vom 03.09.2020 wurde der Antragsgegner aufgefordert, Auskunft über sein Anfangsvermögen, Trennungsvermögen und Endvermögen zu erteilen. In der Folgezeit erteilten die Beteiligten sich wechselseitig Auskunft, wobei jedoch umstritten ist, inwieweit die Auskunft jeweils vollständig und belegt ist. Der Antragsgegner trägt vor, die Antragstellerin habe keinen Anspruch auf Zugewinnausgleich, da dieser verwirkt sei aufgrund der unabgesprochenen Abmeldung der Kinder von der deutschen Schule in Peru, die der Antragsgegner bereits bezahlt hatte, und der Umgangsverweigerung in Deutschland. Im Termin vom 14.12.2021 schlossen die Beteiligten einen Vergleich mit folgendem Wortlaut.
Vereinbarung:
1. Der Antragsgegner verpflichtet sich, zur Abgeltung sämtlicher Zugewinnausgleichsansprüche unter Berücksichtigung eines schon geleisteten Teilbetrages in Höhe von 30.000 € an die Antragstellerin einen Gesamtbetrag von weiteren 60.000 € zu zahlen.
2. Dem Antragsgegner wird nachgelassen, diesen weiteren Gesamtbetrag in Höhe von 60.000 € in 3 jährlichen Raten zu 20.000 € an die Antragstellerin wegzufertigen.
Die jährliche Rate ist jeweils erst dann fällig, wenn die gemeinsamen Kinder der Beteiligten S. G., geboren …2007, und M. G., geboren …2012, drei Wochen Umgang mit dem Vater in Deutschland gehabt haben. Die Beteiligten sind sich darüber einig, dass die 3-wöchige Umgangszeit bedeutet, dass Flugzeiten nicht zu den Umgangszeiten gehören.
Dem Antragsgegner ist nachgelassen, die Kinder auch in den peruanischen Winterferien, d. h. im europäischen Sommer, in Peru zu besuchen. Der Antragsgegner wird in den peruanischen Winterferien zumindest 10 Tage ungestört Umgang mit den Kindern haben.
3. Die jeweilige Rate in Höhe von 20.000 € ist spätestens 2 Wochen nach Beendigung des 3-wöchigen Nettoumgangs des Vaters mit den gemeinsamen vorbezeichneten Kindern in Deutschland zur Zahlung an die Antragstellerin fällig.
4. Die Beteiligten sind sich darüber einig, dass mit der Zahlungsverpflichtung über 60.000 € sämtliche güterrechtlichen Ansprüche abgegolten sind. Vorsorglich verzichten die Beteiligten wechselseitig auf allfällige darüber hinausgehende güterrechtliche Ausgleichsansprüche und nehmen diesen Verzicht jeweils gegenseitig an.
5. Die Kosten des Verfahrens werden gegeneinander aufgehoben.
- Vorgespielt und genehmigt –
4
Die familiengerichtliche Billigung des Vergleichs vom 15.12.2021 wurde mit Beschluss des Oberlandesgerichts München vom 04.04.2022 (26 UF 217/22) aufgehoben.
5
Der Antragsgegner hat in Lima/Peru Anfang 2022 ein Umgangsverfahren angestrengt, mit dem Ziel, dass Umgang der Kinder in Deutschland ermöglicht wird. Die Kinder haben zwischenzeitlich vor dem Gericht in Peru ausgesagt, dass sie den Vater und Antragsgegner in Deutschland besuchen wollen.
6
Mit Schriftsatz vom 20.05.2022 beantragte die Antragstellerin die Fortführung des vorliegenden güterrechtlichen Verfahrens und die Feststellung, dass die gerichtliche Vereinbarung nicht zur Beendigung des Verfahrens geführt habe. Der zu Protokoll des Amtsgerichts geschlossene Vergleich vom 14.12.2021 sei unwirksam und nichtig.
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Mit Beschluss vom 20.02.2023 wies das Amtsgericht die Anträge der Antragstellerin zurück und stellte fest, dass das Verfahren durch den Vergleich vom 14.12.2021 beendet sei. Der Vergleich sei sowohl materiellrechtlich wirksam und in der verfahrensrechtlich vorgeschriebenen Form abgeschlossen worden. Er sei weder sittenwidrig, noch unter Verstoß gegen ein faires Verfahren zustande gekommen. Auch habe die Antragstellerin durchaus die Möglichkeit, die Fälligkeit der Zugewinnausgleichsforderung herbeizuführen, indem sie den Antragsgegner in Annahmeverzug setze. Es lägen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass der Umgang in Deutschland dem Kindeswohl zuwider laufe. Sollte sich eine Kindeswohlgefährdung für den Fall eines Umgangs der Kinder in Deutschland ergeben, wäre hinsichtlich der Fälligkeit der Vereinbarung gegebenenfalls über den Wegfall der Geschäftsgrundlage zu befinden.
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Gegen den Beschluss, ihr zugestellt am 20.02.2023, legte die Antragstellerin mit Schriftsatz vom 20.03.2023, bei Gericht eingegangen am selben Tag, Beschwerde ein mit dem Antrag, den Beschluss des Amtsgerichts vom 20.02.2023 aufzuheben und im Wege des Zwischenbeschlusses festzustellen, dass die gerichtliche Vereinbarung unwirksam und nichtig ist und nicht zu einer Beendigung des Verfahrens geführt habe. Weiter beantragt sie, das Verfahren an das Amtsgericht München zur Fortführung zurückzuverweisen.
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Sie führt aus, die Vereinbarung sei unwirksam, da die Antragstellerin der deutschen Sprache nur eingeschränkt mächtig sei und im Termin vom 14.12.2021 kein Dolmetscher zugegen war. Auch sei die frühere Verfahrensbevollmächtigte in einer Umgangsangelegenheit nicht bevollmächtigt gewesen. Die Antragstellerin habe den Inhalt der Vereinbarung nicht verstanden.
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Die Vereinbarung sei auch unwirksam, da sie keine vollstreckbare und damit durchsetzbare Fälligkeitsregelung bezüglich der Zugewinnausgleichszahlung beinhalte. Auch seien die Namen der Kinder nicht richtig wiedergegeben. Nachdem die Umgangsregelung nicht vollstreckbar sei, wie durch Beschluss des Oberlandesgerichts München im Verfahren 26 UF 217/22 festgestellt, könne auch die Fälligkeit der Zugewinnausgleichszahlung nicht eintreten.
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Weiter liege ein auffälliges Missverhältnis vor, da die Vereinbarung lediglich für den Antragsgegner vorteilhaft sei. Der Antragsgegner könne durch Reduzierung des Umgangs um einen Tag die Fälligkeit der Zugewinnausgleichsrate verhindern. Wenn der Vater den Umgang nicht wahrnehme, sei die Zugewinnausgleichszahlung nicht fällig.
12
Die Verknüpfung einer Zugewinnausgleichsforderung mit einer Umgangsregelung verstoße gegen die guten Sitten. Auch seien die peruanischen Gerichte für den Umgang zuständig, da die Kinder den gewöhnlichen Aufenthalt in Peru haben. Das Kindeswohl sei nicht geprüft worden, es sei weder eine Kindesanhörung erfolgt, noch habe ein Verfahrensbeistand die Interessen der Kinder vertreten, genauso wenig sei das Jugendamt involviert worden.
13
Die Kinder hätten nur eingeschränkte Deutschkenntnisse und M. sei noch nie in Deutschland gewesen. Ein 3-wöchiger Umgang der Kinder in Deutschland führe daher zu einer Kindeswohlgefährdung.
14
Die Vereinbarung stelle eine unzulässige Rechtsausübung dar.
15
Auch sei die Vereinbarung mit außergerichtlichem Schreiben vom 25.01.2022 wirksam angefochten worden.
16
Die Sittenwidrigkeit der Vereinbarung ergebe sich auch aus einer Kommerzialisierung des elterlichen Umgangsrechts. Die Mutter sei unabhängig vom Kindeswohl gezwungen, die Kinder zum Umgang mit dem Vater nach Deutschland zu schicken, um ihre Zugewinnrate zu erhalten. Die Vereinbarung sei damit auch von der Handlung Dritter, nämlich der Kinder, abhängig, über die die Mutter keine Dispositionsmöglichkeiten hätte. Der BGH habe in der Entscheidung vom 23.05.1984 (BGH NJW 1984, 1951) ausgeführt, dass eine Vereinbarung, die aus rein finanziellen Gründen ohne Rücksicht auf das Wohl des Kindes geschlossen wurde, als sittenwidrig und damit nichtig anzusehen sei.
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Ein Verweis der Antragstellerin auf eine Abänderungsmöglichkeit sei aufgrund des Verfahrenskostenrisikos eine unzulässige Vertragsstrafe.
18
Der vereinbarte Umgang entspreche nicht dem Kindeswohl, da die Gefahr bestehe, dass der Vater die Kinder in Deutschland zurückbehalte. Er habe in Peru über Jahre hinweg die sogenannte Tenencia nicht abgegeben, nämlich die Erklärung, dass der Lebensmittelpunkt der Kinder bei der Mutter sei.
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Die Rechtsbeschwerde sei zuzulassen, da eine sittenwidrige Kommerzialisierung elterlichen Umgangsrechts und eine unzulässige Koppelung zwischen Umgangsrecht und Güterrecht vorliege.
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Soweit eine Abänderung der Vereinbarung und damit ein neuerliches gerichtliches Verfahren erforderlich wäre, wäre dies vor dem bestehenden Verfahrenskostenrisiko nicht im Sinne beider Beteiligter.
21
Der Antragsgegner beantragt, die Beschwerde abzuweisen. Die Beschwerdeführerin spreche nahezu fehlerfrei Deutsch und habe auch in den Verhandlungen stets bestätigt, alles verstanden zu haben. Die Verhandlung vom 14.12.2021 sei unterbrochen worden und die Antragsgegnerin habe längere Zeit mit ihrer damaligen Anwältin über die Vereinbarung gesprochen. Der Umgang in Deutschland entspreche dem Wohl der Kinder. Die Kinder sprächen beide Deutsch mit dem Vater. Sofia wolle sogar alleine den Vater in Deutschland besuchen, was die Mutter verweigere. Seit Jahren verweigere die Antragstellerin den Besuch der Kinder in Deutschland ohne ersichtlichen Grund.
II.
22
Die zulässige Beschwerde ist nicht begründet.
23
Zu Recht hat das Amtsgericht die Anträge der Antragstellerin auf Feststellung der Unwirksamkeit der Vereinbarung vom 14.12.2021 und Fortführung des Verfahrens zurückgewiesen sowie festgestellt, dass das Verfahren durch die Vereinbarung beendet ist.
24
Die am 14.12.2021 in dem vorliegenden Verfahren zwischen den Beteiligten geschlossene gerichtlich protokollierte Vereinbarung ist wirksam und führt zur Beendigung des Verfahrens.
25
Auf die zutreffenden Ausführungen des angefochtenen Beschlusses wird Bezug genommen.
26
Ergänzend wird ausgeführt:
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1. Soweit die Beschwerde vorbringt, die Antragstellerin habe mangels ausreichender Deutschkenntnisse den Inhalt der Vereinbarung nicht verstanden, kann dem nicht gefolgt werden.
28
Die Antragstellerin lebte 12 Jahre lang in Deutschland, zunächst in einer deutschen Familie als Au-Pair mit Absolvierung von Deutschkursen und erfolgreichem Abschluss eines Intensivkurses am 30.08.2002. Sie hat die städtische Berufsschule für Großhandels- und Automobilkaufleute der Landeshauptstadt München besucht und die Abschlussprüfung mit der Durchschnittsnote 2,33 bestanden. Bereits deshalb ist nicht nachvollziehbar, dass die Antragstellerin den Inhalt des Vergleichs nicht verstanden haben soll. Es handelt sich um einen einfach gelagerten Sachverhalt, für den keinerlei juristisches Verständnis erforderlich ist, nämlich die Verknüpfung einer Zahlung mit der Gewährung von Umgang mit den Kindern.
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Hinzu kommt, dass der Antragstellerin bereits mit Schriftsatz vom 14.12.2020 (Anlage AST 6) die letztlich vereinbarte Regelung vorgeschlagen wurde, worauf die Antragstellerin erwiderte, sie wolle den Umgang nicht mit finanziellen Dingen vermischen. Das Ansinnen des Antragsgegners, die Zahlung eines Zugewinnausgleichsanspruchs von der Gewährung von Umgang in Deutschland abhängig zu machen, war der Antragstellerin also bereits lange vor dem Abschluss der Vereinbarung in der Sitzung vom 14.12.2021 bekannt.
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2. Die Vereinbarung ist auch nicht unwirksam mangels Vollstreckbarkeit.
31
Dass die Umgangsvereinbarung nicht vollstreckt werden kann, führt nicht zu einer materiell-rechtlichen Unwirksamkeit der Vereinbarung (Zöller ZPO 34. Aufl. § 784 Rn. 15). Die Aufhebung der Vollstreckungsklausel führt nicht zur Unwirksamkeit der Vereinbarung, denn diese kann auch ohne zwangsweise Vollstreckung des Umgangs durchgeführt werden. Die Beteiligten wollten die Fälligkeit der Zugewinn-Ausgleichszahlung von der Durchführung des Umgangs abhängig machen, was eine Vollstreckbarkeit des Umgangs nicht voraussetzt.
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Eltern können den Umgang jederzeit auch ohne Gericht regeln. Eine solche Regelung ist lediglich nicht vollstreckbar und ohne Einverständnis des anderen nicht durchsetzbar.
33
Dass kein konkreter Zeitpunkt für den Umgang genannt ist, ist genauso unerheblich wie die unvollständige Nennung des Namens der Kinder. Sobald der Umgang mit den gemeinsamen Kindern von der Antragstellerin angeboten wird, gerät der Antragsgegner in Annahmeverzug Damit steht auch die Fälligkeit der Zugewinnausgleichszahlung fest.
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3. Entgegen dem Vorbringen der Beschwerde ist die Vereinbarung auch nicht sittenwidrig.
35
Zugeständnisse im Rahmen des Umgangs zu machen, weil dafür finanzielle Gegenleistungen erfolgen, bzw. finanzielle Zugeständnisse zu machen, um den Kontakt zu den Kindern nicht zu verlieren, ist nicht per se sittenwidrig.
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a) Die Bedingung für die Zahlung ist kein ungesetzliches Verhalten, sondern beinhaltet ein Handeln der Antragstellerin, zu dem sie ohnehin verpflichtet ist, nämlich dem Vater Umgang mit den Kindern zu gewähren. Die konkrete Ausgestaltung des Umgangs obliegt, soweit die Eltern sich darüber einig sind, auch ausschließlich den Eltern, ohne dass diese dabei eine Kindeswohlprüfung durchführen müssten. An Sittenwidrigkeit könnte man nur denken, wenn eine Vereinbarung getroffen wird, die offensichtlich dem Kindeswohl zuwider läuft. Das ist hier nicht der Fall. Es ist nichts ersichtlich, wieso zum Zeitpunkt des Vergleichsabschlusses (auf den für die Frage der Sittenwidrigkeit abzustellen ist) ein 3-wöchiger Umgang der Kinder mit dem Vater in Deutschland dem Kindeswohl nicht entsprechen sollte. Der Vater hatte zum Zeitpunkt des Abschlusses der Vereinbarung regelmäßigen Umgang mit den Kindern in Peru; zu diesem Zeitpunkt hatte die Antragstellerin auch keine konkreten Bedenken geäußert.
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Das jetzige Vorbringen, es könne nicht ausgeschlossen werden, dass ein 3-wöchiger Umgang des Vaters mit den Kindern in Deutschland zu einer Kindeswohlgefährdung führe, ist durch nichts gestützt. Dass die Kinder nur eingeschränkte Deutschkenntnisse haben und M. noch nie in Deutschland war, führt jedenfalls nicht zu einer Kindeswohlgefährdung durch einen Umgang in Deutschland. Die Wirksamkeit des ursprünglich geschlossenen Vertrages bliebe hiervon ohnehin unberührt. Auch aus der jahrelang nicht erfolgten Abgabe der sogenannten Tenencio kann nicht auf eine Kindeswohlgefährdung durch einen Umgang des Vaters mit den Kindern in Deutschland geschlossen werden.
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b) Die hier vorliegende Vereinbarung stellt auch keine unzulässige Kommerzialisierung des elterlichen Umgangsrechts dar. Die Beschwerdeführerin ist gerade nicht gezwungen, den Umgang unabhängig vom Kindeswohl zwangsweise umzusetzen. Wie bereits das Amtsgericht in seinem Beschluss ausführt, könnte für den Fall, dass Gründe eintreten, die den Umgang nach Abschluss der Vereinbarung als kindeswohlwidrig erscheinen lassen, die Fälligkeit der Zahlung aufgrund Wegfalls der Geschäftsgrundlage abgeändert werden.
39
c) Eine Vergleichbarkeit mit dem in der Entscheidung des BGH vom 23.05.1984 (BGH NJW 1984, 1951) zugrunde liegenden Fall ist nicht gegeben. Dort wurde auf das Umgangsrecht verzichtet gegen eine Freistellung von der Unterhaltspflicht. Die Bejahung der Sittenwidrigkeit beruhte darauf, dass ein Verzicht auf das elterliche Umgangsrecht aus finanziellen Erwägungen dem Kindeswohl widerspricht, weil Kinder ein berechtigtes Interesse am Umgang mit beiden Elternteilen haben und das Umgangsrecht als solches unverzichtbar ist. In der hier vorliegenden Vereinbarung wird dem Vater ein Umgangsrecht gewährt und dieses konkret ausgestaltet. Ein Verzicht auf Zugewinnausgleich wäre hingegen ohne weiteres möglich, liegt aber ohnehin nicht vor. Die vorliegende Verknüpfung von zwei Ansprüchen im Rahmen einer Vereinbarung begegnet keinen Bedenken, da jeder Anspruch für sich rechtlich zulässig ist und lediglich die Durchsetzbarkeit von bestehenden Ansprüchen erleichtert werden soll.
40
Im Unterschied zu dem Fall BGH NJW 1984, 1951 ist die Zugewinnausgleichszahlung hier nicht als Gegenleistung für einen ansonsten nicht zu gewährenden Umgang vereinbart worden, wie es bei dem Umgangsverzicht als Gegenleistung für Freistellung vom Unterhalt der Fall war. Die Unzulässigkeit der Verknüpfung beruht dort darauf, dass aus rein finanziellen Erwägungen auf ein ansonsten bestehendes und als solches unverzichtbares Recht (der Umgangsausübung) ohne Rücksicht auf das Kindeswohl verzichtet wurde. Wie der BGH ausführt, wäre auch eine solche Vereinbarung dann im Einzelfall nicht sittenwidrig, wenn der Umgangsberechtigte durch andere als finanzielle Gründe, bspw. schwerwiegende Umstände im Verhalten der Beklagten zum Umgangsverzicht veranlasst worden wäre. Hier liegt der Fall gerade so, dass keinerlei Gründe ersichtlich sind, aus denen das Umgangsrecht ohne Zugewinnausgleichszahlung so nicht zu gewähren wäre. Dass der Vater ein Interesse an der Verknüpfung des Zugewinnausgleichs mit dem Umgang hat, ist angesichts der schwierigen Durchsetzung seines Umgangsrechts in Peru nachvollziehbar und nicht zu missbilligen.
41
4. Die Fälligkeit der Zugewinnausgleichsforderung ist auch nicht von der Handlung Dritter abhängig, da die minderjährigen Kinder nicht selbst über den Umgang bestimmen, sondern die sorgeberechtigten Eltern.
42
5. Für die Frage der Wirksamkeit des Vergleichs ist im Übrigen unerheblich, ob deutsches oder peruanisches Recht anwendbar wäre. Der Vergleichsgegenstand unterliegt der Dispositionsbefugnis der Beteiligten bis zur Grenze der Sittenwidrigkeit / Kindeswohlgefährdung.
43
6. Aufgrund des (bis zur Grenze des Kindeswohls) bestehenden Elternrechts, den Umgang mit den eigenen Kindern einvernehmlich zu regeln, besteht auch keine Erforderlichkeit, im Vorfeld einer Einigung das Jugendamt und einen Verfahrensbeistand einzuschalten oder die Kinder anzuhören. Dies ist nur bei einer gerichtlichen Regelung erforderlich. Eine solche liegt gerade nicht vor.
44
7. Soweit die Beschwerde vorbringt, die Vereinbarung sei mit Schriftsatz vom 25.01.2022 wirksam angefochten worden, ist schon fraglich, ob in den dortigen Ausführungen eine Anfechtung des Vertrages gesehen werden kann. Wie dargelegt liegt jedenfalls kein Anfechtungsgrund vor.
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8. Die Vereinbarung enthält auch eine durchsetzbare Fälligkeitsregelung bezüglich der Zugewinnausgleichszahlung. Sobald die Antragstellerin dem Antragsgegner den Umgang anbietet, gerät dieser bei Nichtannahme in Annahmeverzug mit den entsprechenden Folgen (§ 298 BGB: Fälligkeit der Gegenleistung). Daher kann der Vater auch nicht durch eigenmächtige Verkürzung des Umgangs die Fälligkeit der Zugewinnausgleichszahlung abwenden.
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9. Es liegt auch kein auffälliges Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung vor. Soweit die Beschwerde vorbringt, die Regelung sei lediglich für den Vater vorteilhaft, trifft dies nicht zu.
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Der Vater hat einen gesetzlichen Anspruch auf Umgang mit den Kindern. Ausgehend davon, dass die Antragstellerin Anspruch auf Zugewinnausgleich hat, ist in der Vereinbarung kein Missverhältnis zu sehen, sondern lediglich der Versuch, die jeweils zustehenden Ansprüche möglichst problemlos durchzusetzen. Der Vater geht sogar davon aus, dass die Antragstellerin wegen Verwirkung aufgrund der Abmeldung der Kinder von der deutschen Schule und der Umgangsverweigerung in Deutschland keinen Anspruch auf Zugewinnausgleich hat. Dies unterstellt, hätte lediglich die Antragstellerin einen Vorteil aus der Vereinbarung.
48
Eine Unwirksamkeit der verfahrensbeendigenden Vereinbarung kann unter keinem denkbaren Gesichtspunkt hergeleitet werden.
III.
49
Der Senat hat von der erneuten Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgesehen, da hiervon keine zusätzlichen Erkenntnisse zu erwarten waren, §§ 117 Abs. 3, 68 Abs. 3 S.2 FamFG.
50
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 113 Abs. 2 FamFG, 97 Abs. 1 ZPO. Die Festsetzung des Verfahrenswerts beruht auf §§ 40, 42 FamGKG. Auszugehen ist vom Interesse der Beschwerdeführerin an der Aufhebung des Beschlusses und der Fortführung des Verfahrens, in dem sie einen Antrag auf eine Zugewinnausgleichszahlung in Höhe von 80.000 € gestellt hat (vgl. Thomas/Putzo – Hüßtege § 3 ZPO Rz. 189, Rz. 65).
51
Die Rechtsbeschwerde war zuzulassen, § 70 Abs. 2 Ziffer 1 FamFG. Die zitierte Entscheidung des Bundesgerichtshofs aus dem Jahr 1984 (NJW 1984, 1951 – 1952) erging zum Umgangsverzicht. Die Frage, inwieweit die Verknüpfung einer Umgangsregelung mit einer Zugewinnausgleichsregelung zulässig ist, ist nicht abschließend geklärt und hat grundsätzliche Bedeutung.