Titel:
Befangenheit wegen Ablehnung einer Terminsverlegung
Normenketten:
FamFG § 155
ZPO § 42, § 227 Abs. 1
Leitsätze:
1. Die Verweigerung einer beantragten Terminsverlegung kann ausnahmsweise die Besorgnis der Befangenheit begründen, wenn Gründe vorliegen, die die Zurückweisung des Antrags für den betreffenden Beteiligten schlechthin unzumutbar machen und somit dessen Grundrecht auf rechtliches Gehör verletzt wird (so auch OLG Saarbrücken BeckRS 2018, 25951). (Rn. 37) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Verhinderung eines Rechtsanwalts durch anderweitige Termine in anderen Kindschaftssachen kann einen zwingenden Grund für eine Terminsverlegung (§ 155 Abs. 2 S. 4 FamFG) darstellen. Der betroffene Beteiligte hat auch in Verfahren, in denen kein Anwaltszwang besteht, einen Anspruch darauf, durch einen bereits eingearbeiteten Anwalt seines Vertrauens im Rahmen einer mündlichen Anhörung vertreten zu werden (so auch OLG Saarbrücken BeckRS 2018, 25951). (Rn. 39) (redaktioneller Leitsatz)
3. Das Beschleunigungsgebot des § 155 FamFG darf nicht allzu schematisch gehandhabt werden. (Rn. 38) (redaktioneller Leitsatz)
1. Die Verweigerung einer beantragten Terminsverlegung kann ausnahmsweise die Besorgnis der Befangenheit begründen, wenn Gründe vorliegen, die die Zurückweisung des Antrags für den betreffenden Beteiligten schlechthin unzumutbar machen und somit dessen Grundrecht auf rechtliches Gehör verletzt wird. (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Verhinderung eines Rechtsanwalts durch anderweitige Termine in anderen Kindschaftssachen kann einen zwingenden Grund für eine Terminsverlegung (§ 155 Abs. 2 FamFG) darstellen. Der betroffene Beteiligte hat auch in Verfahren, in denen kein Anwaltszwang besteht, einen Anspruch darauf, durch einen bereits eingearbeiteten Anwalt seines Vertrauens im Rahmen einer mündlichen Anhörung vertreten zu werden. (redaktioneller Leitsatz)
3. Das Beschleunigungsgebot des § 155 FamFG darf nicht allzu schematisch gehandhabt werden. (Leitsätze der Schriftleitung) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Befangenheit, Terminsverlegung, Antrag, Ablehnung, zwingender Grund, Kindschaftssache, Beschleunigungsgebot, Anwalt, Verhinderung, anderweitige Termine
Vorinstanz:
AG Memmingen, Beschluss vom 14.09.2023 – 003 F 504/23
Fundstellen:
FamRZ 2024, 378
BeckRS 2023, 43810
LSK 2023, 43810
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des Amtsgerichts – Familiengericht – Memmingen vom 14.09.2023 – 003 F 504/23 – abgeändert und die Befangenheitsablehnung der Antragsgegnerin gegen die Richterin am Amtsgericht … für begründet erklärt.
Gründe
1
Gegenstand des Verfahrens ist die Regelung des Umgangs mit dem Kind T… L…, geboren am … 2021, der im Haushalt der Mutter lebt.
2
Im Verfahren 003 F 65/22, Amtsgericht Memmingen, wurde durch Gerichtsbeschluss vom 05.09.2022 eine – zeitlich befristete – Umgangsregelung zur Anbahnung des Umgangs getroffen.
3
Nachdem der Vater eine Ausweitung des Umgangsrechts anstrebte, hat das Jugendamt eine Umgangsvereinbarung mit Datum 12.01.2023 ausgearbeitet, die einen regulären Umgang – allerdings ohne Übernachtung und ohne Ferienregelung – beinhaltet. Diese Vereinbarung wurde von der Antragsgegnerin und – nach den Ausführungen des Jugendamtes in der Stellungnahme vom 27.07.2023 – auch vom Antragsteller nicht unterschrieben, obwohl Umgang entsprechend dieser Vereinbarung mit dem Kind praktiziert wird.
4
Der Antragsteller beantragte mit Schriftsatz vom 07.07.2023 den Umgang in Abänderung des Endbeschlusses vom 05.09.2022 – Az.: 003 F 65/22 – des Amtsgerichts Memmingen dahingehend zu regeln, dass er – der Antragsteller – das Recht hat, das Kind L… T… jedes zweite Wochenende von Freitag, 10.00 Uhr, bis Sonntag, 18.00 Uhr, zu sich zu nehmen; ferner wurde beantragt, dass der Antragsteller das Recht hat, zusätzlich wöchentlich an zwei Tagen für jeweils 4 Stunden das Kind zu sich zu nehmen.
5
Das Familiengericht hat mit Verfügung vom 12.07.2023 nicht nur die Antragsschrift zugestellt, sondern Haupttermin auf Donnerstag, den 03.08.2023, 09.45 Uhr, bestimmt.
6
Mit Schriftsatz vom 14.07.2023 beantragte die damalige Verfahrensbevollmächtigte der Antragsgegnerin die Verlegung dieses Termins, da sie zur selben Zeit in einer anderen familiengerichtlichen Angelegenheit (6 F 475/23) beim Familiengericht Memmingen einen Termin wahrzunehmen habe.
7
Mit Schriftsatz vom 17.07.2023 beantragte die Verfahrensbevollmächtigte des Antragstellers ebenfalls die Verlegung des auf 03.08.2023 anberaumten Termins, da sie an diesem Tag einen bereits seit längerem bestimmten Termin in einer Kindschaftssache vor dem Amtsgericht Dillingen wahrnehmen müsse; eine Glaubhaftmachung ist zu diesem Verlegungsantrag nicht erfolgt.
8
Mit Schriftsatz vom 18.07.2023 teilte die damalige Verfahrensbevollmächtigte der Antragsgegnerin mit, dass sie die Antragsgegnerin nicht mehr vertrete und daher ihr Terminsverlegungsantrag gegenstandslos sei.
9
Mit Schriftsatz vom 19.07.2023 zeigte Rechtsanwältin S… H… an, dass sie die Antragsgegnerin nunmehr anwaltschaftlich vertrete.
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Mit Verfügung vom 20.07.2023 erfolgte eine Verlegung des Haupttermins von Donnerstag, 03.08.2023, auf Freitag, 04.08.2023.
11
Mit Schriftsatz vom 21.07.2023 beantragte die Verfahrensbevollmächtigte des Antragstellers, auch diesen Termin zu verlegen, da sie – die Verfahrensbevollmächtigte – auch an diesem Tag einen bereits seit längerem anberaumten Termin in einer Kindschaftssache um 09.00 Uhr vor dem Oberlandesgericht München – Senate Augsburg – wahrnehmen müsse, welcher zudem auch abgesprochen worden sei.
12
Mit Verfügung vom 21.07.2023 verlegte das Amtsgericht Memmingen daraufhin den Termin vom 04.08.2023 auf Dienstag, 08.08.2023.
13
Mit Schriftsatz vom 25.07.2023 beantragte die Antragsgegnervertreterin, den Termin am 08.08.2023 zu verlegen, da sie – die Verfahrensbevollmächtigte – sich vom 04.08.2023 bis einschließlich 18.08.2023 sowie vom 30.08.2023 bis 04.09.2023 sowie am 08.09.2023 im Jahresurlaub befinde.
14
Daraufhin verlegte das Amtsgericht mit Verfügung vom 26.07.2023 den Termin vom 08.08.2023 auf Dienstag, 22.08.2023, 13:45 Uhr.
15
Mit Schriftsatz vom 27.07.2023 beantragte die Antragsgegnerin Verfahrenskostenhilfe unter Beiordnung von Frau Rechtsanwältin H… Ferner nahm die Verfahrensbevollmächtigte der Antragsgegnerin zum Antrag des Antragstellers mit Schriftsatz vom 27.07.2023 Stellung und beantragte u.a. die Einholung eines familienpsychologischen Sachverständigengutachtens.
16
Ferner beantragte die Antragsgegnervertreterin mit Schriftsatz vom 27.07.2023, den Termin am 22.08.2023 zu verlegen, da sich die Antragsgegnerin vom 15.08.2023 bis einschließlich 30.08.2023 in Urlaub befinde.
17
Mit Verfügung vom 28.07.2023 wies die Familienrichterin darauf hin, dass für den Fall einer Glaubhaftmachung eines Auslandsurlaubs der Antragsgegnerin eine neue Terminierung nicht vor Oktober erfolgen könne. Die Antragstellervertreterin widersetzte sich einer Terminsverlegung.
18
Mit Schriftsatz vom 04.08.2023 machte die Antragsgegnerin die Anmietung eines Wohnmobils glaubhaft und teilte mit, dass sie sich vom 18.08.23 bis 25.08.23 auf einem italienischen Campingplatz befinde und anschließend sich bis 28.08. bei ihrer Familie in Italien aufhalte und erst wieder ab dem 30.08.2023 zurück sei.
19
Mit Schriftsatz vom 11.08.2023 beantragte die Kanzlei, die die Urlaubsvertretung von Frau Rechtsanwältin H… übernommen hatte, den Termin vom 22.08.2023 auf einen anderen Tag zu verlegen, da sich die Antragsgegnerin vom 18.08.2023 bis 25.08.2023 im Urlaub in L…, Italien, befinde.
20
Mit Verfügung vom 18.08.2023 verlegte das Familiengericht Memmingen den auf 22.08.2023 anberaumten Termin auf Dienstag, den 29.08.2023.
21
Die Antragstellervertreterin bat telefonisch um zeitliche Verschiebung des Termins auf einen späteren Zeitpunkt am Nachmittag des Terminstages 29.08.2023 wegen einer Kollision mit einem Termin beim Amtsgericht Kempten. Diesem Ersuchen kam die Familienrichterin nach und verlegte den Termin von 14:45 Uhr auf 15:30 Uhr.
22
Mit Schriftsatz vom 21.08.2023 beantragte die Antragsgegnervertreterin den Termin vom 29.08.2023, 15:30 Uhr zu verlegen, da sie – die Verfahrensbevollmächtigte der Antragsgegnerin – an diesem Tag bereits seit längerem anberaumte Gerichtstermine vor dem Amtsgericht Neu-Ulm um 13:00 Uhr sowie um 14:30 Uhr wahrzunehmen habe; diese Termine wurden glaubhaft gemacht. Bei dem Termin um 14:30 Uhr handelte es sich um eine Umgangssache. Ferner teilte die Verfahrensbevollmächtigte der Antragsgegnerin mit, dass sie sich vom 30.08.2023 bis 01.09.2023 in Urlaub befinde und die Antragsgegnerin erst am 31.08.2023 nach Hause komme.
23
Mit Verfügung vom 22.08.2023 wies das Amtsgericht darauf hin, dass eine weitere Verlegung angesichts der bereits ausschließlich wegen der Urlaubsabwesenheit der Antragsgegnerin erfolgten Terminsverlegung nicht mehr in Betracht komme.
24
Mit Schreiben vom 23.08.2023 wies die Verfahrensbevollmächtigte der Antragsgegnerin ausdrücklich darauf hin, dass dem neuerlichen Terminsverlegungsantrag stattzugeben sei, da sie eine Einzelkanzlei unterhalte und daher keinen Sozius mit einer Terminswahrnehmung betrauen könne. Der Antragsgegnerin könne die Terminswahrnehmung durch einen anderen Anwalt nicht zugemutet werden. Falls keine Verlegung erfolge, stelle dies eine Verletzung des rechtlichen Gehörs der Antragsgegnerin dar mit den daraus resultierenden rechtlichen Folgen.
25
Mit Schriftsatz vom 29.08.2023 erfolgte die Ablehnung der Richterin am Amtsgericht W… wegen Besorgnis der Befangenheit durch die Verfahrensbevollmächtigte der Antragsgegnerin. Wegen der Begründung wird auf diesen Schriftsatz Bezug genommen. Die Ablehnung erfolgte u.a. deshalb, da die Verfahrensbevollmächtigte der Antragsgegnerin auf telefonische Nachfrage von der Geschäftsstelle der zuständigen Richterin am 29.08.2023 erfahren hatte, dass der Termin nicht verlegt werde.
26
Die abgelehnte Richterin hat am 04.09.2023 eine dienstliche Stellungnahme abgegeben und unter anderem ausgeführt, dass sie am Terminstag bzw. im Anschluss daran ohnehin keinen Verfahrensabschluss geplant hatte, so dass im Nachgang hinreichend Besprechungsmöglichkeit und beidseitige anwaltliche Beratung möglich gewesen wäre; vorrangig sei für das Gericht insoweit das Interesse des Kindes an einer zeitnahen Besprechung der aktuellen Umgangssituation gewesen. Ergänzend wird auf die dienstliche Stellungnahme Bezug genommen.
27
Die Verfahrensbevollmächtigten hatten Gelegenheit, sich zu der dienstlichen Stellungnahme zu äußern. Die Antragsgegnervertreterin führte in ihrer Stellungnahme unter anderem aus, dass die Antragsgegnerin nicht gehalten gewesen sei, ihre Urlaubsabwesenheit mit dem Antragsteller abzusprechen, da keine gerichtliche Umgangsvereinbarung existiere. Ferner hat die Verfahrensbevollmächtigte erneut darauf hingewiesen, dass sie an diesem Tag beim Familiengericht Neu-Ulm um 13:00 Uhr sowie um 14:30 Uhr Gerichtstermine wahrzunehmen hatte, unter anderem in einer Umgangssache. Ergänzend wird auf die Stellungnahme verwiesen, in der die Verfahrensbevollmächtigte der Antragsgegnerin den Ablehnungsantrag ausdrücklich aufrechterhalten hat.
28
Mit Beschluss vom 14.09.2023 hat der stellvertretende Direktor des Amtsgerichts M… die Ablehnung der zuständigen Richterin W… durch die Antragsgegnerin vom 29.08.2023 als unbegründet erklärt. Wegen der Begründung wird auf diesen Beschluss verwiesen.
29
Gegen den der Verfahrensbevollmächtigten der Antragsgegnerin am 14.09.2023 zugestellten Beschluss hat diese mit Schreiben vom 27.09.2023, eingegangen am 28.09.2023, Beschwerde eingelegt und beantragt, die zur Entscheidung im vorliegenden Verfahren berufene Amtsrichterin W. wegen Besorgnis der Befangenheit abzulehnen und den Beschluss des Amtsgerichts Memmingen vom 14.09.2023 aufzuheben.
30
Die Besorgnis der Befangenheit im Sinn des § 42 ZPO liege vor; der Hinweis der zuständigen Richterin, dass der Terminsverlegung nicht nachzukommen sei, weil die weitere Verlegung angesichts der bereits ausschließlich wegen der Urlaubsabwesenheit der Antragsgegnerin erfolgten Terminsverlegung nicht mehr in Betracht komme, entspreche nicht den objektiven Tatsachen. Die Verfahrensbevollmächtigte macht zu den vielfältigen Verlegungsanträgen Ausführungen. Ferner trägt sie vor, dass die Wortwahl in der Verfügung vom 22.08.2023 auf die Voreingenommenheit der Richterin schließen lasse, da die Familienrichterin nicht berücksichtige, dass es eine Vielzahl von Terminsverlegungsanträgen gegeben habe. Hinzukomme, dass der Antragsgegnerin aufgrund der nicht erfolgten Terminsverlegung kein rechtliches Gehör gewährt worden sei. Sie – die Verfahrensbevollmächtigte – unterhalte eine Einzelkanzlei, so dass ein anderer Anwalt den Termin nicht habe wahrnehmen können; darüber hinaus sei die Terminswahrnehmung durch einen anderen Rechtsanwalt nicht zumutbar gewesen. Die Verletzung des rechtlichen Gehörs begründe die Besorgnis der Befangenheit. Außerdem liege ein Verstoß gegen das prozessuale Gleichbehandlungsgebot vor. So sei drei Terminsverlegungsanträgen der Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers, die nicht glaubhaft gemacht worden seien, stattgegeben worden. Die Ablehnung eines Antrags auf Terminsverlegung bei offensichtlichem Vorliegen erheblicher Gründe im Sinn des § 227 ZPO begründe die Befürchtung der Befangenheit. Es komme auch nicht darauf an, dass es sich nicht um einen Anwaltsprozess handele. Es sei Sache der Antragsgegnerin, darüber zu entscheiden, ob sie im Rahmen der mündlichen Verhandlung anwaltschaftlich vertreten sein wolle oder nicht. Eine Verhandlung ohne Rechtsbeistand führe zu einer einseitigen Benachteiligung der Antragsgegnerin und damit zu einem Verstoß gegen das prozessuale Gleichbehandlungsgebot. Ein Festhalten am Termin im Interesse des Kindeswohls sei ebenfalls nicht erforderlich gewesen. Eine telefonische Kontaktaufnahme durch sie – der Verfahrensbevollmächtigten – mit der erkennenden Richterin sei nicht möglich gewesen.
31
Mit Beschluss vom 12.10.2023 hat das Amtsgericht Memmingen der sofortigen Beschwerde der Antragsgegnerin vom 27.09.2023 gegen den Beschluss vom 14.09.2023 nicht abgeholfen und die Akten dem Oberlandesgericht München – Familiensenate in Augsburg – zur Entscheidung über die Beschwerde vorgelegt.
32
Die Verfahrensbevollmächtigte des Antragstellers hat ebenfalls eine Stellungnahme zur Beschwerde abgegeben; auf diese wird Bezug genommen.
33
Die nach § 6 Abs. 2 FamFG i.V.m. §§ 567 ff. ZPO zulässige sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin hat in der Sache Erfolg und führt zur Begründeterklärung ihres Ablehnungsgesuchs.
34
1. Das Ablehnungsgesuch ist gemäß § 6 Abs. 1 Satz 1 FamFG i.V.m. §§ 43 f. ZPO zulässig.
35
2. Es liegen Gründe im Sinn von § 6 Abs. 1 Satz 1 FamFG i.V.m. § 42 Abs. 2 ZPO vor, die geeignet sind, das Misstrauen der Antragsgegnerin gegen die Unparteilichkeit der abgelehnten Richterin zu rechtfertigen.
36
a) Ein Richter kann in Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG) ebenso wie im Zivilprozess abgelehnt werden, wenn ein objektiver Grund vorliegt, der den ablehnenden Beteiligten bei vernünftiger Betrachtung befürchten lassen muss, der Richter stehe der Sache nicht unvoreingenommen gegenüber und werde deshalb nicht unparteiisch entscheiden. Maßgebend ist nicht, ob der abgelehnte Richter wirklich befangen ist oder sich für befangen hält, sondern allein, ob vom Standpunkt des Ablehnenden aus betrachtet, genügende objektive Gründe vorliegen, die bei vernünftiger Betrachtung die Befürchtung wecken können, der betreffende Richter stehe der Sache nicht unvoreingenommen und damit unparteiisch gegenüber.
37
b) Die Verweigerung einer beantragten Terminsverlegung begründet regelmäßig nicht die Besorgnis der Befangenheit, weil eine Terminsverlegung gemäß § 32 Abs. 1 Satz 2 FamFG i.V.m. § 227 Abs. 1 ZPO nur beim Vorliegen erheblicher Gründe in Betracht kommt. Etwas anderes gilt, wenn Gründe vorliegen, die die Zurückweisung des Antrags für den betreffenden Beteiligten schlechthin unzumutbar machen und somit dessen Grundrecht auf rechtliches Gehör verletzt wird (vgl. Saarländisches Oberlandesgericht Saarbrücken, Beschluss vom 12.10.2018, 6 WF 130/19, FamRZ 2019, 375 f. Rn. 4).
38
c) Der Senat verkennt hierbei nicht, dass in Kindschaftssachen in § 155 Abs. 1 FamFG das Beschleunigungsgebot normiert ist und diese Verfahren besonderer Beschleunigung unterliegen. Demgemäß ist eine Verlegung eines vom Familiengericht bestimmten Erörterungstermins nur aus zwingenden Gründen zulässig (vgl. § 155 Abs. 2 Satz 4 und 5 FamFG, Saarländisches Oberlandesgericht a.a.O., Rn. 5). Zu berücksichtigen ist jedoch, dass das Beschleunigungsgebot des § 155 FamFG nicht allzu schematisch gehandhabt werden darf und im Einzelfall auch in einem Hauptsacheverfahren einmal ein Warten mit dem Verfahrensabschluss sinnvoll sein kann bzw. eine Terminsverlegung sachgerecht (vgl. Zöller/Lorenz, ZPO, 34. Aufl., § 155 FamFG Rn. 3).
39
d) Nachdem die Verfahrensbevollmächtigte der Antragsgegnerin nachgewiesen hat, dass sie an dem Terminstag durch anderweitige Termine beim Familiengericht Neu-Ulm, unter anderem durch die Wahrnehmung eines Termins in einem Umgangsverfahren, verhindert ist, hätte ihrem Terminsverlegungsantrag stattgegeben werden müssen. Die Antragsgegnerin hat Anspruch darauf, durch einen bereits eingearbeiteten Anwalt ihres Vertrauens im Rahmen einer mündlichen Anhörung vertreten zu werden (vgl. OLG Frankfurt, FamRZ 2008, 1868; OLG Dresden NJW 2017, 29 und Saarländisches Oberlandesgericht, FamRZ 2019, 375). Bei Würdigung der vorliegenden Gegebenheiten ist das Beschwerdegericht der Auffassung, dass die Antragsgegnerin zu Recht geltend macht, dass die abgelehnte Richterin als befangen angesehen werden muss. Zum Zeitpunkt des Verlegungsantrags haben offensichtlich erhebliche Gründe für eine Terminsverlegung vorgelegen, so dass die Zurückweisung des Verlegungsantrags für die Antragsgegnerin schlechthin unzumutbar gewesen ist und ihr Grundrecht auf rechtliches Gehör verletzt hat (vgl. auch Zöller/Vollkommer, ZPO, a.a.O., § 42 Rn. 23). Insbesondere waren erhebliche Gründe für eine Terminsverlegung auch unter Berücksichtigung des Beschleunigungsgebots gemäß § 155 FamFG vorhanden (vgl. Zöller, a.a.O., § 227 Rn. 6; BGH NJW 2006, 2492, 2494). Hierbei verkennt das Beschwerdegericht nicht, dass in einem Verfahren zur Regelung des Umgangs kein Anwaltszwang besteht. Aufgrund der zwischen den Eltern bestehenden Konflikte und der Tatsache, dass die Elternteile bezüglich der Ausweitung des Umgangs unterschiedliche Positionen einnehmen, wird jedoch deutlich, dass es erforderlich ist, dass auch die Antragsgegnerin – nicht nur der Antragsteller – im Rahmen einer mündlichen Anhörung anwaltschaftlich vertreten ist. Hierbei kommt es nicht darauf an, dass nach der Stellungnahme der Richterin am Amtsgericht W. mit einem Abschluss des Verfahrens in diesem Termin oder im unmittelbaren Anschluss an den nicht verlegten Termin nicht zu rechnen gewesen sei. Die Tatsache, dass die Antragsgegnerin den Anhörungstermin ohne ihre Anwältin hätte wahrnehmen sollen, verstößt gegen das prozessuale Gleichbehandlungsgebot und stellt eine Gehörsverletzung dar.
40
e) Soweit die abgelehnte Richterin in ihrer dienstlichen Stellungnahme argumentiert, eine weitere Terminsverlegung habe nicht mehr stattfinden können, da dies mit dem Kindeswohl nicht vereinbar gewesen sei, ist hierzu auszuführen, dass nach Aktenlage Umgänge stattfinden, wenngleich auch nicht in dem vom Antragsteller gewünschten Umfang und auch das Jugendamt in der bereits im Hauptsacheverfahren abgegebenen Stellungnahme nur eine schrittweise Ausdehnung des Umgangs bis hin zu einer Übernachtungsmöglichkeit befürwortet. Im Interesse des Kindeswohls war es auch geboten, einen Verfahrensbeistand zu bestellen, der die Interessen des Kindes vollumfänglich wahrzunehmen und in das Verfahren einzubringen hat. Eine Verhandlung ohne Beisein der Verfahrensbevollmächtigten der Antragsgegnerin hätte überdies schon aufgrund der Abwesenheit der Verfahrensbevollmächtigten mit großer Wahrscheinlichkeit nicht zu einer gütlichen Beendigung des Verfahrens und einer Ausweitung des Umgangs geführt. Auch wenn auf Seiten der Antragsgegnerin nach Aktenlage Anhaltspunkte dafür bestehen könnten, dass sie gegebenenfalls einer Ausweitung des Umgangsrechts mit Skepsis begegnet, rechtfertigt dies nicht die unterlassene Terminsverlegung. Insoweit wird ohnehin durch Einschaltung eines Verfahrensbeistandes – dieser ist so früh wie möglich zu bestellen (vgl. Prütting/Helms/Hammer, FamFG, 4. Auflage, FamFG § 158 Rnr. 25) weiter aufzuklären sein, welche Regelung des Umgangsrechts mit dem Kindeswohl am besten vereinbar ist; der Verfahrensbeistand wäre dann auch zu einem Termin zu laden (vgl. Prütting/Helms/Hammer, a.a.O. § 155 Rnr. 40). Das Beschwerdegericht sieht sich auch zu dem Hinweis veranlasst, dass, nachdem keine gerichtliche Umgangsregelung existiert und die Eltern Schwierigkeiten haben, im Interesse des Kindeswohls Absprachen zu treffen, aus der Tatsache, dass die Mutter mit dem Kind in Italien im Monat August im Urlaub war, nicht der Schluss gezogen werden kann, die Mutter wolle das Umgangsrecht des Antragstellers beeinträchtigen. Da derzeit keine gerichtliche Umgangsregelung, insbesondere auch keine Ferienregelung besteht, ist es der Mutter nicht verwehrt, mit dem Kind in einem vernünftigen zeitlichen Umfang in Urlaub zu fahren; dies führt zwangsläufig zu einer Einschränkung des Umgangsrechts des anderen Elternteils. Diese Einschränkung besteht auch für denjenigen Elternteil, in dessen Haushalt das Kind lebt, wenn der umgangsberechtigte Elternteil – bei Bestehen einer Ferienregelung – Urlaub mit dem Kind macht.
41
f) Nachdem auch die abgelehnte Richterin nicht von einer Erledigung des Verfahrens im Anhörungstermin ausgegangen ist, stand schon aus diesem Grund eine nochmalige Verlegung des Termins dem Beschleunigungsgebot gemäß § 155 FamFG nicht entgegen, zumal es aufgrund des hohen Konfliktpotenzials zwischen den Eltern ohnehin angezeigt gewesen wäre, einen Verfahrensbeistand für das Kind zu bestellen und diesen zur Anhörung zu laden (vgl. Vorstehend).
42
3. Nach alledem ist das Ablehnungsgesuch der Antragsgegnerin für begründet zu erklären. Es kam hierbei nicht mehr darauf an, dass trotz durch am 29.08.2023 erfolgter Richterablehnung die abgelehnte Richterin – ohne die Rechtsmittelfrist abzuwarten – den Anhörungstermin am 15.09.2023 auf den 07.11.2023 verlegt hat. Die Wartepflicht gemäß § 47 ZPO endet jedoch erst mit der rechtskräftigen Erledigung des Ablehnungsgesuchs (BGH NJW – RR 2011, 427; Zöller/Vollkommer, a.a.O. § 47 ZPO Rnr. 3).
43
Eine Kostenentscheidung war nicht veranlasst (vgl. Zöller/Vollkommer, ZPO, a.a.O. § 46 ZPO Rnr. 22).
44
Die Rechtsbeschwerde war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen hierfür nicht vorliegen.