Inhalt

FG München, Urteil v. 20.11.2023 – 7 K 165/15
Titel:

Geltendmachung von abzugsfähigen Betriebsausgaben

Normenketten:
EStG § 4e Abs. 3 S. 3, § 6a
EStDV § 60 Abs. 2 S. 1
FGO § 52d, § 96, § 115 Abs. 2, § 135 Abs. 1
HGB § 242 Abs. 1 S. 1, § 249 Abs. 1 S. 1, § 266 Abs. 3 B Nr. 1
GG Art. 3 Abs. 1, Art. 19 Abs. 4, Art. 20 Abs. 3
AO § 164 Abs. 2, § 176 Abs. 2, § 177 Abs. 2
Leitsatz:
Finanzgerichtliche „Verböserungsverbot“ besagt, dass das FG bezogen auf die angegriffene Steuerfestsetzung nicht zum Nachteil des Steuerpflichtigen abgewichen werden darf, mithin keine höhere Steuerfestsetzung als die durch das Finanzamt vorgenommen werden darf (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 18.02.2016 V R 53/14, BStBl II 2019, 333, BeckRS 2016, 94504; BFH-Beschluss vom 10.03.2016, X B 198/15, BFH/NV 2016, 1042, BeckRS 2016, 94748).   (Rn. 55) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Betriebsausgabenabzug, Betriebsausgaben, Bescheid, Berufsunfähigkeitsrente, Aufhebung, Altersrente, Invalidenrente, Gesellschaft, Fonds, Pensionsrückstellung, Pensionszusage, Rückstellungsauflösung, Ruhegehalt, Versorgungsanwartschaft, Revision, Übertragungsstichtag, Verwaltungsanweisung
Fundstelle:
BeckRS 2023, 43689

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Entscheidungsgründe

I.
1
Die Klägerin ist eine mit Gesellschaftsvertrag vom …1984 gegründete Gesellschaft mit beschränkter Haftung. Gegenstand des Unternehmens ist der Einkauf von …, Herstellung von Erzeugnissen dieser Branche und Verkauf im Groß- und Einzelhandel.
2
Die Klägerin erteilte ihrem Gesellschafter-Geschäftsführer W. (nachfolgend: W.) am …1997 eine Pensionszusage. Danach bestand bei Ausscheiden aus den Diensten der Gesellschaft mit Vollendung des 65. Lebensjahres ein Anspruch auf ein Ruhegehalt in Höhe von … DM (… €) pro Jahr. Im Falle der Berufsunfähigkeit bestand ein Anspruch auf eine Berufsunfähigkeitsrente in Höhe von … DM (… €) jährlich bis zum Erreichen der Altersgrenze (65. Lebensjahr); anschließend war die vorgesehene Altersrente zu gewähren (abgekürzte Invalidenrente).
3
Zum 01.12.2008 übertrug die Klägerin die Verpflichtung, eine Altersrente zu zahlen, in Höhe des von W. bereits erdienten Rentenanspruchs (sog. Past-Service) mit einer Jahresrente von jährlich … € auf einen Pensionsfonds. Die zukünftig noch zu erdienenden Ansprüche (sog. Future-Service) übernahm eine Unterstützungskasse (Jahresrente in Höhe von … €).
4
W. stimmte der Übertragung der Ansprüche mit Erklärung vom 01.12.2008 zu. Die Klägerin leistete an den Pensionsfonds im Streitjahr 2008 einen Betrag in Höhe von … €. Zuwendungen an die Unterstützungskasse erfolgten im Streitjahr nicht. Die Verpflichtung, möglicherweise eine Berufsunfähigkeitsrente bis zum Erreichen des Renteneintrittsalters zahlen zu müssen, verblieb bei der Klägerin.
5
Für ihre Pensionsverpflichtung bildete die Klägerin zum Bilanzstichtag 31.12.2007 eine Pensionsrückstellung in Höhe von … €. Zum 31.12.2008 betrug der Teilwert der Versorgungsverpflichtungen der Klägerin einem versicherungsmathematischen Gutachten der Nürnberger Versicherung zufolge … €. Die Klägerin erhöhte die Rückstellung im Streitjahr 2008 daher auf … € und löste diese zum 31.12.2008 bis auf einen Restbetrag in Höhe von … € auf. In der Körperschaftsteuererklärung 2008 gab die Klägerin einen Korrekturbetrag nach § 60 Abs. 2 Satz 1 Einkommensteuerdurchführungsverordnung (EStDV) in Höhe von … € an. In einer Anlage zur Körperschaftsteuererklärung 2008 berechnete die Klägerin den Korrekturbetrag nach § 60 Abs. 2 Satz 1 EStDV wie folgt:

Beiträge an den Pensionsfonds

… €

Auflösungsbetrag Pensionsrückstellung

-

… €

Zu verteilender Betrag nach § 4e Abs. 3 Satz 3 EStG

=

… €

6
In den Jahren 2010 und 2011 fand eine Außenprüfung bei der Klägerin für den Prüfungszeitraum 2006 bis 2008 statt, an der eine Fachprüferin für versicherungsmathematische Fragen des .. Landesamtes für Steuern (LfSt) teilnahm.
7
Mit Schreiben vom 21.06.2011 teilte die Fachprüferin W. mit, hinsichtlich der zugesagten Berufsunfähigkeitsrente sei die Rentenhöhe an die Entwicklung in der gesetzlichen Angestelltenversicherung anzupassen. Zum 31.12.2008 betrage die Pensionsrückstellung daher … € (anstatt bisher … €). Zum 31.12.2007 habe die Pensionsrückstellung … € betragen. Sie sei somit zum 31.12.2008 in Höhe von … € (… € – … €) aufzulösen. Der Korrekturbetrag nach § 60 Abs. 2 Satz 1 EStDV ermittle sich daher wie folgt:

Beiträge an den Pensionsfonds

… €

Auflösung der gebildeten Rückstellung

-

… €

Differenzbetrag nach § 4e Abs. 3 Satz 3 EStG

=

… €

8
Im Bericht der Außenprüfung vom 23.01.2012 vertrat die Fachprüferin die Auffassung, in Höhe des Teils von … € … entfalle die Rückstellungsauflösung auf die Übernahme der Verpflichtung durch den Pensionsfonds. In Höhe von … € entfalle die Rückstellungsauflösung auf die Übernahme durch die Unterstützungskasse. Soweit die Rückstellungsauflösung aus der Übernahme der Verpflichtung durch den Pensionsfonds resultiere, sei sie zur Ermittlung des Betrages gemäß § 4e Abs. 3 Satz 3 EStG von den Beiträgen an den Pensionsfonds abzuziehen.
9
Der Differenzbetrag gemäß § 4e Abs. 3 Satz 3 EStG berechne sich wie folgt:

Beiträge an den Pensionsfonds

… €

Auflösung der Pensionsrückstellung

-

… €

Differenzbetrag nach § 4e Abs. 3 Satz 3 EStG

=

… €

10
Der Beklagte (das Finanzamt – FA –) folgte dieser Ansicht und erließ am … 2012 einen entsprechend geänderten Bescheid über Körperschaftsteuer für 2008. Der dagegen eingelegte Einspruch wurde mit Einspruchsentscheidung vom … 2015 als unbegründet zurückgewiesen. Hiergegen erhob die Klägerin mit Schriftsatz vom … 2015 Klage.
11
Mit Beschluss des Finanzgerichts (FG) München vom 13.12.2017 wurde das Ruhen des Verfahrens wegen des beim Bundesfinanzhof (BFH) anhängigen Verfahrens mit dem Aktenzeichen XI R 52/17 angeordnet. Nachdem der BFH in dieser Streitsache mit Urteil vom 20.11.2019 (XI R 52/17, BStBl II 2020, 264) entschieden hatte, wurde das Verfahren unter dem bisherigen Aktenzeichen 7 K 165/15 fortgesetzt.
12
Im Rahmen der Klagebegründung trägt die Klägerin vor, bei der Pensionsrückstellung handle es sich um den klassischen Fall einer „Ansammlungsrückstellung“. In der Bilanz werde daher nur der bereits erdiente Anteil der Verpflichtung ausgewiesen, der gesamte Auflösungsbetrag entfalle daher nur auf den past service. Werde die schon erdiente betriebliche Altersvorsorge vollständig auf einen Pensionsfonds ausgelagert, seien die dafür notwendigen Aufwendungen in Höhe des vollen Auflösungsertrags als sofort abziehbare Betriebsausgabe zu behandeln.
13
Das versicherungsmathematische Gutachten der „…“ habe zum 31.12.2008 einen Rückstellungswert für die Direktzusage in Höhe von … € errechnet. Nach den Grundsätzen ordnungsgemäßer Buchführung (GoB) habe die Rückstellung in der Buchführung des Jahres 2008 mit einem Betrag von … € erhöht werden müssen, um die bis zum Bilanzstichtag erdiente Rente in der Gewinn- und Verlustrechnung auszuweisen und auf diese Weise die Ertragslage des Geschäftsjahres 2008 gemäß dem gesetzlichen Auftrag darzustellen (§ 264 Abs. 2 Handelsgesetzbuch – HGB –).
14
Der Klageantrag stelle nur auf den von der Fachprüferin erhöhten Unterschiedsbetrag von … € ab. Zwischen dem aus dem bloßen Bilanzpostenvergleich resultierenden Betrag von … € und dem nachträglich erhöhten Betrag von … € bestehe ein Unterschied von .. €. Das Klagebegehren erstrecke sich ausschließlich auf die daraus resultierende zusätzliche Steuer in Höhe von … €. Bei dem Verteilungsposten dürfte es sich um eine aktive Rechnungsabgrenzung handeln.
15
Die Aufteilung der Ansammlungsrückstellung in einen Past- und einen Future-Service verstoße gegen die GoB. Die Entscheidung des BFH vom 20.11.2019 (XI R 52/17, BStBl II 2020, 264) werde in der steuerrechtlichen Literatur kritisiert (Hinweis auf Weber-Grellet, Betriebsberater – BB – 2021, 43, 45 f.; ders. in Schmidt, EStG, 42. Auflage 2023, § 4e Rz 8; Briese, Finanzrundschau – FR – 2020, 563 f.; Selig-Kraft, Steuer- und Bilanzpraxis – StuB – 2020, 497 f.).
16
Inzwischen räume das FA ein, der Unterschiedsbetrag sei um … € auf … € herabzusetzen. Jedoch müsse die Rückstellung für die Invalidenrente von … € auf … € reduziert werden. Insoweit handle es sich um eine unzulässige Verböserung.
17
Entgegen der Auffassung des FA lägen keine norminterpretierenden Verwaltungsanweisungen vor (Hinweis auf den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts – BVerfG – vom 31.05.2011 1 BvR 857/07, BVerfGE 129, 1-37; Haupt, DStR 2011, 1697). Das FA habe das Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) vom 10.07.2015 (IV C 6-S 2144/07/10003, BStBl I 2015, 544) wie ein Gesetz behandelt. Dies verstoße gegen die Entscheidung des BVerfG.
18
Das FA sei an das Gesetz gebunden (Art. 20 Abs. 3 Grundgesetz – GG –, § 85 Abgabenordnung – AO –). Bei der Änderung von Steuerbescheiden seien allgemeine Verwaltungsanweisungen zu beachten, die nicht offensichtlich rechtswidrig seien. Spätere Verwaltungsanweisungen dürften, soweit sie sich zuungunsten des Beteiligten auswirken, nicht angewendet werden (§ 176 Abs. 2 AO). Es sei Vertrauensschutz zu gewähren (Hinweis auf das BFH-Urteil vom 6. Juli 2023 V R 5/21, Deutsches Steuerrecht – DStR – 2023, 2173; DStR K 22/2023, 307).
19
Die Klägerin beantragt,
den Körperschaftsteuerbescheid vom … 2012 und die hierzu erlassene Einspruchsentscheidung vom … 2015 dahingehend zu ändern, dass weitere sofort abzugsfähige Betriebsausgaben in Höhe von … € berücksichtigt werden und die festgesetzte Körperschaftsteuer um … € von … € auf … € herabgesetzt wird, hilfsweise, die Revision zuzulassen.
20
Das FA beantragt,
die Klage abzuweisen.
21
Das BFH-Urteil vom 20.11.2019 (XI R 52/17, BStBl 2020, 264) bestätige die Rechtsauffassung der Finanzverwaltung. Hinsichtlich der angesetzten Pensionsrückstellungswerte sei das FA bislang von einer lebenslänglichen Leistung ausgegangen. Zutreffend wäre aber der Ansatz einer abgekürzten Invalidenrente gewesen. Infolge der Neuberechnung verringere sich die Pensionsrückstellung zum 31.12.2008 von … € auf … €. Die Differenz zwischen der bisherigen Berechnung im Betriebsprüfungsbericht vom … 2012 und der neuen Berechnung der Fachprüfung betrage somit … €. Der geringere Rückstellungswert wirke sich gewinnerhöhend und somit zuungunsten der Klägerin aus.
22
Nach dem BFH-Urteil vom 20.11.2019 (XI R 52/17, BStBl 2020, 264) könnten die an den Pensionsfonds entrichteten Leistungen nur insoweit als Aufwand berücksichtigt werden, als die Auflösung der Rückstellung auf den bereits erdienten Teil der Anwartschaft entfalle. Der BFH-Entscheidung zufolge sei auf den Stichtag abzustellen, der der Übertragung vorangehe.
23
Im Streitfall müsse folglich als maßgeblicher Stichtag der 31.12.2007 herangezogen werden.
24
Zu diesem Zeitpunkt habe die Pensionsrückstellung … € betragen. Dieser Wert sei um den Betrag zu kürzen, der auf die abgekürzte Invalidenrente entfalle, das seien … €. Als in der Vergangenheit erdiente Pensionsrückstellung ergebe sich somit ein Wert von … € …, der als Aufwand abzugsfähig wäre. Bisher sei ein Wert von … € festgestellt worden. Der Aufwand im Streitjahr 2008 erhöhe sich somit um … €.
25
Es lägen somit materielle Fehler zugunsten der Klägerin in Höhe von … € und zuungunsten der Klägerin in Höhe von … € vor. Gemäß § 96 Finanzgerichtsordnung (FGO) dürfe das Gericht jedoch nicht über den Klageantrag hinausgehen (sog. Verböserungsverbot). Der Ertrag, der sich aufgrund der nunmehr niedrigeren Rückstellung zuungunsten der Klägerin auswirken würde, falle unter das Verböserungsverbot. Jedoch dürfe der zusätzliche Aufwand insoweit gemäß § 177 Abs. 2 AO mit dem zusätzlichen Ertrag saldiert werden. Durch die zulässige Saldierung ändere sich die Körperschaftsteuerfestsetzung in diesem Punkt nicht. Der nunmehr anzusetzende Abzugsbetrag nach § 4e Abs. 3 Satz 3 EStG berechne sich wie folgt:

Beiträge an den Pensionsfonds

… €

Auflösungsbetrag Pensionsrückstellung (Past Service)

-

… €

Zu verteilender Betrag nach § 4e Abs. 3 Satz 3 EStG

=

… €

26
Für den Betrag nach § 4e Abs. 3 Satz 3 sei eine aktive Rechnungsabgrenzung zu bilden und ab dem Jahr 2009 zu je 1/10 aufzulösen.
27
Wegen des weiteren Sachverhalts und hinsichtlich des weiteren rechtlichen Vortrags wird auf die vorgelegten Akten und die von den Beteiligten eingereichten Schriftsätze und Unterlagen sowie auf das Protokoll über die mündliche Verhandlung vom 20.11.2023 Bezug genommen.
II.
28
Die Klage ist unbegründet. Die Klägerin kann nach § 4e Abs. 3 Satz 3 Einkommensteuergesetz in der im Streitjahr geltenden Fassung (EStG) weitere sofort abzugsfähige Betriebsausgaben in Höhe von … € aufgrund ihrer Leistungen an einen Pensionsfonds im Streitjahr 2008 nicht geltend machen.
29
1. Nach § 4e Abs. 1 EStG dürfen Beiträge an einen Pensionsfonds im Sinne des § 112 des Versicherungsaufsichtsgesetzes (seit 01.01.2016 i.S. des § 236 Versicherungsaufsichtsgesetzes) von dem Unternehmen, das die Beiträge leistet (Trägerunternehmen), als Betriebsausgaben abgezogen werden, soweit sie auf einer festgelegten Verpflichtung beruhen oder der Abdeckung von Fehlbeträgen bei dem Fonds dienen. Beiträge im Sinne des § 4e Abs. 1 EStG dürfen als Betriebsausgaben nicht abgezogen werden, soweit die Leistungen des Fonds, wenn sie vom Trägerunternehmen unmittelbar erbracht würden, bei diesem nicht betrieblich veranlasst wären (§ 4e Abs. 2 EStG).
30
a) Der Steuerpflichtige kann gemäß § 4e Abs. 3 Satz 1 EStG auf Antrag die insgesamt erforderlichen Leistungen an einen Pensionsfonds zur teilweisen oder vollständigen Übernahme einer bestehenden Versorgungsverpflichtung oder Versorgungsanwartschaft durch den Pensionsfonds erst in den dem Wirtschaftsjahr der Übertragung folgenden zehn Wirtschaftsjahren gleichmäßig verteilt als Betriebsausgaben abziehen. Der Antrag ist unwiderruflich; der jeweilige Rechtsnachfolger ist an den Antrag gebunden (§ 4e Abs. 3 Satz 2 EStG). Ist eine Pensionsrückstellung nach § 6a EStG gewinnerhöhend aufzulösen, ist § 4e Abs. 3 Satz 1 EStG mit der Maßgabe anzuwenden, dass die Leistungen an den Pensionsfonds im Wirtschaftsjahr der Übertragung in Höhe der aufgelösten Rückstellung als Betriebsausgaben abgezogen werden können; der die aufgelöste Rückstellung übersteigende Betrag ist in den dem Wirtschaftsjahr der Übertragung folgenden zehn Wirtschaftsjahren gleichmäßig verteilt als Betriebsausgaben abzuziehen (§ 4e Abs. 3 Satz 3 EStG).
31
b) Die Klägerin hat im Streitfall unstreitig einen Betrag in Höhe von … € an einen Pensionsfonds zur Übernahme einer bestehenden Versorgungsverpflichtung durch den Pensionsfonds geleistet. Darüber hinaus hat sie beantragt, den Betriebsausgabenabzug gemäß § 4e Abs. 3 Satz 3 EStG zu verteilen. Anhaltspunkte dafür, dass das Abzugsverbot nach § 4e Abs. 2 EStG eingreifen würde, sind vorliegend nicht ersichtlich. Zudem war im Streitfall eine Pensionsrückstellung nach § 6a EStG gewinnerhöhend aufzulösen.
32
2. Bei der Ermittlung der als Betriebsausgaben sofort abzugsfähigen Leistungen i.S. des § 4e Abs. 3 Satz 3 EStG ist auf die am vorangegangenen Bilanzstichtag gemäß § 6a EStG gebildete Pensionsrückstellung abzustellen, die infolge der Übertragung einer Versorgungsverpflichtung oder Versorgungsanwartschaft aufzulösen ist. Die zuletzt gemäß § 6a EStG gebildete Pensionsrückstellung ist für Zwecke des § 4e Abs. 3 Satz 3 EStG weder bis zum unterjährigen Übertragungsstichtag fortzuschreiben noch ist sie auf diesen Zeitpunkt zu erstellen (BFH-Urteil vom 20.11.2019 XI R 52/17, BStBl II 2020, 264, Rz 21). Darüber hinaus ist – anders als die Klägerin meint – auch nicht der Wert der Pensionsrückstellung zu dem Bilanzstichtag maßgeblich, der der Übertragung der Versorgungsverpflichtung nachfolgt (im Streitfall: 31.12.2008).
33
a) In der nach § 242 Abs. 1 Satz 1 HGB für den Schluss eines jeden Geschäftsjahres aufzustellenden Handelsbilanz sind gemäß § 249 Abs. 1 Satz 1 HGB u.a. Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten zu bilden. Die daraus folgende Passivierungspflicht gehört zu den GoB und ist grundsätzlich gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 EStG i.V.m. § 8 Abs. 1 Satz 1 Körperschaftsteuergesetz für die Steuerbilanz zu beachten (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Urteile vom 06.02.2013 I R 8/12, BStBl II 2013, 686, Rz 10; vom 09.11.2016 I R 43/15, BStBl II 2017, 379, Rz 13; vom 27.09.2017 I R 53/15, BStBl II 2018, 702, Rz 19; vom 22.05.2019 XI R 40/17, BStBl II 2019, 663, Rz 21; jeweils m.w.N.). Rückstellungen sind, wie sich für Pensionsrückstellungen aus § 266 Abs. 3 B Nr. 1 HGB ergibt, Bilanzposten, die im Rahmen der für den Schluss eines jeden – im Streitfall dem Kalenderjahr entsprechenden – Geschäftsjahres aufzustellenden Bilanz nach den handelsrechtlichen Vorschriften zu bilden sind. Die Pensionsverpflichtungen sind danach für den Bilanzstichtag zu ermitteln.
34
b) Im Rahmen der Anwendung des § 4e Abs. 3 Satz 3 EStG kommt nur ein Rückgriff auf die in der letzten Steuerbilanz ausgewiesene Pensionsrückstellung nach § 6a EStG in Betracht.
35
Der Wortlaut des § 4e Abs. 3 Satz 3 EStG ist insoweit eindeutig; er stellt ausdrücklich auf die Rückstellung nach § 6a EStG ab. Eine Regelung, die die Erstellung einer Pensionsrückstellung i.S. des § 6a EStG zu anderen (unterjährigen) Zeitpunkten außerhalb der Bilanzierung ermöglichen würde, ist nicht vorgesehen (BFH-Urteile vom 20.11.2019 XI R 52/17, BStBl II 2020, 264, Rz 23; vom 20.11.2019 XI R 42/18, BStBl II 2020, 271, Rz 16; BMF vom 10.7.2015 – IV C 6 – S 2144/07/10003, BStBl. I 2015, 544, Rz 6; Gosch in Kirchhof, EStG, 22. Auflage, § 4e Rz 11; Dommermuth in Herrmann/Heuer/Raupach – HHR – EStG/KStG, Dokumentstand: 12/2020, § 4e EStG Rz 49).
36
Die zum Übertragungszeitpunkt unterjährig erstellte Rückstellung wäre bei § 4e Abs. 3 Satz 3 EStG selbst dann nicht zugrunde zu legen, wenn die Pensionsleistungen nach dem letzten Bilanzstichtag und vor dem Übertragungszeitpunkt erhöht worden wären (BFH-Urteil vom 20.11.2019 XI R 52/17, BStBl II 2020, 264, Rz 23). Entgegen der Auffassung der Klägerin steht es im Einklang mit den GoB, insbesondere dem Stichtagsprinzip, die Pensionsverpflichtung auch für Zwecke des § 4e Abs. 3 Satz 3 EStG für den Schluss des Wirtschaftsjahres festzustellen (BFH-Urteil vom 20.11.2019 XI R 52/17, BStBl II 2020, 264, Rz 28). Das steuerpflichtige Trägerunternehmen hat es im Übrigen selbst in der Hand, den Übertragungszeitpunkt derart kurzfristig nach dem Bilanzstichtag zu vereinbaren, dass die unterjährige Pensionsrückstellungszuführung so gering wie möglich ausfällt (Dommermuth in HHR, EStG/KStG, Dokumentstand: 12/2020, § 4e EStG Rz 49).
37
c) Soweit die Klägerin ferner geltend macht, dass es der von der Verwaltung noch im BMFSchreiben vom 26.10.2006, IV B 2-S. 2144-57/06, BStBl I 2006, 709, Rz 5 vertretenen Ansicht und der Übergangsregelung im BMF-Schreiben vom 10.07.2015, IV C 6-S 2144/07/10003, 26.10.2006, BStBl I 2015, 544, Rz 9 widerspreche, statt auf den jeweiligen Übertragungszeitpunkt auf den letzten maßgeblichen Bilanzstichtag abzustellen, kann sie sich in der Sache nicht mit Erfolg auf eine diesem Ergebnis entgegenstehende sog. Selbstbindung der Verwaltung berufen. Bei den von der Klägerin in Bezug genommenen BMFSchreiben handelt es sich entgegen der Auffassung der Klägerin lediglich um norminterpretierende Verwaltungsanweisungen.
38
Norminterpretierende Verwaltungsanweisungen, die die gleichmäßige Auslegung und Anwendung des Rechts sichern sollen, können im Allgemeinen weder eine einer Rechtsnorm vergleichbare Bindung aller Rechtsanwender noch eine Bindung nach dem Grundsatz von Treu und Glauben herbeiführen. Eine von den Gerichten zu beachtende Selbstbindung der Verwaltung besteht nur als Ausfluss von Art. 3 Abs. 1 GG ausnahmsweise in dem Bereich der der Verwaltung vom Gesetz eingeräumten Entscheidungsfreiheit, also im Bereich des Ermessens, der Billigkeit und der Typisierung oder Pauschalierung (vgl. BFH-Urteile vom 26.04.1995 XI R 81/93, BStBl II 1995, 754; vom 07.12.2005 I R 123/04, BFH/NV 2006, 1097; vom 04.02.2010 II R 1/09, BFH/NV 2010, 1244; vom 11.11.2010 VI R 16/09, BStBl II 2011, 966; vom 10.11.2011 V R 34/10, BFH/NV 2012, 803, Rz 21; vom 05.09.2013 XI R 4/10, BStBl II 2014, 95, Rz 40; vom 03.07.2014 V R 1/14, BFH/NV 2014, 2014, Rz 33). Ein derartiger Spielraum steht der Finanzverwaltung bei der Anwendung von § 4e Abs. 3 Satz 3 EStG aber nicht zu (BFH-Urteil vom 20.11.2019 XI R 52/17, BStBl II 2020, 264, Rz 31).
39
d) Nach diesen Grundsätzen ist bei der Ermittlung der als Betriebsausgaben sofort abzugsfähigen Leistungen i.S. des § 4e Abs. 3 Satz 3 EStG im Streitfall auf die am 31.12.2007 gebildete Pensionsrückstellung abzustellen. Zum Bilanzstichtag 31.12.2007 betrug die Pensionsrückstellung unstreitig … €.
40
3. Das FA ist zutreffend davon ausgegangen, dass für die Ermittlung des sofort abzugsfähigen Einmalbetrages an einen Pensionsfonds i.S. des § 4e Abs. 3 Satz 3 EStG nicht die in der Steuerbilanz insgesamt aufzulösende Pensionsrückstellung anzusetzen ist, sondern nur der aufzulösende Betrag, der auf den an einen Pensionsfonds übertragenen sog. Past-Service entfällt.
41
a) Sofern im Rahmen des sog. Kombinationsmodells der bereits erdiente Teil einer Versorgungsanwartschaft (sog. Past-Service) auf einen Pensionsfonds übergeht und der noch zu erdienende Teil (sog. Future-Service) zugleich auf eine Unterstützungskasse übertragen wird, können die an den Pensionsfonds zur Übernahme der bestehenden Versorgungsverpflichtung oder Versorgungsanwartschaft entrichteten Leistungen nach § 4e Abs. 3 Satz 3 EStG als Betriebsausgaben nicht im Umfang der in der Steuerbilanz insgesamt aufzulösenden Pensionsrückstellung abgezogen werden, sondern nur soweit die Auflösung dieser Rückstellung auf den bereits erdienten Teil der Anwartschaft entfällt (BFH-Urteile vom 20.11.2019 XI R 52/17, BStBl II 2020, 264, Rz 35 ff. und vom 20.11.2019 XI R 42/18, BStBl II 2020, 271, Rz 23, 30; a.A. Weber-Grellet, BB 2021, 43, 45 f.; Briese, FR 2020, 563 f.; SeligKraft, StuB 2020, 497 f.).
42
b) Ist eine Pensionsrückstellung nach § 6a EStG gewinnerhöhend aufzulösen, sind nach § 4e Abs. 3 Satz 3 EStG der Auflösungsbetrag und die Leistungen an den Pensionsfonds im Wirtschaftsjahr der Übertragung zu saldieren. Zwar ist nach dem Wortlaut des § 4e Abs. 3 Satz 3 EStG „in Höhe der aufgelösten Rückstellung“ auf die volle Rückstellung, also nicht nur auf einen Teil dieser Rückstellung abzustellen, während der übersteigende Betrag in den dem Wirtschaftsjahr der Übertragung folgenden zehn Wirtschaftsjahren gleichmäßig verteilt als Betriebsausgaben abzuziehen ist. Der Wortlaut ist jedoch – anders als die Klägerin meint – einschränkend dahingehend auszulegen, dass die aufzulösende Rückstellung nur soweit zu verrechnen ist, als ihre Auflösung auf der Übertragung der Versorgungsanwartschaft auf einen Pensionsfonds beruht (BFH-Urteil vom 20.11.2019 XI R 52/17, BStBl II 2020, 264, Rz 37). Im Streitfall betrifft dies nur den bereits erdienten Teil der bestehenden Anwartschaft, den die Klägerin im Rahmen des sog. Kombinationsmodells auf einen Pensionsfonds übertragen hat.
43
c) Der Zweck des § 4e EStG verbietet es, dass auch der Betrag einer nicht durch die Übertragung an einen Pensionsfonds veranlassten Auflösung von Pensionsrückstellungen in die Anwendung des § 4e Abs. 3 Satz 3 EStG einbezogen wird. Die Regelung des § 4e EStG, die im Rahmen des Gesetzes zur Reform der gesetzlichen Rentenversicherung und zur Förderung eines kapitalgedeckten Altersvorsorgevermögens (Altersvermögensgesetz) vom 26.06.2001 (BGBl I 2001, 1310) in das EStG eingefügt wurde, sollte die Einführung von betrieblichen Pensionsfonds als neuen Durchführungsweg der betrieblichen Altersversorgung steuerlich flankieren. § 4e EStG regelt abschließend den Umfang der als Betriebsausgaben abzugsfähigen Beiträge des Arbeitgebers an einen Pensionsfonds, die der Finanzierung der von dem Fonds rechtsverbindlich zu erbringenden Versorgungsleistungen dienen (vgl. Bundestags-Drucksache 14/5150, S. 34).
44
Da § 4e EStG allein den Umfang des Betriebsausgabenabzugs der Beiträge des Arbeitgebers an einen Pensionsfonds abschließend regelt, kann die Saldierung zwischen Auflösungsbetrag und der Zuführung i.S. des § 4e Abs. 3 Satz 3 EStG mit dem Ziel, einen Auflösungsgewinn zu neutralisieren, nur erfolgen, soweit die Auflösung einer Pensionsrückstellung nach § 6a EStG auf der Übertragung der Versorgungsanwartschaft auf einen Pensionsfonds beruht. Soweit die Pensionsrückstellung nach § 6a EStG dagegen auch aufzulösen ist, weil z.B. der noch nicht erdiente Teil einer Versorgungsanwartschaft auf eine Unterstützungskasse übertragen wird, steht die gewinnerhöhende Auflösung dieser Rückstellung nicht im Zusammenhang mit der Übertragung des erdienten Teils dieser Anwartschaft an einen Pensionsfonds, auf die § 4e Abs. 3 Satz 1 EStG allein abstellt. Etwas anderes kann sich nicht daraus ergeben, dass der Unternehmer – wie hier die Klägerin – im Rahmen des sog. Kombinationsmodells den bereits erdienten Teil der Versorgungsanwartschaft auf einen Pensionsfonds überträgt und zugleich den noch nicht erdienten Teil auf eine Unterstützungskasse (BFH-Urteil vom 20.11.2019 XI R 52/17, BStBl II 2020, 264, Rz 44).
45
d) Die Klägerin kann ferner nicht einwenden, ihr sei Vertrauensschutz gemäß § 176 Abs. 2 AO zu gewähren.
46
aa) Bei der Aufhebung oder Änderung eines Steuerbescheids darf nach § 176 Abs. 2 AO nicht zuungunsten des Steuerpflichtigen berücksichtigt werden, dass eine allgemeine Verwaltungsvorschrift der Bundesregierung, einer obersten Bundes- oder Landesbehörde von einem obersten Gerichtshof des Bundes als nicht mit dem geltenden Recht in Einklang stehend bezeichnet worden ist. Voraussetzung für die Anwendung von § 176 Abs. 2 AO ist die Aufhebung oder Änderung eines Steuerbescheids (vgl. Rüsken in Klein, Abgabenordnung, 16. Auflage 2022, Rz 56).
47
bb) Hieran fehlt es im Streitfall. Das FA hat nach Ergehen des BFH-Urteils vom 20.11.2019 (XI R 52/17, BStBl II 2020, 264) den Körperschaftsteuerbescheid 2008 vom … 2012, der mit Einspruchsentscheidung vom … 2015 bestätigt wurde, nicht mehr geändert. Die Klägerin kann sich daher auch nicht auf das BFH-Urteil vom 06.07.2023 (V R 5/21, BFH/NV 2023, 1380) berufen. Diese Entscheidung betraf eine Änderung eines Umsatzsteuerjahresbescheids nach § 164 Abs. 2 AO. Der Streitfall ist demnach nicht mit dem Sachverhalt vergleichbar, der dem BFH-Urteil vom 06.07.2023 (V R 5/21, BFH/NV 2023, 1380) zugrunde liegt.
48
e) Die Klägerin kann schließlich nicht mit dem Einwand durchdringen, das FA habe das BMF-Schreiben vom 10.07.2015 (IV C 6-S 2144/07/10003, 26.10.2006, BStBl I 2015, 544) wie ein Gesetz behandelt und dies verstoße gegen die Entscheidung des BVerfG vom 31.05.2011 (1 BvR 857/07, BVerfGE 129, 1-37). Vielmehr hat das FA bereits vor Veröffentlichung der Verwaltungsanweisung (mit Körperschaftsteuerbescheid vom 07.03.2012 sowie mit Einspruchsentscheidung vom … 2015) die Auffassung vertreten, dass für die Ermittlung des sofort abzugsfähigen Einmalbetrages an einen Pensionsfonds i.S. des § 4e Abs. 3 Satz 3 EStG nicht die in der Steuerbilanz insgesamt aufzulösende Pensionsrückstellung anzusetzen ist, sondern nur der aufzulösende Betrag, der auf den an einen Pensionsfonds übertragenen sog. Past-Service entfällt. Diese Rechtsauffassung, die zwischenzeitlich vom BFH mit Urteil vom 20.11.2019 (XI R 52/17, BStBl II 2020, 264) bestätigt wurde, vertritt das FA im Klageverfahren weiterhin. Damit hat das FA nicht eine Verwaltungsvorschrift wie ein Gesetz behandelt, sondern die gesetzliche Vorschrift des § 4e Abs. 3 Satz 3 EStG korrekt ausgelegt und angewendet. Die von der Klägerin zitierte Entscheidung des BVerfG vom 31.05.2011 (1 BvR 857/07, BVerfGE 129, 1-37), die sich u.a. mit der eingeschränkten gerichtlichen Kontrolle von Verwaltungsentscheidungen befasst, ist vorliegend nicht einschlägig.
49
f) Danach ist der von der Klägerin geltend gemachte sofortige Betriebsausgabenabzug in Höhe von insgesamt … € im Streitjahr 2008 nicht zulässig.
50
aa) Laut der Erklärung von W. vom 01.12.2008 wurden bereits erdiente Ansprüche mit einer Jahresrente von … € auf einen Pensionsfonds sowie noch zu erdienende Ansprüche (Jahresrente in Höhe von … €) auf eine Unterstützungskasse übertragen. Der Anteil, der auf den an den Penisonfonds übertragenen sog. Past Service entfällt, beträgt demnach im Streitfall 59,03% (…).
51
bb) Der Wert für die Pensionsrückstellung betreffend die abgekürzte Invalidenrente zum 31.12.2008 betrug nach der korrigierten Berechnung des FA … € (zum 31.12.2007: … €). Diese Werte hat der Klägervertreter in der mündlichen Verhandlung nicht bestritten. Danach ergibt sich ein Betrag für die aufzulösende Pensionsrückstellung, soweit diese auf den auf einen Pensionsfonds übertragenen sog. Past Service entfällt, in Höhe von … € (= … *59,03%). Das Gericht lässt dabei zugunsten der Klägerin unberücksichtigt, dass nach Angaben des Prozessbevollmächtigten in der mündlichen Verhandlung die Invalidenrente tatsächlich zum 31.12.2007 nicht als abgekürzte Invalidenrente behandelt wurde und mit einem Wert von … € angesetzt war.
52
Der danach anzusetzende zu verteilende Abzugsbetrag nach § 4e Abs. 3 Satz 3 EStG berechnet sich wie folgt:

Beiträge an den Pensionsfonds

… €

Auflösungsbetrag Pensionsrückstellung (Past Service)

-

… €

Zu verteilender Betrag nach § 4e Abs. 3 Satz 3 EStG

=

… €

53
Dieser Auflösungsbetrag in Höhe von … € übersteigt zwar den bisher im streitgegenständlichen Bescheid angesetzten Betrag (… €). Dies führt jedoch nicht zur Berücksichtigung weiterer Betriebsausgaben, da eine volle Saldierung mit einem gegenläufigen Fehler (vgl. unter cc)) zu erfolgen hat.
54
cc) Die Gewinnerhöhung aufgrund der Auflösung der Pensionsrückstellung infolge des Ansatzes des korrigierten Werts der abgekürzten Invalidenrente zum 31.12.2008 darf nur insoweit vorgenommen werden, als eine zulässige Saldierung im Rahmen des Klageantrags erfolgt. Dem FG ist es versagt, eine von der Finanzbehörde vorgenommene Steuerfestsetzung zum Nachteil des Steuerpflichtigen zu ändern (sog. Verböserungsverbot).
55
(1) Das von der Klägerin in Bezug genommene finanzgerichtliche „Verböserungsverbot“, das teilweise aus § 96 FGO, jedenfalls aber aus Art. 19 Abs. 4, Art. 20 Abs. 3 GG hergeleitet wird, besagt, dass das FG bezogen auf die mit der Klage angegriffene Steuerfestsetzung nicht zum Nachteil des Steuerpflichtigen abweichen, mithin keine höhere Steuerfestsetzung als die durch das FA vornehmen darf (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 18.02.2016 V R 53/14, BStBl II 2019, 333, Rz 26, m.w.N.; BFH-Beschluss vom 10.03.2016 X B 198/15, BFH/NV 2016, 1042, Rz 8, m.w.N.). Da Streitgegenstand nicht das einzelne Besteuerungsmerkmal, sondern die Rechtmäßigkeit des jeweiligen Steuerbescheids ist, liegt keine unzulässige Verböserung vor, wenn das FG im Rahmen des Klageantrags einzelne unterschiedlich zu beurteilende Streitpunkte miteinander „saldiert“ (vgl. BFH-Urteile vom 01.12.2010 XI R 46/08, BFH/NV 2011, 712, Rz 52; vom 20.11.2019 XI R 52/17, BStBl II 2020, 264, Rz 33).
56
(2) Im Streitfall erhöhen sich die sofort abzugsfähigen Betriebsausgaben der Klägerin gemäß § 4e Abs. 3 Satz 3 EStG im Streitjahr 2008 um … € auf … € (bisher vom FA angesetzter Wert: … €). Die Gewinnerhöhung infolge der Auflösung der Pensionsrückstellung für die abgekürzte Invalidenrente in Höhe von … € (= … €) darf daher nur in Höhe von … € vorgenommen werden. Folglich wird die Körperschaftsteuerfestsetzung im Streitjahr 2008 nicht zum Nachteil der Klägerin geändert, so dass kein Verstoß gegen das finanzgerichtliche Verböserungsverbot vorliegt.
57
4. Mangels Entscheidungserheblichkeit kann im Streitfall unentschieden bleiben, ob i.S. des § 4e Abs. 3 Satz 3 EStG die Hinzurechnung der dem Grunde nach sofort abzugsfähigen Betriebsausgaben im Jahr der Übertragung und der Abzug des jeweiligen Zehntels in den zehn folgenden Jahren – entsprechend der Verwaltungsauffassung (vgl. BMF-Schreiben vom 26.10.2006, IV B 2 -S. 2144-57/06, BStBl I 2006, 709, Rz 8) – außerbilanziell zu erfolgen hat oder – wovon die Beteiligten im Streitfall übereinstimmend ausgehen – alternativ ein steuerbilanzieller Rechnungsabgrenzungsposten, der über diesen Zeitraum aufzulösen ist, zu bilden ist.
58
5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
59
6. Die Revision wird nicht zugelassen, weil kein Zulassungsgrund nach § 115 Abs. 2 FGO vorliegt.