Inhalt

VG Würzburg, Urteil v. 21.09.2023 – W 5 K 22.1102
Titel:

Klage auf unbefristete Erlaubnis zur Vermittlung von Sportwetten

Normenketten:
AEUV Art. 56
GlüStV 2021 § 21a
BayAGGlüStV Art. 2, Art. 7 Abs. 2 Nr. 4
VwGO § 42 Abs. 1 Alt. 2, § 88
Leitsätze:
1. Bei einer glücksspielrechtlichen Erlaubnis zum Betrieb einer Wettvermittlungsstelle ist die Befristung ein integraler Teil des Hauptverwaltungsakts, sodass eine isolierte Anfechtung der Befristung ausscheidet. (Rn. 25) (redaktioneller Leitsatz)
2. Das Mindestabstandsgebot, welches sich aus Art. 7 Abs. 2 Nr. 4 BayAGGlüStV ergibt, verstößt gegen Unionsrecht und ist damit aufgrund des Anwendungsvorrangs des Unionsrechts unanwendbar auf Wettvermittlungsstellen, in denen Sportwetten für einen in einem anderen EU-Mitgliedstaat ansässigen Veranstalter vermittelt werden. (Rn. 33 – 44) (redaktioneller Leitsatz)
3. Beschränkungen der unionsrechtlichen Dienstleistungsfreiheit sind grundsätzlich dann zulässig, wenn die restriktiven Maßnahmen nicht diskriminierend sind, durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt sowie geeignet sind, die Verwirklichung des mit ihnen verfolgten, unionsrechtlich legitimen Ziels zu gewährleisten und tatsächlich dazu beizutragen, die Gelegenheiten zum Spielen zu verringern und die Tätigkeiten im Glücksspiel in kohärenter und systematischer Weise zu begrenzen, und weiterhin nicht über das hinausgehen, was zur Erreichung dieses Zieles erforderlich ist. (Rn. 38) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Glücksspielrecht, Vermittlung von Sportwetten für einen im EU-Ausland ansässigen Veranstalter, Klage der Wettvermittlerin gegen die Befristung der Erlaubnis bzw. auf Erteilung der Erlaubnis, Abstandsgebot, Nichteinhaltung des vorgeschriebenen Mindestabstands zu Gymnasien, einer Jugendwohngruppe und einer Fachambulanz für Abhängigkeitskranke, Inkohärenz der Mindestabstandsregelung im Sportwettbereich im Hinblick auf Geldspielgeräte, Anwendungsvorrang des Unionsrechts, Sportwetten, Wettvermittlungsstellen, Erlaubnis, isolierte Anfechtung, Befristung, Unionsrecht, Dienstleistungsfreiheit, Kohärenzgebot, Anwendungsvorrang
Fundstelle:
BeckRS 2023, 43645

Tenor

I. Der Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 8. Juni 2022 verpflichtet, über den Antrag der … … … vom 2. November 2020, der Klägerin eine Erlaubnis für die Wettvermittlungsstelle unter der Anschrift K. …, W. zu erteilen, unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II. Die Kosten des Verfahrens hat die Klägerin zu 1/3, der Beklagte zu 2/3 zu tragen.
III. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Kostenschuldner kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Kostengläubiger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

1
Die Klage richtet sich gegen einen Bescheid der Regierung von U., mit welchem der Klägerin die Vermittlung von Sportwetten befristet bis zum 31. Dezember 2022 am Standort K. …, W., erlaubt worden ist.
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1. Die Klägerin ist Sportwettvermittlerin. Sie ist die Betreiberin der streitgegenständlichen Wettvermittlungsstelle in der K. …, W. Der Veranstalter  … hat mit Schreiben vom 2. November 2020 für die Klägerin die Erteilung einer Erlaubnis zum Betrieb einer Wettvermittlungsstelle beantragt. Vorgelegt wurden mit den Antragsunterlagen vom 10. Dezember 2020 u.a. der Wettvermittlungsvertrag der Klägerin mit dem Veranstalter, der Konzessionsbescheid, das Sozialkonzept, das Führungszeugnis, eine Auskunft aus dem Schuldnerverzeichnis, eine vom Finanzamt erstellte Bescheinigung bezüglich der steuerlichen Unbedenklichkeit sowie ein Gewerbezentralregisterauszug. Mit E-Mail vom 30. September 2021 wies die Regierung von U. den Bevollmächtigten der … darauf hin, dass einer über den 31. Dezember 2022 hinausgehenden Erlaubniserteilung ein Konflikt mit Kinder- und Jugendeinrichtungen sowie einer Suchtbehandlungsstelle im Sinne von Art. 7 Abs. 2 Nr. 4 AGGlüStV entgegenstünde. Der Bevollmächtigte nahm mit Schreiben vom 8. Dezember 2021 hierzu Stellung.
3
Mit Bescheid vom 8. Juni 2022 erlaubte die Regierung von U. der Klägerin (Erlaubnisinhaberin), in der Wettvermittlungsstelle K. …, W., Sportwetten an den mit Konzession des Regierungspräsidiums D. vom 9. Oktober 2020 (Gz. RPDA – Dez. III 34 – 73 c 38.01/6 – 2019/4) erlaubten Veranstalter … im dort erlaubten Umfang zu vermitteln (Ziffer 1). Diese Erlaubnis wurde widerruflich erteilt (Ziffer 2). In Ziffer 3 des Bescheids ist geregelt, dass die Erlaubnis bis zum 31. Dezember 2022 gilt (Satz 1) und die Erlaubnis mit Beendigung des Wettvermittlungsvertrags oder mit dem Verlust der Konzession des Veranstalters erlischt (Satz 2). Ziffer 4 des Bescheids enthält weitere Nebenbestimmungen.
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Zur Begründung wurde u.a. ausgeführt, dass die Erlaubnis befristet mit Nebenbestimmungen habe erteilt werden können. Gemäß § 9 Abs. 4 Satz 2 GlüStV 2021 sei eine Erlaubnis widerruflich zu erteilen und zu befristen. Im vorliegenden Fall stehe der Erlaubniserteilung Art. 7 Abs. 2 Nr. 4 AGGlüStV entgegen. Danach sei der Betrieb einer Wettvermittlungsstelle im Hauptgeschäft unzulässig und die Erlaubnis hierfür unbeschadet Art. 2 Abs. 1 AGGlüStV auch zu versagen, wenn Sportwetten vermittelt würden ohne einen Mindestabstand von 250 m Luftlinie gemessen von Eingangstür zu Eingangstür zu bestehenden Schulen für Kinder und Jugendliche, Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe, die sich an Kinder im Alter von mindestens sechs Jahren richteten, sowie Suchtberatungs- und Suchtbehandlungsstellen, wobei die zuständige Erlaubnisbehörde unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Umfeld des jeweiligen Standorts und der Lage des Einzelfalls Ausnahmen von dem Mindestabstand zulassen könne. Innerhalb des 250 m-Radius um die Wettvermittlungsstelle befänden sich das R.-Gymnasium (Re. … …, W.; ca. 190 m), das S.-Gymnasium (Re. … …, W.; ca. 240 m) und die J.-Schule-W. (… … W.; ca. 215 m). Ferner sei innerhalb des gesetzlich vorgesehenen Radius das Haus St. … (B. P., W.; ca. 48 m) angesiedelt, das neben einem Jugendwohnheim auch eine heilpädagogische Wohngruppe u.a. für unbegleitete Flüchtlinge beherberge, sowie die Würzburger Fachambulanz für Abhängigkeitskranke (N. … W.; ca. 130 m). Der erforderliche Mindestabstand von Konfliktfällen im Sinne des Art. 7 Abs. 2 Nr. 4 AGGlüStV von 250 m Luftlinie sei somit nicht eingehalten. Bei den o.a. Konfliktfällen handele es sich um Einrichtungen, die unausweichlich und mit gezielter Regelmäßigkeit von Kindern und Jugendlichen sowie Suchtkranken besucht würden. Speziell sei die besondere Gefährdungslage für die Bewohner des Hauses St. … zu nennen, bei denen es sich vorwiegend um Kinder bzw. Jugendliche handele, die i.S.d. Sozialgesetzbuches VIII (Kinder- und Jugendhilfe) hilfsbedürftig seien. Im gleichen Maße verhalte es sich mit der Würzburger Fachambulanz für Abhängigkeitskranke. Dabei handele es sich ohne Zweifel um eine Suchtberatungs- und Suchtbehandlungsstelle i.S.d Art. 7 Abs. 2 Nr. 4, 3. Fall AGGlüStV. Der Wortlaut sei diesbezüglich bewusst weit gefasst, um auch einer Mehrfachabhängigkeit gerecht zu werden. Da Drogen- und Alkoholsucht nicht selten auch mit Spielsucht einhergingen, gebe es keinen Anlass zu einer engen Auslegung der Begrifflichkeiten und der Norm. Es entspreche gerade dem Schutzzweck des Gesetzes zu verhindern, dass Suchtkranke in unmittelbarer Nähe ihrer Beratungs- und Therapieeinrichtung mit Glücksspielangeboten konfrontiert würden. Eine Ausnahme von dieser Mindestabstandsregelung erteile die Regierung von U. bei pflichtgemäßer Ermessensausübung nicht. Der Weg zwischen der Wettvermittlungsstelle und den mit ihr nach Art. 7 Abs. 2 Nr. 4 AGGlüStV in Konflikt stehenden Örtlichkeiten sei ohne größere Schwierigkeiten zu bewältigen. Ferner seien auf der Verbindungsstrecke keine natürlichen Geländehindernisse oder andere Sonderverhältnisse gegeben, die eine andere Sichtweise erforderten als die pauschalisierende Bemessung des Abstands mittels Luftlinie. Dies betreffe vor allem das Haus St. …, dessen Gebäudekomplex (inklusive Eingangsbereich und Nebengebäude) sich in direkter Nähe der Wettvermittlungsstelle befinde. Auch sei angemerkt, dass sich die Wettvermittlungsstelle unmittelbar zwischen dem Bahnhof und den beiden o.g. Gymnasien befinde und somit direkt am hochfrequentierten Schulweg zwischen einem der W. Hauptverkehrsknotenpunkte und den Schulinstituten angesiedelt sei. Darüber hinaus werde erwähnt, dass das S.-Gymnasium in der Wa. W., eine Außenstelle mit sechs dauerhaft genutzten Klassenzimmern unterhalte. Hier herrsche zwischen Außenstelle und Hauptgebäude ein reger Schülerverkehr, dessen kürzeste Verbindung in unmittelbarer Nähe an der Wettvermittlungsstelle vorbeiführe. Ein atypischer Einzelfall im Sinne besonderer örtlicher Verhältnisse, der ausnahmsweise zu einer anderen Beurteilung führen könnte, liege daher nicht vor. Aus diesem Grund müsse hier das Interesse des Wettvermittlers hinter dem allgemeinen Interesse am Schutz von Kindern, Jugendlichen und Suchtkranken vor den Gefahren des Glücksspiels zurückstehen. Die Regierung habe überdies die Regelung des Art. 7 Abs. 2 Nr. 4 AGGlüStV uneingeschränkt anzuwenden. Ihr stehe als Verwaltungsbehörde keine Normverwerfungskompetenz zu. Des Weiteren habe weder das Bundesverfassungsgericht noch der Bayerische Verfassungsgerichtshof die Rechtswidrigkeit der Normen festgestellt, noch habe ein nationales Gericht einen Anwendungsvorrang der Dienstleistungs- bzw. Niederlassungsfreiheit bezüglich dieser Regelungen angenommen. Eine Verfassungs- bzw. Unionsrechtswidrigkeit liege auch nicht offensichtlich auf der Hand. Die Regelungen seien vielmehr verfassungs- und unionsrechtmäßig. Insbesondere genügten sie dem Gebot der Normenklarheit und der Transparenz. Der Feststellung eines Versagungsgrundes nach Art. 7 Abs. 2 Nr. 4 AGGlüStV stehe auch kein Bestandsschutz der Wettvermittlungsstelle entgegen. Der Bestandsschutz ergebe sich nicht einfach gesetzlich, da Art. 7 Abs. 2 Nr. 4 AGGlüStV i.V.m. Art. 15 Abs. 2, Art. 16 Abs. 2 AGGlüStV aufgrund der Duldung (Duldung vom 12. Juni 2020) keinen Bestandsschutz über den 31. Dezember 2022 vorsehe. Auch aus dem zeitweisen unionsrechtswidrigen Fehlen eines transparenten Erlaubnisverfahrens lasse sich nicht folgern, dass jede vor dessen Einführung ausgeführte Vermittlungstätigkeit dauerhaften Bestandsschutz genießen müsse. Des Weiteren rechtfertige auch das Vorbringen des Bevollmächtigten bezüglich des Erfordernisses einer Berücksichtigung wirtschaftlicher Interessen der Klägerin keine abweichende Beurteilung. Gemäß Art. 7 Abs. 2 Nr. 4 a.E. AGGlüStV könne die Erlaubnisbehörde unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Umfeld des jeweiligen Standorts und der Lage des Einzelfalls Ausnahmen von dem Mindestabstand zulassen. Als Lage des Einzelfalls sei insoweit bereits nach einer allgemeinen Wortbedeutung die Örtlichkeit zu verstehen, an der die Wettvermittlungsstelle in Bezug auf ihre Umgebung liege. Lediglich im Rahmen der befristeten Übergangsregelung des Art. 15 Abs. 2, Art. 16 Abs. 2 AGGlüStV berücksichtige der Gesetzgeber ergänzend wirtschaftliche Interessen von bestehenden und geduldeten Wettvermittlungsstellen. Aufgrund der Übergangsregelung des Art. 15 Abs. 2 i.V.m. Art. 16 Abs. 2 AGGlüStV könne die Erlaubnis aber befristet bis zum 31. Dezember 2022 erteilt werden. Die Länge der Frist richte sich nach Art. 16 Abs. 2 AGGlüStV, wonach die Übergangsregelung mit Ablauf des 31. Dezember 2022 außer Kraft trete.
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2. Gegen den Erlaubnisbescheid der Regierung von U. vom 8. Juni 2022 ließ die Klägerin am 30. Juni 2022 Klage erheben und mit Schriftsatz vom 14. September 2023 zuletzt beantragen,
I.
Der Erlaubnisbescheid der Regierung von U. vom 8. Juni 2022, Az.: 10-2165.1-12-2 (Anlage 2) „Erlaubnis zum Betrieb einer Wettvermittlungsstelle der … … … (kurz: Veranstalter) Erlaubnisinhaber: … … … … … … … … … Standort: K. W.“ wird in dessen Ziffer 3 S. 1 wie folgt gefasst: „Diese Erlaubnis gilt unbefristet bis zum Widerruf nach Nr. 2.“
II.
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Hilfsweise, der Erlaubnisbescheid der Regierung von U. vom 8. Juni 2022, Az.: 10-2165.1-12-2 (Anlage 2) „Erlaubnis zum Betrieb einer Wettvermittlungsstelle der … … … (kurz: Veranstalter) Erlaubnisinhaber: … … … … … … … … Standort: K. …, W.“ wird in dessen Ziffer 3 S. 1 wie folgt gefasst: „Diese Erlaubnis gilt bis zum 8. Juni 2027.“
III.
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Höchst hilfsweise, der Erlaubnisbescheid der Regierung von U. vom 08.06.2022, Az.: 10-2165.1-12-2 (Anlage 2) „Erlaubnis zum Betrieb einer Wettvermittlungsstelle der … … … (kurz: Veranstalter) Erlaubnisinhaber: … … … … … … … … … Standort: K. … W.“ wird in dessen Ziffer 3 Satz 1 aufgehoben und der Beklagte verpflichtet, über die weitere Befristung in Ziffer 3 Satz 1 des Bescheides unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden.
IV.
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Abschließend hilfsweise, den Beklagten unter Aufhebung des streitgegenständlichen Bescheides zu verpflichten, die begehrte Erlaubnis für die Wettvermittlungsstelle unter der Anschrift K. … W. befristet bis zum 8. Juni 2027 zu erteilen, jedenfalls aber unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut über den Antrag auf Erteilung der Erlaubnis für die streitgegenständliche Wettvermittlungsstelle zu entscheiden.
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Zur Begründung ließ die Klägerin u.a. vortragen: Der Klage sei stattzugeben, weil die Erlaubnis unbefristet bzw. mit einer längeren Bewilligungsdauer hätte erteilt werden müssen und der Beklagte die Erlaubnis rechtswidrig nur bis zum 31. Dezember 2022 erteilt habe. In tatsächlicher Hinsicht sei festzustellen, dass praktisch keine Schulkinder an der K. … vorbeigingen. Die Stadt W. sei zu einer Ausnahme bisher nicht angehört worden. Im Stadtkern von Würzburg gebe es keine Wettvermittlungsstelle mehr. Die Wettvermittlungsstelle K. … sei seit 2018 stets ohne Vorkommnisse geführt worden. Eine Baugenehmigung sei am 13. Oktober 2020 erteilt worden. Rechtlich stelle sich die Anwendung der Mindestabstandsregelung für Altstandorte, d.h. für Wettvermittlungsstellen, die formell legal betrieben worden seien, bevor eine Regelung in Kraft getreten sei, als offensichtlich unionsrechtswidrig dar. Denn der streitgegenständlichen Wettvermittlungsstelle hätte zum Zeitpunkt der Betriebsaufnahme, zu denen keine Mindestabstände einzuhalten gewesen seien, eine Sportwettvermittlungserlaubnis erteilt werden können und wohl auch müssen, wenn der Beklagte hiervon nicht unionsrechtswidrig abgesehen hätte. Die Betriebsaufnahme sei vor Inkrafttreten der vom Beklagten in Bezug genommenen Vorschrift des Art. 7 Abs. 2 Nr. 4 AGGlüStV erfolgt. Zu einer Erlaubniserteilung mit entsprechend langer Laufzeit habe es vor Einführung der Mindestabstände nur deshalb nicht kommen können, weil zum damaligen Zeitpunkt und auch darüber hinaus bis Oktober 2020 wegen der rechtswidrigen Ausgestaltung des Konzessionsverfahrens keine Konzession an Sportwettveranstalter habe erteilt werden können. Die Wirkungen des rechtswidrigen Konzessionsverfahrens würden also perpetuiert, wenn man nun einem Standort, von dem aus formell legal Sportwetten vermittelt worden seien, erst nachträglich in das Gesetz aufgenommene Abstandsvorgaben im Wege einer knappen Befristung entgegenhalte. Ferner sei die Vorschrift des Art. 7 Abs. 2 Nr. 4 AGGlüStV europa- und verfassungsrechtswidrig. Die vom Beklagten verfügte kurze Befristung des Erlaubnisbescheides könne insoweit nicht auf diese Vorschrift gestützt werden. Die Frage der Unionsrechtswidrigkeit der Mindestabstandsregelungen zu Kinder- und Jugendhilfeeinrichtungen sowie zu Suchtberatungsstellen im Sportwettbereich sei völlig offen. Sie habe bisher nur die wissenschaftliche Diskussion erreicht. Ebenso wenig werde die Frage durch die klare Rechtsprechung im Spielhallenbereich irgendwie präjudiziert. Für die Rechtslage in Bayern sei dies inzwischen anders. Hier habe sich der Bayerische Verwaltungsgerichtshof inzwischen eindeutig positioniert und die bayerische Regelung für unionsrechtswidrig befunden (BayVGH, B.v. 21.3.2023 – 23 CS 22.2677 – juris). Zum einen komme Sportwetten eine geringere Gefährlichkeit zu. Zum anderen seien Sportwetten außerhalb von Wettvermittlungsstellen durch Lottoannahmestellen, mobil auf dem Handy und im Internet legal omnipräsent. Sie seien faktisch auch viel weiter verbreitet. Kinder und Jugendliche seien derartigen Angeboten daher ohnehin ausgesetzt. Die Regelung des Art. 7 Abs. 2 Nr. 4 AGGlüStV stelle im Vergleich zur Praxis der übrigen Landesausführungsgesetzgebung eine Ausnahmeerscheinung dar. Der unionsrechtlich erforderliche Gefahrennachweis könne nicht geführt werden. Er sei aber anerkanntermaßen Voraussetzung für Beschränkungen der Dienstleistungsfreiheit. Darüber hinaus sei Inkohärenz gegeben. Das Mindestabstandserfordernis verkenne vollständig die regulatorischen Rahmenbedingungen des AGGlüStV und des GlüStV 2021. Das gelte zum einen im Hinblick auf den Internetvertrieb als gefährlichere Betriebsform. Zudem sehe das Ausführungsgesetz keine Mindestabstandsgebote zu Kinder- und Jugendhilfeeinrichtungen für Spielhallen oder Annahmestellen vor. Aus suchtpräventiver Sicht sei besonders die Ungleichbehandlung zwischen Wettvermittlungsstellen und Spielhallen frappierend. Die Abstandsregelung sei darüber hinaus nicht geeignet zur Erreichung ihrer Zielsetzung. Sie sei auch unverhältnismäßig, weil sie nicht erforderlich sei; als milderes Mittel wären qualitative Anforderungen an das Angebot oder die Auswahl der Anbieter möglich gewesen.
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Die Erlaubniserteilung mit längerer Geltungsdauer sei nach der Neufassung des Ausführungsgesetzes zum Glücksspielstaatsvertrag möglich und geboten. Denn nach der Regelung des Art. 15 Abs. 2 AGGlüStV finde Art. 7 Abs. 2 AGGlüStV für Wettvermittlungsstellen, für die – wie hier – am 16. Juni 2020 ein Duldungsbescheid bestanden habe, der bis zum 10. Dezember 2019 beantragt worden sei, keine Anwendung. Die Befristung der Erlaubnis lasse sich auch nicht durch einen Verweis auf Art. 16 Abs. 2 AGGlüStV in Verbindung mit Art. 15 Abs. 2 AGGlüStV rechtfertigen. Diese Vorschriften träfen keine Aussage darüber, für welchen Zeitraum eine Erlaubnis erteilt werden könne. Die Regelung des Art. 16 Abs. 2 AGGlüStV wirke in der Frage der Befristungsdauer nicht ermessenslenkend. Sie verhalte sich bereits ihrem Wortlaut nach nicht zu der Dauer einer nach § 9 Abs. 4 Satz 2 GlüStV zu befristenden Erlaubnis, sondern regele lediglich den zeitlichen Anwendungsbereich des Art. 15 Abs. 2 AGGlüStV. Schließlich sei die kurze Befristung auch unangemessen, also unverhältnismäßig im engeren Sinne. Jedenfalls habe eine Abweichung von den Mindestabstandsvorgaben des Art. 7 Abs. 2 Nr. 4
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AGGlüStV nahegelegen. Der Bescheid erweise sich daher als ermessensfehlerhaft. Der Beklagte hätte sich vertieft mit der Frage gleich geeigneter, aber milderer Mittel beschäftigen müssen, beispielsweise durch Anpassungen bei der Ausgestaltung oder der Öffnungszeiten. Schließlich lasse der Beklagte bei seiner Prüfung den Umstand unberücksichtigt, dass die streitgegenständliche Wettvermittlungsstelle bereits vor Inkrafttreten der in Rede stehenden Mindestabstandsregelung bestanden habe und insoweit Bestands- und Vertrauensschutz genieße. Nach alledem sei die Befristung unter Ziffer 3 des streitgegenständlichen Bescheids rechtswidrig und somit aufzuheben. Jedenfalls stehe der Klägerin ein Anspruch auf Erteilung der Erlaubnis mit längerer Befristung – sowie alle übrigen vom Beklagten erteilten Erlaubnisse – auf mindestens fünf Jahre zu.
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3. Die Regierung von U. beantragte für den Beklagten,
die Klage abzuweisen.
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Zur Begründung verwies die Regierung von U. auf die Gründe des Bescheids vom 8. Juni 2022. Des Weiteren wurde ausgeführt, dass hinsichtlich des Arguments der Unionsrechtswidrigkeit der Mindestabstandsregelung für Altstandorte darauf hinzuweisen sei, dass sich aus dem unionsrechtswidrigen Fehlen eines transparenten Erlaubnisverfahrens nicht ableiten lasse, dass jede vor dessen Einführung ausgeführte Vermittlungstätigkeit dauerhaften Bestandsschutz genießen müsse. Da das Konzessionierungsverfahren für Veranstalter von Sportwetten damals nicht beendet worden sei, hätten letztlich auch keine glücksspielrechtlichen Erlaubnisse für die Vermittler erteilt werden können. Der Betrieb von entsprechenden Einrichtungen sei deshalb unter Berücksichtigung des Anwendungsvorrangs des Unionsrechts lediglich geduldet worden. Diese bloße Duldung lasse sich aber mit einer, eine Legalisierungswirkung entfaltenden behördlichen Genehmigung nicht gleichsetzen, so dass Inhaber von Wettvermittlungsstellen nicht von vornherein auf einen längerfristigen oder sogar zeitlich unbefristeten Betrieb der Wettvermittlungsstellen hätten vertrauen dürfen und können. Der von Klägerseite vorgebrachte Bestandsschutz folge hier also nicht aus einer erteilten Erlaubnis. Zudem ergebe sich dieser nicht einfachgesetzlich, da Art. 7 Abs. 2 Nr. 4 AGGlüStV i.V.m. Art. 15 Abs. 2, 16 Abs. 2 AGGlüStV aufgrund der Duldung keinen Bestandsschutz über den 31. Dezember 2022 hinaus vorsehe. Eine Erlaubniserteilung zum Betrieb einer Wettvermittlungsstelle außerhalb gesetzlicher Regelungen hätte sogar im Widerspruch zu den Anforderungen des EuGHs gestanden, das Erlaubnisverfahren transparent auszugestalten und so einen diskriminierungsfreien Marktzugang zu gewährleisten (vgl. BayVGH, U.v. 8.3.2018 – 10 B 15.994 – BeckRS 2018, 7011, Rn. 46). Zur vermeintlichen Unions- und Verfassungswidrigkeit der Mindestabstandsregelung des Art. 7 Abs. 2 Nr. 4 AGGlüStV sei erwähnt, dass die Regierung von U. als glücksspielrechtliche Erlaubnisbehörde im Regierungsbezirk Unterfranken die Regelung des Art. 7 Abs. 2 Nr. 4 AGGlüStV uneingeschränkt anzuwenden habe. Ihr stehe als Verwaltungsbehörde keine Normverwerfungskompetenz zu. Des Weiteren habe weder das Bundesverfassungsgericht noch der Bayerische Verfassungsgerichtshof die Rechtswidrigkeit der Normen festgestellt, noch habe ein nationales Gericht einen Anwendungsvorrang der Dienstleistungs- bzw. Niederlassungsfreiheit bezüglich dieser Regelungen angenommen. Eine Verfassungs- bzw. Unionsrechtswidrigkeit liege auch nicht offensichtlich auf der Hand. Die Regelungen seien vielmehr verfassungs- und unionsrechtsmäßig. Insbesondere genügten sie dem Gebot der Normenklarheit und der Transparenz. Die mit den Regelungen verbundenen Eingriffe in die Grundrechte bzw. Grundfreiheiten seien durch Gründe des Allgemeinwohls, hier der Suchtprävention im Sinne des § 1 Satz 1 Nr. 1 GlüStV 2021 und Art. 1 Abs. 1 AGGlüStV, gedeckt. Schutzwürdiges Vertrauen der Antragsteller stünde dem nicht entgegen. Die Regelungen und der Normvollzug verstießen auch nicht gegen den Grundsatz der Kohärenz. Darüber hinaus habe sich die Rechtsprechung mit der unions- und verfassungsrechtlichen Konformität von Abstandsregelungen im Glücksspielrecht bereits im Zusammenhang mit dem in anderen Bundesländern seit längerem normierten Mindestabstand zwischen Schulen und Einrichtungen, die überwiegend von Kindern oder Jugendlichen besucht werden, und Spielhallen befasst. Auf diese Ergebnisse könne hier im Grundsatz verwiesen werden. Auch mache der Beklagte sich die umfänglichen rechtlichen Ausführungen der bayerischen Verwaltungsgerichte Augsburg, Regensburg, München und Würzburg zu eigen.
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Der Rechtsauffassung der Klägerin bzgl. der Rechtswidrigkeit der Befristung der Vermittlungserlaubnis zum 31. Dezember 2022 könne nicht gefolgt werden. Nach § 4c Abs. 1 S. 2 GlüStV 2021 könne in begründeten Fällen eine Erteilung der Erlaubnis für eine kürzere Dauer als fünf Jahre festgelegt werden. Ein derartiger begründeter Fall sei vorliegend gegeben. Die Befristung bis zum 31. Dezember 2022 entspreche Sinn und Zweck von Art. 7 Abs. 2 Nr. 4 i.V.m. Art. 15 Abs. 2, 16 Abs. 2 AGGlüStV sowie § 1 GlüStV 2021. Insbesondere sei das von Art. 16 Abs. 2 AGGlüStV vorgesehene Auslaufen der Übergangsregelung des Art. 15 Abs. 2 AGGlüStV ein Gesichtspunkt, der für die Dauer der Befristung berücksichtigungsfähig sei. Es müsse weitergehend konstatiert werden, dass die Erlaubnisbehörde mit einer über den 31. Dezember 2022 hinausgehenden Befristungsdauer sehenden Auges die Rechtswidrigkeit des Dauerverwaltungsaktes „Vermittlungserlaubnis“ nach Ablauf des 31. Dezember 2022 verursachen würde.
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Die Entscheidung der Erlaubnisbehörde, die hier nach pflichtgemäßer Ermessensausübung von der Erteilung einer Ausnahme und der damit einhergehenden Abweichung von den Mindestabstandsvorgaben gem. Art. 7 Abs. 2 Nr. 4 a. E. AGGlüStV abgesehen habe, sei auch nicht ermessensfehlerhaft. Die Klägerin verkenne, dass die Voraussetzung einer in Art. 7 Abs. 2 Nr. 4 a. E. AGGlüStV normierten und im Ermessen der Behörde stehenden Ausnahme von den Mindestabstandsgeboten insbesondere von den Verhältnissen im Umfeld des jeweiligen Standorts und von der Lage der im Einzelfall betroffenen Wettvermittlungsstelle abhängig sei. Die Erteilung einer Ausnahme von der Mindestabstandsregelung erfordere also einen atypischen Sachverhalt. Es wären demnach namentlich besondere topografische Verhältnisse im Umfeld des Standortes zu benennen, durch welche ein Verstoß gegen das Abstandsgebot maßgeblich relativiert werde. Denn im Regelfall solle nach der Gesetzessystematik der Mindestabstand von 250 m Luftlinie eingehalten werden (vgl. VG Leipzig, B.v. 31.1.2022 – 5 L 23/22 – juris Rn. 35). Der gesetzlichen Formulierung wegen seien Ausnahmen deshalb auch nur restriktiv zuzulassen. Da solche Verhältnisse am in Frage stehenden Standort nicht ersichtlich seien, sei der Ausnahmetatbestand nicht erfüllt und folglich richtig auch keine abweichende Erlaubniserteilung möglich. Der glücksspielrechtlichen Erlaubnisbehörde habe auch kein milderes und gleich geeignetes Mittel zur Verfügung gestanden, die Ziele des § 1 GlüStV, die sich auch in den Voraussetzungen des Art. 7 Abs. 2 AGGlüStV wiederspiegeln, in effektiver Weise zu erfüllen, als die Befristung der Erlaubnis bis zum 31. Dezember 2022.
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Vor dem Hintergrund der Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 21. März 2023, Az. 23 CS 22.2677, nahm die Regierung von U. mit Schreiben vom 20. Juni 2023 ergänzend wie folgt Stellung: Entgegen dem Vortrag der Klägerseite gebe es zahlreiche wissenschaftliche Studien und suchtfachliche Stellungnahmen, die ein hohes Gefährdungspotential von Sportwetten sowie die Wirksamkeit von Abstandsgeboten belegten. Dass für Spielhallen kein gesetzlicher Mindestabstand zu Schulen, Kinder- und Jugendeinrichtungen sowie Suchtbehandlungs- und Suchtberatungsstellen vorgesehen sei, führe nicht dazu, dass die Verwirklichung der mit dem hier streitgegenständlichen Abstandsgebot verfolgten Ziele, nämlich zum einen die Erfüllung des gesetzlichen Begrenzungsauftrags aus § 21a Abs. 1 Satz 1 GlüStV und § 1 Satz 1 Nr. 2 GlüStV 2021 durch die qualitativen Kriterien des Art. 7 Abs. 2 AGGlüStV, zum anderen der Jugend- und Spielerschutz, insbesondere die Vermeidung eines Gewöhnungseffektes von Sportwetten im täglichen Umfeld, (vollständig) aufgehoben werde. Das Abstandsgebot bei Wettvermittlungsstellen sei und bleibe vielmehr auch ohne ein entsprechendes Abstandsgebot bei Spielhallen für die Erreichung der Ziele „Erfüllung des gesetzlichen Begrenzungsauftrags“ und „Jugend- und Spielerschutz“ trotzdem förderlich und trage zur Zielerreichung immer noch bei. Ein Konterkarieren in dem Sinne, wie es die Rechtsprechung des BVerwG fordere, nämlich die (vollständige) Aufhebung der Eignung zur Zielerreichung, sei damit nicht gegeben. Gaststätten mit Geldspielgeräten, die von außen nur als Gaststätten wahrgenommen werden können, begründeten nicht gleichermaßen die Gefahr, dass Glücksspiel als alltäglicher Bestandteil des Lebens wahrgenommen werde. Daher erweise sich ein Abstandsgebot, das einem solchen Gewöhnungseffekt entgegenwirken soll, bei Gaststätten mit Geldspielgeräten schon nicht als geeignet, jedenfalls aber nicht als erforderlich. Die Abstandsregelung des Art. 7 Abs. 2 Nr. 4 AGGlüStV genüge schließlich auch dem unionsrechtlichen Kohärenzerfordernis. Der bayerische Gesetzgeber habe durch die Einführung der Abstandsregelung bei Sportwettvermittlungsstellen im Hauptgeschäft auf die spezifischen Gefahren, die Sportwetten im öffentlichen Raum auf Kinder und Jugendliche und suchtgefährdete Personen ausüben, in verhältnismäßiger und kohärenter Weise reagiert.
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4. Mit Beschluss vom 10. Januar 2023 lehnte die Kammer den Antrag der Klägerin im einstweiligen Rechtsschutzverfahren, der auf eine einstweilige Weitergeltung einer befristeten glücksspielrechtlichen Erlaubnis für den Betrieb einer Wettvermittlungsstelle über den Zeitpunkt der Befristung hinaus gerichtet war, ab (Az. W 5 E 22.1986). Das Beschwerdeverfahren beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof (Az. 23 CE 23.88) wurde mit Beschluss vom 19. April 2023 eingestellt, nachdem die Beteiligten das Eilverfahren aufgrund der Erklärung des Beklagten bezüglich der aktiven Duldung der Wettvermittlungsstelle bis zur rechtskräftigen Klärung der Rechtmäßigkeit des gesetzlichen Abstandsgebots des Art. 7 Abs. 2 Nr. 4 AGGlüStV übereinstimmend für erledigt erklärt haben.
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Mit Schreiben vom 2. Mai 2023 teilte die Regierung von U. im vorliegenden Verfahren mit, dass der Beklagte mit Schreiben vom 29. März 2023 die Vermittlung der Produkte der … … … am streitgegenständlichen Standort durch die Klägerin vorläufig und vorbehaltlich zwischenzeitlicher Rechtsänderungen bis zu einer rechtskräftigen gerichtlichen Klärung der Rechtmäßigkeit des Abstandsgebot des Art. 7 Abs. 2 Nr. 4 AGGlüStV geduldet habe.
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5. Die Regierung von U. erklärte für den Beklagten mit Schreiben vom 20. Juni 2023 ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung, die Klägerin mit Schriftsatz ihres Klägerbevollmächtigten vom 14. September 2023.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichts- und Behördenakten (auch im Verfahren W 5 E 22.1986) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Über die Klage konnte mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden werden (§ 101 Abs. 2 VwGO).
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Die Klage ist im Hauptantrag sowie den hilfsweise gestellten Klageanträgen zu II) und zu III) unzulässig. Im Hilfsantrag zu IV) ist die Klage zwar zulässig, aber nur insoweit begründet, als der Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 8. Juni 2022 verpflichtet werden soll, über den Antrag der Klägerin unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden.
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1. Im Hinblick auf den Klageantrag zu I) ist die auf Aufhebung der Befristungsregelung gerichtete Anfechtungsklage bereits unzulässig. Die Klägerin begehrt mit ihrem Hauptantrag eine isolierte Anfechtung der Befristungsregelung des Bescheides vom 8. Juni 2022 in Ziffer 3 Satz 1, um zunächst eine unbefristete glücksspielrechtliche Erlaubnis zu erhalten. Eine isolierte Anfechtung der Befristungsregelung ist jedoch schon nicht statthaft und somit unzulässig.
24
Grundsätzlich können belastende Nebenbestimmungen – wie die Befristung im Sinne von Art. 36 Abs. 2 Nr. 1 BayVwVfG – nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zwar mit der Anfechtungsklage isoliert angefochten werden. Dementsprechend ist es keine Frage der Zulässigkeit, sondern vielmehr der Begründetheit, ob diese Anfechtungsklage auch zur isolierten Aufhebung der Nebenbestimmung führen kann. Dies hängt davon ab, ob der begünstigende Verwaltungsakt auch ohne die Nebenbestimmung sinnvoller- und rechtmäßigerweise bestehen bleiben kann (vgl. BVerwG, U.v. 22.11.2000 – 11 C 2/00 – BVerwGE 112, 221 – juris Rn. 25). Eine Ausnahme davon besteht jedoch dann, wenn eine isolierte Aufhebbarkeit offenkundig von vornherein ausscheidet. Dies ist der Fall, wenn die fragliche Bestimmung den Regelungsgehalt des Hauptverwaltungsaktes definiert oder modifiziert (vgl. BVerwG, B.v. 31.1.2019 – 8 B 10.18 – BeckRS 2019, 3529 Rn. 5). So liegt es hier. Entgegen der Auffassung des Klägerbevollmächtigten betrifft die Frage der Teilbarkeit des vorliegenden Verwaltungsakts und seiner Befristung somit nicht nur die Begründetheit der Anfechtungsklage, was die Statthaftigkeit der isolierten Anfechtung der Befristung nach sich zöge, sondern aufgrund der Offenkundigkeit bereits deren Zulässigkeit. Das ergibt sich aus folgenden Erwägungen:
25
Bei der vorliegenden glücksspielrechtlichen Erlaubnis zum Betrieb einer Wettvermittlungsstelle gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1, § 21a Abs. 1 Satz 2 GlüStV 2021 (Glücksspielstaatsvertrag 2021 vom 29.10.2020 – GlüStV; Beschluss des Bayerischen Landtags vom 24.2.2021, GVBl S. 97, S. 288) i.V.m. Art. 2, Art. 7 AGGlüStV (AGGlüStV vom 20. Dezember 2007, GVBl. 2007, 922; zuletzt geändert durch § 1 des Gesetzes vom 22.4.2022, GVBl. S. 147) ist die Befristung ein integraler Teil des Hauptverwaltungsakts. Gemäß § 9 Abs. 4 Satz 2 GlüStV 2021 ist eine glücksspielrechtliche Erlaubnis ausdrücklich stets befristet zu erteilen. Eine isolierte Anfechtung der Befristung scheidet hier dementsprechend offenkundig aus, da sonst eine glücksspielrechtliche Erlaubnis entstehen würde, die rechtmäßig nicht bestehen bleiben kann. Eine unbefristete glücksspielrechtliche Erlaubnis ist ausdrücklich vom Gesetzgeber nicht gewollt und stünde zu einer isolierten Anfechtung in einem eklatanten, nicht hinnehmbaren Widerspruch (vgl. VGH Mannheim, B.v. 11.8.2022 – 6 S 790/22 – BeckRS 2022, 20757 Rn. 16; VG Augsburg, B.v. 24.1.2023 – Au 8 S 22.2446 – BeckRS 2023, 9045 Rn. 28; vgl. Engelhardt, ZfWG 2023, 135, 138). Der unmissverständlich zum Ausdruck gebrachte Wille des Gesetzgebers aus § 9 Abs. 4 Satz 2 GlüStV 2021 steht einer Teilbarkeit des Hauptverwaltungsakts und der Nebenbestimmung hier offensichtlich entgegen. In einem solchen Fall erscheint es somit angezeigt, schon die Teilanfechtung der Befristung als nicht statthaft und damit unzulässig zu bewerten und damit eine Ausnahme von der Anfechtbarkeit aller Nebenbestimmungen zuzulassen (vgl. Pietzcker/Marsch in: Schoch/Schneider, VwGO, 44. EL März 2023, § 42 Rn. 131).
26
Eine andere Beurteilung ergibt sich nicht durch die Aufnahme von Ziffer 3 Satz 2 in den streitgegenständlichen Bescheid, soweit dort die Erlaubnis an das Bestehen des Wettvermittlungsvertrags und die Veranstalterkonzession geknüpft wird. Es handelt sich hierbei nicht um eine Befristungsregelung im Sinne von § 9 Abs. 4 Satz 2 GlüStV 2021. Die zuständige Regierung von U. hat diesbezüglich klar zum Ausdruck gebracht, dass sie nur mit der Befristung bis zum 31. Dezember 2022 in Ziffer 3 Satz 1 ihrer Verpflichtung als zuständiger Behörde aus § 9 Abs. 4 Satz 2 GlüStV 2021 nachkommen wollte. Mit Ziffer 3 Satz 2 ging es ihr vielmehr darum, zu verhindern, dass eine Erlaubnis für das Vermitteln nicht erlaubter Glücksspiele erteilt wird (vgl. S. 9 f. des Bescheids vom 8.6.2022 unter 2.2 der Gründe). Die Regierung von U. ging hier allgemein – d.h. losgelöst von einer konkreten Konzession und einer diesbezüglich geltenden Befristung – von einer Kopplung der Geltung der Vermittlungserlaubnis an die Geltung der Veranstalterkonzession aus. So knüpfen die Formulierungen „Beendigung des Wettvermittlungsvertrags“ und „Verlust der Konzession des Veranstalters“ gerade nicht (nur) an eine etwaige Befristung an, sondern an zukünftige ungewisse Ereignisse im Sinne von Art. 36 Abs. 2 Nr. 2 BayVwVfG, sodass es sich hierbei nicht um eine Befristung, sondern um eine auflösende Bedingung handelt (vgl. hierzu etwa die Ausführungen bei VG Würzburg, B.v. 1.2.2023 – W 5 S 23.98 – juris Rn. 30 f.).
27
2. Die Ausführungen zur Unzulässigkeit der Klage auf isolierte Aufhebung der Befristungsregelung gelten gleichermaßen für die hilfsweise gestellten Klageanträge zu II) und zu III), mit denen die Klägerin unter Aufhebung der Befristungsregelung in Ziffer 3 Satz 1 des Bescheides vom 8. Juni 2022 mittels einer Verpflichtungsklage begehrt, den Beklagten zu verpflichten, die erteilte Erlaubnis bis zum 8. Juni 2027 zu befristen bzw. unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut über die Befristung zu entscheiden. Nach Auslegung dieser Klageanträge gemäß § 88 VwGO handelt es sich dabei jeweils um eine Verpflichtungsklage in Kombination mit der isolierten Anfechtung der Befristungsregelung in Ziffer 3 Satz 1 des Bescheides der Regierung von U.. Auch innerhalb dieses Rahmens ist die isolierte Anfechtung der Befristungsregelung jedoch nicht statthaft und somit unzulässig, da auch dahingehend die isolierte Aufhebbarkeit der Befristungsregelung allein ausscheidet (vgl. unter 1.).
28
3. Im Hinblick auf den hilfsweise gestellten Klageantrag zu IV) stellt sich die Klage als zulässig und teilweise begründet dar.
29
3.1. Die Klägerin begehrt im Klageantrag zu IV) die Aufhebung des gesamten Bescheids der Regierung von U. vom 8. Juni 2022 im Rahmen einer Verpflichtungsklage auf Erteilung der begehrten Erlaubnis befristet bis zum 8. Juni 2027 bzw. auf die Neubescheidung des Antrags der Klägerin über die Erteilung der Erlaubnis für die streitgegenständliche Wettvermittlungsstelle unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts (§ 113 Abs. 5 Satz 1 bzw. Satz 2 VwGO). Dieser Antrag stellt sich nach den Ausführungen unter 1. und 2. als statthaft dar.
30
3.2. Die Klage ist vorliegend insoweit begründet, als die Klägerin begehrt, den Beklagten unter Aufhebung des Bescheids von 8. Juni 2022 zu verpflichten, unter Rechtsauffassung des Gerichts erneut über den Antrag der … … … auf Erteilung der Erlaubnis für die streitgegenständliche Wettvermittlungsstelle zu entscheiden, denn die Klägerin hat grundsätzlich einen Anspruch auf Erteilung der glücksspielrechtlichen Erlaubnis.
31
Gemäß § 21a Abs. 1 Satz 2 GlüStV 2021 bedarf die Vermittlung von Sportwetten in Wettvermittlungsstellen der Erlaubnis nach § 4 Abs. 1 Satz 1 GlüStV 2021. Das Nähere regeln ausweislich des § 21a Abs. 5 GlüStV 2021 die Ausführungsbestimmungen der Länder. Diese Ausführungsbestimmungen finden sich für den Freistaat Bayern im Gesetz zur Ausführung des Staatsvertrages zum Glücksspielwesen in Deutschland (AGGlüStV). Nach § 4 Abs. 1 GlüStV 2021 i.V.m. Art. 2 AGGlüStV bedarf das Vermitteln öffentlicher Glücksspiele der Erlaubnis. Grundsätzlich besteht danach bei Vorliegen der Voraussetzungen des Art. 2 Abs. 1 und 2 AGGlüStV ein Anspruch auf die begehrte Erlaubnis, es sei denn, es liegen Versagungsgründe im Sinne von Art. 7 Abs. 2 AGGlüStV vor.
32
Nach § 4 Abs. 2 GlüStV 2021 ist die Erlaubnis zu versagen, wenn das Veranstalten oder das Vermitteln des Glücksspiels den Zielen des § 1 GlüStV 2021 zuwiderläuft. Die Erlaubnis darf auch nicht für das Vermitteln nach dem Staatsvertrag nicht erlaubter Glücksspiele erteilt werden. Die Voraussetzungen für die Erlaubniserteilung für Wettvermittlungsstellen regeln außerdem Art. 2 Abs. 1 AGGlüStV sowie Art. 7 AGGlüStV. Diesbezüglich bestehen hier grundsätzlich keine Bedenken; die Regierung von U. geht im streitgegenständlichen Erlaubnisbescheid davon aus, dass eine Erlaubnisfähigkeit grundsätzlich gegeben ist. Auch die erforderliche Veranstaltererlaubnis (Art. 2 Abs. 2 AGGlüStV) liegt vor. Aus der sog. Whitelist der Gemeinsamen Glücksspielbehörde der Länder, welche gemäß § 9 Abs. 8 GlüStV 2021 alle Veranstalter und Vermittler von Glücksspielen aufführt, die über eine Erlaubnis oder Konzession nach dem GlüStV 2021 verfügen, geht hervor, dass der … … … eine solche Konzession für die Veranstaltung von Glücksspielen erteilt worden ist (vgl. Whitelist der gemeinsamen Glücksspielbehörde der Länder gem. § 9 Abs. 8 GlüStV 2021, Tabelle 7, S. 16, Stand: 22.8.2023).
33
Entgegen der Ansicht des Beklagten steht der Erteilung der Erlaubnis jedoch der Versagungsgrund aus Art. 7 Abs. 2 Nr. 4 AGGlüStV nicht entgegen. Das Mindestabstandsgebot, welches sich aus Art. 7 Abs. 2 Nr. 4 AGGlüStV ergibt, verstößt gegen Unionsrecht und ist damit aufgrund des Anwendungsvorrangs des Unionsrechts unanwendbar auf Wettvermittlungsstellen, in denen Sportwetten für einen in einem anderen EU-Mitgliedstaat ansässigen Veranstalter vermittelt werden.
34
Art. 7 Abs. 2 Nr. 4 AGGlüStV besagt, dass der Betrieb einer Wettvermittlungsstelle im Hauptgeschäft unzulässig ist und die Erlaubnis hierfür unbeschadet Art. 2 Abs. 1 auch zu versagen ist, wenn Sportwetten vermittelt werden ohne einen Mindestabstand von 250 m Luftlinie gemessen von Eingangstür zu Eingangstür zu bestehenden Schulen für Kinder und Jugendliche, Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe, die sich an Kinder im Alter von mindestens sechs Jahren richten, sowie Suchtberatungs- und Suchtbehandlungsstellen, wobei die zuständige Erlaubnisbehörde unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Umfeld des jeweiligen Standorts und der Lage des Einzelfalls Ausnahmen von dem Mindestabstand zulassen kann.
35
a) Dass der von Art. 7 Abs. 2 Nr. 4 AGGlüStV geforderte Mindestabstand zwischen der streitgegenständlichen Wettvermittlungsstelle und einer Suchtberatungsstelle sowie einer Schule für Kinder und Jugendliche tatsächlich nicht eingehalten wird, ist zwischen den Beteiligten unstreitig. Vorliegend befindet sich die Wettvermittlungsstelle mit der Anschrift K. … W. in unmittelbarer Nähe zum R.-Gymnasium (Re. … W.; ca. 190 m), zum S.-Gymnasium (Re. … W.; ca. 240 m), zur J.-Schule-W. (Wa. … W.; ca. 215 m), ferner zum Haus St. … (B. P. … W.; ca. 48 m), das neben einem Jugendwohnheim auch eine heilpädagogische Wohngruppe u.a. für unbegleitete Flüchtlinge beherbergt, sowie zur Würzburger Fachambulanz für Abhängigkeitskranke (N. … W.; ca. 130 m).
36
b) Jedoch verstößt die Vorschrift des Art. 7 Abs. 2 Nr. 4 AGGlüStV gegen die unionsrechtliche Dienstleistungsfreiheit gemäß Art. 56 AEUV.
37
aa) Die unionsrechtlichen Grundfreiheiten kommen vorliegend zur Anwendung, da es sich bei dem Vorgang der Sportwettenvermittlung um einen grenzüberschreitenden Sachverhalt handelt. Sportwettenveranstalterin ist die … … … mit Sitz in M., die sich hierbei einer Sportwettvermittlerin, der Klägerin, zur erleichterten Erbringung ihrer Dienstleistung in einem anderen Mitgliedstaat bedient. Die grenzüberschreitende Sportwettenveranstaltung stellt somit die Erbringung einer grenzüberschreitenden Dienstleistung dar (vgl. BayVGH, U.v. 12.6.2012 – 10 B 10.2959 – BeckRS 2012, 56214 Rn. 26; B.v. 21.3.2023 – 23 CS 22.2677 – juris Rn. 27). Ein grenzüberschreitender Sachverhalt ist grundsätzlich stets zu bejahen, wenn – wie hier – eine Gesellschaft mit Sitz in einem Mitgliedstaat der Tätigkeit der Wettannahme durch Vermittlung seitens eines in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen Wirtschaftsteilnehmers nachgeht. Eine solche Tätigkeit fällt demnach in den Anwendungsbereich der Dienstleistungsfreiheit, sobald wenigstens einer der Leistungsanbieter in einem anderen Staat als dem niedergelassen ist, in dem die Leistung angeboten wird (st.Rspr., vgl. EuGH, U.v. 24.3.1994 – C-275/92 – juris Rn. 25 ff.; U.v. 21.10.1999 – C-67/98 – juris Rn. 24; U.v. 6.11.2003 – C-243/01 – juris Rn. 46; U.v. 8.9.2010 – C-316/07 u.a. – juris Rn. 56 f.; U.v. 8.9.2010 C-46/08 – juris Rn. 41; U.v. 15.9.2011 – C-347/09 – juris Rn. 37; U.v. 4.2.2016 – C-336/14 – juris Rn. 43).
38
bb) Beschränkungen der unionsrechtlichen Dienstleistungsfreiheit sind nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs grundsätzlich dann zulässig, wenn die restriktiven Maßnahmen nicht diskriminierend sind, durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt sowie geeignet sind, die Verwirklichung des mit ihnen verfolgten, unionsrechtlich legitimen Ziels zu gewährleisten und tatsächlich dazu beizutragen, die Gelegenheiten zum Spielen zu verringern und die Tätigkeiten im Glücksspiel in kohärenter und systematischer Weise zu begrenzen, und weiterhin nicht über das hinausgehen, was zur Erreichung dieses Zieles erforderlich ist (vgl. EuGH, U.v. 6.11.2003 – C-243/01 – juris Rn. 62 ff.; U.v. 22.6.2017 – C-49/16 – juris Rn. 36 f. unter Bezugnahme auf U.v. 8.9.2010 – C-46/08, ECLI:EU:C:2010:505, Rn. 46 und die dort angeführte Rechtsprechung; U.v. 19.7.2012 – C-470/11 – juris Rn. 39; U.v. 16.2.2012 – C-72/10 und C-77/10 – juris Rn. 71; EuGH, U.v. 8.9.2010 – C-316/07, C-358/07 bis C-360/07, C-409/07 und C-410/07 – juris Rn. 88).
39
Da die Vorschriften betreffend die Erlaubniserteilung für das Betreiben von Wettvermittlungsstellen gleichermaßen für Inländer wie für Ausländer gelten, sind Anhaltspunkte für eine diskriminierende Anwendung nicht ersichtlich.
40
In Ermangelung einer unionsrechtlichen Harmonisierung dürfen die Mitgliedstaaten ihre Glücksspielpolitik im Übrigen grundsätzlich ihrer eigenen Werteordnung entsprechend ausrichten und das angestrebte Schutzniveau selbst bestimmen. Bei der Festlegung der umzusetzenden Ziele und der Anforderungen, die sich aus dem Schutz der Verbraucher und der Sozialordnung ergeben, steht den Mitgliedstaaten ein weiter Gestaltungsspielraum zu und sie sind nicht gehindert, den lokalen Behörden ein weites Ermessen einzuräumen (vgl. EuGH, U.v. 12.6.2014 – C 1567/13 – juris Rn. 32; U.v. 19.7.2012 – C-470/11 – juris Rn. 36; U.v. 8.9.2010 – C-316/07, C-358/07 bis C-360/07, C- 409/07 und C-410/07 – juris Rn. 76). Es ist daher grundsätzlich Sache des Mitgliedstaates zu beurteilen sowie der mitgliedstaatlichen Gerichte zu prüfen, ob es im Zusammenhang mit den verfolgten legitimen Zielen erforderlich ist, Tätigkeiten, die die Veranstaltung von Glücksspielen betreffen, vollständig oder teilweise zu verbieten, oder ob es genügt, sie zu beschränken und zu diesem Zweck mehr oder weniger strenge Kontrollformen vorzusehen, wobei die Notwendigkeit und die Verhältnismäßigkeit der erlassenen Maßnahmen allein im Hinblick auf die verfolgten Ziele und das von den betreffenden nationalen Stellen angestrebte Schutzniveau zu beurteilen ist (so EuGH, U.v. 22.6.2017 – C-49/16 – juris Rn. 37 unter Bezugnahme auf Urteil vom 8.9.2010 – C-46/08, ECLI:EU:C:2010:505, Rn. 46 und die dort angeführte Rechtsprechung; U.v. 8.9.2010 – C-316/07, C-358/07 bis C-360/07, C-409/07 und C-410/07 – juris Rn. 91; U.v. 19.7.2012 – C-470/11 – juris Rn. 38).
41
cc) Per se ist unter Zugrundelegung dieser Vorgaben gegen das Mindestabstandsgebot des Art. 7 Abs. 2 Nr. 4 AGGlüStV nichts einzuwenden. Es verfolgt einen zwingenden Grund des Allgemeininteresses darin, der Spielsucht vorzubeugen und sie zu bekämpfen, da das Glücksspielangebot vor Ort und Anreize zum Spielen verringert werden (vgl. LT-Drs. 18/5861 S. 9). Insbesondere soll das Mindestabstandsgebot angesichts des hohen Gefährdungs- und Suchtpotenzials von Sportwetten zu sensiblen Stellen, wie Kinder- und Jugendeinrichtungen und Suchtberatungsstellen, einem Gewöhnungseffekt des verbreiteten, stets verfügbaren Angebots entgegenwirken und dient damit u.a. auch dem Jugend- und Spielerschutz, indem es jedenfalls dazu beiträgt, die Gelegenheiten zum Spiel zu verhindern (vgl. BayVGH, B.v. 21.3.2023 – 23 CS 22.2677 – juris Rn. 34 ff.). Durch die örtliche Begrenzung von Wettvermittlungsstellen soll grundsätzlich die Nachfrage nach Sportwetten in kontrollierte Bahnen gelenkt werden, sodass auch nicht unterstellt werden kann, dass das Abstandsgebot nur vorgeblich dem Spieler- und Jugendschutz dient und der Gesetzgeber damit in Wirklichkeit andere (fiskalische) Ziele verfolgt (vgl. BayVGH, B.v. 21.3.2023 – 23 CS 22.2677 – juris Rn. 46). Vor dem Hintergrund der schweren Folgen der Spielsucht und des erheblichen Gefährdungs- und Suchtpotenzials von Sportwetten stehen die mit dem Abstandsgebot verbundenen Beschränkungen der Vermittlung von Sportwetten auch nicht außer Verhältnis zu den damit verfolgten Zielen des Spieler- und Jugendschutzes. Dies überwiegt hier insbesondere gegenüber dem wirtschaftlichen Interesse der Betreiber von Wettvermittlungsstellen, von der Verpflichtung zur Einhaltung des Abstandsgebots verschont zu bleiben (vgl. BayVGH, B.v. 21.3.2023 – 23 CS 22.2677 – juris Rn. 47).
42
Auch Vertrauensschutzgesichtspunkte stehen dem Abstandsgebot für Wettvermittlungsstellen durch Art. 7 Abs. 2 Nr. 4 AGGlüStV grundsätzlich nicht entgegen (vgl. BayVGH, B.v. 21.3.2023 – 23 CS 22.2677 – juris Rn. 48 ff.). Insbesondere im Hinblick auf den von der Klägerin geltend gemachten Bestandsschutz bestehen keine Bedenken. Vorliegend war gemäß Art. 15 Abs. 2 AGGlüStV eine Übergangsregelung geschaffen worden, wonach für Wettvermittlungsstellen, für die am 16. Juni 2020 ein Duldungsbescheid bestand, der bis zum 10. Dezember 2019 beantragt worden war, die Mindestabstandsregelung des Art. 7 Abs. 2 Nr. 4 AGGlüStV zunächst keine Anwendung fand. Aufgrund des gerichtlich gestoppten Verfahrens zur Erteilung der Konzessionen für die Sportwettenveranstalter war – um die Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben insbesondere zur Zuverlässigkeit des Betreibers und zum Spielerschutz effektiver überprüfen zu können – die Möglichkeit eröffnet worden, eine formelle Duldung zu erhalten. Durch die Übergangsregelung sollten Anbieter bzw. Betreiber der Wettvermittlungsstellen, die sich diesem Duldungsverfahren unterworfen hatten und deren Wettvermittlungsstellen weiterhin einen zuverlässigen Betreiber aufwiesen, in ihren im Vertrauen auf den Bestand des Duldungsbescheides getätigten Investitionen geschützt und daher für eine Übergangszeit von den Regelungen zu Mindestabständen befreit werden (vgl. LT-Drs. 18/5861 S. 12). Diese Übergangsregelung trat gemäß Art. 16 Abs. 2 AGGlüStV außer Kraft. Eine weitere Verlängerung der Übergangsfrist war nicht geboten, um den Zweck des Abstandsgebots, Kinder und Jugendliche sowie Suchtgefährdete und -kranke vor den von Sportwetten ausgehenden Gefahren zu schützen und das Angebot an Sportwettmöglichkeiten einzudämmen, durchsetzen zu können (vgl. Heimerl/Reiter, BayVBl 2022, 837, 840). Demgemäß war auch die Geltungsdauer etwaiger erteilter Erlaubnisse längstens bis 31. Dezember 2022 zu befristen (vgl. VG München, U.v. 21.7.2022 – M 27 K 22.1646 – juris Rn. 19; U.v. 1.12.2022 – M 27 K 22.5829 – juris Rn. 15).
43
dd) Allerdings verstößt das Mindestabstandsgebot gegen das unionsrechtliche Kohärenzgebot. Die Kammer schließt sich dahingehend den Ausführungen des BayVGH aus dem Beschluss vom 21. März 2023 (Az. 23 CS 22.2677) an. Dieser führt hierzu u.a. aus (BayVGH, B.v. 21.3.2023 – 23 CS 22.2677 – juris Rn. 53 ff.):
„cc) Allerdings verstößt das Abstandsgebot des Art. 7 Abs. 2 Nr. 4 AGGlüStV voraussichtlich gegen das unionsrechtliche Kohärenzgebot, weil Spielhallen im Gegensatz zu Wettvermittlungsstellen im Hauptgeschäft – trotz vergleichbarer Außenwirkung – keinen entsprechenden Mindestabstand zu Schulen, Kinder- und Jugendeinrichtungen sowie Suchtberatungs- und -behandlungsstellen einhalten müssen, obwohl das Gefährdungs- und Suchtpotenzial von Geldspielgeräten auch für Jugendliche als mindestens ebenso hoch wie das von Sportwetten anzusehen ist.
(1) Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union setzt die Geeignetheit einer die Dienstleistungsfreiheit beschränkenden Regelung neben den unter bb) bejahten Anforderungen zusätzlich voraus, dass diese zur Erreichung der mit ihr verfolgten Gemeinwohlzwecke in systematischer und kohärenter Weise beiträgt (sog. Kohärenzgebot, vgl. EuGH, U.v. 21.10.1999 – C-67/98, Zenatti – juris Rn. 35 f., U.v 6.11.2003 – C-243/01, Gambelli – juris Rn. 62 und 67; U.v. 6.3.2007 – C-338/04 u.a., Placanica – juris Rn. 52 f.; U.v. 3.6.2010 – C-258/08, Ladbrokes – juris Rn. 38; U.v. 8.9.2010 – C-316/07 u.a., Stoß u.a. – juris Rn. 88 ff.; U.v. 8.9.2010 – C-46/08, Carmen Media – juris Rn. 55, 64 ff.; U.v. 19.7.2012 – C-470/11, Garkalns – juris Rn. 48). Diese Anforderung gilt nicht nur für die Rechtfertigung staatlicher Glücksspielmonopole, sondern für die Rechtfertigung von Einschränkungen der Dienstleistungsfreiheit allgemein (vgl. EuGH, U.v. 10.3.2009 – C-169/07, Hartlauer – juris Rn. 55 ff.), auch wenn bei der Anwendung dieser Kriterien nicht außer Acht gelassen werden darf, dass die Dienstleistungsfreiheit durch die Errichtung eines staatlichen Monopols ungleich stärker beschränkt wird als durch Regelungen, die lediglich bestimmte Vertriebs- und Vermarktungsformen verbieten (vgl. EuGH, U.v. 8.9.2010 – C-316/07 u.a., Stoß u.a. – juris Rn. 74 ff. einerseits sowie Rn. 79 ff. andererseits; zum ganzen siehe BVerwG, U.v. 24.11.2010 – 8 C 14.09 – juris Rn. 77 ff.; U.v. 1.6.2011 – 8 C 5.10 – juris Rn. 35).
Danach muss der Mitgliedstaat zum einen die Gemeinwohlziele, denen die die Dienstleistungsfreiheit beschränkende Regelung dienen soll und die diese legitimieren soll, im Anwendungsbereich der Regelung auch tatsächlich verfolgen; er darf nicht in Wahrheit andere Ziele – insbesondere solche finanzieller Art – anstreben, welche die Beschränkung nicht legitimieren könnten (vgl. EuGH, U.v. 21.10.1999 – C-67/98, Zenatti – juris Rn. 35 ff., U.v. 6.11.2003 – C-243/01, Gambelli – juris Rn. 67 ff.; U.v. 8.9.2010 – C-46/08, Carmen Media – juris Rn. 65).
Zum anderen darf die in Rede stehende Regelung nicht durch die Politik in anderen Glücksspielsektoren konterkariert werden (vgl. EuGH, U.v. 8.9.2010 – C-316/07 u.a., Stoß u.a. – juris Rn. 97 ff.; U.v. 8.9.2010 – C-46/08, Carmen Media – juris Rn. 67 ff.; BVerwG, U.v. 24.11.2010 – 8 C 14.09 – juris Rn. 77 ff.; U.v. 1.6.2011 – 8 C 5.10 – juris Rn. 35; U.v. 20.6.2013 – 8 C 10.12 – juris Rn. 31 ff., 51 ff.; U.v. 16.12.2016 – 8 C 6.15 – BVerwGE 157, 126 juris Rn. 84 f.; U.v. 26.10.2017 – 8 C 18.16 – juris Rn. 41). Dies verlangt zwar weder eine Uniformität der Regelungen noch eine Optimierung der Zielverwirklichung oder eine föderale Zuständigkeiten übergehende Gesamtkohärenz glücksspielrechtlicher Maßnahmen (vgl. EuGH, U.v. 10.3.2009 – C-169/07, Hartlauer – juris Rn. 60; U.v. 8.9.2010 – C-316/07 u.a., Stoß u.a. – juris Rn. 95 f.; U.v. 8.9.2010 – C-46/08, Carmen Media – juris Rn. 62 f.). Das gewinnt Bedeutung namentlich in Mitgliedstaaten wie Deutschland, zu deren Verfassungsgrundsätzen eine bundesstaatliche Gliederung in Länder mit je eigener Gesetzgebungsautonomie (vgl. Art. 28 Abs. 1, Art. 79 Abs. 3, Art. 23 Abs. 1 Satz 3 GG) gehört (vgl. EuGH, U.v. 12.6.2014 – C-156/13, Digibet und Albers – juris Rn. 33 ff.). Jedoch dürfen in anderen Glücksspielsektoren, auch wenn für sie andere Hoheitsträger desselben Mitgliedstaates zuständig sind, nicht Umstände durch entsprechende Vorschriften herbeigeführt werden, die – sektorenübergreifend – zur Folge haben, dass die in Rede stehende Regelung zur Verwirklichung der mit ihr verfolgten Ziele tatsächlich nicht beitragen kann, so dass ihre Eignung zur Zielerreichung aufgehoben wird (vgl. EuGH, U.v. 8.9.2010 – C-316/07 u.a., Stoß u.a. – juris Rn. 106 und – C-46/08, Carmen Media – juris Rn. 68). So kann in einem dualen System zur Organisation des Glücksspielmarkts, bei dem in einem Bereich nur eine Konzession vergeben wird, um Anreize zu übermäßigen Ausgaben für das Spielen zu vermeiden und die Spielsucht zu bekämpfen, während für andere Bereiche mehrere Konzessionen vergeben werden und dabei eine Politik verfolgt wird, die eher darauf abzielt, zur Teilnahme an diesen anderen Spielen zu ermuntern, als darauf, die Spielgelegenheiten zu verringern, das Ziel des Spielerschutzes nicht mehr wirksam verfolgt werden (vgl. EuGH, U.v. 28.2.2018 – C-3/17, Sporting Odds – juris Rn. 33; U.v. 19.12.2018 – C-357/17, Stanley International Betting und Stanleybet Malta – juris Rn. 50). Das Kohärenzgebot verlangt demnach, dass Regelungen, die die Dienstleistungsfreiheit in einem Bereich einschränken, zur Verwirklichung des mit ihnen verfolgten Ziels nicht durch eine gegenläufige Glücksspielpolitik in anderen Bereichen mit gleich hohem oder höherem Suchtpotenzial unterlaufen wird (vgl. BVerwG, U.v. 16.12.2016 – 8 C 6.15 – BVerwGE 157, 126 juris Rn. 84 f.; SächsOVG, B.v. 17.10.2022 – 6 B 62/22 – juris Rn. 38).
Demgegenüber hat das Bundesverfassungsgericht bei der Prüfung, ob Einschränkungen der Berufsfreiheit in einem Glücksspielbereich konsequent auf die Bekämpfung von Spielsucht ausgerichtet sind, andere Glücksspielformen zwar nur („insbesondere“) dann einbezogen, wenn der Gesetzgeber in einer Konfliktlage mit staatlicher Beteiligung am Spiel- und Wettmarkt (auch) eigene fiskalische Interessen verfolgt und die Glücksspielformen potentiell in Konkurrenz zueinander stehen (vgl. BVerfG, B.v. 7.3.2017 – 1 BvR 1314/12 u.a. – juris Rn. 122 f., 141 ff.; siehe auch BVerwG, B.v. 1.8.2022 – 8 B 15.22 – juris Rn. 6). Die Vereinbarkeit der Abstandsgebote für Spielhallen mit Art. 12 Abs. 1 GG wurde daher nur im Hinblick auf die Regulierung von Spielbanken, bei der nicht ausgeschlossen ist, dass die Abstandsvorgabe indirekt auch fiskalische Interessen der Länder durch Verlagerung auf das Angebot der Spielbanken fördert, näher untersucht, nicht aber im Hinblick auf die Regulierung zu Geldspielgeräten in Gaststätten, bei der keine gesteigerten fiskalischen Interessen auf Seiten der Länder erkennbar sind. In der Sache resultiert daraus indes kein anderer Prüfungsmaßstab bzw. keine geringere Prüfungsdichte mit potentiell abweichenden Ergebnissen, da die unionsrechtlich unter dem Gesichtspunkt der Kohärenz zu betrachtenden Glücksspielsegmente, in denen der Gesetzgeber trotz gleich hohen oder höheren Suchtpotentials auf Abstandsgebote verzichtet hat, verfassungsrechtlich jedenfalls auch auf ihre Vereinbarkeit mit dem allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz (Art. 3 Abs. 1 GG) zu prüfen sind (vgl. BVerfG, B.v. 7.3.2017 a.a.O. Rn. 170 ff.) und bei Vorliegen hinreichender Sachgründe für eine Ungleichbehandlung auch keine unionsrechtliche Inkohärenz angenommen werden kann (vgl. SächsOVG, B.v. 17.10.2022 – 6 B 62/22 – juris Rn. 38).
(2) Gemessen daran verstößt das Abstandsgebot des Art. 7 Abs. 2 Nr. 4 AGGlüStV voraussichtlich gegen das Kohärenzgebot, weil es keine hinreichenden Sachgründe gibt, dass Wettvermittlungsstellen im Hauptgeschäft einen Abstand von 250 m Luftlinie zu Schulen und Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe sowie zu Suchtberatungs- und Suchtbehandlungsstellen einzuhalten haben, während entsprechende Vorgaben für Spielhallen und sonstige Betriebe, in denen Geldspielgeräte aufgestellt sind, trotz vergleichbarer Außenwirkung („Reiz des Verbotenen“) nicht vorgesehen sind, obwohl Geldspielgeräte auch für Jugendliche ein mindestens gleich hohes Gefährdungs- bzw. Suchtpotenzial wie Sportwetten aufweisen, sodass der Zweck des Abstandsgebots durch eine gegenläufige Glücksspielpolitik in einem anderen Bereich mit gleich hohem oder höherem Suchtpotenzial unterlaufen wird (…).
Aufgrund des (zumindest) vergleichbaren Gefährdungs- bzw. Suchtpotenzials von Geldspielgeräten und Sportwetten für Kinder- und Jugendliche sowie der vergleichbaren Außenwirkung von Spielhallen und Wettvermittlungsstellen, die sich u.a. durch die Aufstellung von Geldspielgeräten und Wett-Terminals auch im Erscheinungsbild ähneln (vgl. OVG Berlin-Bbg., B.v. 8.12.2020 – OVG 1 S 82/20 – n.v. S. 13 f.), haben verschiedene Bundesländer zudem (im Wesentlichen) entsprechende Regelungen auch für Wettvermittlungsstellen erlassen (vgl. für Sachsen LT-Drs. 7/873 S. 8; für Berlin AGH-Drs. 17/2974 S. 3; für Rheinland-Pfalz LT-Drs. 16/4671 S. 21). Der vom Gesetzgeber beabsichtigte „Gleichklang“ der Abstandsregelungen bezieht sich dabei auf die damit jeweils verfolgten Ziele des Jugendschutzes und der möglichst frühzeitigen Vorbeugung von Spielsucht, indem die Gewöhnung Minderjähriger an die ständige Verfügbarkeit des Spielangebots durch eine Konfrontation mit diesem in ihrem täglichen Lebensumfeld um Schulen und ähnliche Einrichtungen vermieden werden soll (vgl. SächsOVG, B.v. 17.10.2022 – 6 B 62/22 – juris Rn. 33), wobei der Abstand zu Spielhallen aufgrund des größeren Suchtpotenzials auch weitergezogen werden kann als zu Wettvermittlungsstellen (vgl. BVerwG, U.v. 16.12.2016 – 8 C 4.16 – juris Rn. 28). Sowohl Spielhallen (vgl. SächsOVG, B.v. 26.7.2021 – 6 B 262/21 – juris Rn. 23) als auch Wettvermittlungsstellen (vgl. SächsOVG, B.v. 17.10.2022 – 6 B 62/22 – juris Rn. 26) üben aufgrund ihrer vergleichbaren Außenwirkung einen „Reiz des Verbotenen“ aus, der insbesondere auf Kinder und Jugendliche anziehend wirkt.
Insoweit ergeben sich auch keine signifikanten Unterschiede zwischen Wettvermittlungsstellen und Spielhallen (siehe auch BayVGH, B.v. 7.5.2013 – 10 NE 13.226 – juris Rn. 26; B.v. 8.4.2014 – 22 CS 14.224 – juris Rn. 33), zumal es bei den Abstandsregelungen auch nicht darum geht, eine tatsächliche Teilnahme von Kindern und Jugendlichen an Glücksspielen zu verhindern, die schon durch die Betretens- (§ 6 Abs. 1 JuSchG) und Teilnahmeverbote (§ 4 Abs. 3 Satz 2 GlüStV 2021) rechtlich ausgeschlossen ist. Spielhallen wie auch Wettvermittlungsstellen im täglichen Umfeld von Kindern und Jugendlichen begründen vielmehr beide gleichermaßen die Gefahr, dass Glückspiel als alltäglicher Bestandteil des Lebens wahrgenommen wird. Gerade dieser Wirkung soll mit der Einführung von Abstandsgeboten entgegengetreten werden, wobei davon auszugehen ist, dass Kinder und Jugendliche Wettvermittlungsstellen in ihrem täglichen Umfeld in vergleichbarer Weise wahrnehmen, wie dies auch bei Spielhallen der Fall ist (vgl. VG Leipzig, B.v. 31.1.2022 – 5 L 23/22 – juris Rn. 64).
(c) Demgegenüber wurden in Bayern bislang keine mit Art. 7 Abs. 2 Nr. 4 AGGlüStV vergleichbaren Abstandsregeln für Spielhallen erlassen, obwohl dem Gesetzgeber die Problematik durchaus bewusst war. So wurde das Fehlen von Mindestabständen von Spielhallen im Gesetzgebungsverfahren zum AGGlüStVÄndG 2021 ausdrücklich thematisiert. Laut Änderungsantrag (vgl. LT-Drs. 18/15408) sollte ein entsprechender Mindestabstand auch für Spielhallen eingeführt werden, um Sportwettbüros und Spielhallen in Bezug auf Abstandsregeln gleichzustellen. Zur Begründung hierfür wurde angeführt, vor dem Hintergrund, dass Spielende, die in Suchthilfestellen Hilfe suchen, zum größten Teil Geldspielgeräte nutzen, sei eine „weichere“ Regelung als bei Sportwetten nicht angemessen (a.a.O. S. 2). Der Änderungsantrag wurde abgelehnt, weil dies zu einer einseitigen Schlechterstellung und zu einer Schließung bestehender Spielhallen führen würde (vgl. Plenarprotokoll vom 16.6.2021 Nr. 85, S. 11343, 11350). Hinreichende Sachgründe für eine unterschiedliche Behandlung von Spielhallen und Wettvermittlungsstellen in Bezug auf Mindestabstände zu Schulen und Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe sowie zu Suchtberatungs- und Suchtbehandlungsstellen trotz eines (zumindest) vergleichbaren Gefährdungs- und Suchtpotenzials von Geldspielgeräten und Sportwetten auch für Kinder und Jugendliche sowie einer vergleichbaren Außenwirkung von Spielhallen und Wettvermittlungsstellen auf Minderjährige („Reiz des Verbotenen“), die beide Glücksspielformen als „Gut des täglichen Lebens“ wahrnehmen, sind indes nicht ersichtlich, sodass das allein für Wettvermittlungsstellen im Hauptgeschäft geltende Abstandsgebot des Art. 7 Abs. 2 Nr. 4 AGGlüStV aller Voraussicht nach nicht systematisch und kohärent zur Bekämpfung der Spielsucht beiträgt, weil der mit ihm verfolgte Zweck durch eine gegenläufige Glücksspielpolitik im Bereich von Geldspielgeräten in Spielhallen mit gleich hohem oder höherem Suchtpotenzial wie dem von Sportwetten unterlaufen wird. Der Gesetzgeber setzt sich damit nicht nur in Widerspruch zu seiner eigenen Annahme hinsichtlich des gegenüber Sportwetten höheren Gefährdungs- bzw. Suchtpotenzials von Geldspielgeräten auch für Jugendliche, wie sie dem Glücksspielstaatsvertrag und den dazu ergangenen Ausführungsbestimmungen zugrunde liegt, sondern auch zu den auf dieser Grundlage erlassenen Abstandsregeln anderer Bundesländer. Eine unterschiedliche Regelung in einzelnen Bundesländern führt zwar nicht per se zur Inkohärenz. Die offenkundigen Wertungswidersprüche hinsichtlich der Abstandsvorschriften liegen hier aber auf der Hand, sodass das Vorgehen des Gesetzgebers voraussichtlich nicht mehr von der ihm zukommenden Einschätzungsprärogative gedeckt ist.“
44
Dementsprechend ist vorliegend davon auszugehen, dass das Mindestabstandsgebot aus Art. 7 Abs. 2 Nr. 4 AGGlüStV gegen die Dienstleistungsfreiheit aus Art. 56 AEUV verstößt. Aufgrund des Anwendungsvorrangs des Unionsrechts (vgl. EuGH, U.v. 8.9.2010 – C-409/06 – juris Rn. 53 ff.; BVerwG, U.v. 20.6.2013 – 8 C 10.12 – juris Rn. 58 ff.; BayVGH, U.v. 26.6.2012 – 10 BV 09.2259 – juris Rn. 54) ist die Vorschrift auf Wettvermittlungsstellen im Hauptgeschäft, in denen Sportwetten für einen in einem anderen EU-Mitgliedstaat ansässigen Veranstalter, der über eine Erlaubnis nach dem GlüStV 2021 zur Veranstaltung von Sportwetten verfügt, vermittelt werden, unanwendbar.
45
c) Daraus folgt, dass die Ausführungen der Regierung von U. in dem Bescheid vom 8. Juni 2022 zu Art. 7 Abs. 2 Nr. 4 AGGlüStV, zur Befristung der Erlaubnis bis zum 31. Dezember 2022 und damit der Bescheid insgesamt rechtswidrig sind. Es besteht somit grundsätzlich ein Anspruch auf die Erteilung der glücksspielrechtlichen Erlaubnis zum Betrieb der Wettvermittlungsstelle, da die Erlaubnisvoraussetzungen im Übrigen vorliegen.
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Im Hinblick auf den Klageantrag zu IV) scheidet allerdings eine Verpflichtung des Beklagten zur Erteilung der glücksspielrechtlichen Erlaubnis zum Betrieb der Wettvermittlungsstelle befristet bis zum 8. Juni 2027 mangels Spruchreife im Sinne von § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO aus.
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Eine ausdrückliche Regelung dazu, auf welche Geltungsdauer eine glücksspielrechtliche Erlaubnis zu befristen ist, existiert vorliegend nicht. In § 9 Abs. 4 Satz 2 GlüStV 2021 ist lediglich geregelt, dass die glücksspielrechtliche Erlaubnis stets zu befristen ist. Im Rahmen des § 4c Abs. 1 Satz 1 GlüStV 2021 ist vorgesehen, dass die Erlaubnis für die Veranstaltung von Sportwetten bei erstmaliger Erteilung an den Antragsteller für eine Dauer von fünf Jahren, im Übrigen für eine Dauer von sieben Jahren erteilt wird und die Behörde in begründeten Fällen eine kürzere Dauer festlegen kann. Jedoch ist die Norm nur für die Erteilung der Erlaubnis für das „Veranstalten“ von Sportwetten und nicht – wie hier – für die Erteilung der Erlaubnis an den Wett„vermittler“ für den Betrieb der Wettvermittlungsstelle anwendbar. Zwar trägt die Befristung auf fünf Jahre grundsätzlich den Wertungen des GlüStV 2021 Rechnung und gewährleistet die regelmäßige Überprüfung der Erlaubnisvoraussetzungen. § 4c GlüStV 2021 enthält insoweit einen Ausgleich zwischen dem Amortisationsinteresse des Glücksspielanbieters und dem behördlichen Interesse an regelmäßiger Überprüfung der Erlaubnisvoraussetzungen (vgl. Heimerl/Reiter, BayVBl 2022, 837, 839). Dennoch ist die Regelung im vorliegenden Fall weder anwendbar, noch besteht eine sonstige, ausdrückliche Regelung für die Dauer der Befristung der Erlaubnis gegenüber dem Wettvermittler. Die Erlaubnislaufzeit ist somit nach pflichtgemäßem Ermessen der Behörde festzusetzen (Dietlein/Ruttig, Glücksspielrecht, 3. Aufl. 2022, § 9 Rn. 62).
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Daran ändert sich auch im Hinblick auf die Vollzugshinweise des Bayerischen Staatsministeriums des Innern, für Sport und Integration nichts, welche eine entsprechende Anwendung der Fünf-Jahres-Frist für die Vermittlung von Sportwetten vorsehen (s. Vollzugshinweise des Bayerischen Staatsministeriums vom 1.7.2021, Az. A4-2166-1-197, S. 3: Befristung auf fünf Jahre bei Wettvermittlungsstellen), da diese als Verwaltungsvorschriften grundsätzlich nur interne Wirkung und keine unmittelbare Bindung für das Gericht oder Dritte entfalten, sondern lediglich intern ermessenslenkend wirken.
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Im Ergebnis fehlt es hier damit an der erforderlichen Spruchreife im Sinne von § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO, da die zuständige Behörde hinsichtlich der Befristung jeweils den Einzelfall zu würdigen hat. Die konkrete Bestimmung der Dauer der Befristung steht damit im Ermessen der zuständigen Behörde und ist gerichtlich nur in dem durch § 114 Satz 1 VwGO vorgegebenen Umfang überprüfbar.
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d) Trotz mangelnder Spruchreife im Übrigen besteht letztlich jedoch ein Anspruch der Klägerin auf Neuverbescheidung über den Antrag auf Erteilung der begehrten Erlaubnis unter Beachtung der (soeben dargelegten) Rechtsauffassung des Gerichts unter Aufhebung des Bescheids vom 8. Juni 2022 (§ 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO). Vorliegend ist über den Antrag insgesamt neu zu entscheiden, da die Frage der Befristung, welche materiell unteilbar mit dem Hauptverwaltungsakt verbunden ist (vgl. unter 1.), im Ermessen der Behörde steht.
51
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Danach sind die Kosten verhältnismäßig zu teilen. Obwohl die Klägerin vorliegend im Hinblick auf drei von ihren vier Klageanträgen vollständig unterliegt, war ein Großteil der Kosten dem Beklagten aufzuerlegen. Insbesondere scheiterten die Klageanträge I) bis III) alle jeweils an einer mangelnden isolierten Anfechtbarkeit der Befristung und wirken sich damit kostenmäßig nur zu einem kleinen Teil aus. Inhaltlich war der Klägerin jedoch grundsätzlich im Hinblick auf die Unionsrechtswidrigkeit der Vorschrift des Art. 7 Abs. 2 Nr. 4 AGGlüStV über die Mindestabstandsregelungen Recht zu geben. Die jeweils gestellten Haupt- und Hilfsanträge betreffen vorliegend denselben Gegenstand (vgl. § 45 Abs. 1 Satz 3 GKG) – die Befristung des Bescheides vom 8. Juni 2022 bis zum 31. Dezember 2022. Diese stellt sich aufgrund der Unionsrechtswidrigkeit der Vorschrift aber als rechtswidrig dar, sodass die Klägerin im Wesentlichen ihr Klageziel, die Versagung der glücksspielrechtlichen Erlaubnis aufgrund von Art. 7 Abs. 2 Nr. 4 AGGlüStV ab dem 1. Januar 2023 zu verhindern und den Erhalt einer Erlaubnis mit angemessener Befristung über diesen Zeitpunkt hinaus, erreicht. Ein Unterliegen besteht hier allein darin, dass die Befristung nicht isoliert angefochten werden konnte bzw. mangels Spruchreife keine Verpflichtung im Hinblick auf eine fünfjährige Befristung bis zum 8. Juni 2027 (oder sonst angemessene Befristung) ausgesprochen werden konnte. Die Kostenteilung mit zwei Dritteln zu Lasten des Beklagten ist somit angemessen.
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.