Titel:
Zuständigkeit für Zustellung eines Ausstandsverzeichnisses
Normenketten:
BayVwZVG Art. 19, Art. 26, Art. 24 Abs. 1 Nr. 2
ZPO § 750
Leitsätze:
1. Auf die Vollstreckung von Ausstandsverzeichnissen sind die Vorschriften des Achten Buchs der ZPO über die Zwangsvollstreckung und damit auch § 750 ZPO entsprechend anzuwenden. (Rn. 10) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Anordnungsbehörde übernimmt mit der Vollstreckungsanordnung die Verantwortung dafür, dass die in den Art. 19 und 23 BayVwZVG bezeichneten Voraussetzungen der Zwangsvollstreckung, mithin auch die erfolgte Zustellung des Leistungsbescheids, gegeben sind. Einer erneuten Zustellung durch den Gerichtsvollzieher bedarf es nicht. (Rn. 16 – 20) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Ausstandsverzeichnis, Zustellung, Zuständigkeit, Anordnungsbehörde, vollstreckbare Ausfertigung
Vorinstanz:
AG Kaufbeuren, Beschluss vom 20.07.2023 – 2 M 362/23
Fundstellen:
DGVZ 2024, 188
BeckRS 2023, 43627
LSK 2023, 43627
Tenor
1. Auf die sofortige Beschwerde der Gläubigerin wird der Beschluss des Amtsgerichts Kaufbeuren vom 20.07.2023, Az. 2 M 362/23, aufgehoben.
2. Die Gerichtsvollzieherin wird angewiesen, weitere Vollstreckungsmaßnahmen nicht mit der Begründung abzulehnen, es sei eine Zustellung des zu vollstreckenden Ausstandsverzeichnisses durch den Gerichtsvollzieher erforderlich.
Gründe
1
Die Gläubigerin als kreisfreie Stadt betreibt gegen die Schuldnerin die Vollstreckung aus einem Ausstandsverzeichnis.
2
Die zuständige Gerichtsvollzieherin erbat nach Vollstreckungsauftrag mit Schreiben vom 08.07.2023 die Übersendung einer Zweitschrift des Ausstandsverzeichnisses, um dessen Zustellung durch sie als Gerichtsvollzieher vorzunehmen, nachdem durch die Gläubigerin bereits ein Ausstandsverzeichnis mit dem Vermerk: „Diese Ausfertigung ist vollstreckbar“ übersandt worden war.
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Die Gerichtsvollzieherin führte in ihrer Nichtabhilfeentscheidung hierzu aus, dass die Gerichtsvollzieher aktuell angewiesen seien, vor Beginn der Zwangsvollstreckung oder gleichzeitig mit ihrem Beginn eine vollstreckbare Ausfertigung des Ausstandsverzeichnisses der Gemeinden an die Schuldner zuzustellen. Dabei handle es sich um eine Anweisung der bayerischen Gerichtsvollzieherprüfungsbeamten, welche auf die Entscheidung des BGH, Beschluss vom 26.07.2018, I ZB 78/17, Bezug nehme.
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Die Gläubigerin vertritt in ihrer Erinnerung die Ansicht, dass die Prüfung, ob das Ausstandsverzeichnis wirksam zugestellt wurde, nicht im Verantwortungsbereich der Gerichtsvollzieher liege, sondern vielmehr in der Verantwortung der Anordnungsbehörde. Mit der Vollstreckungsanordnung, die durch die Klausel, dass die Ausfertigung vollstreckbar ist, erfolgt, übernehme die Behörde die Verantwortung dafür, dass die Voraussetzungen der Zwangsvollstreckung gegeben sind.
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Das Amtsgericht Kaufbeuren wies mit Beschluss vom 20.07.2023 unter Berufung auf die Rechtsprechung des BGH (Beschluss vom 26.07.2018, I ZB 78/17) die Erinnerung der Gläubigerin zurück mit der Begründung zurück, dass aufgrund entsprechender Anwendung des § 750 Abs. 2 ZPO vor Beginn der Zwangsvollstreckung oder gleichzeitig mit ihrem Beginn eine vollstreckbare Ausfertigung des Ausstandsverzeichnisses zugestellt werden müsse.
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Der mit Schreiben vom 02.08.2023 eingelegten sofortigen Beschwerde gegen die Zurückweisung der Erinnerung half das Amtsgericht mit Beschluss vom 04.08.2023 nicht ab und legte das Verfahren zur Entscheidung dem Landgericht vor.
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Im Beschwerdeverfahren wurde der Schuldnerin rechtliches Gehör gewährt.
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Die zulässige sofortige Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg.
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Die Gläubigerin betreibt als zuständige Behörde gegen die Schuldnerin die Zwangsvollstreckung aufgrund öffentlich-rechtlicher Forderung. Für die Beitreibung dieser Forderung ist die vollstreckbare Ausfertigung des Ausstandsverzeichnisses gemäß Art. 24 Abs. 1 Nr. 2 BayVwZVG maßgeblich.
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Zutreffend geht das Amtsgericht unter Bezugnahme auf BGH, Beschluss vom 26.07.2018, I ZB 78/17) davon aus, gemäß Art. 26 Abs. 7 S. 1, Art. 27 Abs. 1 S. 1 BayVwZVG auf die Vollstreckung von Ausstandsverzeichnissen die Vorschriften des Achten Buchs der Zivilprozessordnung über die Zwangsvollstreckung und damit auch § 750 ZPO entsprechend anzuwenden ist.
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„Die in Absatz 2 dieser Bestimmung angeordnete Pflicht zur Aushändigung der Vollstreckungsunterlagen an den Vollstreckungsschuldner dient dazu, die Rechtmäßigkeit der Zwangsvollstreckung nachzuprüfen (Zöller/Seibel ZPO § 750 Rn. 1). Es soll gewährleistet werden, dass sich der Schuldner anhand der ihm zugestellten Urkunden zuverlässig über die Umstände der bevorstehenden Zwangsvollstreckung informieren kann. Die Zustellung dient mithin der Verwirklichung des rechtlichen Gehörs in der Zwangsvollstreckung (vgl. BGH, Beschl. v. 13.10.2016 – V ZB 174/15, NJW 2017, 411 Rn. 14; MüKoZPO/Heßler ZPO § 750 Rn. 9; Musielak/Voit/Lackmann ZPO § 750 Rn. 1). Für die gemäß Art. 26 Abs. 7 S. 1 BayVwZVG angeordnete entsprechende Anwendung des § 750 Abs. 2 ZPO bedeutet dies, dass dem Schuldner vor Beginn der Zwangsvollstreckung oder gleichzeitig mit ihrem Beginn eine vollstreckbare Ausfertigung des Ausstandsverzeichnisses zugestellt werden muss.“ (BGH aaO)
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In diesem vom BGH zu entscheidenden Streitfall war die Voraussetzung der Zustellung erfüllt. Eine Entscheidung darüber, durch welche Stelle die Zustellung zu erfolgen hat, war dort jedoch nicht zu treffen. Ausführungen hierzu sind der Entscheidung auch nicht zu entnehmen.
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Vorliegend erfolgte die gemäß § 750 ZPO erforderliche Zustellung bereits durch die die Vollstreckung betreibende Behörde mit der von ihr vorgenommenen und bescheinigten Zustellung des Ausstandsverzeichnisses.
14
„Verwaltungsakte, die vom Vollstreckungsschuldner entgegen seiner Verpflichtung nicht rechtzeitig erfüllt werden, können vollstreckt werden, wenn sie unanfechtbar oder vorläufig vollziehbar sind (Art. 19 BayVwZVG). Neben diesen allgemeinen Zwangsvollstreckungsvoraussetzungen ist gemäß Art. 23 Abs. 1 BayVwZVG erforderlich, dass der Leistungsbescheid dem Leistungspflichtigen zugestellt ist (Nr. 1), die Forderung fällig ist (Nr. 2) und der Leistungspflichtige von der Anordnungsbehörde oder von der für sie zuständigen Kasse oder Zahlstelle nach Eintritt der Fälligkeit durch verschlossenen Brief, durch Nachnahme oder durch ortsübliche Bekanntmachung ergebnislos aufgefordert worden ist, innerhalb einer bestimmten Frist von mindestens einer Woche zu leisten (Mahnung: Nr. 3).
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Geht es – wie im Streitfall – um die Vollstreckung von Geldforderungen [der kreisfreien Stadt; Anm. d. Unterzeichners ], ordnet die Anordnungsbehörde die Vollstreckung sodann dadurch an, dass sie auf eine Ausfertigung des Leistungsbescheids oder eines Ausstandsverzeichnisses die Klausel setzt: „Diese Ausfertigung ist vollstreckbar“ (Art. 26, 24 Abs. 1 Nr. 2 BayVwZVG).“ (BGH, Beschlsus vom 20.12.2018, I ZB 24/17)
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Gemäß Art. 24 Abs. 2 BayVwZVG übernimmt die Anordnungsbehörde mit dieser Vollstreckungsanordnung die Verantwortung dafür, dass die in den Art. 19 und 23 BayVwZVG bezeichneten Voraussetzungen der Zwangsvollstreckung, mithin auch die erfolgte Zustellung des Leistungsbescheids, gegeben sind.
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„Die rechtliche Überprüfung der Rechtmäßigkeit oder Wirksamkeit des Verwaltungsaktes durch den Gerichtsvollzieher und das Vollstreckungsgericht findet im Vollstreckungsverfahren gerade nicht statt“ (BGH, Beschluss vom 27.4.2017 – I ZB 91/16 zur Regelung in BWVwVG) und damit auch nicht die Vornahme einer als durchgeführt bescheinigten Maßnahme .
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Dem steht auch nicht gegen, dass nach den Richtlinien für eine einheitliche Sach-, Verfahrens- und Kostenbehandlungen im Gerichtsvollzieherwesen der bayerischen Gerichtsvollzieherprüfungsbeamtinnen und Beamten vom 15.05.2023 unter 1) ZPO 1.8. betreffend Art. 24 Bay VwZVG ausgeführt ist, dass vor der Zwangsvollstreckung oder gleichzeitig mit Beginn das Ausstandsverzeichnis zugestellt werden muss. Denn die Frage, durch welche Stelle die Zustellung zu erfolgen hat, bleibt auch hier ungeklärt. Jedenfalls aus der Ergänzung der Gerichtsvollzieher-Geschäftsanweisung vom 31.05.2015, dort § 20 Nr. 1, aus denen sich Auslegungshilfen sowie Amtspflichten des Gerichtsvollziehers ergeben, folgt, dass es einer Zustellung des Leistungsbescheides oder des Ausstandsverzeichnisses durch den Gerichtsvollzieher nicht bedarf.
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Auch die Entscheidung des Landgerichts München II vom 28.03.2022, 6 T 768/22, auf die sich die Richtlinie stützen möchte, geht nicht vom grundsätzlichen Erfordernis einer (nochmaligen) Zustellung durch den Gerichtsvollzieher bei der Vollstreckung eines Bestandsverzeichnisses aus. Im dort zu entscheidenden Fall wurden dem Schuldner durch die Anordnungsbehörde lediglich einzelne Leistungsbescheide zugestellt, die Vollstreckung jedoch auf der Grundlage eines diese Leistungsbescheide zusammenfassenden Ausstandsverzeichnisses betrieben, ohne dass dessen Zustellung erneut erfolgt wäre. Daher führt das Landgericht München II zu Recht aus, dass das Ausstandsverzeichnis gegenüber den einzelnen Leistungsbescheiden einen zusätzlichen Informationsgehalt für den Schuldner aufweist, sodass es zur Gewährung rechtlichen Gehörs einer (gesonderten) Zustellung dieses Verzeichnisses bedarf.
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Mithin war die Gerichtsvollzieherin vorliegend anzuweisen, die weitere Vollstreckung nicht mit der Begründung abzulehnen, es sei eine Zustellung des Ausstandsverzeichnises durch die Gerichtsvollzieherin vorzunehmen.