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LG Augsburg, Urteil v. 10.10.2023 – 4 NBs 302 Js 101043/23
Titel:

Rechtsfehlerhafte Verneinung eines minder schweren Falles

Normenkette:
BtMG § 29a Abs. 2
Schlagworte:
minder schwerer Fall, geringfügige Überschreitung, nicht geringe Menge, Eigenkonsumn, harte Droge
Vorinstanz:
AG Augsburg, Urteil vom 04.07.2023 – 05 Ls 302 Js 101043/23
Rechtsmittelinstanz:
BayObLG, Beschluss vom 20.02.2024 – 206 StRR 49/24
Fundstelle:
BeckRS 2023, 43601

Tenor

Die Berufung des Angeklagten gegen das im Schuldspruch rechtskräftige Urteil des Amtsgerichts Augsburg vom 04.07.2023 wird kostenpflichtig verworfen.

Entscheidungsgründe

abgekürzt gem. § 267 Abs. 4 StPO
I.
(Verfahrensgang)
1
Der Angeklagte wurde mit Urteil des Amtsgerichts Augsburg vom 04.07.2023 wegen Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von 1 Jahr 3 Monaten verurteilt.
2
Dagegen hat der Angeklagte mit Verteidigerschriftsatz vom 04.07.2023, eingegangen am gleichen Tag, rechtzeitig Berufung eingelegt.
3
Der Angeklagte beschränkte mit Schriftsatz vom 19.09.2023 seine Berufung wirksam auf die Rechtsfolgen.
4
Eine Verständigung hat nicht stattgefunden.
II.
(persönliche Verhältnisse)
5
Der Auszug aus dem Bundeszentralregister vom 13.09.2023 enthält 1 Eintragung:
1. 27.04.2020 AG Augsburg (D2102) – 10 Cs 307 Js 148494/19 -
Rechtskräftig seit 20.05.2020
Tatbezeichnung: Unbefugter Gebrauch eines Fahrzeugs und Diebstahl
Datum der (letzten) Tat: 15.11.2019
Angewendete Vorschriften: StGB § 248 b Abs. 1, § 248 b Abs. 3, § 242 Abs. 1, § 53
20 Tagessätze zu je 40,00 EUR Geldstrafe.
III.
Berufungsbeschränkung
6
Der Angeklagte und der Verteidiger haben mit Schriftsatz vom 19.09.2023 die Berufung auf die Rechtsfolgen beschränkt.
7
Aufgrund der wirksamen Beschränkung der Berufung auf den Rechtsfolgenausspruch sind die Sachverhaltsfeststellungen des Erstgerichts und deren rechtliche Würdigung in Rechtskraft erwachsen und einer Nachprüfung im Berufungsverfahren entzogen (§ 327 StPO).
8
Die vom Amtsgericht getroffenen Feststellungen lassen den Unrechts- und Schuldgehalt der Tat, insbesondere den Schuldumfang erkennen und ergeben bereits eine hinreichende Grundlage für die Strafzumessung.
9
Somit ist von folgenden Feststellungen auszugehen:
10
Am 16.11.2022 gegen 08:12 Uhr bewahrte der Angeklagte in der … Augsburg 7,91 Gramm Marihuana und 11,54 Gramm Kokaingemisch wissentlich und willentlich auf.
11
Das Kokaingemisch hatte einen Wirkstoffgehalt von 90,7 Prozent CHC und enthielt damit 10,46 Gramm CHC. Das Marihuana hatte mindestens einen Wirkstoffgehalt von 8 Prozent THC.
12
Wie der Angeklagte wusste, besaß er nicht die für den Umgang mit Betäubungsmitteln erforderliche Erlaubnis.
IV.
(Beweiswürdigung)
Persönliche Verhältnisse:
13
Die Feststellungen der Kammer zu den persönlichen Verhältnissen des Angeklagten beruhen auf seinen eigenen glaubhaften und nachvollziehbaren Angaben im Rahmen der Hauptverhandlung. Die Auskunft aus dem Bundeszentralregister wurde verlesen und vom Angeklagten als zutreffend anerkannt.
Sachverhalt:
14
Der Angeklagte hat den Sachverhalt umfassend eingeräumt. Dies über die Erklärung des Verteidigers. Der Angeklagte bestätigte diese und machte ergänzende Angaben zum Sachverhalt.
15
Das Gericht ist von der Richtigkeit des Geständnisses überzeugt, da dies durch die weiteren Beweismittel bestätigt wird.
16
Der Polizeibeamte … schilderte in seiner uneidlichen Vernehmung den Ablauf der Ermittlungen und insbesondere das Auffinden des Kokains bei der Durchsuchung. Der Angeklagte habe nach Belehrung eingeräumt, dass das Kokain ihm gehört und zudem noch Marihuana herausgegeben.
17
Im allseitigen Einverständnis wurden jeweils auszugsweise verlesen:
1. Durchsuchungsbeschluss vom 18.10.22, Bl. 7
2. Durchsuchungs- und Sicherstellungsprotokoll vom 18.10.2022, Bl. 10 ff
3. Wirkstoffgutachten vom 18.01.2023
4. Beiakte 304 Js 132049/23: Einstellungsbeschluss § 154 StPO, Bl. 65
5. Befunde MVZ … hinsichtlich der Urinproben vom 15.6.23 und 28.08.23
V.
(Rechtliche Würdigung)
18
Der Angeklagte hat sich daher des unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge gemäß § 1 Abs. 1 BtMG i.V.m. Anlage I, Anlage III zum BtMG, §§ 3 Abs. 1, 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG schuldig gemacht.
VI.
(Strafzumessung)
1. Strafrahmenwahl
19
§ 29 a Abs. 1 BtmG sieht eine Freiheitsstrafe von nicht unter einem Jahr vor.
2. Kein minderschwerer Fall gemäß § 29 a Abs. 2 BtMG
20
Bei Gesamtwürdigung aller tat- und täterbezogenen Umstände war die Anwendung des Ausnahmestrafrahmens für minderschwere Fälle nach § 29 a Abs. 2 BtMG nicht geboten. Nach erfolgter umfassender Gesamtwürdigung schied das Gericht die Annahme eines minderschweren Falles aus, weil strafmildernde Gesichtspunkte die strafschärfenden Gesichtspunkte nicht überwogen. Folgende Erwägungen kamen dabei insbesondere zum Tragen:
21
Das Gericht wertete zugunsten des Angeklagten, dass dieser vollumfänglich geständig war und glaubhaft Einsicht in sein Fehlverhalten zeigte. Strafmildernd wirkte sich zudem aus, dass er sich mit der formlosen Einziehung der bei ihm sichergestellten Gegenstände einverstanden erklärte. Schließlich fiel zu seinen Gunsten ins Gewicht, dass er bereits im Ermittlungsverfahren kooperativ war und sich frühzeitig geständig zeigte.
22
Zu Lasten des Angeklagten war jedoch die Eintragung im Bundeszentralregister zu sehen, auch wenn diese nicht einschlägig ist.
23
Bei der Sicherstellungsmenge war der Wirkstoffgehalt des Kokains mit 90,7 % CHC als weit überdurchschnittlich zu bewerten. Darüber hinaus ist zu seinen Lasten zu werten, dass es sich bei Kokain um eine harte Droge handelt und die Wirkstoffmenge beim Doppelten der nicht geringen Menge lag.
3. Strafzumessung im Einzelnen
24
Zugunsten des Angeklagten hat das Gericht insbesondere folgende Gesichtspunkte gewertet. Der Angeklagte war geständig. Dieses Geständnis hat er frühzeitig abgelegt und sich im Ermittlungsverfahren kooperativ gezeigt. Zudem wurden die Drogen sichergestellt, der Angeklagte hat sich mit der Einziehung und Vernichtung einverstanden erklärt.
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Negativ ist zu werten, dass es sich bei dem Kokain um eine harte Droge mit hoher Wirkstoffkonzentration handelte. Der Grenzwert der nicht geringen Menge war um das Doppelte überschritten. Auch weist der Angeklagte eine Voreintragung im Register auf. Diese ist zwar nicht einschlägig, liegt aber nicht lange zurück.
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Das Gericht wog nochmalig alle tat- und täterbezogenen Strafzumessungsgesichtspunkte bei der konkreten Strafzumessung umfassend ab.
27
Nach Gesamtabwägung dieser Umstände hielt das Gericht eine Freiheitsstrafe von 1 Jahr 3 Monaten für tat- und schuldangemessen.
VII.
Strafaussetzung zur Bewährung
28
Die Vollstreckung der Freiheitsstrafe konnte vorliegend gemäß den § 56 Abs. 1, Abs. 2 StGB zur Bewährung ausgesetzt werden, da die Sozialprognose des Angeklagten günstig ist. Der Angeklagte war vollumfänglich geständig, zeigte Reue und hat inzwischen Drogenfreiheit seit April 23 nachgewiesen. Er verfügt über familiäre Bindungen, steht im Berufsleben und ist auch ansonsten sozial gefestigt. Des Weiteren ist zu berücksichtigen, dass es die erste gegen den Angeklagten verhängte Freiheitsstrafe ist, sodass zu erwarten ist, dass er sich diese zur Warnung dienen lässt und künftig keine weiteren Straftaten mehr begehen wird.
29
Es liegen somit besondere Umstände gemäß § 56 Abs. 2 StGB vor.
VIII.
(Kosten)
30
Die Kostenentscheidung folgt aus § 473 StPO.