Titel:
Halterhaftung für einen Hundebiss bei einem Postzusteller
Normenketten:
BGB § 254, § 833 Abs. 1, § 834
SGB X § 116
EFZG § 6
Leitsätze:
1. Für die Tierhalterhaftung genügt es, wenn das tierische Verhalten lediglich psychische Wirkungen wie auch Schreckmomente auslöst, die im weiteren Geschehensablauf zu einem zurechenbaren Schaden führen. (Rn. 42 – 43) (redaktioneller Leitsatz)
2. Der Hundehalter haftet gem. § 833 BGB für Schäden, die dadurch entstanden sind, dass ein Postzusteller, der, um zur vereinbarten Postablage zu gelangen, das umfriedete Grundstück betreten muss, in einer Fluchtreaktion vor einem frei auf dem Grundstück laufenden Hund über das Gartentor springt und sich dabei eine Verletzung zuzieht. (Rn. 31 – 44) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Tierhalterhaftung, Zurechnungszusammenhang, Tiergefahr, Hund, Fluchtreaktion, Postzusteller
Rechtsmittelinstanz:
LG Kempten, Berichtigungsbeschluss vom 17.08.2023 – 35 O 129/23
Fundstelle:
BeckRS 2023, 43031
Tenor
1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 2.882,49 € zuzüglich Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 11.01.2023 zu bezahlen.
2. Die Beklagte wird über Ziffer 1 hinaus verurteilt, an die Klägerin 1.215,63 € zuzüglich Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 18.01.2023 zu bezahlen.
3. Von den Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin 11 % und die Beklagte 89 % zu tragen.
4. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
1
Der Klägerin macht im Wege der Prozessstandschaft sowie als Trägerin der gesetzlichen Unfallversicherung gem. § 116 SGB X übergegangene Ansprüche wegen unfallbedingter Aufwendungen geltend, welche ihr aufgrund eines zwischen den Parteien streitigen Unfalls des Zeugen F. vom 19.01.2021 entstanden sind.
2
Der gegenständliche Unfall, dessen Hergang zwischen den Parteien strittig ist, ereignete sich im Rahmen einer Zustellung des Zeugen F bei der Beklagten in, ... H1.. Das Grundstück der Beklagten ist eingefriedet und zum Betreten ist es notwendig, durch ein Gartentor Zutritt zu nehmen. Die Briefkästen des Anwesens sind von außen zugänglich, um die Klingel bzw. den im Ablagevertrag (vgl. K 4) benannten Ablageort „Müllstation/Garage“ zu erreichen, ist ein Betreten des Grundstücks durch das Gartentor und ein Durchlaufen des Gartens, um auf die der Straße gegenüberliegenden Seite des Hauses zu gelangen, notwendig.
3
Die Klägerin meldete ihre Forderungen (Entgeltfortzahlungsleistungen nach § 3 EFZG i.H.v. 2.882,49 € und Heilbehandlungskosten i.H.v. 1.215,63 €) mit Schreiben vom 15.03.2021 (vgl. K 13) bei der Beklagten an, worauf sich mit Schreiben vom 23.03.2021 (vgl. K 14) deren Haftpflichtversicherung, die VKB meldete. Es erfolgte eine weitere Korrespondenz zwischen der Klägerin und der VKB, wobei letztere die Ansprüche mit Schreiben von 27.04.2021 bzw. 11.06.2021 zurückwies (vgl. K 15 – K 17). Auch nach der weiter folgenden wechselseitigen Korrespondenz wurde seitens der Beklagten nicht reguliert.
4
Die Klägerin behauptet, dass der Zeuge F bei der D P als Verbundzusteller beschäftigt und in diesem Zusammenhang bei der Klägerin gesetzlich unfallversichert gewesen sei. Am 19.01.2021 habe dieser zwei Pakte auf dem Anwesen der Beklagten zuzustellen gehabt und hierzu sei es erforderlich gewesen – auch aufgrund des bestehenden Ablagevertrages – das Grundstück zu betreten. Aus der offenen Haustür sei sodann der Hund der Beklagte gesprungen und auf den Zeugen F losgestürmt. Dies habe bei diesem eine Fluchtreaktion ausgelöst, er habe kehrt gemacht und sei über das Gartentor gesprungen, um nicht von dem Hund angefallen zu werden. Beim Aufkommen auf dem Boden sei der Zeuge F mit dem linken Fuß umgeknickt und habe sich hierbei eine LFTA-Ruptur und eine Innenbandzerrung zugezogen.
5
Ein Warnschild sei nicht vorhanden gewesen bzw. der Zeuge F habe ein solches jedenfalls nicht wahrgenommen. Insgesamt sei der Zeuge F vom 20.01.2021 bis zum 28.02.2021 unfallbedingt arbeitsunfähig erkrankt gewesen. Aufgrund dieser Arbeitsunfähigkeit habe die Klägerin 2.882,49 € Entgeltfortzahlungsleistungen erbracht und auf Grund der Verletzungen Heilbehandlungskosten in Höhe von 1.215,63 € getragen.
6
Die Klägerin ist der Auffassung, dass die Beklagte verpflichtet sei, ihr diese unfallbedingten Kosten zu ersetzen. Aufgrund der örtlichen Begebenheiten habe damit gerechnet werden müssen, dass das Grundstück betreten werde und aufgrund eines Verstoßes gegen die im Verkehr gebotene Sorgfalt, habe sie den Hund nicht unter Kontrolle gehabt, so dass vorhersehbar und vermeidbar die Verletzung des Zeugen F. eingetreten sei. Basierend hierauf stünden ihr die gegenüber dem Zeugen F erbrachte Entgeltfortzahlung in der geltend gemachten Höhe zu. Insbesondere anteiliges Urlaubsgeld und anteiliger Urlaubslohn sowie Sozialabgaben seinen ebenfalls zu begleichen, da diese nach § 6 EFZG übergegangen seien.
7
Die Klage wurde ursprünglich beim Amtsgericht Kaufbeuren eingereicht bzw. nach Widerspruch im Mahnverfahren dorthin abgegeben. Aufgrund einer dort vorgenommenen Klageerhöhung wurde mit Beschluss des Amtsgerichts Kaufbeuren vom 24.01.2023 (Bl. 41 d.A) das Verfahren an das Landgericht Kempten (Allgäu) abgegeben.
8
Die Klägerin beantragte zunächst:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin € 2.882,49 zuzüglich Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.
2. Die Beklagte wird über Ziffer 1 hinaus verurteilt, an die Klägerin € 1.215,63 zuzüglich Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Zustellung dieses Schriftsatzes zu bezahlen.
3. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin über Ziffer 1 und II hinaus sämtliche weitere von der Klägerin getragene nach § 116 SGB X übergangsfähige Aufwendungen zu ersetzen, die auf das Unfallereignis vom 19.01.2021 auf dem Anwesen in ... H1. zurückzuführen sind und bei dem der bei der Klägerin Versicherte F, geb. am ..., verletzt wurde.
9
Nach der mündlichen Verhandlung vom 04.07.2023 hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 19.07.2023 (Bl. 86 d.A.) den Feststellungsantrag unter Ziffer III zurückgenommen. Mit Schriftsatz vom 26.07.2023 (Bl. 92 d.A.) stimmte die Beklagte der Teilklagerücknahme zu.
10
Die Klägerin beantragte zuletzt,
- 1.
-
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin € 2.882,49 zuzüglich Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.
- 2.
-
Die Beklagte wird über Ziffer 1 hinaus verurteilt, an die Klägerin € 1.215,63 zuzüglich Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Zustellung dieses Schriftsatzes zu bezahlen.
11
Die Beklagte beantragt,
12
Die Beklagte bestreitet den Unfallhergang mit Nichtwissen. Im Übrigen sei der Ablagevertrag mit DHL abgeschlossen worden und nicht mit der D P und begründe auch keine Verpflichtung das Grundstück zu betreten. Auch sei ein Betreten für die Zustellung nicht erforderlich gewesen, es hätte eine Benachrichtigungskarte in den Briefkasten eingeworfen werden können oder der Zusteller hätte gegebenenfalls durch Klopfen auf sich aufmerksam machen können. Der Hund habe nur gebellt und es habe sich ein typisches Risiko für Zusteller verwirklicht. Der behauptete Sprung aufgrund des Hundes sei eine freiwillige Entscheidung des Zeugen F. gewesen und der Sturz sei ein typisches Risiko eines solchen. Auch sei ein Schild vorhanden „Betreten auf eigene Gefahr“, welches beim Öffnen des Tores wahrgenommen habe werden müssen.
13
Die Beklagte ist der Auffassung, dass der Zeuge F das eingefriedete Grundstück der Beklagten trotz klaren Hinweises betreten und damit bewusst das Risiko hinsichtlich des sich auf dem Grundstück befindlichen Hundes in Kauf genommen habe. Im Übrigen sei ein haftungsausschließendes Mitverschulden des Zeugen F gegeben. Auch bestehe bei einem eingefriedeten Grundstück keine Verpflichtung den Hund an einem freien Herumlaufen zu hindern.
14
Im Übrigen sei die geltend gemachte Entgeltfortzahlung nicht substantiiert darlegt, wobei insbesondere, anteilige Zuwendungen und anteiliger Urlaubslohn, Arbeitgeberbeiträge zur Sozialversicherung, wie auch die einbehaltene Lohnsteuer nicht gegenüber Dritte geltend gemacht werden könne.
15
Im vorausgegangenen Mahnverfahren wurde die Klagepartei mit Datum vom 04.10.2022 über den Gesamtwiderspruch unterrichtet, am 04.01.2023 erfolgte die Abgabe des Verfahrens an das Amtsgericht Kaufbeuren aufgrund Zahlung der fälligen Kosten. Das Verfahren ging am 10.01.2023 beim Amtsgericht Kaufbeuren ein. Die Anspruchsbegründung vom 24.11.2022 (Bl. 9/20 d.A.) wurde der Beklagten ausweislich der bei der Akte befindlichen Postzustellungsurkunde am 17.01.2023 zugestellt.
16
Das Gericht hat die Beklagte (Bl. 79 d. A.) persönlich angehört.
17
Weiterhin hat das Gericht die Zeugen jeweils uneidlich einvernommen.
18
Für den Inhalt der Zeugenaussagen wird Bezug genommen auf das Terminsprotokoll vom 04.07.2023 (Bl. 78/85 d. A.).
19
Im Übrigen wird für das Vorbringen der Parteien Bezug genommen auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Ausführungen in dem durchgeführten Verhandlungstermin und den sonstigen Akteninhalt.
Entscheidungsgründe
20
Die Klage ist zulässig und wie zuletzt beantragt auch begründet.
21
I. Die Klage ist zulässig.
22
1. Das Landgericht Kempten ist das gem. §§ 71 Abs. 1, 23 Nr. 1 GVG sachlich und gem. §§ 12, 13 ZPO örtlich zuständige Gericht.
23
2. Auch ist durch die Klägerin eine zulässige Teilklagerücknahme bezogen auf den Klageantrag Ziffer IIII. gemäß § 269 Abs. 1 ZPO erfolgt. Die Beklagte hat dieser Teilrücknahme nach der mündlichen Verhandlung zugestimmt.
24
II. Die Klage ist begründet.
25
Der Klägerin stehen übergeleiteten Schadensersatzanspruch wegen unfallbedingter Arbeitgeberleistungen sowie andererseits als Trägerin der gesetzlichen Unfallversicherung gem. § 116 SGB X übergegangene Ansprüche wegen unfallbedingter Aufwendungen aufgrund des Unfalls, der sich am 19.01.2021 ereignete und bei dem sich der Zeuge M. F. verletzt hat, gegen die Beklagten zu.
26
Die Haftung der Beklagten begründet sich nach § 833 Satz 1 BGB.
27
Wird durch ein Tier der Körper oder die Gesundheit eines Menschen verletzt, so ist gemäß § 833 Satz 1 BGB derjenige, welcher das Tier hält, verpflichtet, dem Verletzten den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen.
28
Danach haftet die Beklagte gegenüber der Klägerin für die Folgen des Unfalls vom 19.01.2021.
29
Die Klägerin ist aktiv legitimiert, die Erstattung der von der Deutschen P. AG fortgezahlten und auf diese gemäß § 6 EFZG übergegangenen Arbeitsentgelte geltend zu machen. Dies erfolgt im Rahmen des zwischen der Klägerin und der Deutschen P. AG geschlossenen Geschäftsbesorgungsvertrages (vgl. K 19). Im Übrigen sind auch übergangsfähige Aufwendungen gem. § 116 SGB X gegeben.
30
Die Aktivlegitimation der Klägerin dem Grunde nach wurde beklagtenseits auch nicht bestritten.
2. Haftung nach § 833 Satz 1 BGB
31
a) Vorliegend erfolgte die Schadensverursachung durch ein Tier, nämlich dem Hund Franca, der Beklagten.
32
Das Gericht ist nach der Anhörung der Beklagten, sowie der Beweisaufnahme durch die Vernehmung des Zeugen F und der Zeugin B zu der Überzeugung gelangt, dass das Verhalten des von der Beklagten gehaltenen Hundes Franca für den Unfall des Zeugen F im Sinne einer conditio sine qua non ursächlich geworden ist.
33
Eine Haftung nach § 833 Satz 1 BGB ist als Gefährdungshaftung ausgestaltet und ist begründet, sofern sich eine typische Tiergefahr verwirklicht hat (vgl. Grüneberg/Sprau, BGB-Kommentar, 82 Auflage 2023, § 833 Rn. 1) Dabei soll nach Sinn und Zweck die Vorschrift den Schutz vor „der Unberechenbarkeit des Verhaltens eines Tieres und der dadurch hervorgerufenen Gefährdung von Leben, Gesundheit und Eigentum Dritter“ gewähren (Staudinger/Eberl-Borges (2018) BGB § 833, Rn. 37). Nach diesen Maßstäben hat sich hier die spezifische Tiergefahr des Hundes realisiert.
34
Die Beklagte hat im Rahmen ihrer persönlichen Anhörung angegeben, dass ihr Hund Franca von der Zeugin B beaufsichtigt worden sei. Diese habe zu dieser Zeit im Erdgeschoss gewohnt und der Hund sei damals öfters, wie auch heute noch ab und zu bei dieser. Von dem Geschehen habe die deswegen nichts mitbekommen. Aktuell werden die Pakete am Briefkasten außerhalb des Grundstücks abgelegt, dort sei auch eine Klingel vorhanden, mittels welcher man sich melden könne. Zum damaligen Zeitpunkt sei das aber anders gewesen, es habe auch wegen Corona eine Absprache gegeben, dass die Pakete an der Garage bzw. beim Durchgang bei den Mülltonnen abgelegt werden. Dies sei entsprechend auch so erfolgt. Hierzu müsse man durch das Gartentor gehen und über das Grundstück laufen. Es sei für sie aber auch in Ordnung gewesen, wenn ein Zusteller die Pakete nur über den Zaun gelegt habe.
35
Der Zeuge F gibt bei seiner Einvernahme an, dass er bei der D P als Verbundzusteller angestellt gewesen sei, d.h. er sei für Briefe und Pakete zuständig gewesen. Er habe an diesem Tag Pakete zugestellt und habe, um zur Klingel, wie auch dem Ablageort laut Ablagevertrag zu gelangen, auf das Grundstück gemusst. An der Haustüre habe er bemerkt, dass diese offen sei und habe dann auch schon einen Hund gehört und gemerkt, dass dieser frei herumlaufe. Das Bellen habe sich für ihn aggressiv angehört, so als wolle dieser sein Revier verteidige und er habe den Hund auch kommen sehen, wie dieser in Richtung Hof gerannt sei. Er sei dann schnell raus, habe die Flucht ergriffen, und hierbei sei er im Affekt über das Tor, das er vorher verschlossen habe, gesprungen. Beim Aufkommen sei er umgeknickt. Er habe den Tag fertig arbeiten können und auch am nächsten Tag habe er mit seinen Arbeitsstiefeln gearbeitet, außerhalb dieser habe er große Schmerzen beim Auftreten gehabt. Da das Ganze angeschwollen und blau geworden sei, sei er dann zum Durchgangsarzt gegangen, welcher das dann geröntgt und die Diagnose gestellt habe. Die D Pund DHL seien ein Verbund, der Ablagevertrag sei allgemein gültig und auf seinem Handscanner könne er jeweils sehen, wo was abgestellt werden dürfe. Wenn ein Ablagevertrag bestehe, solle man dort ablegen, außer es stünde ein Grund, wie Witterung, möglicher Zugriff Dritter oder auch frei herumlaufende Hunde, entgegen. An ein Warnschild könne er sich nicht bewusst erinnern, auch bei dem Einlernen in diesen Bezirk sei ein Hund nie Thema gewesen. Bei anderen Grundstücken sei er dahingehend von Kollegen aufmerksam gemacht worden. Er habe hier schon öfters im Vorfeld zugestellt ohne dahingehende Probleme.
36
Die weiter vernommene Zeugin B hat angegeben, dass am damaligen Tag der Briefträger mit einem Paket gekommen sei und dieses in der Garage abgestellt habe. Der Hund sei oben in der Wohnung gewesen und er könne sich im gemeinsamen Treppenhaus und den beiden Wohnungen frei bewegen. Die Haustüre sei offen gewesen. Sie habe gehört, wie der Hund „Wuff“ gemacht habe und dann auch schon den Briefträger gesehen, wie er am Fenster vorbei gesaust sei und dann habe es auch schon gekracht. Er habe ihr gegenüber angegeben, dass der Hund frei laufend sei. Sie sei dann runter um nachzusehen, wo der Hund ist, dieser sei aber zu diesem Zeitpunkt von oben runter gekommen. Zum damaligen Zeitpunkt sei am Gartentor ein Hinweisschild vorhanden gewesen.
37
Die Beklagte konnte zum Vorfall selbst keine Angaben machen.
38
Der Zeuge F hat in sich schlüssig und widerspruchsfrei den Vorfall beschrieben. Er hat hierbei klar und deutlich Angaben zum Verhalten des Hundes gemacht und dass er allein aufgrund des Bellens, welches sich für ihn aggressiv angehört hat und dem Rennen des Hundes aus der offenen Haustüre Richtung Hof die Flucht ergriffen hat. Ins Bild passt dahingehend auch der beschrieben Sprung über den Gartenzaun, da er schnellstmöglich eine Barriere zwischen sich und den Hund schaffen wollte. Der Zeuge behauptet kein Beißen oder ähnliches, aber dass das von ihm wahrgenommene und empfundene Verhalten des Hundes ihn zu dieser Flucht veranlasst hat. Dies steht auch im Einklang mit den Unfallschilderungen, die der Zeuge im Nachgang zu dem Vorfall fertigte (vgl. K 1 – K 3). Auch die durch das Umknicken erlittenen Verletzungen konnte der Zeuge im Einklang mit dem vorgelegten Durchgangsarztbericht (vgl. K 5) und den beiden Verlaufsberichten (vgl. K 6 und K 7) glaubhaft beschreiben. Die hierdurch bedingte Arbeitsunfähigkeit ergibt sich aus den Arbeitsunfähigkeitbescheinigungen (vgl. K 8).
39
Die Zeugin B hat den Vorgang nach ihren eigenen Angaben nur partiell wahrgenommen. Sie hat bestätigt, dass die Haustüre geöffnet war, wie auch dass sich der Hund frei bewegt hat. Nach ihren Angaben hat sie gehört wie der Hund zumindest „Wuff“ gemacht hat und hat dann den Zeugen F am Fenster vorbei sausen sehen. Dass sie den Hund, als sie mit dem Zeugen F gesprochen hat nicht gesehen hat und dieser nach dem Gespräch von oben heruntergekommen ist, ist unter Berücksichtigung der Gesamtumstände nicht tauglich, den glaubhaften, nachvollziehbaren und in sich schlüssigen Vortrag des Zeugen F zu entkräften. Die Zeugin hat die beschrieben Flucht erkennen können, visuell hat sie die übrige Situation an der Haustüre nicht wahrgenommen. Zeitlich ist auch nicht auszuschließen, dass der Hund gegebenenfalls schon wieder zurück und nach oben gegangen ist und die Zeugin entsprechende Wahrnehmungen machen konnte. Ob es tatsächlich nur ein „Wufff“ gewesen ist und ob sich dieses tatsächlich in der durch den Zeugen F wahrgenommenen Gesamtsituation so arglos angehört haben soll, wie von der Zeugin beschrieben, kann den geführten Beweis durch die Klagepartei schlussendlich nicht entkräften. Denn auch bei einem einzigen Bellen bestimmt sich dies durch die Gesamtsituation für den Zeugen, nämlich aus dessen Sicht aggressives Bellen eines frei herumlaufenden Hundes bei offener Haustür, der hierbei in Richtung Hof und somit dem Zeugen gerannt ist.
40
Das Gericht ist weiter zu der Überzeugung gelangt, dass das Warnschild „Freilaufende Hündin Betreten auf eigene Gefahr“ zum damaligen Zeitpunkt entsprechend den Lichtbilder (vgl. B1 und B 2) vorhanden gewesen ist. Es ist für das Gericht hierbei – worauf es im Ergebnis aber auch nicht wesentlich ankommt – nicht ausgeschlossen, dass der Zeuge F, welcher auf diesem Grundstück öfters Zustellung vornimmt, dieses aufgrund der Routine möglicherweise nicht wahrgenommen hat. Diese Angabe stellt die Glaubwürdigkeit des Zeugen, und auch die Glaubhaftigkeit seiner Aussage jedenfalls nicht in Frage.
41
b)Basierend auf der Überzeugungsbildung des Gerichts hat der Hund Franca die Verletzungen des Zeugen F verursacht.
42
Es besteht ein Zurechnungszusammenhang zwischen dem tierischen Verhalten und dem entstandenen Schaden. Das Bellen und Zurennen durch den Hund stellt eine typische Tiergefahr dar und hat beim Zeugen F einen Fluchtreflex ausgelöst.
43
Es genügt, wenn das tierische Verhalten lediglich psychische Wirkungen, wie auch Schreckreaktionen auslöst (vgl. Grüneberg/Sprau, BGB-Kommentar, 82 Auflage 2023, § 833 Rn. 6). In seiner Gesamtheit ist die Flucht des Zeugen, wie auch das Überspringen des Zaunes, nachvollziehbar, um eine schnelle Barriere zwischen ihm und dem aggressiv wirkenden Hund zu begründen.
44
Auch wenn sich der Geschädigte bewusst und freiwillig der normalen Tiergefahr aussetzt hätte, was bei Wahrnehmung des Schildes „Freilaufende Hündin, Betreten auf eigene Gefahr“ angenommen werden kann, schließt dies die Haftung nach § 833 nicht aus (vgl. Grüneberg/Sprau, BGB-Kommentar, 82 Auflage 2023, § 833 Rn. 8) Dies wäre nur anders, wenn der Verletzte bewusst ungewöhnliche Risiken übernimmt, d.h. solche die über die gewöhnliche mit einem Tier dieser Art und seiner üblichen Nutzung verbundenen Gefahr hinausgehen (vgl. Grüneberg/Sprau, BGB-Kommentar, 82 Auflage 2023, § 833 Rn. 8). Solche, wie beispielsweise die Übernahme eines besonders erregten Pferdes zum Beweis der eigenen Reitkunst oder Aufenthalt in Hundemeute auf einem H2.platz oder ähnliches ist hier in keinerlei Hinsicht ersichtlich.
45
Aus Sicht des Gerichts kann dies auch nicht mit der Argumentation begründet werden, dass der Geschädigte das Grundstück nicht hätte betreten müssen. Der Zeuge F ist Verbundzusteller der D P und mit der Zustellung von Briefen und Paketen beauftragt. In diesem Zusammenhang hat er nach § 3 PUDLV – Qualitätsmerkmale der Paketbeförderung – Pakete zustellen, sofern der Empfänger nicht erklärt hat, dass er die Sendungen abholen will. Die Zustellung hat an der in der Anschrift genannten Wohn- oder Geschäftsadresse durch persönliche Aushändigung an den Empfänger oder einen Ersatzempfänger zu erfolgen, soweit keine gegenteilige Weisung des Absenders oder Empfängers vorliegt. Hier ist ein Ablagevertrag gegeben, der zur Überzeugung des Gerichts auch für die D Pgalt. So hat der Zeuge glaubhaft beschrieben, dass es sich bei DHL um ein Verbundunternehmen handelt und er entsprechend dem Ablagevertrag auf seinem Scanner jeweils den Ort der Abstellberechtigung erkennen kann. Diese Abmachung hat auch die Beklagte selbst bestätigt. Anhaltspunkt, dass er das Grundstück wegen des Hundes nicht betreten kann haben zu diesem Zeitpunkt für den Zeugen nicht bestanden. Es gab zuvor dahingehend nie Probleme und der frei herumlaufende Hund war für ihn bei Betreten auch nicht sichtbar. Der Zeuge F kann deswegen auch nicht auf andere Kontaktmöglichkeiten, Einwurf einer Benachrichtigungskarte oder Klopfen an der Fensterscheibe verwiesen werden. Aufgrund der bestehenden Zustellverpflichtung und fehlender erkennbaren Gefahrsituation entbehrt dies jeglicher Grundlage und würden diesen gegebenenfalls sogar dienstrechtlichen Konsequenzen aussetzen.
46
Auch liegt ein zur Anspruchskürzung führendes Mitverschulden des Geschädigten bei der Schadensentstehung (§ 254 Abs. 1 BGB) liegt nicht vor.
47
Den Geschädigten trifft ein Mitverschulden, wenn er diejenige Sorgfalt außer Acht lässt, die jedem ordentlichen und verständigen Menschen obliegt, um sich vor Schaden zu bewahren (vgl. Palandt/Heinrichs, 69. Aufl., § 254 BGB, Rn. 8). Dies ist hier nicht anzunehmen.
48
Ein (Mit-)Verschulden ist nicht bereits darin zu sehen, dass der Geschädigte das Grundstück trotz des Hinweisschildes überhaupt betreten hat. Zwar wird ein Mitverschulden i. d. R. dann angenommen, wenn sich der Geschädigte ohne ausreichenden Grund in die Nähe eines gefährlichen Tieres begibt oder wenn er ein Warnschild vor einem bissigen Hund nicht beachtet (vgl. Staudinger/Eberl-Borges (2008), § 833 BGB, Rn. 200).
49
Hier ist bereits nicht ausgeschlossen, dass der Zeuge das nicht bedrohlich wirkende Hinweisschild bei seiner alltäglichen routinemäßigen Zustellung nicht wahrgenommen hat, aber auch wenn er es wahrgenommen haben sollte musste ihn dieses Schild, als ein verständiger Mensch, nicht vom Betreten des Grundstücks abhalten.
50
Ein solches Hinweisschild ist an vielen Grundstücken angebracht sein, auf denen Hunde gehalten werden. Seinem Inhalt nach weist es lediglich auf die Anwesenheit eine Hündin, nicht aber auf eine besondere Aggressivität des Tieres hin, wie dies bei dem Hinweis „Vorsicht, bissiger Hund“ der Fall sein mag. Entscheidend ist indessen, dass der Warncharakter des Schildes angesichts der besonderen Umstände zurücktritt (vgl. OLG Stuttgart Beschluss vom 24.6.2010 – 1 U 38/10, BeckRS 2011, 4235, beck-online).
51
Das – ohnehin nicht sonderlich hohe – Gartentor, welches der Zeuge F überspringen konnte, war zwar ge-, aber nicht verschlossen. Zudem ist der Entscheidung zugrunde zu legen, dass an dem Gartentor oder an den Briefkästen zu diesem Zeitpunkt gerade keine Klingel angebracht war, sich die Klingeln vielmehr erst an der Haustür befanden. Alle Besucher des Anwesens – seien es eingeladene Gäste, der Paketdienst oder sonstige Personen, die Kontakt zu den Bewohnern des Hauses aufnehmen wollen – waren daher darauf angewiesen, das Grundstück zu betreten, um zu den Klingeln zu gelangen. In einer solchen – von den Bewohnern des Grundstücks bewusst so geschaffenen und nunmehr auch geänderten – Situation und bei unverschlossenem Gartentor darf auch ein vorsichtiger Mensch davon ausgehen, dass ihm jedenfalls tagsüber, d.h. zu einer Zeit, zu der Besuche üblich sind, durch den auf dem Gelände gehaltenen Hund kein Schaden droht – sei es, weil der Hund gut erzogen oder aber weggesperrt ist (vgl. auch OLG Stuttgart Beschluss vom 24.6.2010 – 1 U 38/10, BeckRS 2011, 4235, beck-online).
52
Hinzukommt vorliegend auch die konkrete Zustellsituation, dass der Zeuge bereits zahlreich Zustellung auf diesem Grundstück ohne jegliche Probleme dahingehend vorgenommen hat.
3. Verhältnis zu § 834 BGB
53
Der Umstand, dass die Zeugin B am Unfalltag auf den Hund Franca aufgepasst hat, lässt die Haftung der Beklagten nach § 833 BGB nicht entfallen. Auf ein Verschulden, ggf. Auswahlverschulden der Beklagten, kommt es bei der hier bestehenden Gefährdungshaftung nicht an. Dies wäre nur im Rahmen eines – hier nicht bestehenden – Mitverschuldens und einer hierdurch bedingten Quotenbildung relevant. Die Haftung nach § 833 BGB besteht neben einer etwaigen Haftung nach § 834 BGB.
54
Basierend auf der Haftung nach § 833 BGB ist die Beklagte verpflichtet, der Klägerin die geltend gemachten unfallbedingten Kosten zu ersetzen
a) unfallbedingte Heilbehandlungskosten in Höhe von 1.215,63 €
55
Die Klägerin hat die Heilbehandlungskosten durch eine Regresskostenaufstellung (vgl. K 11) und Rechnungsbelege (vgl. K 12) nachvollziehbar dargestellt und nachgewiesen. Diese sind mit dem vom Zeugen gemachten Verletzungsschilderungen, wie auch vorgelegten Arztberichten (vgl. K 5 – K 7) in Einklang zu bringen. Auch hat der Zeuge im Rahen seiner Einvernahme bestätigt, dass er zum Physiotherapeuten gegangen ist.
b) Entgeltfortzahlung in Höhe von 2.882,49 €
56
Der Zeuge F war ausweislich der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen (vgl. K 8) vom 20.01.2021- 28.02.2021, insgesamt also 39 Tage – so auch die Bestätigung über den Berechnungszeitraum (vgl. K 9) arbeitsunfähig und hat dahingehend Entgeltersatzleistungen erhalten.
57
Das Berechnungsblatt (vgl. K 9) stimmt auch mit den Entgeltabrechnungen 01/21 und 02/21 (vgl. K 10) hinsichtlich des zugrunde liegenden Grundgehalts von 1.459,62 € überein Nach § 6 EFZG kann der Arbeitnehmer auf Grund gesetzlicher Vorschriften von einem Dritten Schadensersatz wegen des Verdienstausfalls beanspruchen, der ihm durch die Arbeitsunfähigkeit entstanden ist, so geht dieser Anspruch insoweit auf den Arbeitgeber über, als dieser dem Arbeitnehmer nach diesem Gesetz Arbeitsentgelt fortgezahlt und darauf entfallende vom Arbeitgeber zu tragende Beiträge zur Bundesagentur für Arbeit, Arbeitgeberanteile an Beiträgen zur Sozialversicherung und zur Pflegeversicherung sowie zu Einrichtungen der zusätzlichen Alters- und Hinterbliebenenversorgung abgeführt hat. Diesen Anspruch kann die Klägerin nach § 3 des Geschaftsbesorgungsvertrages (vgl. K 19) gegenüber der Beklagten geltend machen.
58
Der Anspruchsübergang ist begrenzt auf das nach dem EFZG fortgezahlte Arbeitsentgelt und die Arbeitgeberbeiträge zu den Sozialversicherungen und Einrichtungen der zusätzlichen Alters- und Hinterbliebenenversorgung. Hierbei umfasst der Begriff des Arbeitsentgelts in § 6 Abs. 1 umfasst zunächst das Entgelt iSv § 4 Abs. 1. Dabei schränkt das Gesetz anders als § 4a die Ersatzpflicht nicht auf das laufende Arbeitsentgelt ein, so dass auch Sondervergütungen (wie Urlaubsgeld und Weihnachtsgratifikation) übergehen können.
59
Darüber hinaus geht nach § 6 Abs. 1 der Anteil an der tatsächlich erbrachten Jahresvergütung auf den Arbeitgeber über, soweit dieser dem Geschädigten für die Zeit seiner unfallbedingten Arbeitsunfähigkeit bezahlten Urlaub gewährt hat (vgl. MüKoBGB/Müller-Glöge, 9. Aufl. 2023, EFZG § 6 Rn. 7).
60
Gleichfalls als Folge des normativen Schadensbegriffs kann der Arbeitnehmer vom Schädiger auch Ersatz der Arbeitgeberbeiträge zur Sozialversicherung beanspruchen. Dieser Anspruchsteil geht ebenfalls auf den Arbeitgeber über. Hierzu gehören die an die Bundesagentur für Arbeit, an die Krankenversicherung, die Rentenversicherung und die Pflegeversicherung sowie zu Einrichtungen der zusätzlichen Alters- und Hinterbliebenenversorgung (= betriebliche Altersversorgung) geleisteten Beiträge (vgl. MüKoBGB/Müller-Glöge, 9. Aufl. 2023, EFZG § 6 Rn. 10).
61
Daneben ist in der höchstrichterlichen Rechtsprechung anerkannt, dass Urlaubsgeld und Urlaubsentgelt Entgelte für die geleistete Arbeit darstellen, die zum Verdienst des Arbeitnehmers gehören und die der Arbeitgeber deshalb im Wege des Schadensersatzes – sobald die Forderung auf ihn übergegangen ist bzw. ihm übertragen wurde – gegen den Schädiger geltend machen kann. Dasselbe gilt für die Weihnachts- bzw. Jahreszuwendung. Zwar kann deren Zweck unterschiedlich sein, also entweder als Entgelt im engeren Sinne ausschließlich darauf gerichtet sein, die im vorausgegangen Jahr geleistete Arbeit zusätzlich zu vergüten, allein als Belohnung für die in der Vergangenheit bewiesene Betriebstreue oder Anreiz für künftige Betriebstreue gemeint sein oder beide Elemente miteinander verbinden. Bei der Abwicklung von Schadensersatzansprüchen kommt es, so der Bundesgerichtshof (vgl. BGH Urt. v. 22.11.2016 – VI ZR 40/16, BeckRS 2016, 112172 Rn. 17, beck-online), auf die – grundsätzlich durch Auslegung der zugrundeliegenden Vereinbarung vorzunehmende – Einordnung der Jahreszuwendung in eine dieser Kategorien aber nicht an. Dies rechtfertigt sich insbesondere daraus, dass eine Jahreszuwendung mit Treuecharakter die Betriebstreue in aller Regel nicht um ihrer selbst willen, sondern im Hinblick auf die im Betrieb für den Arbeitgeber geleistete Arbeit honorieren wird (vgl. hierzu auch OLG München 27.05.2015, 3 U 545/15)
62
Auch die abgeführte Lohnsteuer geht gem. § 6 EFZG auf den Arbeitgeber über (MHdB ArbR, § 83 Regress und Ausgleich Rn. 36, beck-online).
63
Vorliegend können demnach anteiliges Urlaubsgeld und Urlaubsentgelte, Beiträge zur Sozialversicherung und die einbehaltene Lohnsteuer als erstattungsfähige Positionen entgegen der Einwendungen der Beklagten geltend gemacht werden.
64
Die hier benannten Zuwendungen einschließlich Urlaubsgeld ergibt sich im Ergebnis eindeutig aus der Anlage K 9. Hier ist erkennbar, dass keine weiteren Zuwendungen, sondern nur das benannte Urlaubsgeld berechnet wurden. Denn von dem Grundgehalt in Höhe von 1.459,62 € wurde das Urlaubsgeld in Höhe von 198,54 € berechnet und aus diesem Gesamtbetrag in Höhe von 1.658,16 € bezogen auf die 39 Tage die anteiligen Zuwendungen (hier Urlaubsgeld) berechnet. Anteilige Zuwendungen im Übrigen wurden hier damit – trotz der missverständlichen Formulierung – eindeutig nicht bezahlt.
65
III. Der zuerkannte Anspruch auf Zahlung von Zinsen ergibt sich aus §§ 291, 288 Abs. 1 S. 2 BGB.
66
Hierbei kann bezüglich der Rechtshängigkeit hinsichtlich des Klageantrages Ziffer 1. nicht nach § 696 Abs. 3 ZPO auf die Zustellung des Mahnbescheides abgestellt werden, da die Streitsache nicht alsbald nach der Erhebung des Widerspruchs abgegeben wurde. Die Streitsache gilt als mit Zustellung des Mahnbescheids rechtshängig geworden, wenn sie alsbald nach der Erhebung des Widerspruchs abgegeben wird. Eine alsbaldige Abgabe ist vorliegend nicht gegeben, denn die Klagepartei wurde mit Datum vom 04.10.2022 über den Gesamtwiderspruch unterrichtet, allerdings erfolgte erst am 04.01.2023 die Abgabe des Verfahrens an das Amtsgericht Kaufbeuren aufgrund Zahlung der fälligen Kosten. Deswegen ist für die Rechtshängigkeit auf den Eingangszeitpunkt der Akten beim Prozessgericht – hier dem Amtsgericht Kaufbeuren – am 10.01.2023 abzustellen (vgl. BeckOK ZPO/Dörndorfer, 48. Ed. 1.3.2023, ZPO § 696 Rn. 6). Die Klageerweiterung wurde am 17.01.2023 zugestellt.
67
I. Bei teilweiser Klagerücknahme sind die Kosten im Endurteil gemäß § 92 Abs. 1 ZPO quotenmäßig zu verteilen (Zöller/Greger, a. a. O., § 269, Rz. 19 a). Es findet die so genannte Mehrkostentheorie Anwendung, wonach der Kläger diejenigen Kosten allein zu tragen hat, die nur dadurch entstanden sind, dass er zunächst eine Klage mit einem höheren Streitwert anhängig gemacht hat (vgl. Senat, Beschluss vom 15.1.2007 – 10 UF 169/06 –, veröffentlicht bei juris, Rz. 13 ff.). Gegenüberzustellen sind daher vorliegend die Kosten nach einem Streitwert von 5.298,53 € und diejenigen nach einem (fiktiven) Streitwert von 4.098,53 €.
68
aa) Die Prozesskosten (eigene und fremde Anwaltskosten, sowie Gerichtskosten) belaufen sich auf insgesamt 2.914,10 €.
69
bb) Auf der Grundlage eines (fiktiven) Streitwerts von 4.098,53 €, also unterstellt, die Klägerin hätte den Feststellungsantrag bereits zu Beginn nicht gestellt, ergeben sich Prozesskosten in Höhe von 2.517,90.
70
cc) Aufgrund der ursprünglichen Zuvielforderung der Klägerin ergeben sich zusätzliche Kosten von 396,20 €. Entsprechend hat die Klägerin rund 14% (= 396,20 € : 2.914,10 €) der Kosten zu tragen.
71
Für die Beklagten verbleibt ein Anteil von 86%.
72
dd) Nach alledem hat die Beklagte den Anteil der Kosten nach einem fiktiven Streitwert von 4.098,53 € allein zu tragen. Die Kosten nach dem tatsächlichen Streitwert von 5.298,53 € verteilen sich im Verhältnis von 86% zu 14%. Damit entfallen auf die Beklagte 4.556,74 € (= 5.298,53 € x 86%) des Streitwerts und auf die Klägerin 741,79 € (= 5.298,53 € x 14%). Danach hat die Klägerin, bezogen auf den fiktiven Gesamtstreitwert von 6.498,53 (= 1.200,00 € + 5.298,53 €) einen Anteil von 741,79 €, das sind rund 11% (= 741,79 € : 6.498,53 €) zu tragen. Auf die Beklagte entfällt entsprechend ein Anteil von rund 89% [= (4.556,74 € + 1.200 €) : 6.498,53 €].
73
Im Ergebnis hat somit die Beklagte 89% der Kosten des Rechtsstreits zu tragen, die Klägerin 11%.
74
II. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 709 S. 1, 2 ZPO.