Titel:
Freistellungserklärung für Änderung einer Windkraftanlage
Normenketten:
BImSchG § 15 Abs. 2 S. 2
UmwRG § 1 Abs. 1, § 2 Abs. 1, Abs. 3, § 3 Abs. 1 S. 1 Nr. 3
Leitsätze:
1. Die Mitteilung an den Träger des Vorhabens gem. § 15 Abs. 2 S. 2 Alt. 1 BImSchG, die geplante Änderung der Anlage bedürfe keiner Genehmigung, stellt einen Verwaltungsakt dar. Eine solche Freistellungserklärung stellt allerdings mit Bindungswirkung lediglich fest, dass die Änderung keiner förmlichen immissionsschutzrechtlichen Genehmigung bedarf. Freistellungserklärungen haben keine materielle (immissionsschutzrechtliche) Wirkung. (Rn. 40) (redaktioneller Leitsatz)
2. Für die Frage des „Kennenkönnens“ iSd § 2 Abs. 3 S. 1 (und auch S. 3) UmwRG kann auf die zum Baunachbarrecht entwickelte Verwirkungsrechtsprechung zurückgegriffen werden. Von einem „Kennenkönnen“ ist damit regelmäßig dann auszugehen, wenn sich der Vereinigung das Vorliegen einer Entscheidung aufgrund objektiver Anhaltspunkte aufdrängen muss und wenn es ihr zudem möglich und zumutbar ist, sich etwa durch Anfragen beim Bauherrn oder bei der Genehmigungsbehörde Gewissheit zu verschaffen. (Rn. 57) (redaktioneller Leitsatz)
3. Einem „Kennenkönnen“ iSd § 2 Abs. 3 S. 1 Alt. 2 UmwRG steht nicht entgegen, dass eine Umweltvereinigung ehrenamtlich organisiert ist. Der Gesetzgeber verlangt für die Anerkennung jeder Umweltvereinigung gem. § 3 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 UmwRG, dass diese die Gewähr insbesondere für eine sachgerechte Beteiligung an behördlichen Entscheidungsverfahren bietet. (Rn. 62) (redaktioneller Leitsatz)
4. Es ist treuwidrig – im Sinne eines Verstoßes gegen das Verbot widersprüchlichen Verhaltens –, wenn eine für eine Umweltvereinigung handelnde Person von der Genehmigungsbehörde Informationen erbittet, und später, nachdem Informationen übermittelt worden sind, geltend gemacht wird, diese Person sei für die Entgegennahme von Informationen nicht zuständig gewesen. (Rn. 65) (redaktioneller Leitsatz)
5. Die Einstellung eines Verwaltungsverfahrens - hier eines Baugenehmigungsverfahrens - unter Mitteilung von Gründen ist regelmäßig kein Verwaltungsakt. (Rn. 82) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Klage einer anerkannten Umweltvereinigung gegen eine Mitteilung nach § 15 Abs. 2 Satz 2 BImSchG („Freistellungserklärung“), Wechsel des Windkraftanlagentyps vor Anlagenerrichtung, Klagebefugnis (bejaht), Einhaltung der Klagefrist nach § 2 Abs. 3 UmwRG (verneint), Mitteilung der Einstellung eines Baugenehmigungsverfahrens kein Verwaltungsakt, Kennenkönnen, Wissenszurechnung nach Treu und Glauben
Vorinstanzen:
VG Würzburg, Urteil vom 24.11.2020 – W 4 K 18.500
VG Würzburg, Urteil vom 24.11.2020 – W 4 K 18.504
Rechtsmittelinstanz:
BVerwG Leipzig, Beschluss vom 12.02.2024 – 7 B 8.23
Fundstellen:
BeckRS 2023, 4273
ZUR 2023, 493
LSK 2023, 4273
Tenor
I. Soweit der Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt wurde (d.h. hinsichtlich der Anfechtung des Bescheids vom 20.9.2016), wird das Verfahren eingestellt. Die Urteile des Bayerischen Verwaltungsgerichts Würzburg vom 24. November 2020 (W 4 K 18.500, W 4 K 18.501, W 4 K 18.502, W 4 K 18.503, W 4 K 18.504, W 4 K 18.505, W 4 K 18.506, W 4 K 18.507, W 4 K 18.508, W 4 K 18.509) sind insoweit wirkungslos geworden.
II. Auf die Berufung der Beigeladenen werden die unter I. genannten Urteile geändert, soweit sie nicht wirkungslos geworden sind. Die Klage wird in vollem Umfang abgewiesen.
III. Die Anschlussberufung des Klägers wird zurückgewiesen.
IV. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen, jeweils einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
V. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der jeweilige Kostengläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
VI. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
1
Die berufungsführende Beigeladene begehrt mit dem Ziel der vollständigen Klageabweisung die Änderung von verwaltungsgerichtlichen Urteilen, mit denen auf Klage des Klägers, einer nach § 3 UmwRG anerkannten Umweltvereinigung, zwei ihr erteilte Mitteilungen, dass der Wechsel zu einem anderen als dem zuvor genehmigten Windkraftanlagentyp keiner Änderungsgenehmigung nach § 16 Abs. 1 BImSchG bedürfe, aufgehoben wurden sowie festgestellt wurde, dass für den Typwechsel ein immissionsschutzrechtliches Genehmigungsverfahren durchzuführen sei. Der Kläger begehrt im Wege der Anschlussberufung die Änderung der Urteile dahin, dass auch ein „Bescheid“, mit dem ein anlässlich des Typenwechsels eingeleitetes Baugenehmigungsverfahren eingestellt wurde, aufgehoben wird.
2
Mit Bescheid vom 17. Juli 2013 erteilte das Landratsamt R. … (im Folgenden: Landratsamt) der F. ... Windpark … eG (im Folgenden: Windpark eG) die Genehmigung nach § 4 BImSchG für zwölf Windkraftanlagen (WKA 1 bis 9 sowie 12 bis 14) des Typs Siemens SWT 113 DD mit einer Leistung von jeweils 2,3 MW und einer Gesamthöhe von 199 m (Nabenhöhe: 142,5 m; Rotordurchmesser: 113 m). Hinsichtlich sechs weiterer WKA wurde die Erteilung einer Genehmigung abgelehnt (WKA 10, 11, 15, 16 bis 18).
3
Hierauf erhoben Anwohner, eine (andere) anerkannte Umweltvereinigung sowie die Windpark eG Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht Würzburg. In einem gerichtlichen Vergleich vom 25. Februar 2014 verzichtete die Windpark eG auf die Genehmigung hinsichtlich der WKA 3 und 4; der Beklagte verpflichtete sich zur Erteilung der Genehmigungen für die WKA 11 und 15. Unter dem 19. Mai 2014 erließ das Landratsamt einen entsprechenden Änderungsbescheid (d.h. Genehmigung der WKA 1, 2, 5 bis 9, 11 bis 15; weiterhin Ablehnung der WKA 10, 16 bis 18; Verzicht auf WKA 3 und 4).
4
Mit Bescheid vom 2. April 2015 erteilte das Landratsamt der Windpark eG eine Genehmigung nach § 16 BImSchG betreffend die Änderung des Anlagentyps (nunmehr Vestas V 126-3.3; Leistung jeweils 3,3 MW; Gesamthöhe 200 m [Nabenhöhe: 137 m; Rotordurchmesser: 126 m]) für die WKA 5 bis 9 sowie 11 bis 15. Im Bescheidtenor ist festgehalten, dass die Windpark eG auf die Genehmigung der WKA 1 und 2 verzichte.
5
Mit Schreiben vom 17. August 2016 reichte die Windpark eG beim Landratsamt für die zehn verbleibenden WKA eine Änderungsanzeige nach § 15 BImSchG betreffend eine weitere Änderung des Anlagentyps ein (nunmehr Senvion 3.2; Leistung 3,2 MW; Gesamthöhe 200 m [Nabenhöhe 139 m; Rotordurchmesser 122 m]). Dem Schreiben waren u.a. Nachberechnungen zum Schattenwurf- und zum Schallgutachten beigefügt.
6
Mit Schreiben vom 20. September 2016 teilte das Landratsamt der Windpark eG mit, dass es sich nach seiner Einschätzung bei dem Typwechsel nicht um eine genehmigungsbedürftige wesentliche Änderung im Sinne von § 16 Abs. 1 Satz 1 BImSchG handele.
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Mit Schreiben vom 28. November 2016 zeigte die Windpark eG an, dass Antragsteller nunmehr die Beigeladene sei.
8
Mit Schreiben vom 28. November 2016 reichte die Beigeladene beim Landratsamt einen Antrag auf Erteilung einer (Tektur-) Baugenehmigung für einen Typenwechsel auf zehn WKA des Typs Senvion 3.2/3.4M122 ein.
9
Mit Schreiben vom 13. Dezember 2016 zeigte die Beigeladene gem. § 15 BImSchG eine Änderung der Nennleistung des Generators der WKA an („Leistungsupgrade“ um 200 kW, somit Leistung 3.4 MW; WKA-Typ nunmehr Senvion 3.4M122). Ansonsten sei der Anlagentyp identisch; Änderungen am Schall- und am Schattenwurfgutachten ergäben sich nicht.
10
Mit Schreiben vom 20. Dezember 2016 teilte das Landratsamt der Beigeladenen mit, dass es sich bei dem nunmehr geplanten und anzeigten Anlagentyp Senvion 3.4M122 nicht um eine genehmigungsbedürftige wesentliche Änderung i.S.v. § 16 Abs. 1 Satz 1 BImSchG handele.
11
In seiner Ausgabe vom 8. Januar 2017 enthielt das Amtsblatt des Landkreises R. … zum „Baugenehmigungsverfahren Typwechsel im Windpark M. … (ehemals Windpark ... ….)“ eine „Öffentliche Bekanntmachung nach Art. 66 Abs. 4 BayBO und nach § 3a des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung“.
12
Mit Schreiben vom 25. Januar 2017 teilte das Landratsamt dem Kläger (adressiert an den Geschäftsführer) Bezug nehmend auf vorangegangenen E-Mail- und Briefverkehr mit, dass in dem Baugenehmigungsverfahren zum Wechsel auf den Anlagentyp Senvion 3.4M122 keine Beteiligung des Klägers vorgesehen sei. Ferner wurde u.a. mitgeteilt, dass eine überschlägige Prüfung der Anzeige nach § 15 BImSchG zum Wechsel auf den Anlagentyp Senvion 3.4 ergeben habe, dass es sich nicht um eine genehmigungsbedürftige wesentliche Änderung im Sinne vom § 16 Abs. 1 Satz 1 BImSchG handele. Daher sei aufgrund der geringfügig abweichenden Abmessungen des neuen Anlagentyps lediglich eine baurechtliche Tekturgenehmigung erforderlich.
13
Mit Schreiben vom 20. Februar 2017 erhob der Kläger (durch den 1. Vorsitzenden der Kreisgruppe R. ….) Einwendungen im Baugenehmigungsverfahren.
14
Mit Schreiben vom 13. April 2017 teilte das Landratsamt der Beigeladenen unter Bezugnahme auf ein Schreiben der Obersten Baubehörde im Bayerischen Staatsministerium des Innern, für Bau und Verkehr vom 6. Februar 2017 mit, dass der Typwechsel aufgrund der gleichbleibenden Standorte und Gesamthöhe keiner baurechtlichen Genehmigung bedürfe. Das bereits eingeleitete Baugenehmigungsverfahren werde eingestellt.
15
Mit Schreiben vom 19. April 2017 teilte das Landratsamt auch dem Kläger mit, dass das Baugenehmigungsverfahren eingestellt werde, weshalb sich seine Einwendungen erledigt hätten.
16
Die zehn WKA mit dem Anlagentyp Senvion 3.4M122 wurden bis August 2017 errichtet; sie gingen im Herbst 2017 in Betrieb.
17
Mit Schriftsatz seiner Bevollmächtigten vom 13. April 2018, eingegangen per Telefax am gleichen Tag, erhob der Kläger Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht Würzburg mit den Anträgen, den „Bescheid“ des Landratsamts vom 13.4.2017 sowie die darin aufgeführten Schreiben vom 20.9.2016 und vom 20.12.2016 aufzuheben; ferner festzustellen, dass für den in dem „Bescheid“ vom 13.4.2017 beschriebenen Typwechsel der dort aufgezählten WKA ein Genehmigungsverfahren durchzuführen sei.
18
Mit Beschluss vom 17. April 2018 trennte das Verwaltungsgericht von dem ursprünglichen Klageverfahren (W 4 K 18.500) die Verfahren betreffend die übrigen neun WKA jeweils ab, so dass insgesamt zehn Verfahren beim Verwaltungsgericht geführt wurden (W 4 K 18.500 – W 4 K 18.509).
19
Mit Urteilen vom 24. November 2020 hob das Verwaltungsgericht die Bescheide vom 20. September 2016 und vom 20. Dezember 2016 betreffend sämtliche WKA auf. Im Übrigen wies es jeweils die Klage ab. Ferner sprach das Verwaltungsgericht jeweils die Feststellung aus, dass für den Typenwechsel von einer Windkraftanlage des Typs Vestas V 126-3.3 zum Typ Senvion 3.4M ein immissionsschutzrechtliches Genehmigungsverfahren durchzuführen sei. Zur Begründung führte das Verwaltungsgericht im Wesentlichen aus: Die Anfechtungsklage gegen das Schreiben vom 13. April 2017 sei unzulässig. Diese Mitteilung über die Einstellung eines Verwaltungsverfahrens beinhalte keine nach außen gerichtete Regelung i.S.d. Art. 35 Satz 1 BayVwVfG. Hinsichtlich der Schreiben vom 20. September 2016 und vom 20. Dezember 2016 sei die Anfechtungsklage hingegen erfolgreich. Bei solchen „Positivmitteilungen“ i.S.v. § 15 Abs. 2 BImSchG handele es sich um Verwaltungsakte, hinsichtlich der Kläger als gem. § 3 Abs. 1 UmwRG anerkannte Umweltvereinigung klagebefugt sei. Indem er Bedenken und Einwendungen gegen das Vorhaben in immissionsschutzrechtlicher Hinsicht und Verstöße gegen das Verfahren gem. §§ 15, 16 BImSchG vortrage, mache er auch geltend, dass die Freistellungserklärungen Rechtsvorschriften widersprächen, die für die Entscheidung von Bedeutung sein könnten (§ 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UmwRG). Gemessen an seinen satzungsmäßigen Vereinszielen könne der Kläger auch jedenfalls nachteilige Auswirkungen der WKA auf den Artenschutz und das Landschaftsbild geltend machen, die im Rahmen eines nach seiner Auffassung erforderlichen Änderungsgenehmigungsverfahrens Berücksichtigung hätten finden müssen (§ 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UmwRG). Bei §§ 15, 16 BImSchG handele es sich um umweltbezogene Rechtsvorschriften. Die Jahresfrist des § 2 Abs. 3 UmwRG sei nicht verstrichen. Der Kläger habe erst durch „die streitgegenständlichen Schreiben des Landratsamts, in denen dieses die Freistellung erklärte, welche der Klägerin nach eigenem Bekunden am 19. April 2017 bekannt gegeben“ worden seien, Kenntnis erlangt. Etwas anderes ergebe sich nicht aus der Veröffentlichung im Amtsblatt vom 18. Januar 2017, dass aufgrund des Typenwechsels ein baurechtliches Genehmigungsverfahren laufe. Diese Veröffentlichung reiche auch für ein „Kennenkönnen“ nicht aus. Der Inhalt der Entscheidung des Landratsamts ergebe sich hieraus nicht. Es bestehe auch keine allgemeine Nachforschungspflicht von Umweltvereinigungen, etwa gerichtet auf die Sichtung von Amtsblättern. Die Klage sei nach Maßgabe von § 2 Abs. 4 UmwRG begründet. Die Freistellungserklärungen vom 20. September 2016 und vom 20. Dezember 2016 seien rechtswidrig. Die Anwendbarkeit von § 16 BImSchG hänge nicht davon ab, ob die durch das BImSchG geschützten Belange tatsächlich berührt seien, sondern davon, ob eine Berührung dieser Belange in Betracht kommen könne. Im Vergleich zur erteilten Genehmigung für den Typ Vestas V 126-3.3 stellten die nunmehr von der Beigeladenen geplanten WKA des Typs Senvion 3.4M122 eine wesentliche Änderung i.S.d. § 16 Abs. 1 BImSchG dar. Grundsätzlich könne zwar nicht ohne Weiteres von der Änderung des Windkraftanlagentyps auf das Vorliegen einer wesentlichen Änderung geschlossen werden; vielmehr müsse dies im Einzelfall aufgrund der geänderten technischen Daten geprüft werden. Der Beklagte gehe in den angegriffenen Bescheiden aber selbst davon aus, dass an drei Immissionsorten höhere Schattenbelastungen aufträten. Zudem liege der Schallleistungspegel inklusive Unsicherheitszuschlag bei den Senvion-Anlagen um 0,5 dB(A) höher. Für den Beklagten habe danach ohne nähere und tiefergehende Prüfung nicht mehr auf der Hand liegen können, dass die Betreiberpflichten nach wie vor eindeutig erfüllt seien. Durch das rechtswidrige Unterlassen eines Änderungsgenehmigungsverfahrens würden Belange berührt, die zu den satzungsmäßigen Zielen des Klägers gehörten. Auch die Feststellungsklage sei zulässig und begründet.
20
Zur Begründung ihrer vom Senat zugelassenen Berufung trug die Beigeladene im Wesentlichen vor: Die Anfechtungsklage gegen die Bescheide vom 20. September 2016 und vom 20. Dezember 2016 sei nicht fristgerecht gem. § 2 Abs. 3 UmwRG erhoben worden. Spätestens im Februar 2017 habe der Kläger von der Freistellung von einem immissionsschutzrechtlichen Änderungsgenehmigungsverfahren Kenntnis erlangt oder er habe jedenfalls ohne weiteres diese Kenntnis erlangen können. Der Kläger habe sich durch seinen Geschäftsführer mit E-Mail vom 13. Januar 2017 an das Landratsamt gewendet und bezüglich des weiteren Änderungsantrags für den Windpark um Beteiligung gebeten. Darauf sei dem Geschäftsführer mit E-Mail des Landratsamts vom 18. Januar 2017 mitgeteilt worden, dass für die geplante Änderung des Anlagentyps ein Baugenehmigungsverfahren durchgeführt werde. Bereits hieraus habe der Kläger, der als anerkannte Umweltvereinigung in seinem Hauptbetätigungsfeld gerichtsbekannt gegen Genehmigungen für WKA vorgehe, erkennen können, dass kein immissionsschutzrechtliches Änderungsverfahren durchgeführt werde, denn das Baugenehmigungsverfahren wäre sonst nach § 13 BImSchG einkonzentriert gewesen. Zudem habe der Kläger dem Schreiben des Landratsamts vom 25. Januar 2017 dessen Entscheidung gegen eine Änderungsgenehmigungspflicht entnehmen können. Der Kläger habe ohne weiteres die Möglichkeit gehabt, sich bei der Behörde zu erkundigen, ob die Beigeladene bereits eine Freistellungserklärung erhalten habe, und habe dies auch tun müssen. Ferner habe der Kläger durch die zuständige Regionalbeauftragte am 20. Februar 2017 Einsicht in die Unterlagen zum Baugenehmigungsverfahren für den Typwechsel genommen. Auch hieraus habe der Kläger folgern müssen, dass gerade kein immissionsschutzrechtliches Genehmigungsverfahren stattfinde, und er habe sich diesbezüglich auch bei der Genehmigungsbehörde erkundigen können. Zudem habe sich der Bekanntmachung im Amtsblatt am 18. Januar 2017 entnehmen lassen, dass aufgrund des Typenwechsels lediglich ein Baugenehmigungsverfahren durchgeführt werde. Der hierzu vom Kläger eingereichten Stellungnahme vom 20. Februar 2017 lasse sich entnehmen, dass dem Kläger bewusst gewesen sei, welche Art des Genehmigungsverfahrens hinsichtlich des Typwechsels durchgeführt werden solle. Der Kläger sei auch schon in den Jahren 2016 und 2017 erfahren genug gewesen, aus den ihm übermittelten Informationen die nötigen Schlüsse, zumindest in Bezug auf die Notwendigkeit weiterer Erkundigungen bei der Behörde, zu ziehen. Die Klage sei auch unbegründet, weil die Bescheide vom 20. September 2016 und vom 20. Dezember 2016 rechtmäßig seien.
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Der Beklagte führte zur Berufung der Beigeladenen im Wesentlichen aus, dass die Anfechtungsklagen gegen die Freistellungserklärungen unzulässig seien, da es sich nicht um in § 1 Abs. 1 Satz 1 UmwRG genannte Klagegegenstände handele. Hinsichtlich des Feststellungsantrags habe der Kläger die Jahresfrist des § 2 Abs. 3 UmwRG versäumt. Insbesondere sei auf das Schreiben des Landratsamts vom 25. Januar 2017 zu verweisen, in welchem dem Kläger mitgeteilt worden sei, dass es sich bei der Änderung des Anlagentyps auf Senvion 3.4 um keine wesentliche Änderung i.S.v. § 16 Abs. 1 Satz 1 BImSchG handele. Für eine Kenntnis i.S.v. § 2 Abs. 3 Satz 3 UmwRG reiche die Kenntnis des Geschäftsführers.
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Zur Berufung führte der Kläger im Wesentlichen aus: Entgegen der Auffassung des Beklagten fielen die angefochtenen Freistellungsentscheidungen unter das UmwRG, wie der Senat bereits entschieden habe (§ 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 i.V.m. Satz 2 UmwRG). Die Frist zur Klageerhebung nach § 2 Abs. 3 UmwRG sei gewahrt worden. Sie habe frühestens mit dem Schreiben vom 13. April 2017 begonnen. In den von der Beigeladenen angeführten E-Mails und dem Schreiben vom 25. Januar 2017 seien die Freistellungserklärungen nicht erwähnt worden. Für die Frage, ob der Kläger hätte Kenntnis erlangen können, könne nicht auf das subjektive Kriterium abgestellt werden, ob der Kläger hinsichtlich Klagen gegen Windkraftanlagen versiert sei. Zudem habe der Kläger im fraglichen Zeitpunkt (Januar 2017) noch keine Erfahrungen mit Klagen gegen Windkraftanlagen gehabt; er sei erst mit Schreiben vom 27. Juli 2015 anerkannt worden. Aus den von der Beigeladenen genannten Unterlagen dränge sich auch nicht auf, dass Freistellungserklärungen ergangen seien, so dass keine entsprechende Nachforschungspflicht des Klägers bestanden habe. Eine andere Sichtweise würde den Kläger in seinem durch die Aarhus-Konvention geforderten weiten Zugang zu den Gerichten behindern. Auch sei es überzogen, aus durch Einsicht in Baugenehmigungsakten gewonnenen Erkenntnissen folgern zu müssen, dass kein immissionsschutzrechtliches Genehmigungsverfahren durchgeführt werde. § 2 Abs. 3 UmwRG beruhe zudem auf einer Parallele zum Baunachbarrecht. Dort seien für einen Fristbeginn deutlich wahrnehmbare Bauarbeiten erforderlich, die zudem die Beeinträchtigung subjektiver Rechtspositionen erkennen ließen. Ein solcher Fall liege hier nicht vor; behördliche Schreiben könnten die Frist des § 2 Abs. 3 UmwRG nicht in Gang setzen. Es stelle sich die Frage, weshalb die Behörde den Kläger nicht ausdrücklich über das Ergehen von Freistellungserklärungen informiert habe. Selbst bei einem Gespräch im Bayerischen Umweltministerium am 12. Mai 2017 sei das Ergehen von Freistellungserklärungen dem Kläger nicht mitgeteilt worden; der Kläger habe aber davon ausgehen können, dass ihm alle relevanten Informationen mitgeteilt worden seien. Bei dem Typwechsel handele es sich auch um eine wesentliche Änderung nach § 16 BImSchG.
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Zur Begründung seiner Anschlussberufung führte der Kläger im Wesentlichen aus: Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts handele es sich bei dem Schreiben vom 13. April 2017 über die Einstellung des Baugenehmigungsverfahrens um einen Verwaltungsakt. Zwar sehe die BayBO – anders als das BImSchG in dessen § 15 Abs. 2 – keine behördliche Prüfung vor, ob die Änderung eines Vorhabens genehmigungsbedürftig sei. Vorliegend habe die Behörde jedoch aufgrund der besonderen Situation ausnahmsweise eine einer Freistellungserklärung vergleichbare Erklärung abgegeben. Die Behörde habe das bereits eingeleitete Baugenehmigungsverfahren auf Grund des Schreibens der Obersten Baubehörde entgegen ihrer ursprünglichen Auffassung einstellen wollen. Bei dem Schreiben vom 13. April 2017 handele es sich daher nicht um eine schlichte Mitteilung über die Einstellung des Genehmigungsverfahrens, sondern um eine verbindliche Regelung, dass das Vorhaben auch ohne Durchführung eines baurechtlichen Genehmigungsverfahrens errichtet werden könne. Anerkannt sei, dass eine Regelung i.S.d. Art. 35 BayVwVfG auch dann vorliegen könne, wenn Unsicherheiten im Verhältnis Staat und Bürger beseitigt werden sollten und die Verwaltung durch Erklärung festlege, was im Einzelfall rechtens sein solle. So verhalte es sich hier, weil die Behörde zunächst davon ausgegangen sei, dass eine Baugenehmigung erforderlich sei; die durch das Schreiben der Obersten Baubehörde entstandene Unsicherheit sei dann durch die Erklärung der Behörde über die Verfahrenseinstellung beseitigt worden. Ein Verwaltungsakt könne auch eine Feststellung enthalten, hier über die Notwendigkeit eines Baugenehmigungsverfahrens. Durch das Schreiben sei bestimmt worden, dass das Vorhaben – auch ohne Erteilung der Baugenehmigung – zulässig sei. Es bestehe aber eine Pflicht zur Durchführung eines Baugenehmigungsverfahrens, da es sich bei dem Typenwechsel um ein baurechtliches Aliud handele.
24
Die Beigeladene führte zur Anschlussberufung im Wesentlichen aus: Eine Anfechtungsklage gegen das Schreiben des Landratsamts vom 13. April 2017 sei nicht statthaft. Die Behörde habe mit diesem Schreiben die Beigeladene über die Einstellung des Baugenehmigungsverfahrens informiert, ohne einen Verwaltungsakt zu erlassen. Das Änderungsgenehmigungsverfahren sei im BImSchG und in der BayBO unterschiedlich ausgestaltet; eine dem § 15 BImSchG vergleichbare Vorschrift enthalte die BayBO nicht. Die Behörde könne auf einen Bauantrag lediglich entweder die Baugenehmigung erteilen oder eine Erteilung ablehnen. Nachdem keine Baugenehmigung erteilt worden sei, könne eine von diesen Möglichkeiten abweichende positive Regelung nicht in das Schreiben vom 13. April 2017 hineininterpretiert werden. Wenn in der Einstellungsmitteilung ein Verwaltungsakt gesehen werde, könne es sich dabei höchstens um eine konkludente Ablehnung des Bauantrags handeln. Für dessen Anfechtung fehle dem Kläger aber das Rechtsschutzbedürfnis.
25
Zur Anschlussberufung führte der Beklagte im Wesentlichen aus: Das Verwaltungsgericht habe das Schreiben des Landratsamts vom 13. April 2017 zu Recht nicht als Verwaltungsakt qualifiziert. Die BayBO enthalte keine dem § 15 BImSchG vergleichbare Regelung. Komme es nicht zum Erlass eines Verwaltungsakts, bedürfe das Verwaltungsverfahren keines formellen Beendigungsakts. Die Behörde habe bei dem Schreiben vom 13. April 2017 auch nicht den Willen zum Erlass eines feststellenden Verwaltungsakts gehabt. Im Übrigen habe der Kläger nicht dargelegt, woraus er als anerkannte Umweltvereinigung eine Klagebefugnis für seine Anfechtungsklage ableite.
26
In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat erklärten die Beteiligten den Rechtsstreit hinsichtlich der mit Bescheid vom 20. September 2016 erteilten Freistellung für den Anlagentyp Senvion 3.2 in der Hauptsache für erledigt.
27
Die Beigeladene beantragt,
28
die Urteile des Verwaltungsgerichts Würzburg vom 24. November 2020 abzuändern und die Klage in vollem Umfang abzuweisen und die Anschlussberufung zurückzuweisen, soweit der Rechtsstreit nicht für erledigt erklärt wurde.
30
schließt sich dem Antrag der Beigeladenen an.
32
unter teilweiser Abänderung der angefochtenen Urteile des Verwaltungsgerichts Würzburg vom 24. November 2020 den Bescheid des Landratsamts vom 13. April 2017 aufzuheben und die Berufung der Beigeladenen zurückzuweisen, soweit der Rechtsstreit nicht für erledigt erklärt wurde.
33
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- und die Behördenakten verwiesen.
Entscheidungsgründe
34
I. Soweit der Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt wurde (d.h. hinsichtlich der Anfechtung des Bescheids vom 20.9.2016; Wechsel vom Windanlagentyp Vestas V126-3.3 zum Typ Senvion 3.2), war das Verfahren in entsprechender Anwendung des § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO einzustellen. Die Urteile des Verwaltungsgerichts sind insoweit wirkungslos geworden (§ 173 VwGO, § 269 Abs. 3 Satz 1 ZPO analog).
35
II. Die Berufung der Beigeladenen hat Erfolg; dies führt zur Abänderung der verwaltungsgerichtlichen Urteile – soweit nicht wirkungslos – und zur Abweisung der Klage in vollem Umfang (1.). Die Anschlussberufung der Beigeladenen bleibt ohne Erfolg; sie ist daher zurückzuweisen (2.).
36
1. Die Berufung der Beigeladenen ist zulässig und begründet. Das Verwaltungsgericht hat die Freistellungserklärung vom 20. Dezember 2016 zu Unrecht aufgehoben. Denn die dagegen erhobene Klage des Klägers wäre abzuweisen gewesen, weil sie bereits unzulässig ist.
37
Die auf das allein noch anfechtungsgegenständliche Schreiben des Landratsamts vom 20. Dezember 2016 (Wechsel vom Windkraftanlagentyp Vestas V126-3.3 zum Typ Senvion 3.4M122) bezogene Anfechtungsklage (1.1) ist zwar statthaft, weil es sich bei dem Schreiben um einen Verwaltungsakt handelt (1.1.1), hinsichtlich dessen der Kläger auch nach § 2 Abs. 1 UmwRG klagebefugt ist (1.1.2). Allerdings wurde die Klage nicht fristgerecht gem. § 2 Abs. 3 UmwRG erhoben (1.1.3). Der Feststellungsantrag ist aufgrund der Subsidiaritätsklausel des § 43 Abs. 2 Satz 1 VwGO sowie ebenfalls wegen Verfristung unzulässig (1.2).
38
1.1 Die Anfechtungsklage gegen das Schreiben des Landratsamts vom 20. Dezember 2016 ist im Ergebnis unzulässig.
39
1.1.1 Das Schreiben ist ein Verwaltungsakt i.S.d. Art. 35 Satz 1 BayVwVfG, der folglich mit der Anfechtungsklage nach § 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO angegriffen werden konnte.
40
1.1.1.1 Die Mitteilung an den Träger des Vorhabens gemäß § 15 Abs. 2 Satz 2 Alt. 1 BImSchG, die geplante Änderung der Anlage bedürfe keiner Genehmigung (sog. „Freistellungserklärung“), stellt einen Verwaltungsakt dar (vgl. BVerwG, B.v. 3.1.2022 – 7 B 6.21 – juris Rn. 13; U.v. 7.8.2012 – 7 C 7.11 – juris Rn. 13; U.v. 28.10.2010 – 7 C 2.10 – juris Rn. 21 f.). Eine solche Freistellungserklärung stellt allerdings mit Bindungswirkung lediglich fest, dass die Änderung keiner förmlichen immissionsschutzrechtlichen Genehmigung bedarf. Die von ihr erzeugte verbindliche Rechtswirkung nach außen besteht (und erschöpft sich) darin, dass die Änderung ohne Weiteres formell rechtmäßig ist und daher weder Stilllegungsanordnungen nach § 20 Abs. 2 BImSchG ergehen noch an die formelle Illegalität anknüpfende Bußgeld- oder Straftatbestände eingreifen können. Freistellungserklärungen haben also keine materielle (immissionsschutzrechtliche) Wirkung (BVerwG, B.v. 3.1.2022 – 7 B 6.21 – juris Rn. 13).
41
Eine Freistellungserklärung kann auch in Bezug auf die Änderung einer immissionsschutzrechtlich genehmigungsbedürftigen Anlage ergehen, mit deren Errichtung nach Erteilung der Genehmigung oder Änderungsgenehmigung – wie hier – noch nicht begonnen wurde. Denn Maßstab für das Vorliegen einer Änderung i.S.d. § 15 Abs. 1 BImSchG ist allein der vorhandene Gestattungsbestand (vgl. Schiller in Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Stand September 2022, § 15 BImSchG Rn. 36; vgl. nunmehr auch § 16b Abs. 7 BImSchG).
42
1.1.1.2 Das Schreiben des Landratsamts an die Beigeladene vom 20. Dezember 2016 stellt eine solche Freistellungserklärung dar. Zwar fehlt es an einen Verwaltungsakt kennzeichnenden äußeren Merkmalen (Tenor; in Sachverhaltsdarstellung und Rechtsausführungen gegliederte Bescheidgründe; Rechtsbehelfsbelehrung). Die Auslegung des Schreibens entsprechend § 133 BGB (vgl. etwa BVerwG, B.v. 24.7.2018 – 6 B 75.17 – juris Rn. 8 m.w.N.) ergibt jedoch, dass es sich hierbei um eine Mitteilung nach § 15 Abs. 2 Satz 2 Alt. 1 BImSchG handelte.
43
Das Schreiben nennt § 15 BImSchG sowie den – als Änderung i.S.d. §§ 15, 16 BImSchG in Rede stehenden – „Typwechsel Senvion 3.4M122“ im Betreff. Es bezieht sich im Weiteren auf die für diesen Typwechsel nach § 15 Abs. 1 BImSchG erfolgte Anzeige der Beigeladenen vom 13. Dezember 2016. Anschließend wird – als Bezugspunkt für das Vorliegen einer Änderung (vgl. Jarass, BImSchG, 14. Aufl. 2022, § 15 Rn. 11 m.w.N.) – dem neuen Anlagentyp der mit Bescheid vom 2. April „2016“ (gemeint offenbar: 2015, vgl. auch Datumsangabe im Betreff) gem. § 16 BImSchG (änderungs-) genehmigte Typ Vestas V126-3.3 gegenübergestellt. Hierauf folgen immissionsschutzfachliche Erwägungen, die in die Aussage münden, dass „es sich nicht um eine genehmigungsbedürftige wesentliche Änderung i.S.d. § 16 Abs. 1 Satz 1 BImSchG“ handele. Hieraus wird deutlich, dass die Genehmigungsbehörde eine abschließende und verbindliche Entscheidung dahin treffen – und diese der Beigeladenen mitteilen – wollte, dass die Änderung (Typwechsel) i.S.d. § 15 Abs. 2 Satz 2 BImSchG keiner Genehmigung bedurfte, denn die von dieser Norm angesprochene Genehmigungsbedürftigkeit bestimmt sich nach den Vorgaben des § 16 Abs. 1 BImSchG (vgl. BVerwG, U.v. 28.10.2010 – 7 C 2.10 – juris Rn. 19; Schiller in Landmann/Rohmer, Umweltrecht, § 15 BImSchG Rn. 64; Jarass, BImSchG, § 15 Rn. 34). Auch die folgenden Ausführungen zur Notwendigkeit einer baurechtlichen (Tektur-) Genehmigung lassen erkennen, dass die Behörde sich hinsichtlich des fehlenden Erfordernisses einer immissionsschutzrechtlichen Änderungsgenehmigung abschließend und verbindlich festgelegt hatte.
44
1.1.2 Der Kläger ist als gem. § 3 UmwRG anerkannte Vereinigung in Bezug auf eine Freistellungserklärung nach § 15 Abs. 2 Satz 2 Alt. 1 BImSchG gem. § 2 Abs. 1 Umw-RG klagebefugt. Keiner abschließenden Entscheidung bedarf dabei, wie die Freistellungserklärung in die Regelungssystematik des § 1 Abs. 1 UmwRG einzuordnen ist.
45
Dass eine anerkannte Umweltvereinigung in Bezug auf eine Freistellungserklärung klage- bzw. rechtsbehelfsbefugt ist, weil es sich i.S.d. § 2 Abs. 1 Satz 1 UmwRG um eine Entscheidung nach § 1 Abs. 1 Satz 1 UmwRG bzw. deren Unterlassen handelt, hat der Senat – gerade auch für den Kläger des vorliegenden Verfahrens – wiederholt entschieden (vgl. näher BayVGH, B.v. 5.4.2019 – 22 CS 18.2572 u.a. – juris Rn. 61 ff.; vgl. auch B.v. 16.11.2020 – 22 CS 20.1846 sowie 22 CS 20.1916 – n.v.). Der Senat ist dabei davon ausgegangen (vgl. B.v. 5.4.2019 – 22 CS 18.2572 u.a. – juris Rn. 61), dass es sich bei der Freistellungserklärung nicht um eine Zulassungsentscheidung im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 UmwRG handele (angesichts nur einer Windkraftanlage schied in jener Entscheidung eine auch nur potenzielle UVP-Pflicht i.S.d. § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UmwRG aus, vgl. Nr. 1.6 der Anlage 1 zum UVPG). Dies werde auch durch die Definition der Zulassungsentscheidung in § 2 Abs. 6 Nr. 1 a. E. UVPG („mit Ausnahme von Anzeigeverfahren“) bestätigt. Jedoch liege in der Freistellungsbescheinigung der behördliche Verzicht auf das Erfordernis einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung nach § 16 BImSchG. Die Umweltvereinigung könne daher geltend machen, dass im Sinne von § 1 Abs. 1 Satz 2 UmwRG entgegen geltender Rechtsvorschriften (§ 16 Abs. 1 BImSchG) keine Zulassungsentscheidung nach § 1 Abs. 1 Satz 1 (in jener Entscheidung: Nr. 5) UmwRG getroffen worden sei. Zwar sei nach dem Wortlaut dieser Vorschrift unklar, ob bereits die Erteilung einer Freistellungserklärung als behördliches Unterlassen der Erteilung einer Änderungsgenehmigung verstanden werden könne, obwohl dies zunächst einen Genehmigungsantrag voraussetze. Die historische Auslegung ergebe allerdings, dass der Gesetzgeber die vorliegende Konstellation als Anwendungsfall des § 1 Abs. 1 Satz 2 UmwRG angesehen habe. Nach der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 16/2495 S. 10) sollten vom Anwendungsbereich dieser Vorschrift auch Rechtsbehelfe erfasst werden, die darauf gerichtet seien, dass das jeweilige Zulassungsverfahren hätte durchgeführt werden müssen, aber im Einzelfall unter Verstoß gegen Rechtsvorschriften nicht durchgeführt worden sei. Dies komme beispielsweise in Betracht bei Errichtung und Betrieb eines Vorhabens oder einer Anlage ohne vorherige Durchführung eines Zulassungsverfahrens oder bei einer vermeintlich zulässigen Änderung eines Vorhabens oder solch einer Anlage auf Grund einer Anzeige anstelle einer behördlichen Zulassungsentscheidung. Zudem müsse nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs in Bezug auf Rechtsbehelfe einer Umweltvereinigung das mitgliedstaatliche Verfahrensrecht so weit wie möglich im Einklang sowohl mit den Zielen von Art. 9 Abs. 3 der Aarhus-Konvention (AK) als auch mit dem Ziel eines effektiven gerichtlichen Rechtsschutzes für die durch das Unionsrecht verliehenen Rechte ausgelegt werden. Es sei möglich, § 1 Abs. 1 Satz 1 (dort: Nr. 5) i.V.m. Satz 2 UmwRG dahin auszulegen, dass hiervon der Fall einer in rechtswidriger Weise erteilten Freistellungserklärung nach § 15 Abs. 2 Satz 2 BImSchG in Verbindung mit einer unterlassenen Genehmigungsentscheidung nach § 16 BImSchG erfasst werde.
46
In der Literatur wird – zum Teil unter Anführung der o.g. Senatsrechtsprechung – die Freistellungserklärung überwiegend in ähnlicher Weise § 1 Abs. 1 Satz 2 UmwRG zugeordnet, bisweilen unter zusätzlicher Inbezugnahme von § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 UmwRG (vgl. Fellenberg/Schiller in Landmann/Rohmer, Umweltrecht, § 1 UmwRG Rn. 110; Happ in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 1 UmwRG Rn. 19a; Jarass, BImSchG, § 15 Rn. 42; Guckelberger in Frenz/Müggenborg, BNatSchG, 3. Aufl. 2021, Nach § 64 Die Zulässigkeit und Begründetheit von Umweltrechtsbehelfen seit der UmwRG-Novelle 2017, Rn. 19; Bunge, UmwRG, 2. Aufl. 2019, § 1 Rn. 168; Schlacke/Römling in Schlacke/Schrader/Bunge, Aarhus-Handbuch, 2. Aufl. 2019, § 3 Rechtsbehelfe im Umweltrecht, Rn. 97; Schieferdecker in Beckmann/Kment, UVPG/UmwRG, 6. Aufl. 2023, § 1 UmwRG Rn. 69, Rn 97).
47
Die Einordnung der Freistellungserklärung in § 1 Abs. 1 Satz 2 BImSchG und das Abstellen auf das Unterlassen einer Änderungsgenehmigung liegt besonders bei Fallgestaltungen wie der vorliegenden nahe, in denen die angezeigte Änderung der Anlage in Folge der Freistellungserklärung ohne weitere immissionsschutzrechtliche Genehmigungsschritte (Antrag auf Erteilung einer Änderungsgenehmigung; Erteilung derselben) tatsächlich verwirklicht wird.
48
Allerdings scheint auch denkbar, die Freistellungserklärung nicht über die Konstruktion des Unterlassens einer Entscheidung § 1 Abs. 1 Satz 2 UmwRG dem Anwendungsbereich des UmwRG unterfallen zu lassen, sondern sie als „positive“ Entscheidung nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 UmwRG einzustufen (in diese Richtung eventuell Schieferdecker in Beckmann/Kment, UVPG/UmwRG, § 1 UmwRG Rn. 69). Hierfür könnte sprechen, dass im Sinne dieser Norm mit Auffangcharakter der dort verwendete Begriff des zugelassenen Vorhabens in erweiternder Auslegung auch Entscheidungen erfasst, die nur Elemente einer Zulassungsentscheidung nach § 2 Abs. 6 UVPG enthalten (vgl. BVerwG, U.v. 19.12.2019 – 7 C 28.18 – juris Rn. 25 zu einer Verlängerungsentscheidung nach § 18 Abs. 3 BImSchG; U.v. 21.1.2021 – 7 C 9.19 – juris Rn. 13). Denn auch wenn eine Freistellungserklärung keine materiellrechtliche Legalisierungswirkung bzw. keinen materiellrechtlichen, Bindungswirkung und Bestandsschutz vermittelnden Regelungsinhalt hat (vgl. BVerwG, U.v. 28.10.2010 – 7 C 2.10 – juris Rn. 24, Rn. 26), stellt sie immerhin mit Bindungswirkung fest, dass die geplante Änderung der Anlage keiner förmlichen immissionsschutzrechtlichen Genehmigung bedarf; § 15 Abs. 2 Satz 2 BImSchG gestattet dem Vorhabenträger – auch wenn die Norm den Charakter einer bloßen Verfahrensregelung hat – im Sinne einer Freigabeerklärung die Vornahme der Änderungen ohne formelle (immissionsschutzrechtliche) Genehmigung (vgl. BVerwG, a.a.O., juris Rn. 22 f.)
49
Einer abschließenden Entscheidung bedarf die Frage, wie Freistellungserklärungen in die Systematik des § 1 Abs. 1 UmwRG einzuordnen sind, jedoch nicht. Da § 2 Abs. 1 Satz 1 UmwRG mit der Alternative des „Unterlassens“ die Regelung in § 1 Abs. 1 Satz 2 UmwRG aufgreift (vgl. BVerwG, U.v. 19.12.2019 – 7 C 28.18 – BVerwGE 167, 250 – juris Rn. 21), ist der Kläger unabhängig davon klagebefugt, ob die Freistellungserklärung als – in erweiterter Auslegung – „zulassender“ Verwaltungsakt i.S.d. § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 UmwRG aufgefasst oder als Unterlassen einer Zulassungsentscheidung nach § 1 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. Satz 1 Nr. 1 oder – abhängig von der UVP-Vorprüfungspflicht – Nr. 5 eingeordnet wird.
50
Der gegenteiligen Auffassung des Verwaltungsgerichts Stade (U.v. 19.10.2021 – 2 A 1694/18 – juris Rn. 62), wonach dem § 15 Abs. 2 Satz 2 BImSchG kein drittschützender Charakter zukomme, vermag sich der Senat nicht anzuschließen. Die vom Verwaltungsgericht Stade angeführte Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG, U.v. 7.8.2012 – 7 C 7.11) befasst sich ausschließlich mit der Klage eines Nachbarn gegen eine Freistellungserklärung; dort wird verneint, dass diese einen privaten Dritten gem. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO in seinen Rechten verletzen kann. § 2 Abs. 1 Satz 1 UmwRG verlangt jedoch für die Zulässigkeit einer Klage eines Umweltverbands ausdrücklich keine Geltendmachung einer Verletzung eigener Rechte (zutreffende Abgrenzung daher bei Bunge, UmwRG, § 1 Fn. 130). Diese und weitere Normen des UmwRG werden vom Verwaltungsgericht Stade zudem ebenso wenig angeführt wie eine Auseinandersetzung mit der oben genannten – eine Klagebefugnis einer Umweltvereinigung im Ergebnis einhellig bejahenden – Rechtsprechung und Literatur erfolgt.
51
1.1.3 Die am 13. April 2018 gegen den Bescheid vom 20. Dezember 2016 erhobene Klage wurde jedoch nach Maßgabe von § 2 Abs. 3 UmwRG unabhängig davon, wie diese Freistellungserklärung in § 1 Abs. 1 UmwRG einzuordnen ist, nicht rechtzeitig erhoben. Die Klagefrist von einem Jahr hatte in jedem Fall vor dem 13. April 2017 zu laufen begonnen.
52
Nach § 2 Abs. 3 Satz 1 UmwRG muss eine Klage, wenn eine Entscheidung nach § 1 Abs. 1 Satz 1 UmwRG – wie hier – nach den geltenden Rechtsvorschriften weder öffentlich bekannt gemacht noch der Vereinigung bekannt gegeben worden ist, binnen eines Jahres erhoben werden, nachdem die Vereinigung von der Entscheidung Kenntnis erlangt hat oder hätte erlangen können. Nach § 2 Abs. 3 Satz 3 UmwRG gilt dies entsprechend, wenn eine Entscheidung nach § 1 Abs. 1 Satz 1 UmwRG entgegen geltenden Rechtsvorschriften nicht getroffen worden ist und die Vereinigung von diesem Umstand Kenntnis erlangt hat oder hätte erlangen können.
53
§ 2 Abs. 3 Satz 1 UmwRG bezieht sich auf die Fälle des Ergehens einer Entscheidung nach § 1 Abs. 1 Satz 1 UmwRG, während § 2 Abs. 3 Satz 3 UmwRG auf das Nichtergehen einer Entscheidung nach § 1 Abs. 1 Satz 2 UmwRG abzielt und damit die Umgehungsfälle auch hinsichtlich der Klagefrist dem Erlass einer Entscheidung gleichstellt (vgl. Fellenberg/Schiller in Landmann/Rohmer, Umweltrecht, § 2 UmwRG Rn. 53). Fristauslösend kann jeweils sein die positive Kenntnis oder ein „Kennenkönnen“ (vgl. zum Begriff etwa Schlacke in Gärditz, VwGO mit Nebengesetzen, 2. Aufl. 2018, § 2 UmwRG Rn. 48). § 2 Abs. 3 Satz 1 und Satz 3 UmwRG enthalten also vier Alternativen: Kenntnis der Entscheidung (§ 2 Abs. 3 Satz 1 Alt. 1 UmwRG; dazu 1.1.3.1), „Kennenkönnen“ der Entscheidung (§ 2 Abs. 3 Satz 1 Alt. 2 UmwRG; dazu 1.1.3.2), Kenntnis des Umstands des Nichtergehens einer Entscheidung (§ 2 Abs. 3 Satz 3 Alt. 1 UmwRG; dazu 1.1.3.3), „Kennenkönnen“ des Umstands des Nichtergehens einer Entscheidung (§ 2 Abs. 3 Satz 3 Alt. 2 UmwRG; dazu 1.1.3.4).
54
1.1.3.1 Wird die Freistellungserklärung als Entscheidung nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 UmwRG eingestuft – oder wird der Fall einer behördlichen Entscheidung, die i.S.d. § 1 Abs. 1 Satz 2 UmwRG zu einer Umgehung des UmwRG führen könnte, stets § 2 Abs. 3 Satz 1 UmwRG zugeordnet (in diese Richtung Happ in Eyermann, VwGO, § 2 UmwRG Rn. 17) –, liegt zwar die Alternative „Kennen der Entscheidung“ (§ 2 Abs. 3 Satz 1 Alt. 1 UmwRG) in Bezug auf den Bescheid vom 20. Dezember 2016 nicht vor. Denn keine der von der Beigeladenen und dem Beklagten vorgelegten Unterlagen betreffend den Wechsel zum Anlagentyp Senvion 3.4, insbesondere die Korrespondenz zwischen dem Kläger und dem Landratsamt, erwähnt diese Freistellungsentscheidung ausdrücklich. Keiner Entscheidung bedarf daher die Frage, ob das „Kennen“ der Entscheidung deren vollständige Kenntnis erfordert (so Happ in Eyermann, VwGO, § 2 UmwRG Rn. 15; Bunge, UmwRG, § 2 Rn. 101; a.A. Fellenberg/Schiller in Landmann/Rohmer, Umweltrecht, § 2 UmwRG Rn. 48; allerdings dürfte der Streit angesichts der Maßstäbe für ein „Kennenkönnen“ – siehe sogleich – eher theoretischer Natur sein).
55
Dass die Voraussetzungen für einen Fristbeginn nach § 2 Abs. 3 Satz 1 Alt. 1 UmwRG nicht vorliegen, ist jedoch unschädlich. Wird die Freistellungserklärung als Entscheidung nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 UmwRG eingestuft oder wird der Fall einer behördlichen Entscheidung, die i.S.d. § 1 Abs. 1 Satz 2 UmwRG zu einer Umgehung des UmwRG führen könnte, stets § 2 Abs. 3 Satz 1 UmwRG zugeordnet (vgl. oben), lag jedenfalls ein „Kennenkönnen“ dieser Entscheidung nach § 2 Abs. 3 Satz 1 Alt. 2 Umw-RG vor dem 13. April 2017 vor (1.1.3.2). Bei Einstufung der Freistellungserklärung als i.S.d. § 1 Abs. 1 Satz 2 UmwRG unterlassene Zulassungsentscheidung gem. § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 oder Nr. 5 UmwRG hatte der Kläger i.S.d. § 2 Abs. 3 Satz 3 Alt. 1 UmwRG vor dem 13. April 2017 Kenntnis von dem Umstand des Nichtergehens einer Entscheidung (1.1.3.3); jedenfalls hätte er i.S.d. § 2 Abs. 3 Satz 3 Alt. 2 UmwRG von diesem Umstand vor dem 13. April 2017 Kenntnis erlangen können (1.1.3.4).
56
1.1.3.2 Bei Zuordnung einer Freistellungserklärung zu § 2 Abs. 3 Satz 1 UmwRG hätte der Kläger von der Entscheidung vom 20. Dezember 2016 vor dem 13. April 2017 Kenntnis erlangen können (§ 2 Abs. 3 Satz 1 Alt. 2 UmwRG).
57
Die Regelung des § 2 Abs. 3 (zunächst Abs. 4) UmwRG ist dem früheren § 61 Abs. 4 BNatSchG nachgebildet (vgl. BT-Drs. 16/2495 S. 12), der seinerseits den anhand des § 58 Abs. 2 VwGO in der Rechtsprechung entwickelten Regeln für die Verwirkung des Klagerechts entspricht (vgl. BT-Drs. 14/6378 S. 62). Für die Frage des „Kennenkönnens“ i.S.d. § 2 Abs. 3 Satz 1 (und auch Satz 3) UmwRG kann mithin auf die zum Baunachbarrecht entwickelte Verwirkungsrechtsprechung zurückgegriffen werden (vgl. OVG NW, B.v. 25.9.2015 – 8 A 970/15 – juris Rn. 14; B.v. 24.9.2009 – 8 B 1342/09.AK – juris Rn. 44). Von einem „Kennenkönnen“ ist damit regelmäßig dann auszugehen, wenn sich der Vereinigung das Vorliegen einer Entscheidung aufgrund objektiver Anhaltspunkte aufdrängen muss und wenn es ihr zudem möglich und zumutbar ist, sich etwa durch Anfragen beim Bauherrn oder bei der Genehmigungsbehörde Gewissheit zu verschaffen (vgl. OVG NW, B.v. 25.9.2015 und B.v. 24.9.2009, jeweils a.a.O.; HessVGH, B.v. 24.7.2014 – 2 B 864/14 – juris Rn. 5 ff; Fellenberg/Schiller in Landmann/Rohmer, Umweltrecht, § 2 UmwRG Rn. 49; Franzius in Schink/Reidt/Mitschang, UVPG/UmwRG, 2. Aufl. 2023, § 2 UmwRG Rn. 25; Kment in Beckmann/ders., UVPG/UmwRG, § 2 UmwRG Rn. 41; Bunge, UmwRG, § 2 Rn. 102 f.; Schlacke in Gärditz, VwGO mit Nebengesetzen, § 2 UmwRG Rn. 48).
58
Offen kann bleiben, ob der Kläger – wie die Beigeladene und der Beklagte meinen – allein aus der Information (entnommen etwa dem Amtsblatt des Belegenheitslandkreises), dass für den Anlagentypwechsel nur ein baurechtliches Genehmigungsverfahren durchgeführt werde, (rück-) schließen musste, dass die Genehmigungsbehörde die Notwendigkeit eines immissionsschutzrechtlichen Änderungsgenehmigungsverfahrens verneint und eine Entscheidung nach § 15 Abs. 2 Satz 2 BImSchG getroffen hatte. Denn jedenfalls hätte der Kläger aufgrund der Informationen, die in dem an seinen Geschäftsführer gerichteten, ihm unstreitig auch zugegangenen Schreiben des Landratsamts vom 25. Januar 2017 (Anlage BGL 14; vgl. erstinstanzlich Schriftsatz des Beklagten vom 2.3.2020 S. 4 oben) enthalten waren, von der Freistellungserklärung vom 20. Dezember 2016 betreffend den Wechsel zum Anlagentyp Senvion 3.4 i.S.d. § 2 Abs. 3 Satz 1 Alt. 2 UmwRG vor dem 13. April 2017 Kenntnis erlangen können.
59
In diesem Schreiben wird nach Darstellung der vollständigen Genehmigungshistorie des Windparks im vorletzten Absatz die Anzeige nach § 15 BImSchG zu einem Wechsel auf den Typ Senvion 3.4 (mit Leistungs- und Maßangaben) genannt. Deren überschlägige Prüfung, so das Schreiben, „hat ergeben, dass es sich nicht um eine genehmigungsbedürftige wesentliche Änderung im Sinne von § 16 Abs. 1 Satz 1 BImSchG handelt“. Nur eine baurechtliche (Tektur-) Genehmigung sei erforderlich. Aus diesen Angaben konnte und musste der Kläger ohne Weiteres schließen, dass für den Wechsel zum Anlagentyp Senvion 3.4 in Bezug auf die hier allein in Rede stehende immissionsschutzrechtliche Genehmigungspflicht der Änderung bereits eine behördliche Entscheidung vorlag und dass mit dieser Entscheidung – auch wenn sie in dem Schreiben nicht explizit erwähnt wurde – eine solche Genehmigungspflicht verneint worden war. Angesichts der Formulierung „hat ergeben“ konnte der Kläger auch weder davon ausgehen, dass eine bloße Freistellungsfiktion nach § 15 Abs. 2 Satz 2 Alt. 2 BImSchG wegen Nichtäußerung der Genehmigungsbehörde eingetreten war, noch, dass die Prüfung der Behörde erst noch erfolgen müsste oder noch nicht abgeschlossen war. Letzteres folgt insbesondere nicht aus der Formulierung „überschlägige Prüfung“, denn die Ausgestaltung des Anzeigeverfahrens nach § 15 BImSchG, insbesondere dessen kurz bemessene Fristen, begrenzen zwangsläufig die behördliche Prüfungstiefe (vgl. BVerwG, U.v. 28.10.2010 – 7 C 2.10 – juris Rn. 26). Durch den abschließenden Hinweis in dem Schreiben, dass „daher“ (d.h. weil eine immissionsschutzrechtliche Genehmigungsbedürftigkeit verneint wurde) „lediglich eine baurechtliche (Tektur-) Genehmigung erforderlich sei“, wurde nochmals deutlich, dass die Behörde bereits entschieden hatte, kein immissionsschutzrechtliches Verfahren zu verlangen. Vom Kläger wurde damit nicht gefordert, allein aus dem Umstand der Durchführung eines Baugenehmigungsverfahrens (rück-) zu schließen, dass die Behörde die Notwendigkeit eines immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahrens verneint hatte (vgl. oben); vielmehr verdeutlichen die Angaben zur ausschließlichen („lediglich“) Notwendigkeit eines Baugenehmigungsverfahrens die unmittelbar zuvor zum Ausdruck gekommene Auffassung der Genehmigungsbehörde, dass eine immissionsschutzrechtliche Änderungsgenehmigungspflicht verneint wurde.
60
Damit werden die Anforderungen, die an den Kläger als anerkannte Umweltvereinigung in Bezug auf die Einordnung und Auswertung ihm zugegangener Informationen gestellt werden können, nicht überspannt. Voraussetzung für die Anerkennung nach § 3 UmwRG ist u.a., dass die Vereinigung die Gewähr für eine sachgerechte Aufgabenerfüllung, insbesondere für eine sachgerechte Beteiligung an behördlichen Entscheidungsverfahren, bietet; dabei ist u.a. die Leistungsfähigkeit der Vereinigung zu berücksichtigen (§ 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UmwRG). Nur solche Verbände sollen eine Anerkennung erhalten, die auch in der Lage sind, die damit verbundenen Aufgaben zu bewältigen (vgl. Fellenberg/Schiller in Landmann/Rohmer, Umweltrecht, § 3 UmwRG Rn. 23). Die dem Kläger übermittelten Informationen betrafen solche behördliche Entscheidungsverfahren, nämlich das Verfahren nach §§ 15, 16 BImSchG. Die Informationen waren auch – bezogen auf die hier in Rede stehende behördliche Freistellung des Anlagentypwechsels – klar und eindeutig. Das Schreiben vom 25. Januar 2017 nannte die einschlägigen Rechtsgrundlagen, Begrifflichkeiten sowie tatsächlichen Umstände („Anzeige nach § 15 BImSchG“, „Wechsel auf den Anlagentyp Senvion 3.4“) sowie das Ergebnis („hat ergeben“) der behördlichen Prüfung (keine „genehmigungsbedürftige wesentliche Änderung nach § 16 Abs. 1 Satz 1 BImSchG“). Dem Kläger war es möglich und zumutbar, diese – gerade auf frühere Schreiben seinerseits übermittelten – Informationen genau zu lesen, hieraus die nötigen Schlüsse zu ziehen und im Anschluss daran, von diesen Informationen „angestoßen“, eventuell notwendige weitere Erkundigungen einzuholen (vgl. HessVGH, B.v. 24.7.2014 – 2 B 864/14 – juris Rn. 5 f., Rn. 8). Für ein solches Vorgehen des Klägers konkret in Bezug auf die Freistellungsentscheidung ist jedoch nichts ersichtlich.
61
Der Kläger kann sich bezüglich seines „Kennenkönnens“ nach § 2 Abs. 3 Satz 1 Alt. 2 UmwRG nicht mit Erfolg darauf berufen, dass seine Anerkennung als Umweltvereinigung noch nicht allzu lange zurücklag. Dem steht zunächst entgegen, dass für die Anerkennung nach § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UmwRG Voraussetzung ist, dass die Vereinigung im Zeitpunkt der Anerkennung seit mindestens drei Jahren besteht, dass zwischen Anerkennung des Klägers am 25. Juli 2015 und dem fraglichen Schreiben vom 25. Januar 2017 bereits etwa eineinhalb Jahre lagen und dass der Kläger ausweislich des Vortrags der Beigeladenen schon im Jahr 2016 mit Rechtsbehelfen gegen Windkraftanlagen befasst war. Zudem ist im Rahmen des § 2 Abs. 3 UmwRG ein objektiver Maßstab anzulegen (vgl. Franzius in Schink/Reidt/Mitschang, UVPG/UmwRG, § 2 UmwRG Rn. 25; Schlacke in Gärditz, VwGO mit Nebengesetzen, § 2 UmwRG Rn. 48). Weiter ist zu berücksichtigen, dass der Kläger ab dem Zeitpunkt seiner Anerkennung nach § 3 UmwRG nach Maßgabe von § 2 Abs. 1 UmwRG rechtsbehelfsbefugt war; es reicht sogar aus, dass die Anerkennung am Schluss der mündlichen Verhandlung bzw. im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung vorliegt (vgl. BVerwG, U.v. 14.9.2022 – 9 C 24.21 – juris, LS). Ein Grund dafür, weshalb eine Umweltvereinigung mit ihrer Anerkennung in vollem Umfang nach dem UmwRG rechtsbehelfsbefugt sein sollte, zunächst aber die Anforderungen an das „Kennenkönnen“ i.S.d. § 2 Abs. 3 Satz 1 Alt. 2 UmwRG – bis zu einem (auch vom Kläger nicht benannten) nicht näher definierbaren Zeitpunkt – reduziert werden müssten, ist nicht ersichtlich. Hierfür bietet das UmwRG, insbesondere der Wortlaut des § 2 Abs. 3 UmwRG, auch keinerlei Anhaltspunkte.
62
Einem „Kennenkönnen“ des Klägers i.S.d. § 2 Abs. 3 Satz 1 Alt. 2 UmwRG steht auch nicht entgegen, dass er als Umweltvereinigung ehrenamtlich organisiert ist. Der Gesetzgeber verlangt für die Anerkennung jeder Umweltvereinigung gem. § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UmwRG, dass diese die Gewähr insbesondere für eine sachgerechte Beteiligung an behördlichen Entscheidungsverfahren bietet. Zudem gilt § 2 Abs. 3 UmwRG seinem Wortlaut nach – anders als andere Vorschriften dieses Gesetzes (vgl. §§ 5 f. UmwRG) – nicht auch für Personen i.S.d. § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 UmwRG. Der Gesetzgeber hat also im UmwRG nur für Umweltvereinigungen gesonderte Regelungen zur Klagefrist für den Fall einer fehlenden öffentlichen Bekanntmachung einer Entscheidung oder der fehlenden Bekanntgabe gegenüber der Vereinigung und insbesondere für ein „Kennenkönnen“ geschaffen bzw. es jedenfalls für notwendig erachtet, für Umweltvereinigungen die von der Rechtsprechung zur Verwirkung von Drittrechtsbehelfen aufgestellten Grundsätze gesetzlich zu fixieren. Dabei war dem Gesetzgeber ausweislich der Begründung zu § 61 BNatSchG – welchem wie ausgeführt § 2 Abs. 3 UmwRG nachgebildet ist – bewusst, dass Vereinigungen bei der – auch fachlichen – Klagevorbereitung in besonderem Maße auf die Mitwirkung von ehrenamtlich tätigen Mitgliedern angewiesen sind. Diesem Umstand hat er aber lediglich durch die Länge der Klagefrist Rechnung getragen (vgl. BT-Drs. 14/6378 S. 62).
63
Es ist nicht erkennbar, dass sich der Kläger – soweit angesichts der Klarheit des Schreibens vom 25. Januar 2017 überhaupt nötig – um die Erlangung von Gewissheit bzw. um Kenntnis des vollständigen Sachverhalts hinsichtlich des Vorliegens einer Freistellungserklärung bemüht hatte, und auch nicht, dass er von der Genehmigungsbehörde nicht die hierfür nötigen Informationen erhalten hätte. Dem Kläger mag, obwohl er seinem Vorbringen nach in ständigem bzw. regem Kontakt mit dem Landratsamt bzw. bisweilen auch übergeordneten Behörden gestanden hat, nicht ganz ausdrücklich mitgeteilt worden sein, dass eine Freistellungserklärung bereits erteilt worden war. Allerdings hatte das Landratsamt dem Kläger mit dem Schreiben vom 25. Januar 2017 eindeutige Informationen darüber zukommen lassen, dass es aus Sicht der Genehmigungsbehörde für den angezeigten Typenwechsel keines immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahrens bedürfe. Diese Informationen mögen – wie ausgeführt – noch keine positive Kenntnis des Klägers von der Freistellungserklärung begründet haben; darüber, dass das Landratsamt den angezeigten Typwechsel nicht für immissionsschutzrechtlich genehmigungsbedürftig hielt und sich diesbezüglich bereits abschließend verbindlich festgelegt hatte, konnten jedoch keine vernünftigen Zweifel bestehen.
64
Auf das an die Beigeladene adressierte Schreiben des Landratsamts vom 13. April 2017 und darauf, wann es die Vereinsspitze des Klägers erreicht hat, kommt es nicht an, weil aufgrund des Erhalts des Schreibens vom 25. Januar 2017 bereits zu einem früheren Zeitpunkt von einem „Kennenkönnen“ des Klägers auszugehen ist. Der Sachverhalt liegt auch nicht etwa so, dass der Kläger erst mit dem Schreiben vom 13. April 2017 diejenigen Informationen über die Freistellungserklärung erlangt hat, um deren Erhalt er sich auf das Schreiben vom 25. Januar 2017 bereits zuvor bemüht hatte. Zum einen ist ein solches Bemühen auf Seiten des Klägers nicht erkennbar (vgl. oben). Zum anderen wird zwar in dem Schreiben vom 13. April 2017 der streitgegenständliche Bescheid vom 20. Dezember 2016 (Freistellung bzgl. des Wechsels zum Typ Senvion 3.4) – anders als in dem Schreiben vom 25. Januar 2017 – mit Datum genannt. Allerdings wird auch dort lediglich knapp erwähnt, dass für den Anlagentyp Senvion 3.4 keine immissionsschutzrechtliche Genehmigung erforderlich sei. Eine der Sache nach identische Information hatte der Kläger bereits mit dem Schreiben vom 25. Januar 2017 erhalten.
65
Die genannten Informationen hat auf Seiten des Klägers auch eine für das „Kennenkönnen“ i.S.d. § 2 Abs. 3 Satz 1 Alt. 2 UmwRG maßgebliche Person erhalten. Diesbezüglich kommen der Vorstand, die insoweit beauftragten Mitglieder oder die hauptamtlichen Angestellten in Betracht (vgl. OVG NW, B.v. 24.9.2009 – 8 B 1342/09.AK – juris Rn. 42; Fellenberg/Schiller in Landmann/Rohmer, Umweltrecht § 2 Rn. 48; Schlacke in: Gärditz, VwGO, § 2 UmwRG Rn. 48; Kment in Beckmann/ders. UVPG/UmwRG, § 2 Rn. 41; nur scheinbar enger, weil auf die genannte Entscheidung des OVG NW Bezug nehmend Happ in Eyermann, VwGO, § 2 UmwRG Rn. 15). Vorliegend war das Schreiben des Landratsamts vom 25. Januar 2017 an den Geschäftsführer des Klägers adressiert, der sich zuvor selbst mit einer (in dem Schreiben auch in Bezug genommenen) E-Mail vom 13. Januar 2017 an das Landratsamt gewendet hatte (vgl. Anlage BGL 13). Die fristauslösenden Informationen haben mithin einen hauptamtlichen Angestellten des Klägers bzw. jedenfalls ein insoweit – nämlich bezüglich des hier in Rede stehenden Anlagentypwechsels – beauftragtes Mitglied des Vereins erreicht. Der Kläger kann sich nicht darauf berufen, dass der Geschäftsführer für das Entgegennehmen von Informationen nicht zuständig gewesen sei. Da der Geschäftsführer ausweislich der E-Mail für den Kläger handelte, gelten insoweit die Grundsätze der Bevollmächtigung aufgrund eines Rechtsscheins. Jedenfalls wäre es, da § 2 Abs. 3 UmwRG auf dem Grundsatz der Verwirkung beruht, welcher seinerseits Ausfluss des Grundsatzes von Treu und Glauben ist (vgl. BVerwG, B.v. 7.10.2022 – 7 B 6.22 – juris Rn. 9), treuwidrig – im Sinne eines Verstoßes gegen das Verbot widersprüchlichen Verhaltens –, wenn eine für den Kläger handelnde Person von der Genehmigungsbehörde Informationen erbittet, und später, nachdem Informationen übermittelt worden sind, vom Kläger geltend gemacht wird, diese Person sei für die Entgegennahme von Informationen nicht zuständig gewesen (vgl. zur Wissenszurechnung nach Treu und Glauben bei einer Umweltvereinigung, die über örtliche Untergliederungen verfügt, auch OVG RhPf, B.v. 3.11.2014 – 1 B 10905/14.OVG – juris Rn. 16).
66
Wird die Freistellungserklärung als Entscheidung nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 UmwRG eingeordnet, steht der Annahme der Verfristung der Klage auch nicht § 2 Abs. 3 Satz 2 UmwRG entgegen. Die dortige Zweijahresfrist ab „Erteilung“ des Verwaltungsakts ist nicht etwa eine eigenständige, längere Frist für Entscheidungen nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 oder Nr. 6 UmwRG, sondern sie stellt ausweislich ihres eindeutigen Wortlauts („spätestens“) eine absolute Grenze bzw. eine Höchstfrist dar (vgl. Franzius in Schink/Reidt/Mitschang, UVPG/UmwRG, § 2 UmwRG Rn. 25; Fellenberg/Schiller in Landmann/Rohmer, Umweltrecht, § 2 UmwRG Rn. 51); sie greift nur dann, wenn – anders als hier – mangels Kenntnis bzw. „Kennenkönnens“ auch nach § 2 Abs. 3 Satz 1, Satz 3 UmwRG keine Frist anläuft (vgl. Fellenberg/Schiller, a.a.O., Rn. 52).
67
1.1.3.3 Bei Einordnung der Freistellungserklärung als i.S.d. § 1 Abs. 1 Satz 2 UmwRG nicht ergangene Zulassungsentscheidung i.S.v. § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 oder Nr. 5 UmwRG – und bei Annahme, dass in diesem Fall § 2 Abs. 3 Satz 3 UmwRG einschlägig ist – ist die Klage ebenfalls verfristet. Dann hat der Kläger i.S.d. § 2 Abs. 3 Satz 3 Alt. 1 UmwRG von dem Umstand, dass eine Entscheidung nicht ergangen ist, vor dem 13. April 2017 Kenntnis erlangt. Diese positive Kenntnis folgt aus dem Schreiben des Landratsamts vom 25. Januar 2017. Der Kläger konnte diesem Schreiben eindeutig entnehmen, dass in Bezug auf den von der Beigeladenen anzeigten Wechsel zum Anlagentyp Senvion 3.4 keine Zulassungsentscheidung – hier eine Änderungsgenehmigung nach § 16 BImSchG – ergehen würde, weil die Genehmigungsbehörde eine solche wegen fehlender (immissionsschutzrechtlicher) Genehmigungsbedürftigkeit der Änderung nicht für erforderlich hielt. Dass dem Kläger die Entscheidung der Behörde nicht mit Datum genannt bzw. die Entscheidung selbst ihm nicht übermittelt wurde, ist insoweit unerheblich, weil § 2 Abs. 3 Satz 3 UmwRG – anders als Satz 1 derselben Vorschrift – nicht von der Kenntnis von einer Entscheidung, sondern von dem „Umstand“ des Nichtergehens einer Entscheidung spricht; dieser ließ sich dem Schreiben ohne weiteres entnehmen.
68
1.1.3.4 Selbst wenn entgegen den Ausführungen unter 1.1.3.3 eine Kenntnis des Klägers von dem Umstand, dass eine Entscheidung nicht getroffen wurde (§ 2 Abs. 3 Satz 3 Alt. 1 UmwRG), verneint würde, so liegt hier jedenfalls ein „Kennenkönnen“ dieses Umstands nach § 2 Abs. 3 Satz 3 Alt. 2 UmwRG vor. Aufgrund der in dem Schreiben des Landratsamts vom 25. Januar 2017 enthaltenen Informationen hätte der Kläger vor dem 13. April 2017 von dem Umstand des Nichtergehens einer Zulassungsentscheidung Kenntnis erlangen können. Angesichts dieser Informationen musste sich, wie ausgeführt, dem Kläger das Nichtergehen einer Entscheidung zumindest aufdrängen, denn das Landratsamt hatte in dem Schreiben eine immissionsschutzrechtliche Genehmigungsbedürftigkeit des Typwechsels eindeutig verneint, so dass hieraus auch ohne weiteres zu schließen war, dass es für die Vornahme der Änderung keine immissionsschutzrechtliche Änderungsgenehmigung erteilen würde. Dem Kläger war es möglich und zumutbar, sich – sofern überhaupt erforderlich – über den Umstand des Nichtergehens einer Zulassungsentscheidung Gewissheit zu verschaffen. Die vorstehenden Ausführungen zu § 2 Abs. 3 Satz 1 Alt. 2 UmwRG (1.1.3.2) gelten in vollem Umfang entsprechend.
69
1.1.3.5 Die unions- bzw. völkerrechtliche (Art. 9 Abs. 3 AK) Verpflichtung der Gerichte, das Verfahrensrecht in Bezug auf die Voraussetzungen, die für die Einleitung eines Überprüfungsverfahrens vorliegen müssen, so weit wie möglich im Einklang sowohl mit dem Ziel eines weiten Zugangs zu Gerichten als auch mit dem Ziel eines effektiven gerichtlichen Rechtsschutzes für die durch das Unionsrecht verliehenen Rechte auszulegen, um es einer Umweltschutzorganisation zu ermöglichen, eine behördliche Entscheidung gerichtlich anzufechten (vgl. BVerwG, U.v. 14.9.2022 – 9 C 24.21 – juris Rn. 32, Rn. 48 m.w.N.), steht der Annahme einer Verfristung nicht entgegen. Bedenken gegen die Regelungen in § 2 Abs. 3 UmwRG bestehen insoweit nicht (vgl. Kment in Beckmann/ders., UVPG/UmwRG, § 2 Rn. 44 ff.; Fellenberg/Schiller in Landmann/Rohmer, Umweltrecht, § 2 UmwRG Rn. 42). Die Annahme der Verfristung stellt auch hier nicht den weiten Zugang des Klägers zu Gerichten in Frage. Dem Kläger wurden, wie ausgeführt, von der Genehmigungsbehörde ausreichende und eindeutige Informationen über ihre Auffassung zur fehlenden immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsbedürftigkeit des Typwechsels übermittelt. Sollte dies beim Kläger nicht bereits zu einer Kenntnis zumindest des Umstands, dass keine Entscheidung getroffen worden war, geführt haben, war es ihm ohne weiteres möglich und zumutbar, sich hinsichtlich des Ergehens einer behördlichen Entscheidung Gewissheit zu verschaffen; die Jahresfrist des § 2 Abs. 3 UmwRG ist ausreichend bemessen (vgl. zur Maßgeblichkeit der Ausgestaltung rechtsschutzbegrenzender Fristen BVerwG, U.v. 3.11.2020 – 9 A 7.19 – BVerwGE 170, 138 – juris Rn. 27).
70
1.1.4 Ob neben § 2 Abs. 3 UmwRG bzw. über diese Norm hinaus eine Verwirkung des Klagerechts einer Umweltvereinigung in Betracht kommt (bejahend Fellenberg/Schiller in Landmann/Rohmer, Umweltrecht, § 2 UmwRG Rn. 51), insbesondere, ob eine Verwirkung auch schon vor Ablauf der dort normierten Fristen eintreten kann (so OVG RhPf, B.v. 3.11.2014 – 1 B 10905/14.OVG – juris Rn. 7; B.v. 14.11.2014 – 1 B 11015/14 – juris Rn. 4; offen gelassen durch OVG NW, B.v. 24.9.2009 – 8 B 1342/09.AK), braucht hier nicht entschieden zu werden.
71
Für eine solche Verwirkung könnte vorliegend sprechen, dass dem Kläger mit Schreiben des Landratsamts vom 19. April 2017 mitgeteilt worden war, dass der Anlagentyp Senvion 3.4 ohne weiteres (immissionsschutzrechtliches oder baurechtliches) Genehmigungsverfahren würde errichtet werden können, dass die zehn Windkraftanlagen bis August 2017- was dem Kläger bzw. seinen Vertretern nicht entgangen sein konnte (vgl. vielmehr den vom Kläger [Anlage K7] vorgelegten Vermerk vom 16.5.2017 über eine Besprechung im Bayerischen Umweltministerium am 12.5.2017, in dem davon die Rede ist, dass sich der Kläger über den „unmittelbar bevorstehenden Bau mehrerer Windräder“ [auch den hier in Rede stehenden Windpark] beklagt habe) – errichtet wurden (Angabe der Beigeladenen in der mündlichen Verhandlung) sowie dass der Windpark im Herbst 2017 in Betrieb gegangen war (vgl. Schriftsatz des Beklagten im erstinstanzlichen Verfahren vom 19.9.2018, S. 6 unten), und der Kläger aber gleichwohl noch mehrere Monate mit der Klageerhebung gegen die Freistellungserklärungen zugewartet hat. In der Rechtsprechung (vgl. OVG RhPf, B.v. 3.11.2014 – 1 B 10905/14.OVG – juris Rn. 7) wurde eine Verwirkung für den Fall angenommen, dass ein Rechtsbehelf erst dann eingelegt worden war, als die Windkraftanlage schon nahezu errichtet war. Dort hatte die Vereinigung zwar – anders als hier – vor Einlegung des Rechtsbehelfs keinerlei Interesse an dem Vorgang bekundet; dieser Umstand könnte vorliegend jedoch dadurch aufgewogen worden sein, dass der Kläger über die Möglichkeit der Errichtung der Anlagen ohne das Erfordernis weiterer Genehmigungen informiert war und die Anlagen etliche Monate vor Einlegung des Rechtsbehelfs vollständig errichtet und in Betrieb gegangen waren.
72
Einer Entscheidung bedürfen diese Fragen hier allerdings nicht, weil die Klage bereits nach § 2 Abs. 3 UmwRG verfristet ist.
73
1.2 Die Berufung ist auch begründet, soweit das Verwaltungsgericht die Feststellung ausgesprochen hat, dass für den Wechsel zum Typ Senvion 3.4 ein immissionsschutzrechtliches Genehmigungsverfahren durchzuführen sei. Die entsprechende Feststellungsklage des Klägers ist ebenfalls unzulässig.
74
1.2.1 Gegenstand der Berufung der Beigeladenen ist insoweit lediglich die vom Verwaltungsgericht ausgesprochene Feststellung betreffend die Notwendigkeit eines immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahrens. Zwar war der vom Kläger erstinstanzlich gestellte Feststellungsantrag generell auf die Durchführung „eines Genehmigungsverfahrens“ bezogen; von dem Antrag sollte also möglicherweise zusätzlich – ggfs. auch hilfsweise – die Notwendigkeit eines Baugenehmigungsverfahrens umfasst sein (vgl. auch Angabe des Klägers in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat, Sitzungsprotokoll S. 5 unten, sowie erstinstanzliche Klagebegründung vom 22.6.2018, S. 12). Eine unzutreffende Auslegung des Klagebegehrens, eine unvollständige Abarbeitung der gestellten Klageanträge mit der Folge einer „versteckten“ teilweisen Klageabweisung (das Verwaltungsgericht hat die Klage „im Übrigen“ nur hinsichtlich der Anfechtungsanträge, nicht hinsichtlich des Feststellungsantrags abgewiesen) hätte aber nur vom Kläger im Wege eines (Anschluss-) Rechtsmittels gerügt werden können.
75
1.2.2 Der auf die Durchführung eines immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahrens bezogene Feststellungsantrag ist unzulässig. Seiner Zulässigkeit steht die Subsidiaritätsklausel des § 43 Abs. 2 Satz 1 VwGO entgegen (1.2.2.1). Zudem gelten auch für die Feststellungsklage die Fristenregelungen des § 2 Abs. 3 UmwRG; die Klagefrist wurde aber nicht gewahrt (1.2.2.2.).
76
1.2.2.1 Nach § 43 Abs. 2 Satz 1 VwGO kann eine Feststellung nicht begehrt werden, soweit der Kläger seine Rechte durch Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgen kann oder hätte verfolgen können. Diese Norm findet, da § 2 Abs. 1 Satz 1 UmwRG von Rechtsbehelfen „nach Maßgabe der Verwaltungsgerichtsordnung“ spricht, auch für Klagen anerkannter Umweltvereinigungen Anwendung (vgl. BVerwG, U.v. 1.6.2017 – 9 C 2.16 – BVerwGE 159, 95 – juris Rn. 16). Vorliegend stand dem Kläger, der die mit der Freistellungserklärung nach § 15 Abs. 2 Satz 2 BImSchG zum Ausdruck kommende Auffassung der Genehmigungsbehörde, es sei kein immissionsschutzrechtliches Änderungsgenehmigungsverfahren durchzuführen, für unzutreffend hält, die Anfechtungsklage gegen diese Freistellungserklärung offen (vgl. 1.1). Zwar stünde, sollte eine Freistellungserklärung durch die Verwaltungsgerichte aufgehoben werden, nicht fest, dass ein immissionsschutzrechtliches Genehmigungsverfahren durchzuführen ist. Auf Grund der Rechtskraft einer entsprechenden verwaltungsgerichtlichen Entscheidung (§ 121 Nr. 1 VwGO) wäre die Behörde jedoch gehindert, eine erneute Freistellungserklärung zu erlassen („Verwaltungsaktwiederholungsverbot“, vgl. Kilian/Hissnauer in Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 121 Rn. 73 m.w.N.). Damit hätte der Kläger sein Ziel, die Vornahme der Änderung ohne immissionsschutzrechtliches Zulassungsverfahren zu verhindern, erreicht. Sollte der Träger des Vorhabens die angezeigte Änderung gleichwohl ohne Durchführung und positiven Abschluss eines Änderungsgenehmigungsverfahrens gem. § 16 BImSchG vornehmen und bliebe die Genehmigungsbehörde untätig, stünden dem Kläger Rechtsbehelfe nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6, Satz 2 UmwRG auf behördliches Einschreiten zur Verfügung (vgl. bereits ohne unmittelbare Anwendung von § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 UmwRG BVerwG, U.v. 1.6.2017 – 9 C 2.16 – BVerwGE 159, 95 LS 1); die Feststellungsklage wäre auch gegenüber dieser (Leistungs-) Klage gem. § 43 Abs. 2 Satz 1 VwGO subsidiär.
77
1.2.2.2 Zudem musste der Kläger bei Erhebung der Feststellungsklage ebenfalls die Fristen des § 2 Abs. 3 UmwRG wahren; dies war hier, wie ausgeführt, nicht der Fall. § 2 Abs. 3 VwGO spricht allgemein und ohne Einschränkung vom „Erhobenwerden“ einer „Klage“. Auch für den hinter der Vorschrift stehenden Verwirkungsgedanken (s.o.) spielt die Klageart keine Rolle, zumal die Geltung von Grundsätzen der Verwirkung auch bei der Feststellungsklage anerkannt ist (vgl. OVG NW, U.v. 3.6.2015 – 20 D 16/14.AK – juris Rn. 59 ff.; hierzu nachgehend BVerwG, B.v. 14.6.2016 – 4 B 45.15 – juris Rn. 25 ff.). Die – durch Ablauf der Klagefrist eintretende – Bestandskraft eines Verwaltungsakts kann auch nicht durch Erhebung eines Feststellungsantrags umgangen werden, der der Sache nach auf das gleiche Ziel gerichtet ist (vgl. v. Albedyll in Bader/Funke-Kaiser/Stuhlfauth/ders., VwGO, 8. Aufl. 2021, § 43 Rn. 33).
78
2. Die nach Maßgabe insbesondere von § 127 Abs. 2 bis 4 VwGO zulässige Anschlussberufung des Klägers bleibt in der Sache ohne Erfolg.
79
2.1 Gegenstand der Anschlussberufung ist lediglich die Abweisung der Klage in Bezug auf die vom Kläger erstinstanzlich beantragte Aufhebung des Schreibens des Landratsamts vom 13. April 2017. Eine möglicherweise weitergehende Klageabweisung in Bezug darauf, dass der Kläger allgemein die Feststellung begehrt hatte, dass für den Wechsel zum Typ Senvion 3.4 ein Genehmigungsverfahren durchzuführen ist – d.h. nicht beschränkt auf die vom Verwaltungsgericht ausgesprochene Feststellung eines immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahrens (vgl. oben 1.2.1) – hat der Kläger nicht zum Gegenstand seiner Anschlussberufung gemacht (vgl. § 127 Abs. 3 Satz 2 i.V.m. § 124a Abs. 3 Satz 4 VwGO).
80
2.2 Das Verwaltungsgericht hat die Klage, soweit sie auf Aufhebung des Schreibens des Landratsamts vom 13. April 2017 gerichtet ist, zu Recht als unzulässig abgewiesen. Dieses Schreiben ist kein Verwaltungsakt, so dass die Anfechtungsklage nicht statthaft ist (§ 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO).
81
In diesem Schreiben teilte das Landratsamt der Beigeladenen nach vorheriger Darstellung der verfahrensmäßigen Geschehnisse seit Einreichung der Änderungsanzeigen betreffend die Typwechsel im Wesentlichen mit, dass und aus welchen Gründen das Baugenehmigungsverfahren, welches Grund der entsprechenden Ausführungen in den Freistellungserklärungen vom 20. September 2016 und vom 20. Dezember 2016 betrieben worden war, eingestellt werde.
82
Eine solche Einstellung eines Verwaltungsverfahrens unter Mitteilung von Gründen ist regelmäßig kein Verwaltungsakt (vgl. BVerwG, U.v. 21.6.2017 – 6 C 3.16 – BVerwGE 159, 148, LS1 sowie juris Rn. 12; OVG NW, U.v. 29.3.1995 – 13 A 3778/93 – juris, LS; BayVGH, B.v. 8.12.1987 – 25 C 87.1145 – BeckRS 1987, 3159; Schmitz in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 9 Rn. 200; Gerstner-Heck in Bader/Ronellenfitsch, BeckOK VwVfG, Stand Januar 2023, § 9 Rn. 18; a.A. offenbar Hoffmann in: Pautsch/ders., VwVfG, 2. Aufl. 2021, § 9 Rn. 27). Für das Schreiben vom 13. April 2017 gilt nichts anderes. Insbesondere ist das Schreiben nicht als Verwaltungsakt auszulegen (vgl. nur BVerwG, a.a.O., juris Rn. 4; U. Stelkens in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 35 Rn. 71), mit dem festgestellt würde, dass es für den Typwechsel (auch) keiner Baugenehmigung bedürfe („Negativattest“, U. Stelkens a.a.O., Rn. 83a). Die BayBO enthält keine dem § 15 BImSchG vergleichbare Vorschrift über eine Vorab-Prüfung, ob die Änderung einer Anlage einer Baugenehmigung gem. Art. 55 Abs. 1 BayBO bedarf (vgl. auch BayVGH, U.v. 2.9.1986 – 26 B 83 A.2240 – BeckRS 1986, 3668). Zwar kommt es für die Frage, ob ein Verwaltungsakt vorliegt, nicht allein darauf an, ob für einen solchen eine Ermächtigungsgrundlage bestünde (vgl. OVG Hamburg, B.v. 4.6.2021 – 3 Bs 130/21 – juris Rn. 24). Allerdings ist bei der Auslegung eines behördlichen Schreibens auch die Entscheidungskompetenz der Behörde von Bedeutung. Fehlt – wie hier nach der BayBO – offensichtlich die Befugnis zum Erlass eines Verwaltungsakts, kann nicht unterstellt werden, die Behörde habe dennoch einen solchen erlassen wollen (vgl. U. Stelkens in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 35 Rn. 71). Für einen abweichenden Willen der Behörde ist hier nichts ersichtlich. Ein solcher ergibt sich insbesondere nicht daraus, dass das Landratsamt in der Freistellungserklärung vom 20. September 2016 (betreffend den Typ Senvion 3.2; bestätigt in der Freistellungserklärung vom 20.12.2016 betreffend den Typ Senvion 3.4) davon ausging, dass der Typwechsel einer (Tektur-) Baugenehmigung bedürfe. Zum einen hat das Landratsamt diese Auffassung in dem Schreiben vom 13. April 2017 unter Verweis auf ein Schreiben der Obersten Baubehörde im Bayerischen Staatsministerium des Innern, für Bau und Verkehr vom 6. Februar 2017 erkennbar in nicht förmlicher Weise korrigieren wollen. Zum anderen waren die (knappen) Angaben zu einer Baugenehmigungspflicht des Typwechsels in dem Bescheid vom 20. September 2016 in einem bloßen „Hinweis“ enthalten; eine andere Qualität besitzt insoweit auch der Bescheid vom 20. Dezember 2016 nicht. Insbesondere wurde die Beigeladene bzw. die frühere Vorhabenträgerin nicht zur Stellung eines Bauantrags gem. Art. 76 Satz 3 BayBO aufgefordert. Damit spricht nichts dafür, das Schreiben, mit dem dieser „Hinweis“ korrigiert wurde – ähnlich einem „‘actus‘ contrarius“ –, als Verwaltungsakt auszulegen. Schließlich ist der Senat bei einer vergleichbaren behördlichen Mitteilung, dass für den Wechsel eines Windkraftanlagentyps keine Baugenehmigung erforderlich sei, bereits davon ausgegangen, dass kein Verwaltungsakt vorliegt (vgl. BayVGH, B.v. 16.11.2020 – 22 CS 20.1916 – Rn. 25 [n.v.]).
83
III. Die Nebenentscheidungen begründen sich wie folgt:
84
1. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1, Abs. 2, § 161 Abs. 2 Satz 1, § 162 Abs. 3 VwGO.
85
Der Kläger trägt nach billigen Ermessen (§ 161 Abs. 2 Satz 1 VwGO) die Kosten auch insoweit, als das Verfahren in der Hauptsache hinsichtlich der Freistellungserklärung vom 20. September 2016 betreffend den Typ Senvion 3.2 für erledigt erklärt wurde. Denn es spricht sehr viel dafür, dass der Klage insoweit schon bei Klageerhebung das Rechtsschutzbedürfnis fehlte, weil sich diese Freistellungserklärung schon zuvor i.S.d. Art. 43 Abs. 2 BayVwVfG auf andere Weise erledigt hatte. Die Beigeladene hatte die Anlagen vom Typ Senvion 3.4 errichtet (August 2017) und in Betrieb genommen (Herbst 2017). Damit liegt nahe, dass die Beigeladene auf die Freistellungserklärung vom 20. September 2016 bereits im Zeitpunkt der Klageerhebung am 13. April 2018 konkludent verzichtet hatte. Für die Annahme eines solchen konkludenten Verzichts auf einen den Anlagenbetreiber begünstigenden Verwaltungsakt (vgl. generell zur Erledigung eines Verwaltungsakts mit Gestattungswirkung durch Verzicht BVerwG, U.v. 17.11.2016 – 6 C 36.15 – juris Rn. 13; zum Verzicht auf eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung vgl. BVerwG, U.v. 15.12.1989 – 4 C 36.86 – BVerwGE 84, 209, LS 1) bedarf es zwar besonderer Gründe. Solche dürften hier jedoch bei Klageerhebung vorgelegen haben. Der Typ Senvion 3.4 verfügt über eine etwas höhere Leistung als der Typ Senvion 3.2 (vgl. Begleitschreiben der Beigeladenen zum Bauantrag vom 28.11.2016: „Leistungsupgrade“); sonstige Abweichungen – insbesondere solche zu Lasten der Beigeladenen – bestanden nicht (vgl. Freistellungserklärung vom 20.12.2016 S. 2). Daher stellte der Betrieb des Anlagentyps Senvion 3.4 für die Beigeladene eine neue, vorteilhaftere Nutzung dar, so dass anzunehmen war, dass die Beigeladene den Typ Senvion 3.2 auf Dauer nicht mehr verwirklichen wollte (vgl. OVG RhPf, U.v. 28.2.2020 – 1 C 10752/19.OVG – Rn. 34 m.w.N., abgerufen über www.esovgrp.de). Die Kostentragungspflicht des Klägers ist auch nicht etwa deshalb unbillig, weil ihm nicht bekannt sein konnte, welcher Anlagentyp verwirklicht werden sollte. Dem Kläger war mit Schreiben des Landratsamts vom 19. April 2017 (letzter Absatz) mitgeteilt worden, dass der Anlagentyp Senvion 3.4 ohne weitere immissionsschutzrechtliche oder baurechtliche Genehmigung würde errichtet werden können. Damit musste der Kläger davon ausgehen, dass es sich bei den Anlagen, die bis August 2017 errichtet und im Herbst 2017 in Betrieb genommen wurden, um solche des Typs Senvion 3.4 handelte. Jedenfalls lagen ihm vor Klageerhebung ausreichend Informationen vor, um sich diesbezüglich zu vergewissern. Entsprechend hätte er seinen Anfechtungsantrag auf die Freistellungserklärung vom 20. Dezember 2016 betreffend den – allein verwirklichten – Typ Senvion 3.4 beschränken können.
86
Da die Beigeladene erstinstanzlich sowie in Bezug auf die Anschlussberufung Anträge gestellt sowie das Rechtsmittel der Berufung eingelegt und sich damit einem – erstinstanzlich auch realisierten – Kostenrisiko ausgesetzt hat (§ 154 Abs. 3 VwGO), entspricht es der Billigkeit i.S.d. § 162 Abs. 3 VwGO, dass der Kläger auch ihre außergerichtlichen Kosten trägt.
87
2. Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergeht nach § 167 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.
88
3. Gründe für die Zulassung der Revision (§ 132 Abs. 2 VwGO) lagen nicht vor.