Inhalt

VGH München, Beschluss v. 27.02.2023 – 2 N 21.1797
Titel:

Unzulässiger Normenkontrollantrag - Grundstückseigentümerin außerhalb des Plangebiets

Normenketten:
EMRK Art. 6 Abs. 1 S. 1
VwGO § 47 Abs. 2, Abs. 5 S. 1
BV Art. 141 Abs. 3
Leitsätze:
1. Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung kann abgesehen werden, wenn ein Normenkontrollantrag offensichtlich unzulässig ist. (Rn. 13) (redaktioneller Leitsatz)
2. Das Interesse, von planbedingtem Verkehrslärm verschont zu bleiben, ist nur dann ein abwägungserheblicher Belang, wenn das entsprechende Grundstück über die Bagatellgrenze hinaus betroffen wird. Die Abwägungsrelevanz ist zu verneinen, wenn das Interesse, vor einer Verkehrslärmzunahme bewahrt zu bleiben, mit so geringem Gewicht zu Buche schlägt, dass es als planungsrechtlich vernachlässigenswerte Größe außer Betracht bleiben kann. (Rn. 21) (redaktioneller Leitsatz)
3. Ein Nachbar, dessen Grundstück nicht im Plangebiet oder im faktischen Baugebiet liegt, hat grundsätzlich keinen von konkreten Beeinträchtigungen unabhängigen Anspruch auf Schutz vor gebietsfremden Nutzungen im Plangebiet oder faktischen Baugebiet (kein „gebietsübergreifender Gebietserhaltungsanspruch“). (Rn. 25) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Mündliche Verhandlung, Antragsbefugnis, Industriegebiet, offensichtliche Unzulässigkeit, planbedingter Verkehrslärm, Bagatellgrenze, gebietsübergreifender Gebietserhaltungsanspruch
Fundstelle:
BeckRS 2023, 4270

Tenor

I. Der Normenkontrollantrag wird abgelehnt.
II. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Der Beschluss ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Antragstellerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht die Antragsgegnerin zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
V. Der Streitwert wird auf 20.000 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
1
Die Antragstellerin wendet sich gegen den Bebauungsplan „Gewerbe- und Industriepark H.-G. …, Bauabschnitt II“, „Projekt-Nummer 1...4“ der Antragsgegnerin. Die am 8. Juni 2020 als Satzung beschlossene Änderung und Erweiterung des Bebauungsplans wurde von der Antragsgegnerin am 2. Juli 2020 bekannt gemacht. Der Bebauungsplan setzt als Art der baulichen Nutzung ein Industriegebiet fest. Die Antragstellerin ist Eigentümerin des Grundstücks mit der FlNr. .../2 der Gemarkung H. … Dieses Grundstück liegt außerhalb des Plangebiets ca. 500 m von diesem entfernt.
2
Mit Schriftsatz vom 29. Juni 2021 hat die Antragstellerin einen Normenkontrollantrag gestellt und beantragt,
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den Bebauungsplan „Gewerbe- und Industriepark H.-G. …, Bauabschnitt II, Projekt-Nummer 1...4“ in der Fassung der Bekanntmachung vom 2. Juli 2020 für unwirksam zu erklären,
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hilfsweise,
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den Bebauungsplan für unwirksam zu erklären, soweit für die beplanten Flächen ein Industriegebiet im Sinne des § 9 der Verordnung über die bauliche Nutzung der Grundstücke (BauNVO) festgesetzt ist.
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Zur Begründung führt die Antragstellerin aus, dass insbesondere ihre Rechte gemäß Art. 2 Abs. 1 und Art. 14 GG verletzt worden seien. Der Sache nach sei auch das bauplanungsrechtliche Rücksichtnahmegebot verletzt worden. Sie und die weitere Anwohnerschaft werde insoweit in ihrem – auch gebietsübergreifenden – Gebietserhaltungsanspruch verletzt. Gänzlich verkannt worden seien überdies auch die Anforderungen der landesverfassungsrechtlichen Staatszielbestimmungen des Art. 141 Abs. 1 BV sowie der auch subjektiv-rechtliche Gewährleistungsgehalt von Absatz 3.
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Die Antragsgegnerin beantragt,
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den Antrag abzulehnen.
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Der Antragstellerin fehle die erforderliche Antragsbefugnis. Außerdem habe sie kein Rechtsschutzinteresse mehr, weil das Vorhaben bereits verwirklicht worden sei.
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Die Beteiligten wurden zur Absicht des Senats, durch Beschluss zu entscheiden, angehört. Die Antragsgegnerin stimmte der Entscheidung durch Beschluss zu; die Antragstellerin äußerte sich nicht.
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Im Übrigen wird hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands auf die Gerichtsakte sowie die vorgelegten Behördenakten verwiesen.
II.
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Der Normenkontrollantrag ist unzulässig.
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1. Der Senat kann nach Ausübung pflichtgemäßen Ermessens ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss entscheiden, auch wenn die Antragstellerin nicht auf mündliche Verhandlung verzichtet hat (§ 47 Abs. 5 Satz 1 VwGO; vgl. BVerwG, B.v. 30.11.2017 – 6 BN 2.17 – NVwZ 2018, 340). Insbesondere liegt hier kein Verstoß gegen § 47 Abs. 5 Satz 1 VwGO in Verbindung mit Art. 6 Abs. 1 Satz 1 der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950 (Europäische Menschenrechtskonvention – EMRK) vor, die innerstaatlich im Rang eines Bundesgesetzes gilt. Nach § 47 Abs. 5 Satz 1 VwGO entscheidet der Verwaltungsgerichtshof durch Urteil oder, wenn er eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält, durch Beschluss. Darüber, ob eine mündliche Verhandlung entbehrlich ist, entscheidet der Verwaltungsgerichtshof nach richterlichem Ermessen (vgl. BVerwG, B.v. 20.12.1988 – 7 NB 3.88 – BVerwGE 81.139). Dieses Verfahrensermessen wird jedoch durch Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK eingeschränkt. Danach hat jedermann einen Anspruch darauf, „dass seine Sache in billiger Weise öffentlich und innerhalb einer angemessenen Frist gehört wird, und zwar von einem unabhängigen und unparteiischen Gericht, das über zivilrechtliche Ansprüche und Verpflichtungen zu entscheiden hat“. Unstreitig erstreckt sich dies nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. U.v. 16.12.1999 – 4 CN 9.98 – BVerwGE 110, 203) grundsätzlich auch auf die Entscheidung über die Gültigkeit eines Bebauungsplans nach § 47 Abs. 5 VwGO, da das Recht am Grundeigentum zu den „zivilrechtlichen“ Ansprüchen im Sinn von Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK zählt. Ein Bebauungsplan stellt eine Bestimmung von Inhalt und Schranken des Eigentums im Sinn von Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG dar, die nur hingenommen werden muss, wenn sie auf einer rechtmäßigen Norm beruht. Aufgrund dieser eigentumsgestaltenden Wirkung des Bebauungsplans kann sich dieser in vergleichbarer Weise unmittelbar auf das Grundeigentum auswirken. Dies gilt jedenfalls dann, wenn sich ein im Plangebiet befindlicher Eigentümer gegen eine sein Grundstück betreffende Festsetzung wehren möchte (vgl. BVerwG, U.v. 16.12.1999 – 4 CN 9.98 – BVerwGE 110, 203). Ob allerdings eine Betroffenheit eines Grundeigentümers außerhalb des Plangebiets im verwaltungsgerichtlichen Normenkontrollverfahren gemäß Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK eine mündliche Verhandlung erfordert, lässt sich nicht in jedem Fall annehmen. Maßgeblich ist, ob die angegriffene planerische Festsetzung auf sein Grundeigentum unmittelbar einwirkt und welche konkreten Beeinträchtigungen beispielsweise erst in einem nachfolgenden Baugenehmigungsverfahren zu beurteilen sind (vgl. BVerwG, B.v. 30.7.2001 – 4 BN 41.01 – NVwZ 2002, 87). Insbesondere bei befürchteten Lärmimmissionen lässt sich der tatsächliche Eintritt einer rechtlich erheblichen Belästigung in der Regel erst für das konkrete Verfahren beurteilen, so dass in diesem Fall das Baugenehmigungsverfahren zur Bewältigung auftretender Probleme zur Verfügung steht (vgl. BVerwG, B.v. 30.7.2001 – 4 BN 41.01 – NVwZ 2002, 87). Steht dem nicht im Plangebiet liegenden Nachbarn der Rechtsschutz durch eine Nachbarklage offen, schließt dies bereits die Annahme einer unmittelbaren Beeinträchtigung im Sinn des Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK durch den Bebauungsplan unter Umständen aus (vgl. BVerwG, B.v. 30.7.2001 – 4 BN 41.01 – NVwZ 2002, 87). Darüber hinaus liegt eine Ausnahmesituation, in der von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgesehen werden kann, dann vor, wenn ein Normenkontrollantrag offensichtlich unzulässig ist (vgl. BVerwG, U.v. 16.12.1999 – 4 CN 9.98 – BVerwGE 110, 203; B.v. 26.2.2008 – 4 BN 51.07 – NVwZ 2008, 696; B.v. 30.11.2017 – 6 BN 2.17 – NVwZ 2018, 340).
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Im vorliegenden Fall geht der Senat von der offensichtlichen Unzulässigkeit (s. 2) des Normenkontrollantrags aus, so dass eine Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss bereits aus diesem Grund zulässig ist. Ferner liegen die Grundstücke der Antragstellerin außerhalb des Plangebiets, so dass nicht in jedem Fall eine mündliche Verhandlung zwingend ist.
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2. Der Normenkontrollantrag ist bereits wegen Fehlens der nötigen Antragsbefugnis nach § 47 Abs. 2 VwGO unzulässig. Nach § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO kann den Normenkontrollantrag gegen einen Bebauungsplan jede natürliche oder juristische Person stellen, die geltend macht, durch den Bebauungsplan oder dessen Anwendung in ihren Rechten verletzt zu sein oder in absehbarer Zeit verletzt zu werden. Als Eigentümerin eines Grundstücks außerhalb des Plangebiets des streitgegenständlichen Bebauungsplans kann sich die Antragstellerin grundsätzlich auf eine mögliche Verletzung des bauplanungsrechtlichen Abwägungsgebots (§ 1 Abs. 7 BauGB) berufen. Dieses hat drittschützenden Charakter hinsichtlich solcher privaten Belange, die für die Abwägung erheblich sind. Es verleiht damit Privaten ein subjektives Recht darauf, dass ihre Belange in der Abwägung ihrem Gewicht entsprechend „abgearbeitet“ werden. Der Antragsteller in einem Normenkontrollverfahren kann sich deshalb im Rahmen des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO auch darauf berufen, dass seine abwägungsrelevanten Belange möglicherweise fehlerhaft abgewogen wurden. Es genügt, dass die Antragstellerin substantiiert Tatsachen vorträgt, die eine fehlerhafte Behandlung ihrer Belange in der Abwägung als möglich erscheinen lassen (BVerwG, U.v. 16.6.2011 – 4 CN 1.10 – BVerwGE 140, 41; BayVGH, U.v. 25.10.2022 – 15 N 22.861 – juris; OVG NRW, U.v. 17.8.2000 – 2 D 25/18.NE – juris). Die Abwägungsbeachtlichkeit beschränkt sich dabei auf solche schutzwürdigen – planbedingten – Betroffenheiten, die erstens mehr als geringfügig, zweitens in ihrem Eintritt zumindest wahrscheinlich und drittens für die planende Stelle bei der Entscheidung über den Plan als abwägungsbeachtlich erkennbar sind (vgl. BVerwG, B.v. 14.9.2015 – 4 BN 4.15 – ZfBR 2016, 154; B.v. 30.11.2016 – 4 BN 16.16 – NVwZ 2017, 563; B.v. 21.12.2017 – 4 BN 12.17 – BauR 2018, 667; B.v. 12.12.2018 – 4 BN 22.18 – ZfBR 2019, 272; BayVGH, B.v. 8.2.2017 – 15 NE 16.2226 – juris; U.v. 17.12.2018 – 15 N 16.2373 u.a. – juris; B.v. 8.5.2019 u.a. – 15 NE 19.551 – juris). Diese ist jedenfalls dann nicht gegeben, wenn die betroffenen Interessen bei der planerischen Abwägung unbeachtet bleiben konnten, weil sie entweder objektiv geringwertig oder aber nicht schutzwürdig sind (vgl. BVerwG, B.v. 9.11.1979 – 4 N 1/78 u.a. – BVerwGE 59, 87; B.v. 8.6.2011 – 4 BN 42/10 – BauR 2011, 1641; BayVGH, U.v. 29.7.2014 – 2 N 14.1216 – n.v.).
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Gemessen an diesen Grundsätzen ist die Antragsbefugnis der Antragstellerin nicht gegeben, weil die von ihr angeführten Tatsachen eine fehlerhafte Behandlung ihrer Belange in der Abwägung als ausgeschlossen erscheinen lassen.
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a) Die Antragstellerin rügt, dass am Standort die Anforderungen an die Wahrung gesunder Wohnverhältnisse und Wohnbedürfnisse sowie der umweltbezogenen gesundheitlichen Auswirkungen auf die Anwohnerschaft nicht ausreichend ermittelt worden seien. Diese Behauptung vermag jedoch die Antragsbefugnis nicht zu begründen.
18
aa) Hinsichtlich des festgesetzten Industriegebiets hat die Antragsgegnerin eine schalltechnische Untersuchung im Rahmen der Bauleitplanung erstellt. Dabei wurde auch die Ortschaft G. …, G. … 22 (FlNr. 498/1) als Immissionsort herangezogen. Die Immissionsprognose hat ergeben, dass bezüglich der Auswirkungen auf die Umgebung gemäß Orientierungswerten der DIN 18005 sowohl während der Tages- als auch während der Nachtzeit die entsprechenden Immissionsgrenzwerte eingehalten werden können. Dies wurde von der Antragstellerin nicht hinreichend in Zweifel gezogen. Für den Senat ist anhand der vorgelegten Unterlagen ohne weiteres nachvollziehbar, dass die Emissionskontigentierung für die vorgesehenen Industrieflächen gewährleistet, dass die vom Planungsgebiet ausgehenden Schallimmissionen die Anforderungen der TA Lärm, auch unter Berücksichtigung der Vorbelastung, einhalten (Begründung mit Umweltbericht zur Endfassung vom 8.6.2020, S. 19).
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Soweit die Antragstellerin vorträgt, dass es sich bei dem Ortsteil G. … um ein allgemeines Wohngebiet im Sinn von § 4 BauNVO handeln würde, kommt es darauf nicht an. Mit diesem Einwand wird das von der Antragsgegnerin für die Lärmproblematik gewählte zentrale Konfliktlösungsinstrument des Bebauungsplans nicht substantiiert infrage gestellt. Aus den vorgelegten Unterlagen ergibt sich nämlich, dass bei den Emissionskontingenten, die der Bebauungsplan festsetzt, selbst die Immissionsgrenzwerte eines allgemeinen Wohngebiets problemlos eingehalten werden können.
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Die Antragstellerin bestreitet, dass der Immissionsort 1 unmittelbar neben ihrem Anwesen liegen würde. Aus den vorgelegten Unterlagen und Plänen ergibt sich jedoch, dass das Wohnanwesen der Antragstellerin (HausNr. 20) in Richtung des Plangebiets im Gegensatz zum Immissionsort 1 noch durch zusätzliche Bebauung abgeschirmt ist. Insofern hat der Senat keinen Zweifel daran, dass die Berechnungen des Planungsbüros herangezogen werden können.
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bb) Die von der Antragstellerin befürchtete Lärmzunahme durch die planbedingte Erhöhung des motorisierten Verkehrs vermag ihre Antragsbefugnis nicht zu begründen. Lärmschutzbelange betroffener Plannachbarn sind grundsätzlich dann in die Abwägung einzubeziehen, wenn die Lärmbelastung – z.B. aufgrund der zu prognostizierenden zusätzlichen Verkehrsbelastung – infolge des Bebauungsplans ansteigt (vgl. BVerwG, B.v. 6.3.2013 – 4 BN 39.12 – BayVBl 2013, 545; BayVGH, U.v. 24.11.2017 – 15 N 16.2158 – BayVBl 2018, 814). Das Interesse, von planbedingtem Verkehrslärm verschont zu bleiben, ist allerdings nur dann ein abwägungserheblicher Belang, wenn das entsprechende Grundstück über die Bagatellgrenze hinaus betroffen wird. Die Abwägungsrelevanz ist dann zu verneinen, wenn das Interesse, vor einer Verkehrslärmzunahme bewahrt zu bleiben, mit so geringem Gewicht zu Buche schlägt, dass es als planungsrechtlich vernachlässigenswerte Größe außer Betracht bleiben kann (vgl. BVerwG, B.v. 8.6.2004 – 4 BN 19.04 – BauR 2005, 829; B.v. 11.8.2015 – 4 BN 12.15 – BRS 83 Nr. 49; BayVGH, U.v. 16.5.2017 – 15 N 15.1485 – BayVBl 2019, 307). Wann dies der Fall ist, lässt sich nicht anhand fester Maßstäbe beurteilen. Die Frage ist jeweils unter Würdigung der konkreten Gegebenheiten des Einzelfalls zu beurteilen (vgl. BVerwG, B.v. 24.8.2017 – 4 BN 35.17 – BRS 85 Nr. 193; BayVGH, B.v. 3.3.2017 – 15 NE 16.2315 – NVwZ-RR, 2017, 558; U.v. 28.4.2017 – 15 N 15.967 – juris).
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Hinsichtlich des Verkehrslärms wurde in der Begründung mit Umweltbericht zur Endfassung vom 8. Juni 2022 S. 19 festgehalten, dass eine Lärmvorbelastung durch Straßenverkehr in G. … durch die BAB 93 und die St 2452 vorliegt. Der Verkehrslärm werde sich durch das Industriegebiet erhöhen. Da die Straßen im Bereich der Ortsdurchfahrten baulich nicht verändert würden, seien die Grenzwerte der Verkehrslärmschutzverordnung (16. BImSchV) nicht anwendbar. Hinsichtlich der verkehrlichen Auswirkungen auf die Staatsstraße 2452, die auch durch G. … führt, ist für den Senat anhand des vorliegenden Kartenmaterials nachvollziehbar, dass die verkehrliche Erschließung und der Großteil des Verkehrs über die A 93 und sodann über die B 173 erfolgt und nicht durch G. … selbst. Die Wohnbebauung, insbesondere die der Antragstellerin, liegt im Übrigen ca. 500 m vom streitgegenständlichen Bebauungsplan entfernt (vgl. UVP Bericht vom 12.3.2020, S. 9). Die B 173 liegt über einen Kilometer vom Grundstück der Antragstellerin entfernt. Demgegenüber ist die Autobahn in ca. 700 m Entfernung gelegen. Angesichts dieser konkreten örtlichen Situation hält es der Senat für ausgeschlossen, dass die Antragstellerin durch die Zunahme von Verkehrslärm in ihren Rechten verletzt wird.
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cc) Die Antragstellerin befürchtet Luftverunreinigungen. Die Auswirkungen des Bebauungsplans auf die Reinheit der Luft sind konkret im Einzelfall bei der Errichtung von Anlagen nach dem Immissionsschutzgesetz zu beurteilen. Die konkrete Ausgestaltung ist dem jeweiligen Genehmigungsverfahren vorbehalten.
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dd) Die Antragstellerin trägt vor, dass keine sachbezogene Standortauswahl stattgefunden hätte. Dies stellt jedoch keinen Belang dar, der sie subjektiv betreffen würde.
25
b) Soweit die Antragstellerin rügt, ihr Gebietserhaltungsanspruch würde verletzt werden, weist der Senat darauf hin, dass ein Nachbar, dessen Grundstück nicht im Plangebiet oder im faktischen Baugebiet liegt, grundsätzlich keinen von konkreten Beeinträchtigungen unabhängigen Anspruch auf Schutz vor gebietsfremden Nutzungen im Plangebiet oder faktischen Baugebiet hat (kein „gebietsübergreifender Gebietserhaltungsanspruch“; BayVGH, U.v. 12.7.2012 – 2 B 12.1211 – juris).
26
c) Auch die Berufung auf Rechtsnormen der Bayerischen Verfassung vermag die Antragsbefugnis der Antragstellerin nicht zu begründen. Die Gemeinden sind verpflichtet, bei der Aufstellung von Bebauungsplänen die natürlichen Lebensgrundlagen zu schützen und zu entwickeln und die Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege zu berücksichtigen und diese Belange in die Abwägung einzustellen. Zum Abwägungsmaterial gehören auch die Gebote, die sich unmittelbar aus Art. 141 Abs. 1 Satz 3 BV ergeben, insbesondere die vorrangige Aufgabe der Gemeinden, Natur und Landschaft zu schützen und zu pflegen (dazu bereits BayVGH, U.v. 29.10.1998 – 2 N 95.2824 – juris). Daraus resultiert jedoch keine subjektive Rechtsposition der Antragstellerin (vgl. BayVerfGH, E.v. 23.11.2020 – Vf. 69-VIII-20 – juris).
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Soweit sich die Antragstellerin auf Art. 141 Abs. 3 BV beruft, ist darauf hinzuweisen, dass Art. 141 Abs. 3 Satz 3 BV als Staatszielbestimmung lediglich der öffentlichen Hand entsprechende objektiv – rechtliche Pflichten auferlegt. Art. 141 Abs. 1 Satz 1 BV gewährt zwar ein Grundrecht, gibt jedoch dem Einzelnen kein Abwehrrecht gegen die (und sei sie auch objektiv rechtswidrige) Verbauung oder Zerstörung von Natur (vgl. Möstl in Lindner/Möstl/Wolff, Verfassung des Freistaates Bayern, 2. Aufl. 2016, Art. 141 Rn. 16). Insofern vermag auch dieser Gesichtspunkt die Antragsbefugnis der Antragstellerin nicht zu begründen.
28
3. Aus dem oben Dargelegten ergibt sich, dass auch der Hilfsantrag unzulässig ist.
29
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 173 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.
31
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 132 Abs. 2 VwGO liegen nicht vor.
32
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 1 und 8 GKG.