Inhalt

VGH München, Beschluss v. 08.03.2023 – 15 ZB 22.2463
Titel:

Tekturgenehmigung für Tiefgaragenzufahrt

Normenkette:
BauGB § 1 Abs. 7, § 5, § 9, § 30 Abs. 1
Leitsatz:
Die im Grünordnungsplan konkretisierten Ziele, Erfordernisse und Maßnahmen des Naturschutzes und der Landschaftspflege, die in der Abwägung nach § 1 Abs. 7 BauGB zu berücksichtigen sind und als Darstellungen und Festsetzungen nach § 5 und § 9 BauGB in die Bauleitpläne aufgenommen werden können, beinhalten die Ordnung und Gestaltung der Freiflächen eines Bebauungsplans. (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Auslegung Bebauungsplan, Baugenehmigung, Tiefgaragenzufahrt, Grünordnungsplan, Erfordernisse und Maßnahmen des Naturschutzes und der Landschaftspflege, Ordnung und Gestaltung der Freiflächen
Vorinstanz:
VG Augsburg, Urteil vom 20.10.2022 – Au 5 K 22.587
Rechtsmittelinstanzen:
VGH München, Beschluss vom 03.05.2023 – 15 ZB 23.579
VerfGH München, Entscheidung vom 23.01.2024 – Vf. 18-VI-23
Fundstelle:
BeckRS 2023, 4264

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selber trägt.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 7.500 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
1
Die Klägerin begehrt die Erteilung einer Baugenehmigung (Tekturgenehmigung), insbesondere für eine planabweichend errichtete Tiefgaragenzufahrt sowie eine Mülltonneneinhausung zu dem mit Baugenehmigung vom 10. September 2013 errichteten Mehrfamilienhaus mit Tiefgarage auf dem Grundstück FlNr. … Gemarkung A. … Das Baugrundstück liegt westlich der Paar und befindet sich im Geltungsbereich des Bebauungsplans Nr. ... „Neuordnung der B.-M. – V. S. Weg bis zum F.“, bekannt gemacht am 24. Juli 2000 (Fassung = F. 2000), in der Fassung der 1. Änderung, bekannt gemacht am 12. Oktober 2006 (F. 2006), und der 2. Änderung, bekannt gemacht am 29. Mai 2015 (F. 2015). Der Bebauungsplan enthält u.a. Festsetzungen zu Baugrenzen im Abstand zur Paar sowie zu Tiefgaragenzufahrten. Zu dem Tekturantrag der Klägerin vom 15. Juli 2021 versagte die Beigeladene, auf deren Rechtsmittel hin eine vormals erteilte Tekturgenehmigung vom 17. Juli 2014 mit Urteil des Verwaltungsgerichts Augsburg vom 2. Juli 2015 aufgehoben wurde, ihr gemeindliches Einvernehmen. Das Landratsamt A. … lehnte mit Bescheid vom 3. Februar 2022 die beantragte Tektur ab.
2
Die von den Klägern daraufhin erhobene Klage wies das Verwaltungsgericht Augsburg mit Urteil vom 20. Oktober 2022 ab. Zur Begründung wurde u.a. ausgeführt, dass die Tiefgaragenzufahrt und die Mülltonneneinhausung den im Bebauungsplan festgesetzten 10-Meter-Abstand zur Paar nicht einhielten und eine Befreiung die Grundzüge der Planung berühre. Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrem Antrag auf Zulassung der Berufung.
3
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten beider Instanzen und die vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.
II.
4
Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Die von der Klägerin allein geltend gemachten ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) liegen nicht vor. Ob ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils bestehen, ist im Wesentlichen anhand dessen zu beurteilen, was der Kläger als Rechtsmittelführer innerhalb offener Frist (§ 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO) hat darlegen lassen (§ 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO). Daraus ergeben sich solche hier nicht.
5
Das Verwaltungsgericht ist unter Auslegung des Bebauungsplans und unter Ermittlung des planerischen Willens des Planungsträgers zu dem Ergebnis gekommen, dass auch Tiefgaragenzufahrten gem. § 3 Abs. 3 Satz 1 (F. 2000) bzw. § 4 III (F. 2015) des Bebauungsplans der Beigeladenen einen 10-Meter-Abstand zur Paar einhalten müssen, da dieser ungeachtet des § 6 Abs. 6 Satz 3 des Bebauungsplans (F. 2000) einzuhalten sei. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass § 6 Abs. 6 Satz 3 des Bebauungsplans (F. 2000) die ausnahmsweise Zulässigkeit von Tiefgaragenzufahrten außerhalb der überbaubaren Grundstücksflächen lediglich hinsichtlich der überbaubaren Grundstücksflächen regele, die wiederum in § 5 des Bebauungsplans (F. 2000) geregelt seien. Deshalb sei die Regelung lediglich als Spezialregelung zu § 5 des Bebauungsplans (F. 2000), nicht aber zu § 3 Abs. 3 Satz 1 (F. 2000) bzw. § 4 Abs. 3 (F. 2015) anzusehen (UA S. 15). Zu dieser Argumentation unter Bezugnahme auf den Wortlaut und die Anknüpfung an § 5 des Bebauungsplans (F. 2000) verhält sich das Zulassungsvorbringen nicht.
6
Soweit die Bezugnahme des Verwaltungsgerichts auf Nr. 6.3.1 der Begründung des Teilplans Grünordnung kritisiert wird, bezieht sich das Verwaltungsgericht hierbei auf den „Gebäudebegriff“. Die im Grünordnungsplan konkretisierten Ziele, Erfordernisse und Maßnahmen des Naturschutzes und der Landschaftspflege, die in der Abwägung nach § 1 Abs. 7 BauGB zu berücksichtigen sind und als Darstellungen und Festsetzungen nach §§ 5 und 9 BauGB in die Bauleitpläne aufgenommen werden können (vgl. § 11 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 2, Abs. 3 BNatSchG; Stüer, Der Bebauungsplan, 6. Auflage 2022, Rn. 1001), beinhalten die Ordnung und Gestaltung der Freiflächen eines Bebauungsplans (vgl. Kleve in Giesberts/Reinhardt, Beck’scher Onlinekommentar Umweltrecht, Stand 1.7.2020, § 11 BNatSchG Rn. 9) und lassen – entgegen dem Zulassungsvorbringen – durchaus Rückschlüsse auf die planerische Zielsetzung des Bebauungsplans – wie vom Verwaltungsgericht angenommen – insgesamt zu. Die Regelung bezieht sich dabei offensichtlich – wie der Überschrift zu Nr. 6.3.1 der Begründung zum Teilplan Grünordnung („Privatgärten“) zu entnehmen ist – nicht nur auf i.S.d. § 9 Abs. 1 Nr. 15 BauGB festgesetzte private Grünflächen.
7
Wie vom Verwaltungsgericht ausgeführt sprechen Wortlaut und Systematik des § 3 Abs. 3 Satz 1 (F. 2000) bzw. § 4 Abs. 3 (F. 2015) des Bebauungsplans für eine eigenständige Regelung. Die Festsetzung des Abstandsmaßes von 10 m ergänzen hier die zur Paar und zum Umlaufgraben textlich und zeichnerisch festgesetzten Baugrenzen dahingehend, dass textlich weitere Festsetzungen zu den überbaubaren Grundstücksflächen in Form von Mindestgrenzabständen zu den Grenzen des Gewässers bzw. dem Umlaufgraben festgesetzt wurden. Eine – wie vom Zulassungsvorbringen angeführte unzulässige – Festsetzung nach § 9 Abs. 1 Nr. 10 oder 24 BauGB ist damit nicht einschlägig. § 3 Abs. 3 Satz 1 (F. 2000) bzw. § 4 Abs. 3 (F. 2015) regeln explizit gerade den Mindestabstand und nehmen zur Paar hin nur „entsprechend“ auf die festgesetzten Baugrenzen Bezug. Damit handelt es sich nicht nur um eine der Rechtssicherheit dienende Bemaßung der Baugrenzen. Das Verwaltungsgericht stellt zudem darauf ab, dass jeder Regelung ein eigenständiger Anwendungsbereich verbleibe. Dem setzt das Zulassungsvorbringen nichts entgegen.
8
Auf die Frage, ob gem. § 31 Abs. 1 BauGB i.V.m. § 23 Abs. 3 Satz 3 BauNVO Anspruch auf Erteilung einer Ausnahme besteht, kommt es damit bei Zugrundelegung der Eigenständigkeit von § 3 Abs. 3 Satz 1 (F. 2000) bzw. § 4 Abs. 3 (F. 2015) des Bebauungsplans nicht an. Den Ausführungen des Verwaltungsgerichts, dass eine Befreiung nach § 31 Abs. 2 BauGB die Grundzüge der Planung der Planung berühre, tritt das Zulassungsvorbringen nicht entgegen.
9
Hinsichtlich der beantragten Mülltonneneinhausung ergibt sich nichts Anderes. Auch insoweit müssen Gebäude – unabhängig von deren sonstiger Qualifizierung – nach § 3 Abs. 3 Satz 1 (F. 2000) bzw. § 4 Abs. 3 (F. 2015) des Bebauungsplans einen Abstand von mindestens 10 Metern von den Grenzen der Gewässer der Paar einhalten.
10
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO. Da sich die Beigeladene im Zulassungsverfahren nicht beteiligt hat, entspricht es der Billigkeit, dass diese ihre außergerichtlichen Kosten selbst trägt (§ 162 Abs. 3 VwGO).
11
Die Streitwertfestsetzung für das Zulassungsverfahren beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3, § 52 Abs. 1 GKG. Sie folgt der Festsetzung des Verwaltungsgerichts, gegen die keine Einwendungen erhoben wurden.
12
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit der Entscheidung wird das angegriffene Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO).