Inhalt

VGH München, Beschluss v. 02.03.2023 – 1 ZB 22.1858
Titel:

Beseitigungsanordnung für ein Schwimmbecken

Normenketten:
BayBO Art. 76 S. 1
BauGB § 9 Abs. 1 Nr. 15, § 31 Abs. 2
BNatSchG § 44 Abs. 1, § 45 Abs. 7 S. 1 Nr. 5
Leitsätze:
1. Die Bestimmung einer naturnahen Wiese ist als Gegenstand der Festsetzung einer privaten Grünfläche iSd § 9 Abs. 1 Nr. 15 BauGB zulässig. Ob eine Bebauung mit untergeordneten baulichen Anlagen auf einer festgesetzten Grünfläche zulässig ist, bestimmt sich nach der Zweckbestimmung der bauplanerischen Festsetzung. (Rn. 10) (redaktioneller Leitsatz)
2. Es obliegt dem Verpflichteten, die zur Erfüllung einer Beseitigungspflicht erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, etwa eine notwendig werdende Ausnahmegenehmigung nach § 45 Abs. 7 S. 1 Nr. 5 BNatSchG einzuholen. (Rn. 15) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Beseitigungsanordnung für ein Schwimmbecken u.a., Festsetzung einer privaten Grünfläche, Fehlende untergeordnete Bedeutung von Nebenanlagen, Naturschutzrechtliches Zugriffsverbot, naturnahe Wiese, Gartennutzung, Ausnahmegenehmigung
Vorinstanz:
VG München, Urteil vom 11.05.2022 – M 29 K 20.6439
Fundstelle:
BeckRS 2023, 4255

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 80.000 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
1
Der Kläger wendet sich gegen die Beseitigungsanordnung für ein Schwimmbecken und weitere bauliche Anlagen auf dem Grundstück FlNr. …, Gemarkung Z. …
2
Das Grundstück liegt im Geltungsbereich des Bebauungsplans „Z. … – Am Malerwinkel“ vom 6. Oktober 1997, bekannt gemacht am 12. November 1997, der für den südlichen Grundstücksteil, in dem die zu beseitigenden Anlagen errichtet wurden, eine private Grünfläche festsetzt. Zudem trifft er Festsetzungen zu Nebengebäuden im Sinn des § 14 Abs. 1 BauNVO, die außerhalb der überbaubaren Grundstücksfläche errichtet werden (A. 5.c), für Stützmauern (A. 5.d), zur Grünordnung (A. 8.a) und zur Veränderung des natürlichen Geländes (A. 9.c).
3
Mit Bescheid vom 3. November 2020 forderte das Landratsamt den Kläger auf, das Schwimmbecken mit einer Länge von ca. 24 m und einer Breite von ca. 13,5 m, ein (Neben-)Gebäude mit Walmdach, eine Technikeinhausung und eine Geländestützmauer entlang der südlichen Grundstücksgrenze sowie die vorgenommenen Aufschüttungen und Abgrabungen zu beseitigen und das natürliche Geländeniveau wiederherzustellen.
4
Die dagegen gerichtete Klage hat das Verwaltungsgericht abgewiesen. Die Beseitigungsanordnung sei rechtmäßig und verletze den Kläger nicht in seinen Rechten. Das Schwimmbecken sei aufgrund seines Volumens nach Art. 55 Abs. 1 BayBO genehmigungspflichtig. Die weiteren Anlagen stellten ein einheitliches Bauvorhaben dar und seien ebenfalls genehmigungspflichtig. Das Bauvorhaben stehe in Widerspruch zu den Festsetzungen des Bebauungsplans. Die Festsetzung einer privaten Grünfläche schließe zwar eine Bebaubarkeit der Flächen im Rahmen der jeweiligen Zweckbestimmung nicht grundsätzlich aus. Bei dem Schwimmteich handle es sich jedoch nicht um eine (bloße) untergeordnete bauliche Anlage. Nebengebäude seien nach den textlichen Festsetzungen nur innerhalb des im Bebauungsplan weiß dargestellten Baulandes zulässig, nicht aber im Bereich der privaten Grünflächen. Eine Befreiung nach § 31 Abs. 2 BauGB komme nicht in Betracht, da die Grundzüge der Planung berührt seien. Der Beseitigungsanordnung stünden auch keine naturschutzrechtlichen Erwägungen entgegen. Nach Angabe der unteren Naturschutzbehörde gebe es keine Anhaltspunkte dafür, dass der Schwimmteich eine Fortpflanzungs- oder Ruhestätte für wild lebende Tiere der besonders geschützten Art sei. Zudem komme nach § 45 Abs. 7 Satz 1 Nr. 5 BNatSchG der Erlass einer Ausnahme von dem Zugriffsverbot des § 44 Abs. 1 BNatSchG in Betracht. Die Ermessensausübung begegne keinen rechtlichen Bedenken.
5
Mit dem Zulassungsantrag wird geltend gemacht, dass die Festsetzung der privaten Grünfläche nicht mit einer ausdrücklichen Zweckbestimmung versehen worden sei. Das Verwaltungsgericht habe die Festsetzung zu Unrecht dahingehend ausgelegt, dass sie ein Bebauungsverbot beinhalte. Der Begründung des Bebauungsplans könne nicht entnommen werden, dass den südlichen Grundstücksbereichen die Qualität und Nutzbarkeit als Privatgarten vollständig entzogen worden sei und Gartenhütten oder zur üblichen Gartennutzung und -gestaltung typische baulichen Anlagen ausgeschlossen seien. Das Planungsziel des Übergangs in den Außenbereich und der natürlichen Gestaltung der Flächen mit einer 2 bis 3-maligen Mahd verlange nicht den vollständigen Verzicht auf eine typische Gartennutzung. In Bezug auf das Verbot des § 44 BNatSchG hätte geprüft werden müssen, ob die Voraussetzungen für die Erteilung eine Ausnahme vorlägen. Das Verwaltungsgericht habe die vom Gesetzgeber vorgesehene Einzelfallentscheidung vorweggenommen und das Ermessen fehlerhaft ausgeübt.
6
Der Beklagte tritt dem Zulassungsvorbringen entgegen. Die bereits errichteten baulichen Anlagen entsprächen nicht dem Nutzungszweck der festgesetzten privaten Grünfläche, die nach dem planerischen Konzept der Gemeinde an der Grenze zum Außenbereich einen Übergangsbereich schaffen sollte, der grundsätzlich von (nicht untergeordneten) baulichen Anlagen freigehalten werden solle. Insbesondere fehle es an der gebotenen Unterordnung. In Bezug auf das geltend gemachte Biotop sei die Entscheidung der zuständigen Behörde nicht vorweggenommen worden. Das Verwaltungsgericht habe lediglich die Möglichkeit aufgezeigt, ein etwaiges naturschutzrechtliches Hindernis für die Beseitigung des Schwimmteichs auszuräumen. Angesichts der unsubstantiierten Behauptung des Antragstellers und der fehlenden entsprechenden Erkenntnisse der unteren Naturschutzbehörde habe es keiner Prüfung der Tatbestandsvoraussetzungen des § 45 Abs. 7 Satz 1 Nr. 5 BNatSchG bedurft.
7
Ergänzend wird auf die Gerichtsakte und die vorgelegte Behördenakte Bezug genommen.
II.
8
Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Der allein geltend gemachte Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) liegt nicht vor bzw. ist nicht dargelegt (§ 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO).
9
Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils, die die Zulassung der Berufung rechtfertigen, sind zu bejahen, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung des Verwaltungsgerichts mit schlüssigen Argumenten in Frage gestellt wird (vgl. BVerfG, B.v. 8.5.2019 – 2 BvR 657/19 – juris Rn. 33; B.v. 20.12.2010 – 1 BvR 2011/10 – NVwZ 2011, 546) und die Zweifel an der Richtigkeit einzelner Begründungselemente auf das Ergebnis durchschlagen (vgl. BVerwG, B.v. 10.3.2004 – 7 AV 4.03 – DVBl 2004, 838). Das ist nicht der Fall. Das Verwaltungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Beseitigungsanordnung rechtmäßig ist, insbesondere die bereits bestehenden Bauvorhaben der durch Planzeichen festgesetzten Nutzung der privaten Grünfläche außerhalb des Baulandes als Wiese mit Einsaat von Landschaftsrasen widersprechen (1.) und der Beseitigungsanordnung naturschutzrechtliche Erwägungen nicht entgegenstehen (2.).
10
1. Mit einer Festsetzung nach § 9 Abs. 1 Nr. 15 BauGB legt die Gemeinde Grünflächen fest, denen sie einen besonderen Zweck zuordnen kann und regelmäßig auch zuordnen muss. Die Bestimmung einer naturnahen Wiese ist als Gegenstand der Festsetzung einer privaten Grünfläche im Sinn des § 9 Abs. 1 Nr. 15 BauGB zulässig (vgl. BVerwG, U.v. 17.6.1994 – 8 C 22.92 – NVwZ 1995, 1213 zu der Zweckbestimmung als Hausgarten; B.v. 24.4.1991 – 4 NB 24.90 – NVwZ 1991, 877; HessVGH, U.v. 18.5.1989 – 4 UE 970/85 – juris Rn. 110 zu der Zweckbestimmung als privates Gartenland und Wiese). Die Festsetzung „Grünfläche“ regelt im Grundsatz die sonstige, durch Bewuchs geprägte nichtbauliche Nutzung. Ob eine Bebauung mit untergeordneten baulichen Anlagen auf einer festgesetzten Grünfläche zulässig ist, bestimmt sich nach der Zweckbestimmung der bauplanerischen Festsetzung (vgl. BVerwG, B.v. 11.4.2017 – 4 B 11.17 – ZfBR 2017, 587; B.v. 22.10.2012 – 4 BN 36.12 – BauR 2013, 199). Zur Zielrichtung einer Festsetzung mit Folgerungen auf ihre inhaltliche Wirkung kann auf die Begründung des Bebauungsplans als Auslegungshilfe zurückgegriffen werden (vgl. BVerwG, U.v. 19.5.2021 – 9 C 3.20 – BVerwGE 172, 343; B.v. 23.12.1997 – 4 BN 23.97 – BauR 1998, 515; U.v. 22.5.1987 – 4 C 57.84 – BVerwGE 77, 300). Sie kann sich über eindeutige textliche oder auch zeichnerische Festsetzungen nicht hinwegsetzen und nur insoweit Bedeutung haben, als sie gegebenenfalls zur Auslegung und Erklärung unklarer Satzungsbestimmungen heranzuziehen ist (vgl. BVerwG, U.v. 18.3.2004 – 4 CN 4.03 – BVerwGE 120, 239).
11
Die Antragsgegnerin hat vorliegend mit farbigem Planzeichen gemäß Nr. 9 der Anlage zur Planzeichenverordnung u.a. für den südlichen Bereich des Grundstücks eine private Grünfläche festgesetzt mit der Verpflichtung, dort eine „2- bis 3-schürige, ungedüngte Wiese mit Einsaat von Landschaftsrasen“ anzulegen (vgl. textliche Festsetzung A. 8.a). Weiter gelten in den Randbereichen Pflanzgebote gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 25 a) BauGB. Dadurch wird die Zweckbestimmung der privaten Grünfläche mittelbar konkretisiert (vgl. BayVGH, U.v. 18.2.2022 – 1 N 19.160 -- juris Rn. 25; U.v. 22.3.2011 – 1 N 09.2888 – juris Rn. 28, U.v. 21.12.2010 – 1 N 08.3385 – juris Rn. 43). Dem Bestimmtheitsgebot ist damit Genüge getan. Es handelt sich dabei um die Bestimmung ortsbildprägender Freiflächen (vgl. BVerwG, U.v. 18.5.2001 – 4 CN 4.00 – BVerwGE 114, 247) und diese sollen den städtebaulichen Zweck als Übergang der bebaubaren Grundstücke zum Außenbereich erfüllen (vgl. Festsetzungen A. 2.a und A. 8.a). Die rückwärtigen Grundstücksbereiche sind von baulichen Anlagen freizuhalten; bauliche Anlagen sollen straßennah errichtet werden. Auch nach der Begründung des Bebauungsplans soll die Abgrenzung der Bauflächen sicherstellen, dass eine über eine Abrundung hinausgehende Bebauung unterbleibt. Gegenteiliges ergibt sich nicht aus der Zulassung von Nebenanlagen und Einrichtungen im Sinn des § 14 Abs. 1 BauNVO im Bebauungsplan. Denn diese sind nur im Bauland zugelassen (vgl. Festsetzung A. 2.a), nicht aber in der privaten Grünfläche (vgl. textliche Festsetzung A. 2.b). Soweit außerhalb der überbaubaren Grundstücksfläche Nebengebäude als untergeordnete Nebenanlagen und Einrichtungen im Sinn des § 14 Abs. 1 BauNVO zugelassen werden (vgl. Festsetzung A. 5.c), bezieht sich die Festsetzung nur auf das in der Festsetzung A. 2.a bezeichnete und im Bebauungsplan weiß dargestellte Bauland, nicht auf die rückwärtigen Grundstücksbereiche. § 23 Abs. 5 Satz 1 BauNVO findet keine Anwendung, da die von den baulichen Anlagen in Anspruch genommenen Grünflächen nicht als reines Wohngebiet ausgewiesen sind. Der Antragsteller kann daher auf der privaten Grünfläche bauliche Anlagen mit einer untergeordneten Bedeutung errichten, die den Rahmen der Zweckbestimmung der Grünfläche wahren, z.B. ggf. für die Bewirtschaftung der Flächen erforderlich sind; die von ihm eingeforderte typische Gartennutzung als Privatgarten ist mit der Festlegung einer naturnahen Grünfläche aber ausgeschlossen.
12
Das Verwaltungsgericht hat sich daran orientiert (UA Rn. 38). Die Ausführungen unter Rn. 44 der Urteilsabschrift, die die Frage der Zulassung einer Befreiung nach § 31 Abs. 2 BauGB betreffen, stehen damit nicht in Widerspruch, da sie nur das wesentliche Merkmal einer Grünfläche, die grundsätzlich für eine bauliche Nutzung nicht vorgesehen und nicht Bestandteil der Baugebietsausweisung ist, wiedergeben. Es trifft nicht zu, dass das Verwaltungsgericht die festgesetzte private Grünfläche fehlerhaft dahingehend ausgelegt hat, dass sie ein „vollkommenes“ Bebauungsverbot beinhaltet. Auf der Grundlage der im Rahmen einer Ortseinsicht getroffenen Feststellungen, die durch die Fotodokumentation in der Bauakte (S. 83 – 86) bestätigt werden, ist das Verwaltungsgericht nachvollziehbar davon ausgegangen, dass es sich bei den baulichen Anlagen – auch in Anbetracht der Größe des Grundstücks – nicht mehr um Anlagen von untergeordneter Bedeutung handelt und die Anlagen vielmehr einer im Bebauungsplan für diesen Bereich nicht vorgesehenen intensiven Freizeitnutzung dienen.
13
Die Richtigkeit der Annahme des Verwaltungsgerichts, dass eine Befreiung nach § 31 Abs. 2 BauGB nicht in Betracht komme, stellt der Antragsteller nicht in Frage.
14
2. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen auch nicht, soweit das Verwaltungsgericht angenommen hat, dass der Beseitigungsanordnung naturschutzrechtliche Erwägungen nicht entgegenstehen. Dem Antragsteller ist es rechtlich möglich, den Schwimmteich zu entfernen. Das Verwaltungsgericht hat zutreffend darauf abgestellt, dass das Vorhandensein von Fröschen, Kröten und Ringelnattern für die Annahme eines Zugriffsverbots nach § 44 Abs. 1 BNatSchG nicht ausreichend ist und nach Angaben der unteren Naturschutzbehörde keine Anhaltspunkte für ein Vorkommen von wild lebenden Tieren der besonders geschützten Art vorhanden sind. Die unsubstantiierten Ausführungen im Zulassungsbegründungsschreiben sind nicht geeignet, die Erfüllung der Beseitigungspflicht in Frage zu stellen.
15
Im Übrigen obläge es dem Antragsteller als zur Beseitigung Verpflichteter für das gesamte Baugeschehen, die zur Erfüllung der Beseitigungspflicht erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, wie eine etwa notwendig werdende Ausnahmegenehmigung nach § 45 Abs. 7 Satz 1 Nr. 5 BNatSchG einzuholen (vgl. BayVGH, B.v. 7.11.2018 – 9 ZB 15.943 – juris Rn. 12). Darauf hat das Verwaltungsgericht zutreffend verwiesen, ohne dabei eine Entscheidung der zuständigen Behörde vorwegzunehmen. In dieser Situation bedurfte es daher keiner Prüfung der Tatbestandsvoraussetzungen des § 45 Abs. 7 Satz 1 Nr. 5 BNatSchG. Nachträglich auftretende naturschutzrechtliche Anforderungen können – davon geht auch der Antragsgegner aus – ohne Weiteres berücksichtigt werden.
16
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1‚ § 47 Abs. 1 und 3‚ § 52 Abs. 1 GKG und entspricht dem vom Verwaltungsgericht festgesetzten Betrag.
17
Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).