Inhalt

VGH München, Beschluss v. 28.02.2023 – 1 CS 22.2482
Titel:

Beseitigungsanordnung für ein Nebengebäude im Vorgarten

Normenketten:
VwGO § 80 Abs. 5
BayBO Art. 76 S. 1
BauGB § 9 Abs. 1 Nr. 15, § 31 Abs. 2
Leitsätze:
1. Ob eine Bebauung mit untergeordneten baulichen Anlagen auf einer festgesetzten Grünfläche zulässig ist, bestimmt sich nach der Zweckbestimmung der bauplanerischen Festsetzung. Zur Zielrichtung einer Festsetzung mit Folgerungen auf ihre inhaltliche Wirkung kann auf die Begründung des Bebauungsplans als Auslegungshilfe zurückgegriffen werden. (Rn. 15) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Planungskonzeption, die der Festsetzung in einem Bebauungsplan zugrunde liegt, wird nicht schon dann sinnlos, wenn sie nicht mehr überall im Plangebiet umgesetzt werden kann. Erst wenn die tatsächlichen Verhältnisse vom Planinhalt so massiv und so offenkundig abweichen, dass der Bebauungsplan insoweit eine städtebauliche Gestaltungsfunktion unmöglich zu erfüllen vermag, kann von einer Funktionslosigkeit die Rede sein. (Rn. 17) (redaktioneller Leitsatz)
3. Die Bauaufsichtsbehörde darf sich mit einer Beseitigungsanordnung auf die Regelung von Einzelfällen beschränken, wenn sie hierfür sachliche Gründe anzuführen vermag. Die Entstehung neuerer unzulässiger baulicher Anlagen kann von der Behörde grundsätzlich vorrangig aufgegriffen werden. Bei Neuanlagen ist die Gefahr von Bezugsfällen grundsätzlich größer als bei den vor vielen Jahren errichteten Anlagen. (Rn. 19) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Beseitigungsanordnung, Festsetzung von „Vorgärten“ als private Grünflächen, Zulässigkeit von Nebenanlagen, Funktionslosigkeit der Festsetzung eines Bebauungsplans, Befreiung, Ermessen, Bezugsfälle
Vorinstanz:
VG München, Beschluss vom 04.11.2022 – M 1 S 22.3439
Fundstelle:
BeckRS 2023, 4253

Tenor

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen
II. Die Antragsteller tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens als Gesamtschuldner.
III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.500 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
1
Die Antragsteller wenden sich im vorläufigen Rechtsschutzverfahren gegen die Beseitigungsanordnung für eine von ihnen im Vorgartenbereich errichtete bauliche Anlage (2,95 m x 3,85 m) zur Aufbewahrung von Mülltonnen, Fahrrädern u.a.. Das zunächst vorhandene Wellblechdach wurde inzwischen abgenommen.
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Das Grundstück der Antragsteller befindet sich im Geltungsbereich des Bebauungsplans Nr. 5 „Eichenfeldsiedlung“ 1. Änderung. Dieser sieht auf den Baugrundstücken mit dem Planzeichen „Vorgärten“ entlang der Straßenzüge jeweils einen ca. 5 m breiten begrünten Streifen vor, für den nach der textlichen Festsetzung 6.2.1 Pflanzvorschriften gelten. Die Erhaltung der straßenbildprägenden Vorgärten als Grünfläche wird in der Begründung des Bebauungsplans u.a. als Planungsziel herausgestellt. Weiter besteht folgende textliche Festsetzung für Stellplätze, Garagen und sonstige Nebenanlagen (5.1.):
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Stellplätze sind nach den geltenden Stellplatzrichtlinien der Stadt auf dem jeweiligen Baugrundstück zu erstellen. Sie sind als oberirdische Stellplätze oder Garagen unmittelbar angrenzend an die Zufahrt mit Ausnahme der Vorgartenzone anzuordnen. Die Zufahrt zu Stellplätzen und Garagen ist bis max. 2,50 m Breite angrenzend an der seitlichen Grundstücksgrenze zulässig. Die Länge der Zufahrt ist bei Einzelhäusern bis zur Vorderkante des rückwärtigen Gebäudes, bei den winkelförmigen Doppelhäusern bis zur Hinterkante zulässig.
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Alle befestigten Flächen insbesondere Stellplätze und Zufahrten sind auf ein Mindestmaß zu begrenzen und versickerungsfähig zu gestalten (Rasenpflaster, Rasengittersteine, wassergebundene Decke).
5
Nebengebäude wie z.B. Geräteschuppen, Gewächshäuser, Fahrradschuppen und Müllhäuschen sind bis insgesamt max. 10 qm Grundfläche pro Hauptgebäude zulässig und im Zusammenhang mit den Stellplätzen und Garagen an der Zufahrt anzuordnen.
6
Mit Bescheid vom 1. Juni 2022 verfügte die Antragsgegnerin die sofort vollziehbare Beseitigungsanordnung für das errichtete Nebengebäude. Das errichtete Nebengebäude übersteige zum einen die nach dem Bebauungsplan maximal zulässige Größe von Nebengebäuden, zum anderen sei die Errichtung in der Vorgartenzone unzulässig. Einem möglichen Antrag auf Befreiung von den Festsetzungen des Bebauungsplans könnte nicht stattgegeben werden, da die Grundzüge der Planung berührt würden. Ein sofortiges Einschreiten sei erforderlich, um rechtmäßige Zustände herzustellen. Da es in der Vergangenheit bereits zahlreiche vergleichbare Antragsbegehren gegeben habe, die abgelehnt worden seien, sei der Sofortvollzug notwendig, um Unmut und die Schaffung eines konkreten Bezugsobjektes zu verhindern.
7
Gegen die Beseitigungsanordnung erhoben die Antragsteller Klage und stellten einen Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO. Diesen lehnte das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 4. November 2022 ab. Die Klage gegen die Beseitigungsanordnung habe voraussichtlich keinen Erfolg. Das streitgegenständliche Gebäude sei sowohl formell wie materiell baurechtswidrig. Es widerspreche den Festsetzungen des Bebauungsplans und hätte daher einer Befreiung von den Festsetzungen bedurft, die aber nicht in Betracht komme. Bei der errichteten Anlage handle es sich um ein Nebengebäude, es komme entgegen der Auffassung der Antragsteller nicht auf die Definition von Art. 2 Abs. 2 BayBO an. Dieses widerspreche der Festsetzung des Bebauungsplans in Nr. 5.1 bereits deshalb, weil es mit ca. 11,4 m² die zulässigen 10 m² überschreite. Ob mit der Festsetzung auch ein Verbot von Nebengebäuden in der Vorgartenzone einhergehe, erscheine zweifelhaft. Die Festsetzung sei auch nicht nachträglich funktionslos geworden, die benannten Bezugsfälle seien hierfür nicht ausreichend. Die Erteilung einer Befreiung von der Festsetzung 5.1 gemäß § 31 Abs. 2 BauGB sei nicht möglich, weil es sich bei dem festgesetzten Höchstmaß von 10 m² für Nebengebäude um einen Grundzug der Planung handle. Das für die Anordnung des Sofortvollzugs erforderliche besondere Vollzugsinteresse liege vor.
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Mit der Beschwerde wird geltend gemacht, dass die Pergola der Antragsteller materiell baurechtsmäßig sei, weil eine Befreiung von der Festsetzung der maximalen Grundfläche von 10 m² gemäß Nr. 5.1 der textlichen Bebauungsplanfestsetzung i.V.m. § 31 Abs. 2 Nr. 2 BauGB möglich sei. Das Verwaltungsgericht sei zutreffend davon ausgegangen, dass der Bebauungsplan keine Festsetzungen bezüglich einer Unbebaubarkeit der Vorgartenzone mit Nebengebäude beinhalte. Aus den textlichen Festsetzungen des Bebauungsplans Nr. 5.1 und 6.2.1 sei eine Unbebaubarkeit der Vorgartenzone mit Nebengebäuden nicht zu entnehmen, das Gegenteil sei der Fall. Die alleinige Festsetzung der maximalen Grundfläche eines Nebengebäudes präge die Planung der Antragsgegnerin im Bebauungsplan nicht und berühre die Grundzüge der Planung nicht. Die Beseitigungsanordnung sei daher ermessensfehlerhaft.
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Die Antragsgegnerin hält das Nebengebäude weiterhin für planungsrechtlich unzulässig. Es widerspreche mit seiner Größe (über 10 m²) und seiner Lage (kein Zusammenhang mit den errichteten Garagen) jedenfalls der Festsetzung in Nr. 5.1. letzter Satz.
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Ergänzend wird auf die Gerichtsakten und die vorgelegte Behördenakte Bezug genommen.
II.
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Die zulässige Beschwerde hat keinen Erfolg.
12
Das Verwaltungsgericht hat den Antrag der Antragsteller auf vorläufigen Rechtsschutz zu Recht abgelehnt. Nach der im Eilverfahren gebotenen summarischen Prüfung wird die Klage gegen die Beseitigungsanordnung im Hauptsacheverfahren voraussichtlich erfolglos bleiben. Das für die Anordnung des Sofortvollzugs erforderliche besondere Vollzugsinteresse hat die Antragsgegnerin in der Beseitigungsanordnung begründet und die angeführten Gesichtspunkte genügen nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts den Anforderungen der Rechtsprechung. Einwände gegen das Vorliegen des besonderen Vollzugsinteresses werden mit der Beschwerde nicht geltend gemacht.
13
Das Verwaltungsgericht ist im Ergebnis zu Recht von der Rechtmäßigkeit der Beseitigungsanordnung ausgegangen. Es hat in der Begründung seiner Entscheidung offen gelassen, ob die Anlage den Festsetzungen des Bebauungsplans deshalb widerspricht, weil die Vorgartenzone vollständig von Bebauung frei zu halten ist, und seine Entscheidung darauf gestützt, dass die zulässigen Maße einer Nebenanlage überschritten würden. Auch wenn die diesbezüglichen Ausführungen zutreffend sind, würde dies nicht die Beseitigung der gesamten Anlage rechtfertigen, sondern aus Gründen der Verhältnismäßigkeit könnte nur der Rückbau auf die zulässigen Maße angeordnet werden. Dass dies konstruktiv nicht möglich wäre, ist nicht ersichtlich. Es kommt daher entscheidungserheblich darauf an, ob die Antragsteller für die Nebenanlage einen Standort in der Vorgartenzone wählen konnten. Das ist entgegen den Ausführungen in der Beschwerdebegründung zu verneinen.
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Die Antragsgegnerin konnte die Beseitigung der von den Antragstellern in der Vorgartenzone errichteten Nebenanlage anordnen, weil sie der durch Planzeichen festgesetzten Nutzung der Vorgartenzone als private Grünfläche widerspricht (1.), diese Festsetzung nicht funktionslos ist (2.) und eine Befreiung von der Festsetzung gemäß § 31 Abs. 2 BauGB nicht in Betracht kommt, da die Grundzüge der Planung berührt würden (3.). Auch die Ermessensausübung ist nicht zu beanstanden (4.).
15
1. Mit einer Festsetzung nach § 9 Abs. 1 Nr. 15 BauGB legt die Gemeinde Grünflächen fest, denen sie einen besonderen Zweck zuordnen kann und regelmäßig auch zuordnen muss. Die Bestimmung einer Randbegrünung auf angrenzenden Baugrundstücken entlang einer Verkehrsfläche ist als Gegenstand der Festsetzung einer (öffentlichen oder privaten) Grünfläche im Sinn des § 9 Abs. 1 Nr. 15 BauGB zulässig (vgl. BVerwG, U.v. 17.6.1994 – 8 C 22.92 – NVwZ 1995, 1213 zu der Zweckbestimmung als Hausgarten; B.v. 24.4.1991 – 4 NB 24.90 – NVwZ 1991, 877). Die Festsetzung „Grünfläche“ regelt im Grundsatz die sonstige, durch Bewuchs geprägte nichtbauliche Nutzung. Ob eine Bebauung mit untergeordneten baulichen Anlagen auf einer festgesetzten Grünfläche zulässig ist, bestimmt sich nach der Zweckbestimmung der bauplanerischen Festsetzung (vgl. BVerwG, B.v. 11.4.2017 – 4 B 11.17 – ZfBR 2017, 587; B.v. 22.10.2012 – 4 BN 36.12 – BauR 2013, 199). § 14 BauNVO bzw. § 23 Abs. 5 BauNVO sind auf Flächen, die nach § 9 Abs. 1 Nr. 15 BauGB festgesetzt sind, nicht anwendbar (vgl. BVerwG, B.v. 11.4.2017 a.a.O.; Stock in Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BauNVO, Stand Februar 2022, § 14 Rn. 8). Zur Zielrichtung einer Festsetzung mit Folgerungen auf ihre inhaltliche Wirkung kann auf die Begründung des Bebauungsplans als Auslegungshilfe zurückgegriffen werden (vgl. BVerwG, U.v. 19.5.2021 – 9 C 3.20 – BVerwGE 172, 343; B.v. 23.12.1997 – 4 BN 23.97 – BauR 1998, 515; U.v. 22.5.1987 – 4 C 57.84 – BVerwGE 77, 300). Sie kann sich über eindeutige textliche oder auch zeichnerische Festsetzungen nicht hinwegsetzen und nur insoweit Bedeutung haben, als sie gegebenenfalls zur Auslegung und Erklärung unklarer Satzungsbestimmungen heranzuziehen ist (vgl. BVerwG, U.v. 18.3.2004 – 4 CN 4.03 – BVerwGE 120, 239).
16
Vorliegend hat die Antragsgegnerin im Plangebiet auf den Baugrundstücken entlang der Anliegerstraßen mit farbigem Planzeichen gemäß Nr. 9 der Anlage zur Planzeichenverordnung eine Grünfläche mit der Zweckbestimmung „Vorgärten“ festgesetzt. Es handelt sich nicht nur um eine Festsetzung, die gestalterischen Anforderungen dient, sondern um die Bestimmung ortsbildprägender Freiflächen (vgl. BVerwG, U.v. 18.5.2001 – 4 CN 4.00 – BVerwGE 114, 247) und diese sollen den privaten Zweck als Vorgärten erfüllen (vgl. textliche Festsetzung 6.2; BVerwG, U.v. 30.8.2001 – 4 CN 9.00 – BVerwGE 115, 77 zu der Abgrenzung zwischen öffentlicher und privater Grünfläche nach dem vorgesehenen Benutzerkreis). Wie die Antragsgegnerin in ihrem Schriftsatz im Klageverfahren vorgetragen hat und sich aus der Begründung des Bebauungsplans ergibt, war es Ziel der Überarbeitung des Bebauungsplans, die besondere Siedlungsstruktur der ehemaligen sog. Reichsheimstättensiedlung mit geringer Versiegelung und großen Gärten einerseits zu bewahren, andererseits eine maßvolle Verdichtung in Form zusätzlicher Häuser bzw. Anbauten zuzulassen. Zu den städtebaulichen Merkmalen der Siedlung zählte u.a. die Anordnung der Gebäude als Reihung entlang der Straßen mit einheitlicher Bauflucht und Vorgartenzone, diese städtebauliche Struktur ist auch heute noch gut ablesbar (vgl. die Darstellung in BayernAtlas). Die straßenbildprägenden Vorgärten sollten als Grünfläche und autofreie Zone erhalten bleiben. Entsprechend dieser Zielsetzung wurden im Bebauungsplan straßennahe Baulinien und die schmalen Vorgartenzonen als Grünflächen festgesetzt. Dieser Zielsetzung widerspricht es grundsätzlich, neben den notwendigen Zugängen zum Haus und den Zufahrten zu den Stellplätzen und Garagen weitere Bebauung, auch wenn sie nur untergeordnet ist, zuzulassen. Aus den textlichen Festsetzungen des Bebauungsplans ergibt sich keine andere Beurteilung. Mit den Festsetzungen 6.2 und 6.2.1 „Vorgärten“ im Rahmen der Grünordnung wird die Bepflanzung der Grünstreifen geregelt. Mit der Festsetzung 5.1 für Stellplätze, Garagen und sonstige Nebenanlagen, die die Bodenversiegelung begrenzen soll (vgl. 3.1 der Begründung des Bebauungsplans), wird für die Stellplätze und Garagen bestimmt, dass diese unmittelbar angrenzend an die Zufahrt mit Ausnahme der Vorgartenzone anzuordnen sind. Die Länge der Zufahrt wird nur für die Fälle der neu zugelassenen rückwärtigen Bebauung mit Einzelhäusern bzw. für winkelförmige Doppelhäuser begrenzt, für das vorliegende Grundstück ist diese Regelung nicht einschlägig. Nebenanlagen, für die Beispiele aufgezählt sind, sind mit einer maximalen Grundfläche von 10 m² pro Hauptgebäude zulässig und im Zusammenhang mit den Stellplätzen und Garagen an der Zufahrt anzuordnen. Dabei ergibt sich für die Nebenanlagen zwar im Gegensatz zu den Stellplätzen und Garagen in der textlichen Festsetzung kein ausdrückliches Verbot von Nebenanlagen in der Vorgartenzone, sie werden dort mit der Regelung in der Festsetzung 5.1 Abs. 3 aber auch nicht zugelassen. Es wird lediglich bestimmt, dass die Nebenanlagen im Zusammenhang mit den Stellplätzen und Garagen an der Zufahrt anzuordnen sind. Diese Regelung will verhindern, dass z.B. für die Errichtung einer Garten- bzw. Gerätehütte in einem anderen Grundstücksbereich weitere versiegelte Zugangsflächen notwendig werden. Die Garagen bzw. Stellplätze und Nebenanlagen sollen zusammen in einem Teil des Grundstücks errichtet werden. Damit wird die Zweckbestimmung der Grünfläche aber nicht aufgehoben. Da die Zufahrten und die Flächen für Stellplätze und Garagen im Bebauungsplan nicht festgelegt sind, obliegt es dem Bauherrn so zu planen, dass sowohl die Zweckbestimmung der Grünfläche wie die Regelung in 5.1 zur Flächenversiegelung eingehalten werden kann. Dies ist im Hinblick auf die nur schmalen Vorgartenbereiche auch ohne weiteres möglich. Mit ihrer Argumentation im Antrags- und Beschwerdeverfahren übersehen die Antragsteller, dass für sie nicht nur die textlichen Festsetzungen gelten, sondern auch die Festsetzung durch Planzeichen zu beachten ist.
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2. Die hier maßgebliche Festsetzung einer begrünten Vorgartenzone ist auch nicht funktionslos geworden. Eine bauplanerische Festsetzung kann funktionslos sein, wenn und soweit die tatsächlichen Verhältnisse, auf die sie sich bezieht, ihre Verwirklichung auf unabsehbare Zeit ausschließen und diese Tatsache so offensichtlich ist, dass ein in ihre Fortgeltung gesetztes Vertrauen keinen Schutz verdient. Ob diese Voraussetzungen erfüllt sind, ist für jede Festsetzung gesondert zu prüfen. Dabei kommt es nicht auf die Verhältnisse auf einzelnen Grundstücken an. Entscheidend ist vielmehr, ob die jeweilige Festsetzung geeignet ist, zur städtebaulichen Ordnung im Sinn des § 1 Abs. 3 BauGB im Geltungsbereich des Bebauungsplans einen wirksamen Beitrag zu leisten. Die Planungskonzeption, die einer Festsetzung zugrunde liegt, wird nicht schon dann sinnlos, wenn sie nicht mehr überall im Plangebiet umgesetzt werden kann. Erst wenn die tatsächlichen Verhältnisse vom Planinhalt so massiv und so offenkundig abweichen, dass der Bebauungsplan insoweit eine städtebauliche Gestaltungsfunktion unmöglich zu erfüllen vermag, kann von einer Funktionslosigkeit die Rede sein. Das setzt voraus, dass die Festsetzung unabhängig davon, ob sie punktuell durchsetzbar ist, bei einer Gesamtbetrachtung die Fähigkeit verloren hat, die städtebauliche Entwicklung noch in einer bestimmten Richtung zu steuern (vgl. BVerwG, B.v. 9.10.2003 – 4 B 85.03 – BauR 2004, 1128). Die von den Antragstellern angeführten wenigen Bezugsfälle für bauliche Anlagen in der Vorgartenzone sind nicht geeignet, die Funktionslosigkeit der festgesetzten Grünfläche zu belegen. Aus der Darstellung des Plangebiets in dem Luftbild in Bayern-Atlas ergibt sich vielmehr, dass der von der Antragsgegnerin festgesetzte Grünzug ganz überwiegend vorhanden und nicht durch bauliche Anlagen mit Ausnahme der Hauszugänge bzw. Zufahrten unterbrochen ist.
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3. Die Antragsgegnerin ist auch zu Recht davon ausgegangen, dass eine Befreiung von der planerischen Festsetzung nicht in Betracht kommt. Aus den obigen Ausführungen zu der Zweckbestimmung der Grünfläche folgt bereits, dass es sich bei dem Freihalten der Vorgartenzone von baulichen Anlagen um einen Grundzug der Planung handelt. Es kann vorliegend auch dahingestellt bleiben, ob bei niedrigen, sehr kleinen baulichen Anlagen wie z.B. einem kleinen Müllhäuschen oder technischen Einrichtungen, die von den Antragstellern u.a. als Bezugsfälle genannt wurden, im Einzelfall gemäß § 31 Abs. 2 BauGB unter Berücksichtigung der konkreten Grundstücksverhältnisse eine Befreiung erteilt werden kann. Bei der von den Antragstellern errichteten Anlage kommt diese, unabhängig davon, ob diese Gebäudeeigenschaft hat, offensichtlich nicht in Betracht. Die Beurteilung der Antragsgegnerin, dass diese Nebenanlage mit ihrer Lage und ihren Dimensionen besonders störend wirkt, ist aus den in der Akte befindlichen Lichtbildern sowie der Luftaufnahme in BayernAtlas nachvollziehbar.
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3. Soweit die Antragsteller die Ermessensausübung der Antragsgegnerin beanstanden, weil die Grundzüge der Planung nicht betroffen seien und kein Bauverbot im Bereich der Vorgartenzone festgesetzt worden sei, kann auf die bisherigen Ausführungen verwiesen werden. Eine erhebliche Bezugsfallwirkung der errichteten Anlage hat die Antragsgegnerin zu Recht bejaht. Bei den von den Antragstellern genannten Vergleichsfällen handelt es sich im Vergleich zum großen Plangebiet nur um wenige Fälle und in der Mehrzahl der Fälle auch um mit der vorliegenden Nebenanlage nicht vergleichbare kleine Müllhäuschen. Die Antragsgegnerin hat nachvollziehbar dargelegt, dass die neu errichtete Anlage eine besondere Bezugsfallwirkung auslöst. Die Bauaufsichtsbehörde darf sich mit einer Beseitigungsanordnung auf die Regelung von Einzelfällen beschränken, wenn sie hierfür sachliche Gründe anzuführen vermag (vgl. BVerwG, B.v. 24.7.2014 – 4 B 34.14 – BauR 2014, 1923). Die Entstehung neuerer unzulässiger baulicher Anlagen kann von der Behörde grundsätzlich vorrangig aufgegriffen werden. Bei Neuanlagen ist die Gefahr von Bezugsfällen grundsätzlich größer als bei den vor vielen Jahren errichteten Anlagen (vgl. BayVGH, B.v. 7.6.2017 – 9 ZB 15.255 – juris Rn. 5; B.v. 21.1.2003 – 14 ZB 02.1303 – juris Rn. 5).
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Die Antragsteller haben die Kosten des Verfahrens zu tragen, da ihr Rechtsmittel erfolglos geblieben ist (§ 154 Abs. 2 VwGO), die Kostentragung als Gesamtschuldner ergibt sich aus § 159 Satz 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 2 GKG i.V.m. Nr. 1.5 Satz 1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit und entspricht dem vom Verwaltungsgericht festgesetzten Betrag.
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Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).