Titel:
Erfolglose Asylklage eines Syrers gegen Unzulässigkeitsentscheidung Sekundärmigration
Normenketten:
AsylG § 29 Abs. 1 Nr. 2, § 34, § 35, § 77 Abs. 2 S. 3
RL 2011/95/EU Art. 26 ff.
RL 2013/32/EU Art. 33 Abs. 2a
AufenthG § 60 Abs. 5, Abs. 7
GRCh Art. 4
Leitsätze:
1. Aufgrund der im Kontext des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems geltenden widerleglichen Vermutung, fallen systemische oder allgemeine oder bestimmte Personengruppen betreffende Schwachstellen nur dann unter Art. 4 GRCh, wenn sie eine besonders hohe Schwelle der Erheblichkeit erreichen, die von sämtlichen Umständen des Falles abhängt und die dann erreicht wäre, wenn die Gleichgültigkeit der Behörden eines Mitgliedstaats zur Folge hätte, dass eine vollständig von öffentlicher Unterstützung abhängige Person sich unabhängig von ihrem Willen und ihren persönlichen Entscheidungen in einer Situation extremer materieller Not befände, die es ihr nicht erlaube, ihre elementarsten Bedürfnisse zu befriedigen, wie insbesondere sich zu ernähren, sich zu waschen und eine Unterkunft zu finden, und die ihre physische oder psychische Gesundheit beeinträchtige oder sie in einen Zustand der Verelendung versetze, der mit der Menschenwürde unvereinbar wäre. (Rn. 28) (redaktioneller Leitsatz)
2. Allein statthafte Klageart gegen die Aufhebung einer Unzulässigkeitsentscheidung des Bundesamts ist die (isolierte) Anfechtungsklage, da keine Verpflichtung der Gerichte zum sog. Durchentscheiden besteht. (Rn. 39) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Sekundärmigration Griechenland, Klageanträge bei Unzulässigkeitsentscheidungen, Urteil im schriftlichen Verfahren, Antrag auf mündliche Verhandlung nach Urteil, Arbeitskräftebedarf im Tourismussektor nach der Corona-Pandemie, Asylklage, Syrien, Sekundärmigration, Griechenland, unzulässiger Asylantrag, Anfechtungsklage, normative Vergewisserung, europäisches Asylsystem, Abschiebungsandrohung, aktuelle Griechenlandlage, Einzelfallentscheidung
Fundstelle:
BeckRS 2023, 42220
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die K...ten des gerichtskostenfreien Verfahrens.
3. Die K...tenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
1
Der Kläger ist syrischer Staatsangehöriger mit arabischer Volks- und islamischer Religionszugehörigkeit. Er reiste nach eigenen Angaben am 13.01.2023 in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte am 26.05.2023 einen Asylantrag.
2
Die EURODAC-Trefferabfrage des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) ergab u.a. einen Treffer der „Kategorie 1“ (GR1* …*), wonach der Kläger am 14.09.2018 in Griechenland internationalen Schutz beantragt hat. Nach Mitteilung der griechischen Behörden vom 30.03.2023 wurde dem Kläger am 30.03.2020 in Griechenland die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt.
3
Bei den Befragungen am 26.05.2023 bzw. am 01.08.2023 gab der Kläger gegenüber dem Bundesamt im Wesentlichen an, er habe in Syrien die Schule bis zur 8. Klasse besucht und anschließen im Lebensmittelgroßhandel gearbeitet. Während seiner Wehrzeit (2011 bis 2012) sei er als Fahrer tätig gewesen. Syrien habe er Anfang 2016 verlassen. Er sei zunächst in die Türkei gegangen. Dort habe er sich illegal aufgehalten und nichts gearbeitet. Im Mai 2017 sei er nach Griechenland eingereist, wo er sich bis Januar 2023 aufgehalten habe. In Griechenland habe er in … in einer Art Hotel, die zu einer Flüchtlingsunterkunft umgewandelt worden sei, gelebt. Die Unterkunft habe er mehrmals gewechselt, bis er griechische Papiere bekommen habe. Dann habe man ihm gesagt, dass er das Hotel verlassen müsse. Er habe dann auch keine Unterstützung mehr bekommen. Nachdem er die Papiere bekommen habe, sei er in dem einen Hotel namens … Club gegangen. Dort habe er gewohnt und gearbeitet. Daneben habe er in Griechenland auch einige Zeit als Maler gearbeitet. Man habe aber wenig Möglichkeiten, eine Arbeit in Griechenland zu finden. In Griechenland habe man ihn zudem schlecht behandelt, weil er sich mit einem falschen Personalausweis aus Syrien habe registrieren lassen. Dann habe er aber gesagt, dass das nicht sein Name sei. Dennoch sei er weiterhin mit falschem Namen registriert gewesen. Das habe ihn psychisch sehr getroffen. Er habe mehrmals versucht, dies korrigieren zu lassen. Wenn er nach Griechenland komme, müsse er deswegen sicherlich ins Gefängnis. Wegen der Unterkunft in Griechenland ohne Papiere und mit falscher Identität habe er psychische Probleme. Diese seien in Bamberg behandelt worden. Jetzt sei es besser geworden, er sei aber immer noch in Behandlung. Er habe noch Termine und nehme Tabletten gegen Depressionen, deren Namen er jedoch nicht wisse.
4
Mit Bescheid vom 08.09.2023, zugestellt mit Postzustellungsurkunde am 14.09.2023, lehnte das Bundesamt den Asylantrag als unzulässig ab (Ziffer 1). Es wurde festgestellt, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen (Ziffer 2). Dem Kläger wurde die Abschiebung nach Griechenland angedroht (Ziffer 3). Das Einreise- und Aufenthaltsverbot wurde gem. § 11 Abs. 1 AufenthG angeordnet und auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (Ziffer 4).
5
Zur Begründung führte das Bundesamt im Wesentlichen aus, der Asylantrag sei gem. § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG unzulässig, da dem Kläger laut Schreiben der griechischen Behörden bereits in Griechenland internationaler Schutz gewährt worden sei. Der Antrag werde daher in Deutschland nicht materiell geprüft.
6
Der Entscheidung des Asylantrags als unzulässig nach § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG stehe auch nicht entgegen, dass der EuGH mit Urteil vom 19.03.2019 (Az.: C-297/17) entschieden habe, dass eine Ablehnung des Asylantrags als unzulässig, weil dem Kläger in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union bereits internationaler Schutz gewährt worden sei, nur dann möglich sei, wenn der Kläger keiner ernsthaften Gefahr ausgesetzt sei, aufgrund der Lebensumstände, die ihn im Mitgliedstaat erwarten würden, eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne von Art. 3 EMRK zu erfahren. Zwar verkenne man die derzeit schwierigen Lebensverhältnisse von international Schutzberechtigten in Griechenland nicht. Von einer allgemeinen Unzumutbarkeit der Rückkehr nach Griechenland könne deswegen aber nicht ausgegangen werden. Weder sei eine Verletzung der in Art. 26 ff. der RL 2011/95/EU vorgesehenen Gleichbehandlungsgebote erkennbar, noch herrschten in Griechenland derart eklatante Missstände, welche die Annahme rechtfertigen würden, anerkannte Schutzberechtigte würden einer erniedrigenden oder unmenschlichen Behandlung ausgesetzt werden. Dies werde auch von Teilen der deutschen verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung sowie jüngst im europäischen Kontext durch die 1. Kammer des Verwaltungsgerichts des Großherzogtums Luxemburg, dem Verwaltungsgerichtshof Österreich, das Bundesverwaltungsgericht der Schweiz oder dem Amtsgericht Oslo so gesehen (wird weiter ausgeführt). Die erniedrigende Behandlung müsse, um in den Anwendungsbereich von Art. 3 EMRK zu fallen, ein Mindestmaß an Schwere erreichen. Es komme weder darauf an, ob die Lebensbedingungen in Griechenland mit denen in Deutschland vergleichbar seien, noch gebe Art. 3 EMRK dem Kläger einen Anspruch auf spezielle Leistungen. Die Lebensbedingungen für international Schutzberechtigte in Griechenland seien zwar schwierig, es liege jedoch keine Versorgungsverweigerung des griechischen Staates vor. Eventuelle Defizite genügten nicht, um eine gegen Art. 3 EMRK verstoßende Situation für international Schutzberechtigte in Griechenland anzunehmen (wird umfassend ausgeführt). Dem Kläger sei es somit möglich, mit der erforderlichen Eigeninitiative zu vermeiden, dass er in einer Situation extremer materieller Not gerate, die es ihm nicht erlaube, seine elementarsten Bedürfnisse zu befriedigen. Der Vortrag des Klägers, dass er nicht nach Griechenland, sondern in Deutschland bleiben wolle, könne nicht berücksichtigt werden und lasse auch nicht auf systemische Mängel in Griechenland schließen. Er müsse sich vielmehr darauf verweisen lassen, dass durch die Schutzgewährung in Griechenland eine Schutzbedürftigkeit nicht mehr vorliege. Persönliche Referenzen seien nicht berücksichtigungsfähig. Im Rahmen des gemeinsamen europäischen Asylsystems bestehe für Asylsuchende keine Wahlmöglichkeit, mit der sie selbst entscheiden könnten, in welches europäische Land man gehe, um Schutz zu suchen. Eine Verletzung des Art. 3 EMRK läge nur vor, wenn im Falle einer Überstellung des Klägers nach Griechenland seine elementarsten Bedürfnisse nicht befriedigt werden könnten. Eine vorhandene besondere Verletzlichkeit sei durch den Kläger nachzuweisen. Nach eigenen Ausführungen des Klägers habe dieser in Griechenland Schutz erhalten und gearbeitet. Als Schutzberechtigter stehe ihm u.a. der Zugang zum Wohnungs- und Arbeitsmarkt sowie zur Sozialhilfe offen. Gegenteiliges habe der Kläger nicht nachvollziehbar darlegen können. Daneben sei nicht hinreichend dargelegt worden, dass er sich nach der Schutzgewährung erfolglos um Versorgungs- und Hilfeleistungen bemüht habe. Die Lebensumstände seien mit Blick auf den Aufenthalt nach der Schutzzuerkennung von ungefähr zwei Jahren und zehn Monaten weitestgehend ungeklärt geblieben. Es sei jedoch Aufgabe des Klägers, die Lebensumstände genauer darzulegen. Gegenwärtig sei davon auszugehen, dass der gesunde und arbeitsfähige Kläger erneut in der Lage sein werde, seinen Lebensunterhalt selbst zu organisieren. Der Vortrag, er sei wegen seiner falschen Identität schlecht behandelt worden, führe nicht zu einer Verletzung des Art. 3 EMRK. Bezüglich etwaiger Übergriffe, sei es dem Kläger zuzumuten, sich an die griechische Polizei zu wenden. Auch ein etwaiges Fehlverhalten einzelner griechischer Bürger könne nicht auf eine generelle Feindseligkeit der griechischen Bevölkerung übertragen werden. Dass dem Kläger ein Zugang zum Arbeitsmarkt offen stehe zeige sich insbesondere durch dessen Vortrag, er habe in Griechenland als Maler und in einem Hotel gearbeitet. Dadurch lasse sich ableiten, dass der Kläger in der Lage gewesen sei, eigenständig einen Arbeitsplatz in Griechenland zu finden und seinen Lebensunterhalt sicherzustellen. Im Falle der Abschiebung sei daher keine Gefahr der Verelendung ersichtlich.
7
Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK seien nicht einschlägig. Hinsichtlich der Situation, in der der Kläger im schutzgewährenden Staat leben werde, könne keine andere Wertung erfolgen, als schon zu den Voraussetzungen der Unzulässigkeit anhand der Anforderungen des EuGHs erfolgt sei.
8
Dem Kläger drohe auch keine individuelle Gefahr für Leib oder Leben, die zur Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 AufenthG führe. Der Kläger habe zwar vorgetragen, an gesundheitlichen Beschwerden zu leiden. Bis zum Entscheidungszeitpunkt seien aber keinerlei medizinischen Unterlagen vorgelegt worden. Darüber hinaus befinde sich der Kläger nach Kenntnislage des Bundesamts in keiner längerfristigen ärztlichen Behandlung. Der Kläger habe in keiner Weise darlegen können, inwiefern die angegebenen gesundheitlichen Beschwerden eine erhebliche konkrete Gefahr für ihn darstellten. Die medizinischen Beschwerden seien daher als nicht lebensbedrohlich und nicht schwerwiegend zu beurteilen. Es gebe auch keine Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger von einer medizinischen Versorgung in Griechenland grundsätzlich ausgeschlossen sei.
9
Die Abschiebungsandrohung sei nach §§ 34, 35 AsylG zu erlassen. Dem Erlass der Ausreiseaufforderung und der Abschiebungsandrohung stehe auch nicht die Rechtsprechung des EuGHs vom 15.02.2023 (C-484/22) entgegen. Der Kläger habe zu möglichen Kindeswohlbelangen bzw. familiären Bindungen in Deutschland weder etwas vorgetragen, noch sonst seien im Entscheidungszeitpunkt derartige Belange aus dem Akteninhalt ersichtlich. Ferner lägen im Zeitpunkt der Asylentscheidung keine Anhaltspunkte zum Gesundheitszustand des Klägers vor, die als inlandsbezogene Abschiebungshindernisse dem Erlass der Abschiebungsandrohung entgegenstehen würden, weil bei einer künftigen Vollstreckung der Rückkehrverpflichtung die Realisierung einer unmenschlichen Behandlung bzw. Suizidgefährdung drohen könnte. Die Ausreisefrist von einer Woche ergebe sich aus § 36 Abs. 1 AsylG.
10
Das Einreise- und Aufenthaltsverbot werde gem. § 11 Abs. 1 AufenthG angeordnet und nach § 11 Abs. 2 AufenthG auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet. Die Befristung auf 30 Monate sei im vorliegenden Fall angemessen. Die Frist beginne mit der Abschiebung. Anhaltspunkte für eine kürzere Fristsetzung aufgrund schutzwürdiger Belange seien weder vorgetragen noch anderweitig ersichtlich.
11
Mit Schriftsatz vom 21.09.2023, eingegangen beim Verwaltungsgericht Bayreuth am gleichen Tag, erhob der Bevollmächtigte des Kläger Klage gegen den Bescheid vom 08.09.2023 und beantragt,
- 1.
-
Der Bescheid der Beklagten vom 08.09.2023, zugestellt am 14.09.2023, wird aufgehoben.
- 2.
-
Die Beklagte wird verpflichtet, den Kläger
a) als Asylberechtigten anzuerkennen,
b) die Flüchtlingseigenschaft gem. § 3 AsylVfG zuzuerkennen,
c) hilfsweise: subsidiären Schutz gem. § 4 AsylVfG zu gewähren,
d) hilfshilfsweise festzustellen, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG auch nach Griechenland vorliegen.
12
Zur Begründung wird im Wesentlichen ausgeführt, die Gewährung von Schutz im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 2 AsylG in Griechenland sei qualitativ nicht zu vergleichen mit der Gewährung des gleichen Schutzes in der Bundesrepublik Deutschland. Abschiebungen nach Griechenland seien derzeit nach wie vor ausgeschlossen. Dies habe das OVG des Saarlands in fünf Fällen entschieden (U.v. 15.11.2022 – 2 A 81/22 u.a.). Nach einer Rückkehr nach Griechenland könnten die Menschen mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit elementarste Bedürfnisse nicht befriedigen. Sie seien absehbar für längere Zeit nicht in der Lage, dort ihren Lebensunterhalt eigenständig zu erwirtschaften. Mangels staatlicher oder sonstiger Hilfen bestünde nach der aktuellen Auskunftslage ein ernsthaftes Risiko, obdachlos zu werden und in eine Situation extremer materieller Not zu geraten. Dies gelte im Grundsatz unabhängig von allen sonstigen Umständen und den persönlichen Verhältnissen des Einzelfalles.
13
Mit Schriftsatz vom 25.09.2023 beantragt das Bundesamt für die Beklagte,
14
Zur Begründung bezieht sich die Beklagte auf die angefochtene Entscheidung.
15
Mit Beschluss vom 27.09.2023 (Az. B 7 S 23.30770) lehnte das Gericht einen gleichzeitig mit der Klageerhebung gestellten Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die im Bescheid enthaltene Abschiebungsandrohung ab.
16
Zur ergänzenden Klagebegründung verwies der Bevollmächtigte des Klägers mit Schriftsätzen vom 12.10.2023 bzw. 23.10.2023 auf den bereits mit der Klageschrift vom 21.09.2023 getätigten Sachvortrag, insbesondere auf die dort zitierte obergerichtliche Rechtsprechung des OVG des Saarlandes. Offensichtlich halte die Kammer nichts davon, sich mit anderweitiger, entgegenstehender Rechtsprechung anderer Verwaltungsgerichte auseinanderzusetzen. Aufgrund der Entscheidung im einstweiligen Rechtsschutzverfahren lägen divergierende Entscheidungen vor, welche zumindest eine Berufungszulassung rechtfertigten, welcher hiermit beantragt werde. Soweit das Gericht im Eilbeschluss die Frage aufgeworfen habe, es sei nicht ersichtlich, was der Kläger zwischen der Fingerabdruckabnahme in S. und der zweiten Abnahme in M. gemacht habe, erschließe sich eine derartige Frage nicht. Vielmehr werde allen Ernstes die Möglichkeit erörtert, der Kläger habe von den Ferieninseln S. oder L. zwischenzeitlich das Land verlassen können und sei (nach einem Heimataufenthalt, Urlaub?) dorthin zurückgekehrt. Wenn man schon meine, diese Frage aufwerfen zu müssen, obwohl der Kläger sich dazu nicht geäußert habe, sei es naheliegend, dies mit einer Frage an den Kläger abzuklären. Insoweit gelte der Amtsermittlungs- und Aufklärungsgrundsatz. Soweit das Gericht im Eilbeschluss darauf hingewiesen habe, dass sich der Kläger noch weit über zwei Jahre – nahezu drei Jahre – nach Zuerkennung des internationalen Schutzes und Ausstellung des daraus folgenden Aufenthaltstitels in Griechenland aufgehalten habe, ohne zu verelenden, sei dies eine Begründung, die geeignet sei, das Herz manch strammen AfD-Anhängers begeistert höherschlagen zu lassen.
17
Mit Beschluss der Kammer vom 16.10.2023 wurde der Rechtsstreit dem Berichterstatter als Einzelrichter zur Entscheidung übertragen.
18
Mit Schriftsatz vom 18.10.2023 erklärte sich die Beklagte mit einem Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden. Dem Klägerbevollmächtigten wurde mit gerichtlichem Schreiben vom 18.10.2023 mitgeteilt, dass das Gericht gem. § 77 Abs. 2 Satz 1 AsylG beabsichtigte, im schriftlichen Verfahren durch Urteil zu entscheiden. Ein Antrag auf mündliche Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht wurde daraufhin nicht gestellt.
19
Im Übrigen wird auf die Gerichts- und Behördenakte verwiesen (§ 117 Abs. 3 Satz 2 VwGO).
Entscheidungsgründe
20
Über die Klage kann das Gericht durch Urteil ohne mündliche Verhandlung im schriftlichen Verfahren entscheiden. Die Beklagte erklärte sich mit Schriftsatz vom 18.10.2023 mit einem Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden (§ 101 Abs. 2 VwGO). Der Prozessbevollmächtigte des Klägers wurde mit gerichtlichem Schreiben vom 18.10.2023 informiert, dass das Gericht gemäß § 77 Abs. 2 Satz 1 AsylG beabsichtige, über die Klage im schriftlichen Verfahren durch Urteil zu entscheiden. In diesem Zusammenhang wurde der Klägerbevollmächtigte auch auf § 77 Abs. 2 Satz 2 AsylG hingewiesen, wonach auf Antrag eines Beteiligten mündlich verhandelt werden muss (§ 77 Abs. 2 Satz 3 AsylG). Die Klägerseite hat jedoch weder bis zum Ablauf der vom Gericht gesetzten Frist (02.11.2023) noch bis zum Zeitpunkt des Urteilerlasses die mündliche Verhandlung beantragt (vgl. hierzu auch VG Gießen, U.v. 21.2.2023 – 8 K 218/22.GI.A – juris; Redeker in: Decker/Bader/Kothe, BeckOK Migrations- und Integrationsrecht, Stand 15.07.2023, § 77 AsylG Rn. 4a ff.). Im klägerischen Schriftsatz vom 23.10.2023, eingegangen bei Gericht am 02.11.2023, wurde lediglich „eine Berufungszulassung“ wegen „divergierender Entscheidungen“ aufgrund der gerichtlichen Entscheidung im Eilverfahren beantragt. Angesichts der anwaltlichen Vertretung des Klägers und der gerichtlichen Belehrung zu § 77 Abs. 2 AsylG im Schreiben vom 18.10.2023, kann ein – offensichtlich an das Erstgericht gerichteter – Berufungszulassungsantrag – unabhängig von der Tatsache, dass in Asylverfahren nur der BayVGH (nachträglich) und nicht das Erstgericht im Urteil selbst die Berufung zulassen kann (vgl. § 78 Abs. 2 AsylG) – nicht als Antrag nach § 77 Abs. 2 Satz 2 AsylG ausgelegt oder umgedeutet werden. Letztlich sind auch die weiteren Voraussetzungen des § 77 Abs. 2 Satz 1 AsylG gegeben, da es sich bei der vorliegenden Klage gegen einen „Drittstaatenbescheid“ um keinen Fall des § 38 Abs. 1 AsylG bzw. des § 73b Abs. 7 AsylG handelt und der Kläger anwaltlich vertreten ist.
21
Die Klage vom 21.09.2023 bleibt vollumfänglich erfolglos.
22
1. Die in zulässigerweise erhobene Anfechtungsklage (vgl. BVerwG, U.v. 20.5.2020 – 1 C 34/19 – juris) gegen die Ziffer 1 des Bescheids vom 08.09.2023 bleibt in der Sache ohne Erfolg.
23
Die „Unzulässigkeitsentscheidung“ ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
24
a) Gemäß § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG ist ein Asylantrag in Deutschland unzulässig, wenn ein anderer Mitgliedstaat der Europäischen Union dem Ausländer bereits internationalen Schutz im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 2 AsylG gewährt hat. Diese Voraussetzungen liegen vor. Nach Mitteilung der griechischen Behörden wurde dem Kläger am 30.03.2020 in Griechenland die Flüchtlingseigenschaft – und damit internationaler Schutz im Sinne des. § 1 Abs. 1 Nr. 2 AsylG – zuerkannt.
25
b) Die Unzulässigkeitsentscheidung nach § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG ist im Falle des Klägers auch nicht aus unionsrechtlichen Gründen ausgeschlossen.
26
Liegen die geschriebenen Voraussetzungen des § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG vor, kann eine Unzulässigkeitsentscheidung nach der Rechtsprechung des EuGHs aus Gründen des vorrangigen Unionsrechts gleichwohl ausnahmsweise ausgeschlossen sein, wenn die Lebensverhältnisse, die den Kläger als anerkannter Schutzberechtigter in dem anderen Mitgliedstaat erwarten, diesen der ernsthaften Gefahr aussetzen würden, eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne von Art. 4 GRC zu erfahren. Unter diesen Voraussetzungen ist es den Mitgliedstaaten untersagt, von der durch Art. 33 Abs. 2 Buchst. a RL 2013/32/EU eingeräumten Befugnis Gebrauch zu machen, einen Antrag auf internationalen Schutz als unzulässig abzulehnen (vgl. EuGH, B.v. 13.11.2019 – C-540.17 – juris; EuGH, U.v. 19.3.2019 – C-297-17 – juris; BVerwG, U.v. 17.6.2020 – 1 C 35/19 – juris; BayVGH, B.v. 27.9.2023 – 24 B 22.30953 – juris). Damit ist geklärt, dass Verstöße gegen Art. 4 GRC bzw. Art. 3 EMRK (vgl. SächsOVG, U.v. 15.6.2020 – 5 A 382.18 – juris) im Mitgliedstaat der anderweitigen Schutzgewährung nicht nur bei der Prüfung der Rechtmäßigkeit der Nichtfeststellung von Abschiebungsverboten bzw. einer Abschiebungsandrohung zu berücksichtigen sind, sondern bereits zur Rechtswidrigkeit der Unzulässigkeitsentscheidung führen (vgl. BVerwG, U.v. 20.5.2020 – 1 C 34/19 – juris).
27
Dem hiesigen Kläger droht jedoch nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit („ernsthafte Gefahr“, vgl. BVerwG, U.v. 17.6.2020 – 1 C 35/19 – juris) eine derartige Behandlung in Griechenland zu erfahren. Insoweit schließt sich das Gericht zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen zunächst im Wesentlichen den Gründen des angefochtenen Bescheides an (§ 77 Abs. 3 AsylG). Ergänzend ist zur Sache sowie zur Klage das Folgends auszuführen:
28
aa) Im Zusammenhang mit der Beurteilung einer ernsthaften Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung i.S.v. Art. 4 GRC kommt dem Grundsatz des gegenseitigen Vertrauens zwischen den Mitgliedstaaten grundlegende Bedeutung zu. Er verlangt von jedem Mitgliedstaat grundsätzlich, dass dieser davon ausgeht, dass alle anderen Mitgliedstaaten das Unionsrecht und insbesondere die dort anerkannten Grundrechte beachten (EuGH, U.v. 19.3.2019 – C-163/17 – juris; U.v. 19.3.2019 – C-297/17, C-318/17, C-319/17 und C-438/17 – juris). Diese Vermutung beansprucht nur dann keine Geltung, wenn systemische Schwachstellen des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in einem Mitgliedstaat ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellen, dass die betreffende Person im Zeitpunkt der Überstellung, während des Asylverfahrens oder nach dessen Abschluss einem ernsthaften Risiko ausgesetzt wäre, eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung zu erfahren (EuGH, U.v. 19.3.2019 – C-163/17 – juris; BVerwG, B.v. 27.1.2022 – 1 B 93.21 – juris). Folglich gilt im Kontext des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems die widerlegliche Vermutung, dass die Behandlung der Personen, die internationalen Schutz beantragen, in jedem einzelnen Mitgliedstaat in Einklang mit den Erfordernissen der Charta, der Genfer Flüchtlingskonvention und der Europäischen Menschenrechtskonvention steht. Systemische oder allgemeine oder bestimmte Personengruppen betreffende Schwachstellen fallen damit nach der Rechtsprechung des EuGHs nur dann unter Art. 4 GRC, wenn sie eine besonders hohe Schwelle der Erheblichkeit erreichen, die von sämtlichen Umständen des Falles abhängt und die dann erreicht wäre, wenn die Gleichgültigkeit der Behörden eines Mitgliedstaats zur Folge hätte, dass eine vollständig von öffentlicher Unterstützung abhängige Person sich unabhängig von ihrem Willen und ihren persönlichen Entscheidungen in einer Situation extremer materieller Not befände, die es ihr nicht erlaube, ihre elementarsten Bedürfnisse zu befriedigen, wie insbesondere sich zu ernähren, sich zu waschen und eine Unterkunft zu finden, und die ihre physische oder psychische Gesundheit beeinträchtige oder sie in einen Zustand der Verelendung versetze, der mit der Menschenwürde unvereinbar wäre. Diese Schwelle ist selbst in durch große Armut oder eine starke Verschlechterung der Lebensverhältnisse der betreffenden Person gekennzeichneten Situationen nicht erreicht, sofern sie nicht mit extremer materieller Not verbunden sind, aufgrund deren sich die betroffene Person in einer solch schwerwiegenden Lage befindet, dass sie einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung gleichgestellt werden kann (EuGH, U.v. 19.3.2019 – C-163/17 – juris; U.v. 19.3.2019 – C-297/17, C-318/17, C-319/17 und C-438/17 – juris; BVerwG, B.v. 27.1.2022 – 1 B 93.21 – juris; B.v. 17.1.2022 – 1 B 66.21 – juris). vgl. auch: BayVGH, B.v. 27.9.2023 – 24 B 22.30953 – juris). Bei der für Art. 4 GRC maßgeblichen Bewertung der Lebensverhältnisse, die den Kläger im Falle seiner Rückkehr erwarten, sind zunächst seine Möglichkeiten, den eigenen Lebensunterhalt durch Erwerbstätigkeit auf einem Mindestniveau zu sichern, zu berücksichtigen. Insoweit ist es den Betroffenen gegebenenfalls auch zumutbar, eine wenig attraktive und ihrer Vorbildung nicht entsprechende Arbeit auszuüben, für die es keine Nachfrage auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt gibt, die nicht überkommenen Berufsbildern entspricht und die nur zeitweise, etwa zur Deckung eines kurzfristigen Bedarfs, beispielsweise während der Touristensaison, ausgeübt werden kann (BVerwG, B.v. 17.1.2022 – 1 B 66.21 – juris). Auch reicht der Umstand, dass die betreffende Person in dem Mitgliedstaat keine existenzsichernden Leistungen erhält, ohne jedoch anders als die Angehörigen dieses Mitgliedsstaats behandelt zu werden, regelmäßig nicht für das Erreichen der Erheblichkeitsschwelle (BVerwG, B.v. 27.1.2022 – 1 B 93.21- juris). Bei der Bewertung sind ferner die staatlichen Unterstützungsleistungen und auch die – alleinigen oder ergänzenden – dauerhaften Unterstützungs- oder Hilfeleistungen von vor Ort tätigen nichtstaatlichen Institutionen und Organisationen zu berücksichtigen (BVerwG, U.v. 7.9.2021 – 1 C 3.21 – juris). Deshalb kann etwa der Umstand, dass der betreffenden Person bezogen auf die Unterkunft ein Schlafplatz in einer von Kirchen, Nichtregierungsorganisationen oder Privatpersonen gestellten Notunterkunft oder in einer staatlich geduldeten „informellen Siedlung“ zur Verfügung steht, genügen, sofern die zur Verfügung gestellten Räumlichkeiten zumindest zeitweilig Schutz vor den Unbilden des Wetters bieten und Raum für die notwendigsten Lebensbedürfnisse lassen (BVerwG, B.v. 27.1.2022 – 1 B 93.21 – juris).
29
bb) Für in Griechenland anerkannte Schutzberechtigte besteht nach der bis Herbst 2022 veröffentlichten obergerichtlichen Rechtsprechung – vorbehaltlich besonderer Umstände des Einzelfalls – grundsätzlich die ernsthafte Gefahr, dass sie im Falle ihrer Rückkehr nach Griechenland ihre elementarsten Bedürfnisse über einen absehbaren Zeitraum nicht befriedigen können und damit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne von Art. 4 GRC und Art. 3 EMRK erfahren (vgl. OVG Bautzen, U.v. 27.4.2022 – 5 A 492/21 A – juris; OVG Münster, B.v. 5.4.2022 – 11 A 314/22.A – juris; VGH Mannheim, U.v. 27.1.2022 – A 4 S 2443/21 – juris; OVG Saarland, U.v. 15.11.2022 – 2 A 81/22 – juris).
30
Allerdings fallen die zitierten Entscheidungen in eine Zeit, die davon geprägt war, dass sich die Wirtschaft coronabedingt auch in Griechenland erheblich abgeschwächt hatte, insbesondere der Tourismus-Sektor ganz wesentlich von der Pandemie und den damit einhergehenden Einschränkungen der Reise- und Urlaubsaktivitäten betroffen war und sich noch nicht erholt hatte. Inzwischen hat sich der Tourismus-Sektor in Griechenland nach dem Abklingen der Pandemie erholt und verzeichnet eine hohe Arbeitskräftenachfrage (vgl. z.B. handelsblatt.de vom 12.04.2023: Urlaub 2023 in Gefahr – Personalmangel an beliebten Reisezielen („… in Griechenland werden dieses Jahr wohl rund 80.000 Beschäftigte in der Hotellerie und Gastronomie fehlen“) oder N. Kurier vom 24.02.2023: Griechenland rechnet mit Reiserekord („… es mangelt an Personal“) und vom 13.04.2023: Griechische Hotels suchen Saisonkräfte („Tourismusboom in Griechenland … Branche kämpft mit einem großen Problem: Es fehlt an Arbeitskräften“). Es wird nicht verkannt, dass die aktuellen Brandereignisse in Griechenland freilich mit punktuellen Einschränkungen des Tourismus einhergehen. Insgesamt betrachtet erweist sich dieser Sektor jedoch gegenwärtig ausgesprochen robust (vgl. Beitrag von welt.de vom 25.08.2023 zur Situation auf Rh.: „Nur 14 Hotels haben Schäden an den Außenanlagen verzeichnet. Drei von ihnen sind noch geschlossen. Aber auch diese letzten drei Hotels planen die Wiedereröffnung bis Ende August. (…). Angesichts der schlimmen Bilder mag man es kaum glauben. Aber die Buchungslage für Rh. ist fantastisch‘, sagte der TUI-Chef ... der Fachzeitschrift fvw (…). Manche Unterkünfte haben bereits wieder mehr als 80 Prozent der Zimmer gefüllt… toller Erfolg … natürlich (…) in den vergangenen Wochen große Einnahmeeinbußen verzeichnet (…) ‚Aufbruchstimmung‘ der Menschen vor Ort“); vgl. ferner den Beitrag von t... .de vom 21.08.2023: „Boom nach Corona-Krise – Knackt Griechenland den Tourismus-Rekord?; schließlich die Beiträge der nzz.ch vom 26.07.2023 und von fr.de vom 04.08.2023). Nach einem Artikel der Freien Presse D. Sk. betrifft der Arbeitskräftemangel in Griechenland – wie die griechische Zeitung „K...“ berichte – mehrere Sektoren, so neben dem Tourismus auch die Landwirtschaft, Viehzucht und das Bauwesen, so dass das Land für den Zeitraum 2023 bis 2024 eine stattliche Zahl von 168.000 Arbeitskräften aus Drittstaaten „importieren“ werde. Im Tourismussektor fehlten etwa Köche, Küchenhilfen, Tellerwäscher, Gärtner und Hygieniker (vgl. zum Ganzen: VG Bayreuth, U.v. 5.9.2023 – B 7 K 23.30517).
31
Aus dem Jahr 2023 existiert keine (veröffentlichte) obergerichtliche Entscheidung – die unter Berücksichtigung der aktuellen Auskunftslage, insbesondere der wirtschaftlichen Entwicklungen – zu den Gefahren für anerkannt Schutzberechtigten oder zumindest für gewisse „Fallgruppen“ hinreichend Stellung bezieht. Der klägerische Verweis auf „ältere“ Rechtsprechung, insbesondere des OVG des Saarlandes aus dem November 2022, die damals (grundsätzlich) unabhängig von den Umständen und den persönlichen Verhältnissen des Einzelfalls (vgl. U.v. 15.11.2022 – 2 A 81/22 – juris Ls. 2 u. Rn. 35) bei allen in Griechenland anerkannt Schutzberechtigten eine Gefahr angenommen hat, die die Schwelle des Art. 4 GRC überschreitet und die Umstände des konkreten Einzelfalls nur rudimentär „anreißt“ (vgl. U.v. 15.11.2022 – 2 A 81/22 – juris Rn. 36), ist nach Auffassung des Gerichts nicht geeignet – jedenfalls zum maßgeblichen heutigen Zeitpunkt (vgl. § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG) – mehr oder weniger „pauschal“, die Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung zu begründen. Insoweit bedarf es jedoch vorliegend keiner grundsätzlichen Klärung dieser Frage im hiesigen Klageverfahren. Es ist nämlich – auch und gerade in der aktuellen Rechtsprechung aus dem Jahr 2023 zur Sekundärmigration aus Griechenland – anerkannt, dass trotz der allgemein schwierigen Verhältnisse in Griechenland eine Unzulässigkeitsentscheidung im konkreten Einzelfall rechtmäßig sein kann, wenn in der Person des Klägers besondere Umstände vorliegen, welche eine Verletzung von Art. 4 GRC bzw. Art. 3 EMRK als unwahrscheinlich erscheinen lassen (VG Würzburg, U.v. 19.7.2023 – W 1 K 23.30277 – juris; VG Bayreuth, B.v. 15.5.2023 – B 7 S 23.30402 – juris m.w.N.). Liegen solche besonderen Umstände vor (beispielsweise langjähriger früherer Aufenthalt im Drittstaat mit Sprachkenntnissen und dortige Erwerbstätigkeit), obliegt es nämlich dem jeweiligen Kläger im Rahmen seiner Mitwirkungspflichten konkret darzulegen, warum (auch gerade) ihm eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung droht (vgl. VG Bremen, U.v. 23.2.2023 – 5 K 14.34/22 – juris; VG Würzburg, U.v. 19.7.2023 – W 1 K 23.30277 – juris; vgl. VGH Mannheim, U.v. 22.2.2023 – A 11 S 1329/20 – juris; VG Bayreuth, B.v. 15.5.2023 – B 7 S 23.30402 – juris).
32
Beim hiesigen Klägers ist nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit zu erwarten, dass dieser in Griechenland eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung erfahren wird. Er wird prognostisch vielmehr in der Lage sein, seinen Lebensunterhalt eigenständig zu erwirtschaften, so dass ihm das ernsthafte Risiko, in eine Situation extremer materieller Not zu geraten und insbesondere keinen Zugang zu einer menschenwürdigen Unterkunft zu erhalten, sich zu ernähren und zu waschen, nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit droht. Die Situation des hiesigen Klägers zeichnet sich – unter Zugrundelegung der Ausführungen beim Bundesamt – insbesondere dadurch aus, dass er sich in der Vergangenheit bereits für längere Zeit, nämlich über fünf Jahre, in Griechenland aufgehalten hat. Der Kläger ist nach eigenen Angaben im Mai 2017 nach Griechenland eingereist, was sich auch zeitlich mit dem ersten EURODAC-Treffer aus dem Juni 2017 deckt. Mit Datum vom 14.09.2018 findet sich ein weiter EURODAC-Treffer der Kategorie 1 für den Kläger, den die griechischen Behörden im Schreiben vom 30.03.2023 als „subsequent request“, also als nachträglichen/nachfolgenden Schutzantrag werteten. Insoweit bleibt seitens des Klägers offen, was er zwischen dem ersten EURODAC-Treffer, der von einer Fingerabdrucknahme in S. herrührt, und dem zweiten Treffer, der in M. angelegt wurde, in Griechenland gemacht hat, insbesondere, ob der Antrag aus dem Jahr 2017 zunächst versehentlich nicht bearbeitet wurde, er möglicherweise „eigenmächtig“ im Land umherreiste oder möglicherweise das Land sogar temporär verlassen hat. Obwohl das Gericht schon im Eilverfahren auf einen fehlenden schlüssigen Vortrag hinsichtlich des vorstehenden Zeitraums hingewiesen ist, erfolgte – trotz gerichtlicher Fristsetzung mit der Möglichkeit zum ergänzenden Sachvortrag im Klageverfahren (vgl. gerichtliches Schreiben vom 18.10.2023) – durch den anwaltlich vertretenen Kläger insoweit keinerlei ergänzender Vortrag zur Sache. Vielmehr wurde lediglich die (fehlende) Amtsermittlungspflicht gerügt bzw. infrage gestellt (vgl. Schriftsatz vom 23.11.2023), was die klägerischen Mitwirkungspflichten im Asylverfahren verkennt (vgl. BVerwG, B.v. 29.8.2023 – 1 B 17/23 – juris Rn. 12), insbesondere, wenn in einem „Drittstaatenverfahren“ – trotz der „strengen“ Rechtsprechung des EuGHs – eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Drittstaat geltend gemacht wird. Letztlich wirkt es sich jedoch nicht entscheidungserheblich aus, ob sich der Kläger nach dem ersten EURODAC-Treffer (zunächst) dem griechischen Asylverfahren entzogen hat bzw. sein Antrag zunächst nicht bearbeitet und im Jahr 2018 ein „weiteres Verfahren“ eingeleitet wurde. Selbst wenn der Kläger temporär aus dem Asylverfahren „ausgestiegen“ oder sein Verfahren aus anderen Gründen nicht fortgeführt worden sein sollte, droht dem Kläger bei einer Rückkehr keine Art. 4 GRC widersprechende Behandlung. Im Gegenteil: Dies würde dafür zeugen, dass sich der Kläger auch außerhalb des Asylverfahrens in Griechenland hat „durchschlagen“ können, ohne dass er in eine Situation extremer materieller Not geraten ist. Im Übrigen erklärte der Kläger gegenüber dem Bundesamt, er sei ab Mai 2017 in Griechenland in einem Hotel, das zu einer Flüchtlingsunterkunft umgewandelt wurde, untergebracht gewesen. Obwohl er nach eigenen Angaben mehrfach verlegt worden sein soll, bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass er in Griechenland – jedenfalls bis zum Erhalt griechischer Papiere – keine staatlichen Unterbringungs-, Versorgungs- und Unterstützungsleistungen erhalten hat.
33
Auf den ersten Blick widersprüchlich sind die weiteren Ausführungen des Klägers, indem er gegenüber dem Bundesamt bei der Anhörung am 01.08.2023 angegeben hat, er habe im Jahr 2022 griechischen Papiere bekommen und dann die Flüchtlingsunterkunft verlassen müssen. Nach der EURODAC-Recherche des Bundesamts und den Ausführungen der griechischen Behörden ist dem Kläger nämlich bereits im März 2020 der internationale Schutz zuerkannt worden. Es dürfte daher Überwiegendes dafürsprechen, dass der Kläger insoweit nicht erst zwei Jahre später einen griechischen Aufenthaltstitel erhalten hat, zumal nach dem Schreiben der griechischen Behörden vom 30.03.2023 die griechische Aufenthaltserlaubnis infolge der Schutzzuerkennung bis zum April 2023 ausgestellt worden ist. Ferner ergibt sich auch aus der Anhörung vom 26.05.2023, dass dem Kläger bereits im Jahr 2020 ein drei Jahre gültiges Aufenthaltsdokument ausgestellt wurde. Dementsprechend dürfte sich der Kläger noch weit über zwei Jahre – nahezu drei Jahre – nach der Zuerkennung des internationalen Schutzes – und Ausstellung des daraus folgenden Aufenthaltstitels – in Griechenland aufgehalten haben, ohne in eine Situation extremer materieller Not geraten zu sein.
34
Der Kläger erklärte weiterhin, er habe nach der Zuerkennung des internationalen Schutzes in einem Hotel gelebt und gearbeitet. Daneben hat er nach eigenen Angaben in Griechenland auch als Maler gearbeitet. Für das Gericht ist nicht ersichtlich, dass er bei einer Rückkehr an derartige Verhältnisse nicht wieder anknüpfen könnte. Der Kläger besitzt für seine Verhältnisse eine solide Schulbildung. Er hat die Schule in Syrien bis zur 8. Klasse besucht und Berufserfahrung im Lebensmittelhandel gesammelt. Zudem war er früher beim Militär als Fahrer eingesetzt. Gerade Berufsfeldern wie im Hotel und Gaststättengewerbe werden nach der aktuellen Erkenntnislage auch in Griechenland händeringend Mitarbeiter gesucht (s.o.). Im Übrigen ist es dem Kläger jedenfalls zumutbar, sämtliche Hilfstätigkeiten in Griechenland zur Sicherung seines Existenzminimums anzunehmen.
35
Legt man dies zugrunde, so ergeben sich für den Kläger in Griechenland realistische Erwerbsmöglichkeiten in verschiedenen Wirtschaftssektoren, insbesondere aber im touristischen Bereich, in dem er Vorkenntnisse hat. Zudem spricht er nach eigenen Angaben auch die griechische Sprache, was die Arbeitsaufnahme erleichtert. Dass anerkannt Schutzberechtigte und Migranten diverse Kompetenzen, Wissen und Erfahrungen mitbringen, die der griechische Arbeitsmarkt dringend braucht, wird nach der Auskunftslage zunehmend auch in Griechenland realisiert. So wird von verschiedenen Projekten und Initiativen berichtet, die zur Integration in den Arbeitsmarkt beitragen sollen. Beispielsweise ist die Rede von einem eigens geschaffenen Zentrum in A... (ADAMA Centre), wo Schutzberechtigte hilfreiche Tipps rund um den griechischen Arbeitsmarkt sowie direkte Unterstützung beim Ausfüllen von Formularen, der Erstellung eines Lebenslaufs oder Übersetzungen erhalten. Damit hätten in den ersten drei Monaten des Bestehens dieses Zentrums 1.200 Ausländer für den griechischen Arbeitsmarkt fit gemacht werden können samt Zugang zum griechischen Sozialsystem. Ein Großteil der Anfragen, die das Zentrum erreicht habe, habe sich auf Jobvermittlung bezogen. Dazu sei eine Job-Matching Plattform aufgebaut worden, die private Arbeitgeber und potentielle Arbeitnehmer verlinke. Auch auf der Insel K... habe sich eine Initiative entwickelt, hier sei eine kleine Jobmesse veranstaltet worden, die in die erfolgreiche Vermittlung von Arbeitsstellen mündete, und zwar in Beschäftigungsverhältnisse, die mit einem Lohn versehen waren, der im durchschnittlichen Rahmen auf dieser Insel lag (800 bis 1400 EUR zuzüglich Trinkgeld und bezahlter Überstunden sowie kostenloser Übernachtungsmöglichkeit im Hotel oder in der Nähe des Hotels sowie Verpflegung). In diesem Kontext wird freilich auch von Herausforderungen berichtet, wie etwa Sprachbarrieren oder kulturellen Besonderheiten, die jedoch im täglichen Arbeitsablauf und mit Hilfe von Übersetzungsprogrammen schnell hätten gemeistert werden können. Als langwierig wurden einzig bestimmte administrative Schritte beschrieben. Entsprechende Projekte und Initiativen wurden ferner für weitere Inseln wie auch auf dem griechischen Festland ins Leben gerufen (vgl. zum Ganzen mit zahlreichen aktuellen Nachweisen Entscheiderbrief 05/2023: Blick zum Nachbarn/Griechenland: Erwerbsmöglichkeiten für Schutzberechtigte und Asylsuchende).
36
Für das Gericht erscheint es auch nicht beachtlich wahrscheinlich, dass der Kläger wegen der Identitätstäuschung in Griechenland bei einer Rückkehr eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung erfahren wird. Er gab insoweit an, er sei mit falschen Papieren nach Griechenland eingereist und habe sich unter falschem Namen registrieren lassen. Die griechischen Behörden hätten sich aber geweigert – trotz wiederholter Bitten – die fehlerhafte Registrierung zu ändern. Schon dieser Vortrag zeigt, dass die griechischen Behörden kein ernsthaftes Interesse haben, den Kläger wegen Identitätstäuschung unmenschlich oder erniedrigend zu behandeln. Insbesondere wäre es für die griechischen Behörden ein Leichtes gewesen, den Kläger wegen der Identitätstäuschung schon anlässlich seiner wiederholten Bitten und Vorsprachen zu bestrafen. Von daher ist für das Gericht nicht nachvollziehbar, dass der Kläger befürchtet, bei einer Rückkehr nach Griechenland ins Gefängnis zu müssen.
37
Dem Kläger droht auch nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung wegen seines gesundheitlichen Zustands. Gegenüber dem Bundesamt berichtete er von psychischen Problemen wegen der Identitätstäuschung. Deswegen soll er in Deutschland in Behandlung sein bzw. gewesen sein und Medikamente gegen Depressionen nehmen. Darüber hinaus blieb der Vortrag des Klägers insoweit jedoch völlig unsubstantiiert. Er konnte nicht einmal die Medikamente benennen, geschweige denn entsprechende ärztliche Nachweise oder weitere Details seiner medizinischen Behandlung in Deutschland vorlegen. Obwohl das Gericht bereits im Eilverfahren auf diesen Aspekt hingewiesen hat, hat der Kläger auch während des Klageverfahrens keinerlei Anstrengungen unternommen, entsprechende Nachweise vorzulegen oder seine „Krankengeschichte“ zu präzisieren. Daher ist (weiterhin) davon auszugehen, dass der Kläger an keiner lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankung leidet, die sich alsbald nach der Abschiebung wesentlich verschlechtern würde (vgl. § 60 Abs. 7 Satz 2 i.V.m. § 60 a Abs. 2c Satz 2 und 3 AufenthG sowie § 60 Abs. 7 Satz 3 und 4 AufenthG. Im Übrigen verweist das Gericht insoweit auf die zutreffenden Ausführungen im angefochtenen Bescheid.
38
In einer Gesamtschau ist unter Berücksichtigung des zumutbaren und zu erwartenden persönlichen Engagements des Klägers – unter Einbeziehung der diversen Hilfs- und Unterstützungsmöglichkeiten vor Ort (vgl. hierzu insbesondere die umfassenden Ausführungen im Bescheid vom 08.09.2023), seines langen Voraufenthaltes, seiner beruflichen Erfahrung auch in Griechenland, der Sprachkenntnisse und der Tatsache, dass er sich auch längere Zeit illegal und ohne Arbeit in der Türkei hat „durchschlagen“ können – nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit zu erwarten, dass in der konkreten Situation des Klägers bei seiner Rückkehr nach Griechenland die Schwelle des Art. 4 GrC bzw. Art. 3 EMRK erreicht wird. Der Kläger hat Griechenland offensichtlich vorwiegend wegen der besseren Lebensverhältnisse in Deutschland verlassen. Gegenüber dem Bundesamt gab er unverblümt an, sein Ziel sei von Anfang an Deutschland gewesen. Dabei verkennt das Gericht nicht, dass sich die Lage des Klägers, die ihn in Griechenland erwartet, prognostisch deutlich ungünstiger gestaltet als dies derzeit in Deutschland der Fall ist. Die Klägerseite verkennt jedoch mit ihren Ausführungen im Schriftsatz vom 21.09.2023 („Die Gewährung von Schutz im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 2 AsylG in Griechenland ist qualitativ nicht zu vergleichen mit der Gewährung des gleichen Schutzes in der Bundesrepublik Deutschland“), die oben dargelegten Maßstäbe, die (ausnahmsweise) zur Unionsrechtswidrigkeit der nationalen Unzulässigkeitsentscheidung nach § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG führen. Bei Anlegung der durch den Europäischen Gerichtshof herausgearbeiteten strengen Maßstäbe – Unzulässigkeit der Rückführung erst für den Fall, dass der Ausländer in „extreme materielle Not“ gerät, nicht bereits bei (großer) Armut – kann jedoch die Unzulässigkeitsentscheidung des Bundesamts rechtlich nicht beanstandet werden. Insoweit liegt der „Kommentar“ der Klägerseite im Schriftsatz vom 23.10.2023 zur vom Gericht im Eilbeschluss – nicht angenommen – „Verelendung“ des Klägers neben der Sache. Der Bezugspunkt bzw. die Wortwahl des Gerichts entspricht der EuGH-Rechtsprechung (vgl. beispielsweise U.v. 19.3.2019 – C-163/17 – juris Rn. 92) und ist daher mitnichten so zu interpretieren, dass die gerichtlichen Ausführungen geeignet sind, „das Herz manch strammen AfD-Anhängers begeistert höherschlagen zu lassen.“
39
2. Soweit der – anwaltlich vertretene – Kläger mit den Nummern 2a), b) und c) der Klageanträge vom 21.09.2023 Verpflichtungsanträge auf Anerkennung als Asylberechtigter bzw. auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, hilfsweise auf Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus gestellt hat, ist die Klage bereits unzulässig. Geht es – wie vorliegend – um die Aufhebung einer Unzulässigkeitsentscheidung des Bundesamts nach § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG, ist die (isolierte) Anfechtungsklage die allein statthafte Klageart gegen den Bescheid des Bundesamts vom 08.09.2023. Eine Verpflichtung der Gerichte zum sog. „Durchentscheiden“ besteht nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung im Falle der Ablehnung eines Asylantrags als unzulässig gerade nicht (BVerwG, U.v. 14.12.2016 – 1 C 4/16 – juris; BVerwG, U.v. 20.5.2020 – 1 C 34/19 – juris; VG Ansbach, U.v. 21.1.2021 – AN 17 K 18.50426 – juris). Nach einer gerichtlichen Aufhebung einer Unzulässigkeitsentscheidung ist das Bundesamt nämlich automatisch zur Fortführung des Asylverfahrens verpflichtet. Dies führt zur weiteren/erneuten Prüfung des Asylantrags durch die Beklagte und damit zum erstrebten Rechtsschutzziel, denn damit wird das Verwaltungsverfahren in den Stand zurückversetzt, in dem es sich vor Erlass der streitgegenständlichen Regelungen befunden hat (vgl. BVerwG, U.v. 20.5.2020 – 1 C 34/19 – juris VG Ansbach, U.v. 25.5.2020 – AN 17 K 18.50729 – juris).
40
Soweit der Kläger jedoch die Nichtfeststellung von Abschiebungsverboten unter Ziffer 2 des Bescheids für fehlerhaft erachtet und in Bezug auf den Abschiebezielstaat Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 oder 7 AufenthG sieht, hat er die Anfechtungsklage gegen die Unzulässigkeitsentscheidung mit einem hilfsweisen Verpflichtungsbegehren auf Feststellung nationalen Abschiebungsschutzes zu verbinden (BVerwG, B.v. 3.4.2017 – 1 C 9/16 – juris; Berlit, Anmerkung zum B.v. 3.4.2017 – 1 C 9/16 vom 10.7.2017, jurisPR-BVerwG, 114/2017, Anm. 1 – juris). Für eine unbedingt beantragte klageweise Verpflichtung der Beklagten auf Feststellung von Abschiebungsverboten fehlt dem Kläger hingegen das Rechtsschutzbedürfnis. Zwar ist wegen der Regelung des § 31 Abs. 3 Satz 1 AsylG das Bundesamt auch in den Fällen zur Entscheidung über das Bestehen von Abschiebungsverboten verpflichtet, in welchen es den Asylantrag (hier nach § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG) für unzulässig erachtet. Aufgrund der gesetzlichen Systematik des § 31 Abs. 3 Satz 1 AsylG kann die Verpflichtung der Beklagten zur Feststellung eines Abschiebungsverbots aber nur für den Fall begehrt werden, dass der Bescheid in Ziffer 1 aufrechterhalten bleibt, also als Hilfsantrag. Denn im Falle der Aufhebung der Unzulässigkeitsentscheidung wird auch eine Feststellung, wonach Abschiebungsverbote nicht vorliegen kassiert (BVerwG, B.v. 3.4.2017 – 1 C 9/16 – juris; BVerwG, U.v. 1.6.2017- 1 C 9/17 – juris; vgl. auch VG Ansbach U.v. 6.9.2017 – AN 3 K 17.51126 – juris). Vorliegend wurde aber die Verpflichtung der Beklagten auf Feststellung von Abschiebungsverboten nicht (hilfsweise) für den Fall der erfolglosen Anfechtung der Unzulässigkeitsentscheidung (Ziffer 1 des Bescheides) beantragt, sondern unter Nr. 2d) der Klageanträge als „Hilfshilfsantrag“ im Falle einer (erfolglosen) Klage gegen die unter Nummern 2a) – c) beantragten Schutzgewährungen.
41
Letztlich bedarf es hinsichtlich der begehrten Feststellung zielstaatsbezogener Abschiebungsverbote jedoch keiner tiefergehenden Ausführungen. Selbst, wenn man davon ausgeht, dass das Begehren auf (hilfsweiser) Verpflichtung der Beklagten, Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG festzustellen, in prozessual zulässigerweise zum Klagegegenstand gemacht wurde, hat der Kläger jedenfalls in der Sache keinen Anspruch auf Feststellung zielstaatsbezogener Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG.
42
Die Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 AufenthG liegen nicht vor. Hiernach darf ein Ausländer nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der EMRK ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist. Der rechtliche Maßstab für eine Verletzung des hier allein in Betracht kommenden Art. 3 EMRK ist im Rahmen des § 60 Abs. 5 AufenthG identisch mit dem oben unter 1. dargelegten Maßstab im Rahmen der Unzulässigkeitsentscheidung (vgl. BVerwG, U.v. 4.7.2019 – 1 C 45/18 – juris; BVerwG, U.v. 21.04.2022 – 1 C 10/21 – juris; SächsOVG, U.v. 15.6.2020 – 5 A 382.18 – juris). Wie ausgeführt, droht dem Kläger bei einer Rückkehr nach Griechenland jedoch keine gegen Art. 3 EMRK verstoßende Behandlung.
43
Ein nationales Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG ist ebenfalls nicht festzustellen. Individuelle Gefahren für Leib, Leben oder Freiheit im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG, insbesondere lebensbedrohliche oder schwerwiegende Erkrankungen, die sich alsbald nach der Abschiebung wesentlich verschlechtern würden (vgl. § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG), sind nicht annähernd glaubhaft gemacht worden. Insoweit wird ebenfalls auf die vorstehenden Ausführungen unter 1. verwiesen.
44
3. Die nach Maßgabe des § 35 AsylG erlassene Abschiebungsandrohung (Ziffer 3 des Bescheids) ist rechtlich nicht zu beanstanden. Die gesetzte Ausreisefrist von einer Woche entspricht der Regelung in § 36 Abs. 1 AsylG.
45
4. Die zulässige Anfechtungsklage (vgl. VG Karlsruhe, U.v. 22. 8.2019 – A 19 K 1718/17 – juris; BVerwG, U.v.7.9.2021 – 1 C 47/20 – juris) gegen die Ziffer 4 des Bescheids, mit der ein Einreise- und Aufenthaltsverbot angeordnet und auf 30 Monate ab den Tag der Abschiebung befristet wurde, bleibt ebenfalls ohne Erfolg. Anhaltspunkte für eine etwaige Rechtswidrigkeit sind weder vorgetragen, noch anderweitig ersichtlich.
46
Die K...tenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 83b AsylG. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.