Titel:
Auslegung des Antragsbegehrens
Normenketten:
VwGO § 80 Abs. 5
VwGO § 123
Schlagwort:
Auslegung des Antragsbegehrens
Fundstelle:
BeckRS 2023, 42210
Tenor
1. Der Antrag wird abgelehnt.
2. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Der Streitwert wird auf 16,77 EUR festgesetzt.
Gründe
1
Der Antragsteller wendet sich mit seinem Eilantrag gegen den Hundesteuerbescheid der Beklagten vom 20. Dezember 2022 in der Fassung vom 25. Januar 2023 i.H.v. 67,08 EUR.
2
Der Antragsteller war am 1. August 2022 von G… nach W… umgezogen. Ab 1. Dezember 2022 meldete sich der Antragsteller beim Einwohnermeldeamt der Antragsgegnerin ab und verlegte am gleichen Tag seinen Hauptwohnsitz nach …bach. Die Antragsgegnerin wurde mit E-Mail vom 8. Dezember 2022 von der Stadt G… über den Umzug des Antragstellers nach W… informiert. Es wurde mitgeteilt, dass die Steuerveranlagung für die beiden Hunde des Antragstellers in G… von Amts wegen zum 31. Juli 2022 beendet worden sei. Die Antragsgegnerin forderte den Antragsteller am gleichen Tag auf, über die Hundehaltung in W… Auskunft zu geben. Der Antragsteller meldete über die Homepage der Antragsgegnerin seine beiden Hunde am 12. Dezember 2022, 10:32 Uhr, mit Haltungsbeginn am 1. August 2022, zur Hundsteuerveranlagung an. Am gleichen Tag, 10:37 Uhr, meldete der Antragsteller seine Hunde zum 30. November 2022 wieder ab. Er teilte mit, er habe beide Hunde ab 1. Dezember 2022 in …bach angemeldet.
3
Die Antragstellerin setzte mit Bescheid vom 20. Dezember 2022 für den Zeitraum vom 1. August 2022 bis 30. November 2022 eine Hundesteuer i.H.v. 68,08 EUR fest. Dabei wurden für den ersten Hund 60.- EUR, für den zweiten Hund 80.- EUR angesetzt. Die im Jahr 2022 in G… bezahlte Steuer für den zweiten Hund i.H.v. 72,92 EUR wurde auf den Steuersatz des zweiten Hundes angerechnet. Der Bescheid war mit einer Rechtsbehelfsbelehrungversehen, in dieser war der Hinweis enthalten, dass die Einlegung eines Rechtsbehelfs per einfacher E-Mail nicht zugelassen ist und keine rechtlichen Wirkungen entfaltet. Der Bescheid wurde mit der Post versandt.
4
Der Antragsteller legte am 22. Januar 2023 mit einfacher E-Mail Widerspruch ein. Er trug u.a. vor, er habe den Bescheid am 27. Dezember 2023 erhalten. Die Antragsgegnerin teilte dem Antragsteller mit E-Mail vom 25. Januar 2023 mit, die E-Mail könne nicht als formeller Widerspruch anerkannt werden. Mit Bescheid vom 25. Januar 2023 korrigierte die Antragsgegnerin den Betrag der Hundesteuer auf 67,08 EUR und übersandte diesen ebenfalls mit der Post.
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Der Antrag des Antragstellers auf Ermäßigung der Hundesteuer vom 30. Januar 2023 wurde mit Schreiben der Antragsgegnerin vom 17. Februar 2023 abgelehnt.
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Die Antragsgegnerin übersandte dem Antragsteller am 12. Mai 2023 an seine neue Adresse …, …berg eine Mahnung vom 30. März 2023 über 73,58 EUR (Hundesteuer für den ersten und den zweiten Hund zzgl. 1,50 EUR Säumniszuschläge und 5.- EUR Mahngebühren). Am 13. Juni 2023 wurde die Ankündigung der Zwangsvollstreckung an die Adresse des Antragstellers in …berg versandt, am 18. September 2023 erfolgte der Vollstreckungsauftrag an den Gerichtsvollzieher. Das vollstreckbare Ausstandsverzeichnis weist einen Betrag i.H.v. 74,58 EUR aus.
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Der Antragsteller erhob mit Schriftsatz vom 10. Oktober 2023 beim Bayerischen Verwaltungsgericht Regensburg einen Eilantrag gegen die Antragsgegnerin wegen Verletzung des Widerspruchsrechts und der Ablehnung des Gerichtswegs wegen Hundesteuer 2022. Er stellte keinen Antrag.
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Zur Begründung wurde vorgetragen, der Antragsteller habe sich nur vom 1. August 2022 bis 31. Oktober 2022 im Gemeindegebiet der Antragsgegnerin aufgehalten. Ab 7. November 2022 habe er bei Bekannten gelebt, seine Hunde seien in dieser Zeit bei seinem Sohn zur Pflege untergebracht gewesen. Die Hundesteuer sei für den Rest des Jahres in W … berechnet worden, dazu noch falsch. Der Antragsteller habe gegen den Bescheid Widerspruch eingelegt. Dieser sei nicht bearbeitet worden. Der Antragsteller wolle geklärt haben, ob die Antragsgegnerin deshalb willkürlich gehandelt habe und ob er die Forderungen der Antragsgegnerin zahlen müsse.
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Mit Beschluss des Verwaltungsgerichts Regensburg (RO 11 E 23.1857) vom 6. November 2023 erklärte sich dieses für örtlich nicht zuständig und verwies den Rechtsstreit an das Verwaltungsgericht Bayreuth.
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Mit gerichtlichem Schreiben vom 14. November 2023 wurde der Antragsteller aufgefordert, spätestens bis 20. November 2023 klarzustellen, was konkret das Ziel seines Eilantrags sei und einen hinreichend bestimmten Antrag zu stellen. Eine Äußerung ist nicht eingegangen.
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Die Antragsgegnerin legte die Akten vor und beantragte mit Schriftsatz vom 28. November 2023, den Antrag abzuweisen.
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Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird entsprechend § 117 Abs. 3 Satz 2 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) auf die Behörden- und die Gerichtsakte Bezug genommen.
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1. Der „Eilantrag“ des Antragstellers ist bei sachdienlicher Auslegung (§ 122 Abs. 1, § 88 VwGO), die von Amts wegen vorzunehmen ist, als Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung einer Klage gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 20. Dezember 2022 in der Fassung vom 25. Januar 2023 zu verstehen.
14
Das Antrags- bzw. Klagebegehren ergibt sich aus dem gesamten Vortrag des Antragstellers bzw. Klägers, insbesondere aus der Antrags- bzw. Klagebegründung (Wöckel in Eyermann, VwGO, 16. Auflage 2022, § 88 Rn. 8). Der Antragsteller ist anwaltlich nicht vertreten. Der Aufforderung des Gerichts, das Ziel seines Eilantrags konkret klarzustellen, kam der Antragsteller nicht nach. Mit Schriftsatz vom 10. Oktober 2023 trägt er vor, er wolle geklärt haben, ob er die Forderungen der Antragsgegnerin bezahlen muss. Daraus lässt sich entnehmen, dass er sich gegen die mit Bescheid vom 20. Dezember 2022 in der Fassung vom 25. Januar 2023 festgesetzte Hundesteuer wendet und die Überprüfung der festgesetzten Hundesteuer begehrt.
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2. Der so verstandene Antrag ist zwar statthaft, dem Antrag fehlt jedoch das Rechtsschutzbedürfnis, so dass er ohne Erfolg bleibt. Der Bescheid der Antragsgegnerin vom 20. Dezember 2022 in der Fassung vom 25. Januar 2023 ist bereits bestandskräftig geworden.
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a. Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung einer Klage gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 1 VwGO bezüglich des Hundesteuerbescheids ist statthaft. Das Begehren des Antragstellers, den Bescheid vom 20. Dezember 2022 in der Fassung vom 25. Januar 2023 aufzuheben, würde er in der Hauptsache mit einer Anfechtungsklage gemäß § 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO erreichen. Gemäß § 123 Abs. 5 VwGO richtet sich der Antrag im einstweiligen Rechtsschutz insoweit nach § 80 Abs. 5 VwGO. Nach § 80 Abs. 1 VwGO haben Widerspruch und Anfechtungsklage grundsätzlich aufschiebende Wirkung. Diese entfällt jedoch unter anderem bei öffentlichen Abgaben und Kosten, § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO. Die Hundesteuer, die mit Bescheid der Antragsgegnerin vom 20. Dezember 2022 in der Fassung vom 25. Januar 2023 festgesetzt wurde, ist gemäß Art. 3 des Bayerischen Kommunalabgabengesetzes (KAG) eine öffentliche Abgabe. Der erhobene Rechtsbehelf, der Antrag gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 1 VwGO, kann damit zu dem vom Antragsteller beabsichtigten Rechtsschutzziel führen.
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b. Dem Antragsteller fehlt jedoch hinsichtlich des Antrags nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 1 VwGO das Rechtsschutzbedürfnis, weshalb der Antrag unzulässig ist. Der Bescheid der Antragsgegnerin vom 20. Dezember 2022 in der Fassung vom 25. Januar 2023 ist bestandskräftig.
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Das Rechtsschutzbedürfnis im einstweiligen Rechtsschutz fehlt grundsätzlich, wenn der Bescheid unanfechtbar ist (vgl. dazu auch VG München, B.v. 15.11.2004 – M 6b S 04.4649 – BeckRS 2004, 31597, Rn. 14 ff). Dies ist hier der Fall. Gemäß Art. 12 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 des Gesetzes zur Ausführung der Verwaltungsgerichtsordnung (AGVwGO) konnte der Antragsteller gegen den Bescheid, in dem gemäß Art. 3 KAG die Hundesteuer festgesetzt wurde, entweder Widerspruch einlegen oder unmittelbar Klage erheben. Gemäß § 70 Abs. 1 Satz 1 VwGO ist der Widerspruch bzw. gemäß § 74 Abs. 1 Satz 2 VwGO ist die Anfechtungsklage innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des Verwaltungsaktes zu erheben. Der Antragsteller hat gegen den Bescheid vom 20. Dezember 2022 in der Fassung vom 25. Januar 2023, der mit einer ordnungsgemäßen Rechtsbehelfsbelehrungversehen war, weder fristgerecht Widerspruch noch Anfechtungsklage erhoben.
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Die Bekanntgabe eines Verwaltungsaktes ist in Art. 41 des Bayerischen Verwaltungsverfahrensgesetzes (BayVwVfG) geregelt. Art. 41 BayVwVfG geht dabei von dem Grundfall der Übermittlung des Verwaltungsaktes durch einfachen Brief aus. Ein schriftlicher Verwaltungsakt, der im Inland durch die Post übermittelt wird, gilt gemäß Art. 41 Abs. 2 Satz 1 BayVwVfG am dritten Tag nach der Aufgabe zur Post als bekannt gegeben. Dies gilt nicht, wenn der Verwaltungsakt nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen ist; im Zweifel hat die Behörde den Zugang des Verwaltungsaktes und den Zeitpunkt des Zugangs nachzuweisen. Sofern eine Zustellung erfolgt, bleiben gemäß Art. 41 Abs. 5 BayVwVfG die Vorschriften über die Bekanntgabe eines Verwaltungsaktes mittels Zustellung unberührt. Der Bescheid wurde nach dem Vortrag der Antragsgegnerin im Schriftsatz vom 28. November 2023 gemäß Art. 41 Abs. 2 Satz 1 BayVwVfG mit einfachem Brief bekanntgegeben. Anhand der Behördenakte lässt sich nicht feststellen, wann der Bescheid vom 20. Dezember 2022 bei der Post aufgegeben wurde. Ein entsprechender Aktenvermerk ist nicht vorhanden. Jedoch hat der Antragsteller in seiner E-Mail an die Antragsgegnerin vom 21. Januar 2023 selber vorgetragen, dass er den Hundesteuerbescheid vom 20. Dezember 2022 am 27. Dezember 2022 erhalten hat. Der Bescheid ist damit dem Antragsteller am 27. Dezember 2022 zugegangen. Die Widerspruchs- bzw. die Klagefrist begann gemäß § 57 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 222 Abs. 1 ZPO i.V.m. § 187 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) am 28. Dezember 2022 um 00.00 Uhr und endete gemäß § 57 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 222 Abs. 1 ZPO i.V.m. § 188 Abs. 2 BGB am 27. Januar 2023 um 24.00 Uhr. Der Antragsteller hat nicht innerhalb der Widerspruchsfrist von einem Monat nach Bekanntgabe (Art. 41 Abs. 2 BayVwVfG i.V.m. § 70 Abs. 1 VwGO) in rechtswirksamer Weise Widerspruch eingelegt. Die einfache E-Mail des Antragstellers vom 21. Januar 2023, bei der Antragsgegnerin eingegangen am 22. Januar 2023, ohne qualifizierte elektronische Signatur wahrt das Schriftformerfordernis gemäß § 70 Abs. 1 VwGO nicht (BVerwG, U.v. 7.12.2016 – 6 C 12.15 -NVwZ 2017, 967 Rn. 22; HessVGH, B.v. 3.11.2005 – 1 TG 1668/05 – NVwZ-RR 2006, 377,378). Der Bescheid vom 20. Dezember 2022 ist bestandskräftig. Es kann vorliegend dahinstehen, ob der Änderungsbescheid vom 25. Januar 2023 dem Antragsteller wirksam bekannt gegeben wurde. Mit dem Bescheid vom 25. Januar 2023 wurde die mit Bescheid vom 20. Dezember 2022 festgesetzte Hundesteuer ermäßigt, der Bescheid begünstigt insoweit den Antragsteller und belastet ihn nicht.
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3. Soweit der „Eilantrag“ des Antragstellers als Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung auszulegen sein könnte, ist dieser – unabhängig von seinem konkreten Ziel – unzulässig und in jedem Fall unbegründet.
21
Gemäß § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann das Gericht auf Antrag, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (Sicherungsanordnung). Gemäß § 123 Abs. 1 S. 2 VwGO sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint (Regelungsanordnung).
22
Nach § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. §§ 920 Abs. 2, 294 ZPO sind dabei die tatsächlichen Voraussetzungen des geltend gemachten Anspruchs (Anordnungsanspruch) in gleicher Weise glaubhaft zu machen wie die Gründe, welche die Eilbedürftigkeit der gerichtlichen Entscheidung bedingen (Anordnungsgrund).
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Der Antragsteller hat vorliegend weder einen Anordnungsanspruch noch einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht.
24
4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, wonach der unterliegende Teil die Kosten des Verfahrens zu tragen hat.
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5. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 2 und § 52 Abs. 3 Satz 1 des Gerichtskostenkostengesetzes i.V.m. Nr. 1.5. des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 (NVwZ-Beilage 2013, 57).