Inhalt

VG Bayreuth, Gerichtsbescheid v. 21.08.2023 – B 10 K 21.409
Titel:

Widerruf der Erlaubnis als Versicherungsvertreter, Berufshaftpflichtversicherung

Normenketten:
BayVwVfG Art. 49 Abs. 2 S. 1 Nr. 3
GewO § 34d Abs. 5 S. 1 Nr. 3
BayVwVfG Art. 52
Gebührenordnung der IHK ... § 3 Abs. 6 IHKG i. V. m. § 1 Abs. 1
Leitsatz:
Bei dem Nachweis einer Berufshaftpflichtversicherung handelt es sich um eine zwingende Erlaubnisvoraussetzung, ohne die die Erlaubnis zur Ausübung des Gewerbes des Versicherungsvertreters zu versagen ist bzw. ohne deren Vorliegen eine Erlaubnis gemäß Art. 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BayVwVfG zu entziehen ist. (Leitsatz der Redaktion) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Widerruf der Erlaubnis als Versicherungsvertreter, Berufshaftpflichtversicherung
Fundstellen:
FDVersR 2024, 942203
BeckRS 2023, 42203

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

1
Der Kläger wendet sich gegen den Widerruf seiner Erlaubnis als Versicherungsvertreter durch den Bescheid der Beklagten vom 08.03.2021.
2
Auf Antrag des Klägers vom 15.11.2007 erteilte die Beklagte, die Industrie- und Handelskammer für …, dem Kläger mit Bescheid vom 13.12.2007 die Erlaubnis nach § 34d Abs. 1 Gewerbeordnung (GewO), als Versicherungsvertreter gewerbsmäßig tätig zu werden. Zum Nachweis der erforderlichen Berufshaftpflichtversicherung hatte der Kläger eine Bestätigung der … Versicherung vom 23.03.2007 über das Bestehen einer Berufshaftpflichtversicherung gemäß § 34d Abs. 5 Satz 1 Nr. 3 GewO i.V.m. §§ 8 ff. Versicherungsvermittlungsverordnung (VersVermV in der bis zum 19.12.2018 gültigen Fassung) vorgelegt.
3
Mit Schreiben vom 09.02.2021, bei der Beklagten eingegangen am 11.02.2021, teilte die … Versicherung mit, dass die Berufshaftpflichtversicherung für den Kläger mit Wirkung zum 09.02.2021 geendet habe. Versicherungsschutz habe bereits seit dem 10.12.2020 nicht mehr bestanden.
4
Mit Schreiben der Beklagten vom 11.02.2021 wurde der Kläger auf diesen Umstand hingewiesen und unter Fristsetzung bis zum 01.03.2021 aufgefordert, einen neuen, den Vorgaben des § 34d Abs. 5 S. 1 Nr. 3 GewO i.V.m. §§ 11 ff VersVermG (seit 20.12.2018 geltende Fassung) entsprechenden, Versicherungsnachweis oder eine gleichwertige Garantie vorzulegen oder auf die bestehende Erlaubnis zu verzichten, sollte er die Tätigkeit als Versicherungsvermittler nicht mehr ausüben. Der Kläger wurde zugleich davon in Kenntnis gesetzt, dass bei Nichtvorlage eines entsprechenden Nachweises der Widerruf der Erlaubnis und die Löschung aus dem Versicherungsvermittlerregister beabsichtigt würden. Gleichzeitig wurde ihm Gelegenheit gegeben, bis zum 01.03.2021 zu dem beabsichtigten Widerruf der Erlaubnis Stellung zu nehmen. Die Frist ließ der Kläger ohne Reaktion verstreichen.
5
Mit Schreiben vom 01.03.2021 wurde der Kläger nochmals unter Fristsetzung bis zum 08.03.2021 aufgefordert, einen neuen Versicherungsnachweis zu erbringen bzw. eine Verzichtserklärung auf die Erlaubnis abzugeben. Auch hierauf reagierte der Kläger nicht.
6
Eine telefonische Rückfrage bei dem Versicherungsunternehmen vom 08.03.2021 ergab, dass keine Zahlungen eingegangen seien und auch kein neuer Versicherungsschutz für die Tätigkeit des Klägers nach § 34d GewO bestehe.
7
Mit Bescheid vom 08.03.2021, zugestellt mittels Postzustellungsurkunde am 10.03.2021, widerrief die Beklagte die Gewerbeerlaubnis des Klägers vom 13.12.2007 (Ziffer 1 des Bescheids) und forderte die Aushändigung der Erlaubnisurkunde vom 13.12.2007 als Versicherungsvertreter im Original (Ziffer 2 des Bescheids). Ziffer 1 und Ziffer 2 des Bescheids wurden für sofort vollziehbar erklärt (Ziffer 3 des Bescheids). Dem Kläger wurden die Kosten des Verfahrens auferlegt (Ziffer 4 des Bescheids). Die Beklagte setzte zudem eine Gebühr von 121,00 € fest (Ziffer 5 des Bescheids).
8
Gegen den Bescheid vom 08.03.2021 hat der Kläger am 06.04.2021, bei Gericht am 08.04.2021 eingegangen, Klage erhoben.
9
Er hat beantragt,
„Anfechtungsklage gegen den Bescheid vom 08.03.2021“.
10
Der Kläger ist der Auffassung, die Beklagte könne die Erlaubnis nach § 34d Abs. 1 GewO nicht widerrufen, da sie die Erlaubnis für den Kläger auch nicht erteilt habe. Er behauptet, ein Original der Erlaubnis liege ihm nicht vor. Zudem sei er auch nicht mehr als Versicherungsvermittler tätig.
11
Die Beklagte beantragte mit Schreiben vom 07.05.2021:
Die Klage des Klägers vom 6.4.2021 auf Aufhebung des Bescheids vom 08.03.2021 mit dem Aktenzeichen … wird abgewiesen.
12
Zur Begründung führt die Beklagte aus, der Widerruf der zunächst rechtmäßig erteilten Erlaubnis beruhe auf Art. 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Bayerisches Verwaltungsverfahrensgesetz (BayVwVfG) i.V.m. § 34d Abs. 5 S. 2 GewO, da einer der dort abschließend genannten Widerrufsgründe vorliege. Der Kläger habe nach dem Ende seiner bisherigen Berufshaftpflichtversicherungen und des daher nicht mehr bestehenden Versicherungsschutzes trotz mehrfacher Aufforderung keinen neuen Versicherungsnachweis erbracht und auch keine Verzichtserklärung eingereicht. Es sei irrelevant, dass der Kläger behaupte, seit längerem nicht mehr als Vertreter im Versicherungsbereich tätig zu sein, da die Ausübung der Tätigkeit mit der Eintragung im Vermittlerregister angezeigt werde und eine Löschung erst bei Aufgabe bzw. Entfallen der Erlaubnis erfolge und nicht bereits mit bloßer Einstellung der Tätigkeit. Ohne den Widerruf sei auch das öffentliche Interesse gefährdet, da im Fall einer haftungsauslösenden Pflichtverletzung durch den Erlaubnisinhaber im Rahmen seiner Vermittlertätigkeit bei Fehlen einer Berufshaftpflichtversicherung bzw. einer gleichwertigen Garantie eine erhebliche Gefahr für das Vermögen geschädigter Kunden entstehe. Insoweit sei der Widerruf daher insgesamt auch verhältnismäßig.
13
Auch der Gebührenbescheid sei rechtmäßig. Die Beklagte sei berechtigt gewesen, diesen gem. § 3 Abs. 6 Industrie- und Handelskammergesetz (IHKG) i.V.m. § 1 Abs. 1 der Gebührenordnung und dem Gebührentarif (Anlage zur Gebührenordnung) Ziffer 2.4. lit. a) zu erlassen.
14
Mit Schreiben vom 24.01.2023 stimmte die Beklagte einer Entscheidung durch Gerichtsbescheid zu. Der Kläger wurde mit Schreiben vom 27.01.2023 zu einer Entscheidung durch Gerichtbescheid angehört.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Behördenakte verwiesen.

Entscheidungsgründe

16
Die Entscheidung konnte durch Gerichtsbescheid ohne mündliche Verhandlung gemäß § 84 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) ergehen, da die Sache keine besondere Schwierigkeit tatsächlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist. Dem Kläger wurde unter Fristsetzung gem. § 84 Abs. 1 S. 2 VwGO die Möglichkeit zur Stellungnahme gegeben.
17
Bei verständiger Würdigung des Klagebegehrens nach § 88 VwGO ist davon auszugehen, dass der Kläger im vorliegenden Verfahren die Aufhebung des Bescheids vom 08.03.2021 in seinen Ziffern 1, 2, 4 und 5 begehrt und sich nicht gegen die Anordnung der sofortigen Vollziehung in den Ziffern 1 und 2 durch die Ziffer 3 des Bescheids richtet. Der Kläger bezieht sich in seiner Klageschrift vom 08.04.2021 auf den Widerruf der Erlaubnis gemäß Art. 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BayVwVfG. Er betitelt seine Klage auch als Anfechtungsklage, durch die gemäß § 42 Abs. 1 1. Alt. VwGO die Aufhebung eines Verwaltungsakts gemäß Art. 35 Satz 1 BayVwVfG erfolgen kann. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung ist jedoch kein Verwaltungsakt (Hoppe in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 80 Rn. 41, 42). Zugunsten des Klägers ist daher davon auszugehen, dass er nicht gegen Ziffer 3 des Bescheids vorgehen möchte, gegen die die Anfechtungsklage nicht statthaft wäre.
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Die zulässige, insbesondere fristgerecht erhobene Anfechtungsklage gemäß § 42 Abs. 1 1. Alt. VwGO ist jedoch unbegründet. Der streitgegenständliche Bescheid der Beklagten vom 08.03.2021 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO.
19
1. Rechtsgrundlage für den Widerruf der mit Bescheid vom 13.12.2007 erteilten Erlaubnis zur Tätigkeit als Versicherungsvermittler nach § 34d GewO (Ziffer 1 des Bescheids) ist Art. 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BayVwVfG i.V.m. § 34d Abs. 5 Satz 1 Nr. 3 GewO.
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a) Der Widerruf ist formell rechtmäßig. Die Beklagte ist insbesondere die für die Erteilung der Erlaubnis gemäß § 34d Abs. 1 GewO, Art. 3 Abs. 1 Nr. 2 BayVwVfG i.V.m. dem vom Bayerischen Staatsministerium für Wirtschaft, Infrastruktur, Verkehr und Technologie (jetzt Bayerisches Staatsministerium für Wirtschaft, Landesentwicklung und Energie) genehmigten Beschluss der Vollversammlung der Industrie- und Handelskammer (IHK) … vom 08.03.2007 zur Übernahme der IHK-Aufgaben bei der Berufszulassung und Registrierung von Versicherungsberatern und -vermittlern entsprechend dem Aufgabenübertragungsvertrag der IHK für … und der IHK … sachlich und örtlich zuständige Behörde. Ohne dass dies im Gesetz gesondert angesprochen würde, sind die IHKs auch für den Erlass von Verwaltungsakten zuständig, die als actus contrarius zur Erlaubniserteilung angesehen werden können, namentlich die Rücknahme und den Widerruf der Erlaubnis (vgl. Will in BeckOK: GewO, 58. Aufl. 1.6.2022, § 34d Rn. 138).
21
Die nach Art. 28 Abs. 1 BayVwVfG erforderliche Anhörung ist durch Schreiben vom 11.02.2021 erfolgt.
22
b) Der Widerruf der Erlaubnis ist auch materiell rechtmäßig.
23
aa) Die Widerrufsvoraussetzungen des Art. 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BayVwVfG, dass die Beklagte aufgrund nachträglich eingetretener Tatsachen gemäß § 34d Abs. 5 Satz 1 Nr. 3 GewO berechtigt wäre, dem Kläger die Erlaubnis nach § 34d Abs. 1 GewO zu versagen, liegen vor. Nach § 34d Abs. 5 Satz 1 Nr. 3 GewO ist die Erlaubnis nach § 34d Abs. 1 und Abs. 2 GewO zu versagen, wenn der Antragsteller den Nachweis einer Berufshaftpflichtversicherung oder einer gleichwertigen Garantie nicht erbringen kann.
24
Maßgeblich für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Widerrufs ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Bescheidserlasses (vgl. BayVGH, B.v. 8.2.2017 – 22 C 16.1107 – juris Rn. 8); maßgeblicher Zeitpunkt war daher der 08.03.2021.
25
Zweifel an der ursprünglichen Rechtmäßigkeit der dem Kläger am 13.12.2007 erteilten Erlaubnis gem. § 34d Abs. 1 GewO (Versicherungsvermittler) bestehen nicht. Die Beklagte hätte im Zeitpunkt des Widerrufs die Erlaubnis nach § 34d Abs. 1 GewO aber nicht (mehr) erteilen dürfen. Zum Zeitpunkt der behördlichen Entscheidung am 08.03.2021 hat der Kläger trotz mehrmaliger Aufforderung mit Schreiben vom 11.02.2021 sowie 01.03.2021 keinen Nachweis über das Bestehen einer Berufshaftpflichtversicherung oder einer gleichwertigen Garantie erbracht (§ 34d Abs. 5 Satz 1 Nr. 3 GewO).
26
Bei dem Nachweis einer Berufshaftpflichtversicherung handelt es sich um eine zwingende Erlaubnisvoraussetzung, ohne die die Erlaubnis zur Ausübung des Gewerbes nach § 34d GewO zu versagen ist bzw. ohne deren Vorliegen eine Erlaubnis gemäß Art. 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BayVwVfG zu entziehen ist (vgl. Schönleitner in Landmann/Rohmer, GewO, 86. EL Februar 2021, § 34d Rn. 143, 147). Die betroffene Person, welche eine Erlaubnis nach § 34d GewO begehrt, muss für den Nachweis einer den Anforderungen der §§ 11 ff. VersVermV genügenden Berufshaftpflichtversicherung grundsätzlich die entsprechenden Unterlagen in Form einer Versicherungsbestätigung vorlegen.
27
Nachdem die Beklagte von dem Ende der Berufshaftpflichtversicherung des Klägers erfuhr, kam dieser trotz mehrmaliger Aufforderung der Verpflichtung eines Nachweises über eine bestehende Berufshaftpflichtversicherung oder einer gleichwertigen Garantie nicht nach. Dem Widerruf der Erlaubnis steht auch nicht die Behauptung des Klägers entgegen, dass er tatsächlich nicht mehr als Versicherungsvermittler tätig sei. Unabhängig von der Frage, ob dies zutreffend ist, ist der Kläger aufgrund seiner Erlaubnis gemäß § 34d Abs. 10 GewO verpflichtet, sich in das Vermittlerregister nach § 11a Abs. 1 Satz 1 GewO einzutragen. Zweck des Vermittlerregisters ist es gem. § 11a Abs. 1 Satz 3 GewO insbesondere, der Allgemeinheit, vor allem Verbrauchern, Anlegern und Versicherungsunternehmen, die Überprüfung der Zulassung sowie des Umfangs der zugelassenen Tätigkeit der Eintragungspflichtigen zu ermöglichen. Solange die Erlaubnis besteht und diese auch nicht aufgehoben worden ist, wird die Eintragung im Vermittlerregister aufrechterhalten. Die Registerbehörde hat erst mit Mitteilung über die Aufhebung der Erlaubnis unverzüglich die zu dem Betroffenen gespeicherten Daten zu löschen, vgl. § 11a Abs. 3 Satz 2 GewO. Die bloße Aufgabe der Tätigkeit ist dafür nicht ausreichend, sodass der Betroffene weiterhin als Versicherungsvermittler nach außen in Erscheinung treten würde (vgl. Schönleiter in Landmann/Rohmer, GewO, 90. EL Dezember 2022, § 11a, Rn. 26).
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Ohne den Widerruf der Erlaubnis wäre auch das öffentliche Interesse gefährdet. In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist geklärt, dass es nach Art. 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BayVwVfG nicht genügt, wenn der Widerruf im öffentlichen Interesse liegt. Es ist vielmehr erforderlich, dass der Widerruf zur Abwehr einer Gefährdung des öffentlichen Interesses, also zur Beseitigung oder Verhinderung eines drohenden Schadens für wichtige Gemeinschaftsgüter geboten ist (vgl. BVerwG, B. v. 17.8.1993 – 1 B 112.93 – juris Rn. 6; VG München U. v. 21.4.2021 – M 16 K 19.4052 – BeckRS 2021, 44459). Eine solche ist regelmäßig bei Wegfall der Erlaubnisvoraussetzungen nach § 34d GewO gegeben (Schönleiter in Landmann/Rohmer, GewO, 90. EL Dezember 2022, § 34d, Rn. 147). Hier spricht vor allem das Schutzinteresse der Allgemeinheit für einen Widerruf der Erlaubnis. Die Berufshaftpflichtversicherung oder eine gleichwertige Garantie gem. § 34d Abs. 5 Satz 1 Nr. 3 GewO gewährt die Deckung für die sich aus der gewerblichen Tätigkeit als Versicherungsvermittler ergebenden Haftpflichtgefahren für Vermögensschäden. Im Falle einer haftungsauslösenden Pflichtverletzung durch den Erlaubnisinhaber im Rahmen seiner Vermittlertätigkeit als Versicherungsvermittler besteht bei Fehlen einer Berufshaftpflichtversicherung oder einer gleichwertigen Garantie eine erhebliche Gefahr für das Vermögen des geschädigten Kunden (vgl. VG München, B. v. 23.3.2009 – M 16 S 09.76 – juris). Gerade im Zusammenhang mit der Vermittlung von Versicherungen oder der Beratung zu solchen Verträgen können beim Versicherungsnehmer erhebliche Vermögensschäden eintreten, deren Ersatz von dem betroffenen Vermittler selbst in der Regel nicht geleistet werden kann.
29
bb) Die Ermessensausübung im streitgegenständlichen Bescheid weist keine Rechtsfehler auf, § 114 Abs. 1 VwGO. Auch erscheint der Widerruf der Erlaubnis nicht unverhältnismäßig. Das in Art. 49 Abs. 2 Satz 1 BayVwVfG eingeräumte Ermessen hat die Beklagte erkannt und in nicht zu beanstandender Weise i.S.d. Art. 40 BayVwVfG pflichtgemäß ausgeübt. Der gerichtliche Überprüfungsmaßstab ist hinsichtlich des Ermessens nach § 114 S. 1 VwGO eingeschränkt. Die von der Beklagten in die Ermessensausübung eingestellten Erwägungen sind vollständig, zutreffend und auch in ihrer Gewichtung nicht zu beanstanden. Ermessensfehler sind nicht ersichtlich, insbesondere ist der Widerruf auch verhältnismäßig.
30
Zu Recht hat die Beklagte das öffentliche Interesse an dem Widerruf und den Schutz der Allgemeinheit vor einer weiteren Geschäftstätigkeit des Klägers als Versicherungsvermittler höher bewertet als das Interesse des Klägers am Fortbestand der Erlaubnis. Der Widerruf belastet den Kläger nicht in unzumutbarer Weise. Insbesondere ist er verhältnismäßig. Er dient dem Schutz der Allgemeinheit insbesondere vor erheblichen Vermögensschäden. Dieser Schutz kann auch nicht anderweitig, durch gleichgeeignete mildere Mittel gewährleistet werden. Gegenüber diesem Schutzinteresse muss die Gewerbe- und Berufsfreiheit des Klägers gemäß Art. 12 Abs. 1 Grundgesetz (GG) trotz der Schwere des Eingriffs zurücktreten.
31
cc) Der Widerruf erfolgte innerhalb der Jahresfrist gem. Art. 48 Abs. 4 BayVwVfG, Art. 49 Abs. 2 Satz 2 BayVwVfG. Dabei handelt es sich um eine Entscheidungsfrist, die erst mit Kenntnis der den Widerruf verfügenden Behördenmitarbeiter von allen entscheidungserheblichen Umständen zu laufen beginnt. Die Beklagte erfuhr von dem Ende der Berufshaftpflichtversicherung des Klägers mit Schreiben der Versicherung vom 09.02.2021 (Eingang:11.02.2021) und widerrief die Erlaubnis mit Bescheid vom 08.03.2021.
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2. Die Aufforderung zur Rückgabe der Erlaubnisurkunde im Original (Ziffer 2 des Bescheids) erweist sich ebenfalls als rechtmäßig. Rechtsgrundlage für die Aufforderung zur Rückgabe der Erlaubnisurkunde ist Art. 52 S. 1 und S. 2 BayVwVfG, wonach die Behörde die aufgrund eines Verwaltungsaktes erteilten Urkunden oder Sachen, die zum Nachweis der Rechte aus dem Verwaltungsakt oder zu deren Ausübung bestimmt sind, zurückfordern kann, wenn dieser Verwaltungsakt vollziehbar oder bestandskräftig widerrufen ist. Die Voraussetzungen liegen vor. Eine Rückforderung kann bereits dann erfolgen, wenn der die Unwirksamkeit auslösende Verwaltungsakt sofort vollziehbar ist (Falkenbach in BeckOK VwVfG, 59. Aufl., Stand: 01.04.2023, § 52 Rn. 6; BayVGH, B. v. 9.2.2018 – 21 CS 17.1964 – BeckRS 2018, 3069). Die Beklagte hat den Widerruf mit Bescheid vom 08.03.2021 zugleich für sofort vollziehbar erklärt (Ziffer 3 des Bescheids).
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3. Auch die Festsetzung einer Gebühr in Höhe von 121,00 € für den Bescheid erfolgte rechtmäßig. Rechtsgrundlage dafür ist § 3 Abs. 6 IHKG i.V.m. § 1 Abs. 1 der Gebührenordnung der Industrie- und Handelskammer … vom 03.12.2020 (IHK Magazin 01/2021) und dem Gebührentarif (Anlage zur Gebührenordnung) Ziffer 2.4. lit. a). Die festgesetzte Gebührenhöhe bewegt sich im vorgegebenen, unteren Rahmen (100,00 EUR bis 400,00 EUR) und ist vorliegend auch nicht ermessensfehlerhaft.
34
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Als unterliegender Teil hat der Kläger die Kosten des Verfahrens zu tragen.
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5. Der Ausspruch hinsichtlich der vorläufigen Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung ergibt sich aus §§ 167 Abs. 2 VwGO, 708 Nr. 11, 711 Zivilprozessordnung (ZPO).