Inhalt

VG Bayreuth, Beschluss v. 14.11.2023 – B 1 S 23.868
Titel:

Entziehung der Fahrerlaubnis wegen Alkoholabhängigkeit - einstweiliger Rechtsschutz

Normenketten:
VwGO § 80 Abs. 5
StVG § 3 Abs. 1 S. 1
FeV § 11 Abs. 7, § 13 S. 1 Nr. 1, Nr. 2 lit. e, § 46 Abs. 1, Abs. 3
FeV Anl. 4 Nr. 8.3, Nr. 8.4
Leitsätze:
1. Alkoholabhängigkeit führt zum Ausschluss der Eignung oder bedingten Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen.  Alkoholabhängige haben grundsätzlich nicht die erforderliche Fähigkeit, den Konsum von Alkohol und das Führen eines Kraftfahrzeugs im Straßenverkehr zu trennen. Hierfür kommt es nicht darauf an, ob der Betreffende bereits mit Alkohol im Straßenverkehr auffällig geworden ist. Eine hinreichend feststehende und nicht überwundene Alkoholabhängigkeit hat damit zwangsläufig die Entziehung der Fahrerlaubnis zur Folge, ohne dass es hierfür der Abklärung durch ein Fahreignungsgutachten bedarf. Die Anordnung, ein ärztliches Gutachten beizubringen, ist nur erforderlich, wenn nicht mit hinreichender Gewissheit feststeht, ob der Betreffende tatsächlich alkoholabhängig ist (VGH München BeckRS 2022, 9289 Rn. 12 und BeckRS 2016, 110056 Rn. 10, jeweils mwN). (Rn. 19) (redaktioneller Leitsatz)
2. Aus einem Entlassbericht eines Bezirkskrankenhauses kann sich das Vorliegen einer Alkoholabhängigkeit mit hinreichender Gewissheit auch dann ergeben, wenn darin nicht näher ausgeführt ist, welche der in den Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahreignung für die sichere Diagnose "Abhängigkeit" genannten Kriterien erfüllt sind, denn einer solchen, nach einem stationären Aufenthalt von über einer Woche gestellten Diagnose einer bayerischen Bezirksklinik als eines Fachkrankenhauses zur  Betreuung von Suchtkranken kommt ein hoher Grad an Verlässlichkeit zu (VGH München BeckRS 2021, 16261  Rn. 11 f.). (Rn. 20) (redaktioneller Leitsatz)
3. Bei Alkoholabhängigkeit ist die Fahreignung erst wieder gegeben, wenn die Abhängigkeit nach einer erfolgreichen Entwöhnungsbehandlung nicht mehr besteht und in der Regel ein Jahr Abstinenz nachgewiesen sowie mittels eines medizinisch-psychologischen Gutachtens der Nachweis geführt ist, dass die Verhaltensänderung stabil und motivational gefestigt ist. (Rn. 29) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Alkoholabhängigkeit, Ausrutscher, „trockener“ Alkoholiker, Arztbrief eines Bezirkskrankenhauses, Berufskraftfahrer, Entziehung der Fahrerlaubnis ohne Fahreignungsgutachten, Entlassbericht eines Bezirkskrankenhauses, Fachkrankenhaus für Suchtkranke, Entwöhnungsbehandlung, einjährige Abstinenz, stabile und motivational gefestigte Verhaltensänderung
Rechtsmittelinstanz:
VGH München, Beschluss vom 12.06.2024 – 11 CS 23.2246
Fundstelle:
BeckRS 2023, 42193

Tenor

1. Der Antrag wird abgelehnt.
2. Die Kosten des Verfahrens trägt der Antragsteller.
3. Der Streitwert wird auf 8.750,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
1
Der Antragsteller wendet sich im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gegen die Entziehung seiner Fahrerlaubnis der Klassen A, A2, A1, AM, B, BE, C, CE, C1, C1E, L und T, die Anordnung der Abgabe des Führerscheins sowie die Androhung eines Zwangsgeldes für den Fall, dass dieser nicht fristgemäß abgegeben wird.
2
Die Polizeiinspektion (PI) … informierte das Landratsamt … (im Folgenden Landratsamt) mit Schreiben vom 20. Juli 2023 darüber, dass sich der Antragsteller zur freiwilligen Behandlung in das Bezirkskrankenhaus … (im Folgenden Bezirkskrankenhaus) begeben habe. Die Polizei sei am 14. Juli 2023 darüber informiert worden, dass der Antragsteller einen Suizid angedroht habe und alkoholkrank sei. Beim Eintreffen der Streifenbesatzung sei der Antragsteller stark alkoholisiert, i.Ü. aber unversehrt gewesen. Laut eigenen Angaben habe er neun Biere getrunken und wolle sich freiwillig zum Entzug in das Bezirkskrankenhaus begeben. Das Landratsamt forderte den Antragsteller mit Schreiben vom 1. August 2023 auf, den entsprechenden Entlassungsbericht des Bezirkskrankenhauses vorzulegen. Dem vorgelegten vorläufigen Arztbericht des Bezirkskrankenhauses vom 27. Juli 2023 (GA Bl. 25 ff.; BA Bl. 9 ff.) ist zu entnehmen, dass sich der Antragsteller vom 14. Juli 2023 bis 27. Juli 2023 zur stationären Diagnostik und Behandlung dort befunden habe. Als Diagnosen während des Aufenthaltes wurden u.a. Alkoholentzugssyndrom (F10.3), Alkoholabhängigkeit (F10.2) und Alkoholintoxikation (F10.0) angegeben. Aus dem Bericht geht weiter hervor, dass beim Antragsteller eine stationäre Behandlung zur qualifizierten Entzugsbehandlung und affektiven Stabilisierung nach Suchtmittelrückfall erfolgt sei.
3
Der Antragsteller wurde vom Landratsamt mit Schreiben vom 8. September 2023 zur beabsichtigten Entziehung der Fahrerlaubnis angehört. Mit Schreiben vom 22. September 2023 (BA Bl. 4) äußerte die Bevollmächtigte des Antragstellers, dass der Antragsteller nicht freiwillig auf die Fahrerlaubnis verzichte. Der Antragsteller habe zu keinem Zeitpunkt einen Suizid angedroht oder geäußert. Da der Antragsteller nicht mit einem PKW unterwegs gewesen sei, habe er niemanden gefährdet.
4
Mit Bescheid vom 16. Oktober 2023 wurde dem Antragsteller die Fahrerlaubnis der Klassen A, A2, A1, AM, B, BE, C, CE, C1, C1E, L und T entzogen und angeordnet, dass er den Führerschein mit der Nr. … umgehend beim Landratsamt abzugeben habe (Ziff. 1). Die sofortige Vollziehung der Ziffer 1 werde angeordnet (Ziff. 2). Für den Fall, dass der Antragsteller seinen Führerschein nicht innerhalb von fünf Tagen nach Zustellung des Bescheids abliefere, werde ein Zwangsgeld in Höhe von 500,00 EUR angedroht. Sollte die aufschiebende Wirkung des Rechtsbehelfs angeordnet werden, so werde die Frist bis zum Ablauf von einer Woche nach Eintritt der Bestandskraft verlängert (Ziff. 3). Der Antragsteller habe die Kosten des Verfahrens zu tragen. Die Gebühr für diesen Bescheid werde auf 150,00 EUR festgesetzt (Ziff. 4).
5
Zur Begründung wird ausgeführt, die Fahrerlaubnis werde aufgrund § 3 Abs. 1 Satz 1 Straßenverkehrsgesetz (StVG) i.V.m. § 46 Abs. 1 Fahrerlaubnis-Verordnung (FeV) entzogen. Der Antragsteller habe sich nach Nr. 8.3 der Anlage 4 zur FeV als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erwiesen, da aufgrund der vom Bezirkskrankenhaus diagnostizierten Alkoholabhängigkeit keine Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen aller Klassen bestehe. Eine bestehende Alkoholabhängigkeit sei generell nicht mit dem sicheren Führen eines Kraftfahrzeugs zu vereinbaren. An der Diagnose bestünden derzeit auch keine begründeten Zweifel. Die Nichteignung des Antragstellers stehe daher zur Überzeugung der Fahrerlaubnisbehörde fest, weshalb die Anordnung zur Beibringung eines Gutachtens unterblieben sei, § 11 Abs. 7 FeV i.V.m. Nr. 8.3 der Anlage 4 zur FeV, § 46 Abs. 3 FeV. Seien die Voraussetzungen zum Führen von Kraftfahrzeugen ausgeschlossen, so könne die Eignung erst dann wieder als gegeben angesehen werden, wenn eine erfolgreiche Entwöhnungsbehandlung durchgeführt worden sei und nach Abschluss der Therapie eine dauerhafte, in der Regel einjährige Abstinenz mittels Urinkontrollen oder Haaranalysen in einem Kontrollprogramm eines anerkannten Labors o.Ä. nachgewiesen habe werden können. Wegen der allgemeinen Verfügbarkeit von Alkohol bestehe bei Alkoholabhängigen eine hohe Rückfallgefahr, so dass im Einzelfall strenge Maßstäbe anzulegen seien, bevor eine positive Prognose zum Führen von Kraftfahrzeugen gestellt werden könne. Der im Rahmen der Anhörung des Antragstellers erfolgten Bitte seiner Bevollmächtigten um Beibehaltung der Fahrerlaubnis habe im Hinblick auf die Gewährleistung der Verkehrssicherheit nicht zugestimmt werden können. Die Fahrerlaubnis erlösche mit der Entziehung, § 46 Abs. 6 FeV. Der Führerschein sei nach § 47 Abs. 1 FeV unverzüglich bei der Verwaltungsbehörde abzuliefern. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung der Entziehung der Fahrerlaubnis sowie der Abgabepflicht hinsichtlich des Führerscheindokuments sei im öffentlichen Interesse geboten, § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO. Die Gewährleistung der Verkehrssicherheit erfordere, dass ungeeignete Verkehrsteilnehmer von der weiteren Teilnahme am Straßenverkehr ausgeschlossen würden, auch wenn das bisherige Fahrverhalten nicht zu Unfällen geführt habe. Mithin habe die weitere Teilnahme des Antragstellers am Straßenverkehr mit Kraftfahrzeugen gerade im Hinblick darauf, dass die Alkoholabhängigkeit weiterhin bestehe, bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung nicht zugelassen werden können. Es obliege dem Antragsteller, eine einjährige Bewährung nach einer erfolgreich abgeschlossenen Entwöhnungsbehandlung nachzuweisen. Erst wenn jene Voraussetzungen erfüllt seien und durch eine medizinisch-psychologische Untersuchung abgeklärt sei, dass die Alkoholabhängigkeit überwunden sei, dürfe die Fahrerlaubnis neu erteilt werden. Durch die unverzügliche Abgabe des Führerscheindokuments solle der Missbrauchsmöglichkeit bei weiterer Verfügbarkeit des Dokuments entgegengewirkt werden. Zur Durchsetzung der Ablieferungspflicht werde auf Grundlage von Art. 29, 30, 31 und 36 des Bayerischen Verwaltungszustellungs- und Vollstreckungsgesetzes (VwZVG) ein Zwangsgeld angedroht. Das Zwangsgeld sei geeignet, den Zweck der Abgabe des Führerscheindokuments zu erreichen. Als Regelzwangsmittel stehe das Zwangsgeld in einem angemessenen Verhältnis zu seinem Zweck. Die festgesetzte Höhe von 500,00 EUR erreiche das wirtschaftliche Interesse, das der Antragsteller an der Nichtvorlage des Führerscheindokuments habe. Die Frist von fünf Tagen zur Abgabe sei angemessen. Es folgen Ausführungen zur Kostenentscheidung.
6
Der Antragsteller ließ durch seine Bevollmächtigte mit am 23. Oktober 2023 bei Gericht eingegangenem Schreiben Klage erheben und beantragen,
Die aufschiebende Wirkung der Klage vom 23.10.2023 gegen den Bescheid des Landratsamts …, Az. …, vom 16.10.2023 wird wiederhergestellt.
7
Zur Begründung wird – über das Vorbringen im Rahmen der Äußerung mit Schreiben vom 22. September 2023 hinaus – ausgeführt, es liege keine Ungeeignetheit des Antragstellers zum Führen von Kraftfahrzeugen vor. Es werde eingeräumt, dass der Antragsteller alkoholkrank sei. Hierbei handle es sich um eine nicht heilbare Erkrankung, die eine ständige Behandlung erforderlich mache, um langfristig abstinent zu bleiben. Bei dem im Bescheid genannten Vorfall am 14. Juli 2023 handle es sich um einen Rückfall aufgrund der unerwarteten Trennung der Lebensgefährtin vom Antragsteller, welchen dieser bereue, zumal er über Jahre hinweg abstinent geblieben sei. Die im vorläufigen Arztbrief des Bezirkskrankenhauses empfohlenen Maßnahmen habe der Antragsteller umgehend wahrgenommen und nehme dieser auch weiterhin in Anspruch. Zudem nehme der Antragsteller seit dem 15. September 2023 regelmäßig Termine bei der Diakonie … wahr. Aus dem vorgelegten Zwischenzeugnis des Arbeitgebers des Antragstellers gehe hervor, dass dieser seit 2016 seiner Tätigkeit beanstandungsfrei nachkomme (Anm.: Laut jenem Zeugnis ist der Antragsteller seit dem 1. August 2022 bei diesem Arbeitgeber tätig). Die Behandlung des Antragstellers im Bezirkskrankenhaus sowie sein erlittener Rückfall habe in keinem Zusammenhang mit seiner Fahreignung gestanden. Der Antragsteller sei als „trockener Alkoholiker“ zweifelsohne weiterhin alkoholabhängig, womit die Diagnose des Bezirkskrankenhauses nicht überrasche. Entscheidend sei, dass die akute Intoxikation und die Neudiagnose auf den Rückfall vom 14. Juli 2023 zurückzuführen seien. Bei der bekannten Diagnose einer Alkoholabhängigkeit könne nicht auf die Nichteignung zum Führen von Kraftfahrzeugen geschlossen werden. Die „alte“ Sucht sei aufgrund des beschriebenen Vorfalls fälschlicherweise als neu aufgetreten eingeordnet worden. Es sei zudem zu beachten, dass der Antragsteller als Berufskraftfahrer zwingend auf seine Fahrerlaubnis angewiesen sei. Eine auch nur abstrakte Gefährdung der Verkehrssicherheit durch den Antragsteller habe zu keinem Zeitpunkt vorgelegen.
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Vorgelegt wurden Terminbestätigungen der Beratungsstelle für Suchtfragen der Diakonie … vom 9. August 2023 und 15. September 2023 sowie eine Teilnahmebestätigung des Antragstellers bezüglich einer Selbsthilfegruppe für Abhängigkeit von Alkohol, Drogen und Medikamenten vom 18. August 2023, wonach dieser seit 15. November 2019 regelmäßig jene Gruppe besucht habe und ab August 2022 berufsbedingt nur noch alle zwei bis drei Wochen habe teilnehmen können. Ende Juni 2023 bis Ende Juli 2023 habe kein Kontakt bestanden, seit 28. Juli 2023 besuche der Antragsteller die Gruppe wieder regelmäßig. Vorgelegt wurde des Weiteren eine eidesstattliche Versicherung des Antragstellers vom 24. Oktober 2023, wonach die von seiner Bevollmächtigten vorgetragenen Tatsachen vollständig und richtig seien. Mit Schreiben vom 26. Oktober 2023 wurde ein Vertrag zur Durchführung eines Abstinenzkontrollprogramms zwischen dem Antragsteller und der … GmbH vorgelegt, wonach im Zeitraum 10. August 2023 bis 10. August 2024 vier Haaruntersuchungen hinsichtlich eines Alkoholabstinenzbelegs erfolgen sollen.
9
Das Landratsamt beantragt mit Schreiben vom 27. Oktober 2023, den Antrag abzulehnen.
10
Zur Begründung wird ausgeführt, beim Bezirkskrankenhaus, welches die im Bescheid zitierte Diagnose gestellt habe, handle es sich um eine Einrichtung gemäß Art. 48 Abs. 3 Nr. 1 der Bezirksordnung für den Freistaat Bayern (BezO), die u.a. der Behandlung von Suchtkranken diene. Den Diagnosen komme ein hoher Grad an Verlässlichkeit zu, da sie während eines Behandlungszeitraums von knapp zwei Wochen gestellt worden seien. Das Vorbringen der Bevollmächtigten des Antragstellers könne keine andere Beurteilung rechtfertigen. Wer alkoholabhängig sei, habe grundsätzlich nicht die erforderliche Fähigkeit, den Konsum von Alkohol und das Führen eines Kraftfahrzeugs im Straßenverkehr zu trennen. Hierfür komme es nicht darauf an, ob der Betreffende bereits mit Alkohol im Straßenverkehr auffällig geworden sei. Bei alkoholabhängigen Personen bestehe krankheitsbedingt jederzeit die Gefahr eines Kontrollverlusts und der Teilnahme am Straßenverkehr unter Alkoholeinfluss. Eine hinreichend feststehende und nicht überwundene Alkoholabhängigkeit habe damit zwangsläufig die Entziehung der Fahrerlaubnis ohne Anordnung der Beibringung eines Gutachtens zur Folge, § 11 Abs. 7 FeV.
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Der Akte ist ein Schreiben der Bevollmächtigten des Antragstellers vom 6. September 2023 (BA Bl. 68 f.) zu entnehmen, wonach der Antragsteller, welcher jahrelang seine Alkoholkrankheit im Griff gehabt habe, am Tag des Verlassenwerdens durch seine Lebensgefährtin Alkohol getrunken habe. Nun trinke er keinen Alkohol mehr und sei auf dem Weg, sich zu konsolidieren. Es habe sich um einen einmaligen Rückfall gehandelt. Weiter sind der Akte ein Schreiben des Landratsamts an den Antragsteller vom 18. Juni 2020 (BA Bl. 89) sowie des Landratsamts … vom 13. September 2012 (BA Bl. 116; beiliegender Vermerk zur Alkoholabhängigkeit des Antragstellers vom 30. August 2012) zu Informationen zur Neuerteilung der Fahrerlaubnis nach vorangegangener Entziehung zu entnehmen. Aus dem beiliegenden Strafbefehl des Amtsgerichts B* … vom 2. April 2020 (BA Bl. 93 ff.) ergibt sich, dass der Antragsteller am 19. Juni 2019 mit einem LKW mit einer BAK von 2,63 Promille im Straßenverkehr unterwegs war. Aus dem Strafbefehl des Amtsgerichts K* … vom 6. Dezember 2011 ergibt sich, dass der Antragsteller am 21. August 2011 mit einer BAK von 2,42 Promille mit einem Kraftrad im Straßenverkehr unterwegs war.
12
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird gemäß § 117 Abs. 3 Satz 2 VwGO analog auf den Inhalt der Gerichtsakte und der vorgelegten Behördenakte Bezug genommen.
II.
13
Der zulässige Antrag hat keinen Erfolg.
14
1. Nach § 80 Abs. 5 VwGO kann das Gericht die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs im Fall des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO ganz oder teilweise wiederherstellen bzw. im Fall des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr.1 bis 3 VwGO ganz oder teilweise anordnen. Bei der Entscheidung hat das Gericht eine eigene Ermessensentscheidung zu treffen, bei der das Interesse der Allgemeinheit an der sofortigen Vollziehung gegen das Interesse des Betroffenen an der aufschiebenden Wirkung abzuwägen ist. Dabei sind auch die überschaubaren Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs zu berücksichtigen. Sind diese im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung offen, ist eine reine Interessenabwägung vorzunehmen. Das Gericht prüft im Fall des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO auch, ob die formellen Voraussetzungen für die Anordnung der sofortigen Vollziehung gegeben sind.
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Bei Zugrundelegung dieser Maßstäbe hat der vorliegende Antrag keinen Erfolg, da die Klage vom 23. Oktober 2023 gegen den Bescheid des Antragsgegners bei summarischer Prüfung keine Aussicht auf Erfolg hat. Der Bescheid vom 16. Oktober 2023 erweist sich als rechtmäßig.
16
a. Ziffer 1 Satz 1 des Bescheides hält einer Rechtmäßigkeitskontrolle bei summarischer Prüfung stand. Dem Antragsteller wurde zu Recht die Fahrerlaubnis für sämtliche Fahrerlaubnisklassen entzogen.
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Die im vorläufigen Arztbrief des Bezirkskrankenhauses vom 27. Juli 2023 diagnostizierte Alkoholabhängigkeit des Antragstellers rechtfertigt die Entziehung der Fahrerlaubnis gemäß § 11 Abs. 7 FeV ohne vorherige Anordnung eines ärztlichen oder medizinisch-psychologischen Gutachtens (vgl. zur Abgrenzung BayVGH, B.v. 21.11.2019 – 11 C 19.1971 – juris Rn. 17 ff.).
18
Gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 StVG und § 46 Abs. 1 Satz 1 FeV hat die Fahrerlaubnisbehörde die Fahrerlaubnis zu entziehen, wenn sich deren Inhaber als ungeeignet oder nicht befähigt zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist. Nach § 46 Abs. 1 Satz 2 FeV gilt dies insbesondere dann, wenn Erkrankungen oder Mängel nach den Anlagen 4, 5 oder 6 der FeV vorliegen oder erheblich oder wiederholt gegen verkehrsrechtliche Vorschriften oder Strafgesetze verstoßen wurde. Werden Tatsachen bekannt, die Bedenken begründen, dass der Inhaber einer Fahrerlaubnis zum Führen eines Kraftfahrzeuges ungeeignet oder bedingt geeignet ist, so finden gemäß § 46 Abs. 3 FeV die §§ 11 bis 14 FeV entsprechend Anwendung.
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Alkoholabhängigkeit führt nach Nr. 8.3 der Anlage 4 zur FeV zum Ausschluss der Eignung oder bedingten Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen. Wer alkoholabhängig ist, hat grundsätzlich nicht die erforderliche Fähigkeit, den Konsum von Alkohol und das Führen eines Kraftfahrzeugs im Straßenverkehr zu trennen. Hierfür kommt es nicht darauf an, ob der Betreffende bereits mit Alkohol im Straßenverkehr auffällig geworden ist. Bei alkoholabhängigen Personen besteht krankheitsbedingt jederzeit die Gefahr eines Kontrollverlusts und der Teilnahme am Straßenverkehr unter Alkoholeinfluss. Eine hinreichend feststehende und nicht überwundene Alkoholabhängigkeit hat damit zwangsläufig die Entziehung der Fahrerlaubnis zur Folge, ohne dass es hierfür der Abklärung durch ein Fahreignungsgutachten bedarf. Die Anordnung gemäß § 13 Satz 1 Nr. 1 FeV, ein ärztliches Gutachten beizubringen, ist nur erforderlich, wenn zwar Tatsachen die Annahme einer Alkoholabhängigkeit begründen und daher Zweifel hinsichtlich der Fahreignung vorliegen, aber nicht mit hinreichender Gewissheit feststeht, ob der Betreffende tatsächlich alkoholabhängig ist (BayVGH, B.v. 28.4.2022 – 11 CS 22.467 – juris Rn. 12; B.v. 16.11.2016 – 11 CS 16.1957 – juris Rn. 10).
20
Nach den Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahreignung (Hrsg. Schubert/Huetten/Reimann/Graw, 3. Auflage 2018, Abschnitt 3.13.2, S. 279 ff.) soll die sichere Diagnose „Abhängigkeit“ gemäß den diagnostischen Leitlinien nach ICD-10 nur gestellt werden, wenn irgendwann während des letzten Jahres drei oder mehr der dort genannten sechs Kriterien gleichzeitig vorhanden waren (starker Wunsch oder eine Art Zwang, psychotrope Substanzen zu konsumieren; verminderte Kontrollfähigkeit bezüglich des Beginns, der Beendigung und der Menge des Konsums; körperliches Entzugssyndrom bei Beendigung oder Reduktion des Konsums; Nachweis einer Toleranz; fortschreitende Vernachlässigung anderer Interessen zugunsten des Substanzkonsums; anhaltender Substanzkonsum trotz des Nachweises eindeutig schädlicher Folgen, die dem Betroffenen bewusst sind). Aus einem Entlassbericht eines Bezirkskrankenhauses kann sich das Vorliegen einer Alkoholabhängigkeit mit hinreichender Gewissheit aber auch dann ergeben, wenn darin nicht näher ausgeführt ist, welche der oben genannten Kriterien erfüllt sind. Bei den bayerischen Bezirkskliniken handelt es sich um Einrichtungen, die nach Art. 48 Abs. 3 Nr. 1 BezO u.a. der Betreuung von Suchtkranken dienen. Diese Fachkrankenhäuser verfügen deshalb über einen hohen Grad an Spezialisierung auf Suchterkrankungen. In der obergerichtlichen Rechtsprechung ist deshalb anerkannt, dass dann, wenn ein Bezirkskrankenhaus einer Person, die sich dort über eine Woche stationär aufgehalten hat, eine Abhängigkeitssymptomatik attestiert, einer solchen Diagnose ein hoher Grad an Verlässlichkeit zukommt. Denn eine so lange Befassung mit einem Patienten verschafft den behandelnden Ärzten ein mehr als nur oberflächliches Bild von seinen Lebensgewohnheiten und Lebenseinstellungen, seiner psychischen Verfassung und seinen nutritiven Gewohnheiten und damit von Faktoren, die für die Diagnose einer Alkoholabhängigkeit von Bedeutung sind (VG Würzburg, B.v. 19.8.2019 – W 6 K 19.104 – juris Rn. 24 m.w.N.; BayVGH, B.v. 8.6.2021 – 11 CS 21.1336 – juris Rn. 11 f.).
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Unter Anwendung der dargestellten Maßstäbe ist vorliegend mit hinreichender Sicherheit davon auszugehen, dass der Antragsteller, welcher sich fast zwei Wochen stationär in einem Bezirkskrankenhaus in diesem Sinne befunden hat, alkoholabhängig im Sinne der Nr. 8.3 der Anlage 4 zur FeV ist. So ergibt sich aus dem vorläufigen Arztbrief des Klinikums für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik des Bezirkskrankenhauses, dass der Antragsteller an einer Alkoholabhängigkeit (F10.2), einem Alkoholentzugssyndrom (F10.3) sowie einer Alkoholintoxikation (F10.0) leide. Laut Homepage hält das Klinikum auch eine qualifizierte Abteilung für Suchtmedizin, auch Alkoholabhängigkeit, bereit (https://www. …de/standorte/bezirkskrankenhaus- …suchtmedizin, abgerufen am 13.11.2023). Der Diagnose kommt damit aufgrund der Spezialisierung des Krankenhauses ein hohes Maß an Verlässlichkeit zu, auch wenn das Vorliegen der oben dargestellten Kriterien dem Bericht nicht im Einzelnen zu entnehmen ist (vgl. VG Würzburg, B.v. 19.8.2019 – W 6 K 19.104 – juris Rn. 26).
22
Dabei bleibt zudem zu berücksichtigen, dass es sich bei der im genannten vorläufigen Arztbrief diagnostizierten Alkoholabhängigkeit des Antragstellers nicht um eine Erstdiagnose handelt, sondern danach ein Suchtmittelrückfall vorliegt. Auch seitens des Antragstellers wird eingeräumt, dass dieser alkoholkrank i.S.e. nicht heilbaren Dauererkrankung sei (Antragsbegründung vom 23.10.2023, S. 3, 6). Der Behördenakte sind zudem Hinweise auf die Historie des Antragstellers in Verbindung mit alkoholbezogenen Verkehrsverstößen und insofern bereits erfolgten Fahrerlaubnisentziehungen zu entnehmen.
23
Das Vorbringen seitens des Antragstellers im Rahmen des Verwaltungsverfahrens sowie des gerichtlichen Verfahrens kann die Diagnose der Alkoholabhängigkeit im vorliegenden vorläufigen Arztbericht, welche der Entziehung der Fahrerlaubnis nach § 11 Abs. 7 FeV zu Grunde gelegt wird, nicht entkräften.
24
Entgegen den Ausführungen der Bevollmächtigten des Antragstellers handelt es sich bei diesem augenscheinlich nicht um einen „trockenen“ Alkoholiker. Die Diagnose im Bezirkskrankenhaus ergibt sich nicht allein aus einer früheren Alkoholabhängigkeit, sondern es wurde ganz konkret darauf abgestellt, dass der Antragsteller während des gesamten Aufenthalts dort eine Alkoholabhängigkeit aufwies, die noch nicht überwunden war, weswegen als Therapievorschlag zur Erreichung einer dauerhaften Suchtmittelabstinenz sowie zur weiteren Stabilisierung strikte Abstinenz und Alkoholkarenz, der Anschluss an eine Selbsthilfegruppe und regelmäßiger Kontakt zur Suchtberatung empfohlen wurde. Bei Rückfall solle eine sofortige Wiederaufnahme zur qualifizierten Entzugsbehandlung erfolgen. Hieraus ist ersichtlich, dass seitens des Bezirkskrankenhauses davon ausgegangen wird, dass zur Erreichung einer Alkoholabstinenz beim Antragsteller fortdauernde Maßnahmen auch nach Verlassen der Einrichtung dringend erforderlich seien.
25
Dabei ist zu berücksichtigen, dass eine Abhängigkeitserkrankung auch bei Symptomfreiheit, also vorliegender Alkoholabstinenz, nach überwiegender fachlicher Auffassung weiter besteht (vgl. Urteilsbildung in der Fahreignungsbegutachtung – Beurteilungskriterien, Hrsg.: Deutsche Gesellschaft für Verkehrspsychologie/Deutsche Gesellschaft für Verkehrsmedizin, 3. Aufl. 2013, S. 120). Ergänzend wird an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass im Regelfall bei jedem Alkoholkonsum eines bis dahin „trockenen“ Alkoholikers die Kraftfahreignung entfällt (vgl. NdsOVG, B.v. 17.1.2023 – 12 ME 149/22 – juris Rn. 20 ff. m.w.N.).
26
Der Vortrag des Antragstellers, es habe sich bei dem Alkoholkonsum am 14. Juli 2023 um einen lediglich einmaligen Konsum aufgrund eines unvorhergesehenen Ereignisses – der Trennung von seiner Lebensgefährtin – gehandelt, führt zu keiner abweichenden Beurteilung. Aus Sicht des Gerichts ist nicht anzunehmen, dass es sich bei diesem Alkoholkonsum um einen „Ausrutscher“ im Rahmen sonstiger Alkoholabstinenz handelt. Die vorliegenden Umstände, insbesondere die diagnostizierte Alkoholabhängigkeit im vorläufigen Arztbrief vom 27. Juli 2023 und die anhand der Behördenakte nachvollziehbare Historie von Verkehrsauffälligkeiten des Antragstellers im Zusammenhang mit Alkoholkonsum, legen nahe, dass der Antragsteller alkoholabhängig ist. So wird im vorläufigen Arztbrief ein Alkoholentzugssyndrom nach Suchtmittelrückfall diagnostiziert. Es sei beim Antragsteller eine stationäre Behandlung zur qualifizierten Entzugsbehandlung und affektiven Stabilisierung erfolgt; es seien ausgeprägte vegetative Entzugssymptome aufgetreten. Die Entlassung sei danach nur auf Wunsch des Patienten erfolgt. Diese Ausführungen sind mit einem einmaligen Konsum im Rahmen sonstiger Abstinenz nicht vereinbar. Vielmehr spricht das Vorliegen derartiger Entzugserscheinungen für eine nicht überwundene Alkoholabhängigkeit. Hierfür spricht auch, dass der Antragsteller – wie sich aus der vorgelegten Teilnahmebestätigung der Selbsthilfegruppe für Abhängigkeit von Alkohol, Drogen oder Medikamente „…“ vom 18. August 2023 ergibt – im relevanten Zeitraum Ende Juni bis Ende Juli 2023 keinen Kontakt zur Selbsthilfegruppe pflegte.
27
Nach den Ausführungen der Bevollmächtigten des Antragstellers in der Antragsbegründung vom 23. Oktober 2023 (S. 6) sei der Vorfall am 14. Juli 2023 der „alten“ Sucht zuzuordnen und keine erneute Alkoholabhängigkeit bei früherer Alkoholabhängigkeit anzunehmen (vgl. zur Abgrenzung und zu entsprechend erforderlichen Gutachtensanordnungen BayVGH, B.v. 28.4.2022 – 11 CS 22.467 – juris Rn. 15 f.; B.v. 21.11.2019 – 11 C 19.1971 – juris Rn. 17 ff.). Auch im Übrigen ist angesichts der geschilderten Umstände nicht ersichtlich, dass dieser Fall auf den Antragsteller zutreffen würde; vielmehr handelt es sich um eine bestehende Alkoholabhängigkeit. Selbst im Fall einer erneuten Alkoholabhängigkeit wäre vorliegend kein weiteres ärztliches Gutachten nach § 13 Satz 1 Nr. 1 FeV (vgl. BayVGH, B.v. 21.11.2019 – 11 C 19.1971 – juris Rn. 18) vor Entzug der Fahrerlaubnis einzuholen gewesen, da aufgrund des vorliegenden Arztbriefes des Bezirkskrankenhauses vom 27. Juli 2023 bereits hinreichend belegt ist, dass der Antragsteller alkoholabhängig ist.
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Ebenso geht der Hinweis, dass der Antragsteller beim dem gegenständlichen Bescheid zu Grunde liegenden Vorfall nicht mit Alkohol im Straßenverkehr auffällig geworden sei und deshalb seine Fahreignung gegeben sei, fehl, da es im Falle der Alkoholabhängigkeit hierauf nicht ankommt (vgl. VG Würzburg, B.v. 19.8.2019 – W 6 K 19.104 – juris Rn. 28).
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Der Antragsteller hat die Alkoholabhängigkeit offenkundig noch nicht überwunden. Nach Nr. 8.4 der Anlage 4 zur FeV und Nr. 3.13.2 der Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahreignung ist die Fahreignung erst wieder gegeben, wenn die Abhängigkeit nach einer erfolgreichen Entwöhnungsbehandlung nicht mehr besteht und in der Regel ein Jahr Abstinenz nachgewiesen ist. Außerdem müssen der Einstellungswandel und die Verhaltensänderung als hinreichend gefestigt und stabil einzuschätzen sein. Der Nachweis, dass die Verhaltensänderung stabil und motivational gefestigt ist, ist mittels eines medizinisch-psychologischen Gutachtens zu führen (§ 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. e FeV). Im maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung der handelnden Verwaltungsbehörde (vgl. BVerwG, U.v. 27.9.1995 – 11 C 34.94 – BVerwGE 99, 249; BayVGH, B.v. 17.12.2015 – 11 ZB 15.2200 – juris Rn. 11) wurde weder eine mindestens einjährige Alkoholabstinenz durch den Antragsteller nachgewiesen noch ein medizinisch-psychologisches Gutachten in diesem Sinne vorgelegt. Der eingereichte Vertrag zur Durchführung eines Abstinenzkontrollprogramms, welcher einen Untersuchungsbeginn am 10. August 2023 ausweist, kann mithin ggf. lediglich im Verfahren zur Wiedererteilung der Fahrerlaubnis eine Rolle spielen.
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b. Nachdem dem Antragsteller die Fahrerlaubnis zu Recht und sofort vollziehbar entzogen worden ist, ist die Abgabeverpflichtung hinsichtlich des Führerscheins (Ziffer 1 Satz 2) als begleitende Anordnung, die ebenfalls für sofort vollziehbar erklärt wurde, geboten, um die Ablieferungspflicht nach § 47 Abs. 1 FeV durchzusetzen. Die Anordnung würde sich insbesondere nicht durch eine zwischenzeitlich erfolgende Abgabe erledigen, sondern stellt eine Rechtsgrundlage für das Einbehalten des Dokuments dar (BayVGH, B.v. 6.10.2017 – 11 CS 17.953 – juris Rn. 9; B.v. 12.2.2014 – 11 CS 13.2281 – juris Rn. 22).
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c. Der Antragsgegner hat auch die Anordnung des Sofortvollzugs im angefochtenen Bescheid den Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO entsprechend begründet. Nach § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO ist in den Fällen des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Dabei sind an den Inhalt der Begründung keine zu hohen Anforderungen zu stellen. Insbesondere bei Kraftfahrern, denen die erforderliche Eignung zum Führen eines Kraftfahrzeugs fehlt, ist das Erlassinteresse regelmäßig mit dem Vollzugsinteresse identisch (stRspr, vgl. BayVGH, B.v. 14.9.2016 – 11 CS 16.1467 – juris Rn. 13 m.w.N.). Zu Recht weist der Antragsgegner insoweit in seinem Bescheid darauf hin, dass das Interesse eines ungeeigneten Fahrzeugführers daran, trotz der Entziehung der Fahrerlaubnis bis zur Bestandskraft des Bescheids weiterhin am Straßenverkehr teilnehmen zu können, angesichts der von ihm ausgehenden Gefahr grundsätzlich hinter dem Schutz der übrigen Verkehrsteilnehmer zurücktreten muss (BayVGH, B.v. 16.11.2016 – 11 CS 16.1957 – juris Rn. 14).
32
Am Vorliegen der typischen Interessenlage, die eine auf den konkreten Einzelfall bezogene Begründung des Sofortvollzuges entbehrlich macht, ändert im vorliegenden Fall auch nichts, dass der Antragsteller angibt, Berufskraftfahrer zu sein und daher beruflich auf seine Fahrerlaubnis angewiesen zu sein. Die privaten, finanziellen und beruflichen Interessen des Antragstellers*müssen hinter den öffentlichen Interessen an der Sicherheit des Straßenverkehrs zurücktreten. Zudem ist an dieser Stelle zu berücksichtigen, dass die Folgen von derartigem Alkoholkonsum für den Antragsteller im Konsumzeitpunkt absehbar waren, zumal aus der Akte – wie dargestellt – ersichtlich ist, dass dem Antragsteller vorliegend nicht zum ersten Mal im Zusammenhang mit Alkoholkonsum die Fahrerlaubnis entzogen wurde.
33
Auch bei der vom Verwaltungsgericht vorzunehmenden eigenständigen Interessenabwägung überwiegt das öffentliche Interesse am Sofortvollzug der getroffenen Feststellung der Fahrerlaubnisbehörde. Dabei ist das Interesse der Allgemeinheit an der Sicherheit des Straßenverkehrs und der aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG abzuleitende Auftrag des Staates zum Schutz der Verkehrsteilnehmer vor erheblichen Gefahren für Leib und Leben zu beachten (vgl BayVGH, B.v. 11.3.2015 – 11 CS 15.82 – juris Rn. 19).
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Daneben überwiegt das öffentliche Interesse, den Rechtsschein des Besitzes einer in Deutschland gültigen Fahrerlaubnis zu beseitigen und damit zu gewährleisten, dass der Antragsteller nicht weiter am motorisierten Straßenverkehr im Bundesgebiet teilnimmt, das Interesse des Antragstellers, seinen Führerschein nicht abliefern zu müssen (VG Düsseldorf, B.v. 20.9.2021 – 6 L 1783/21 – juris Rn. 29). Dies wurde dem Antragsteller in der Begründung des Bescheids dargelegt.
35
d. Die Androhung von Zwangsgeld in Höhe von 500,00 EUR für den Fall der Nichtabgabe des Führerscheins innerhalb von fünf Tagen nach Zustellung des Bescheides (Ziffer 3) begegnet keinen rechtlichen Bedenken.
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2. Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes wird daher mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abgelehnt.
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3. Die Höhe des Streitwertes richtet sich nach § 63 Abs. 2, § 53 Abs. 2 und § 52 Abs. 1 und 2 GKG i.V.m. Nrn. 1.5, 46.1, 46.3 und 46.4 des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 (s. NVwZ-Beilage 2013, 57).
I.