Titel:
Erfolgloser einstweiliger Rechtsschutz gegen die Anordnung erkennungsdienstlicher Behandlung
Normenketten:
StPO § 81b Abs. 1 Alt. 2
BtMG § 29, § 29a
Leitsätze:
1. Die erkennungsdienstliche Behandlung nach § 81b Abs. 1 Alt. 2 StPO setzt voraus, dass der Betroffene zum Zeitpunkt der streitbefangenen Anordnung noch Beschuldigter in einem gegen ihn geführten Ermittlungs- oder Strafverfahren war; der spätere Wegfall der Beschuldigteneigenschaft infolge der Beendigung des Strafverfahrens durch Einstellung, Verurteilung oder Freispruch lässt die Rechtmäßigkeit der angeordneten Maßnahmen dagegen unberührt. (Rn. 23) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Notwendigkeit erkennungsdienstlicher Behandlung nach § 81b Abs. 1 Alt. 2 StPO kann sogar dann anzunehmen sein, wenn der Beschuldigte erstmalig strafrechtlich in Erscheinung getreten ist. Bei Betäubungsmitteldelikten besteht eine statistisch signifikant erhebliche Rückfallgefahr, so dass auch schon eine erstmalige Begehung bzw. Verurteilung wegen einer solchen Tat die Annahme einer Wiederholungsgefahr zu begründen vermag, wenn nicht die Tatumstände einschließlich aller weiteren bedeutsamen Faktoren auf eine zu erwartende Einmaligkeit der Tat hindeuten. (Rn. 30) (redaktioneller Leitsatz)
3. An die Prognose der Wiederholungsgefahr sind bei einem noch in der Persönlichkeitsentwicklung befindlichen Jugendlichen andere Anforderungen zu stellen als bei einem erwachsenen Beschuldigten, mithin ist zu beurteilen, ob tatsächlich der Beginn einer kriminellen Laufbahn gegeben ist oder ob es sich um typischerweise vorübergehendes jugendliches Fehlverhalten handelt. (Rn. 31) (redaktioneller Leitsatz)
4. Verstöße gegen § 29, § 29a BtMG stellen kein „typischerweise vorübergehendes jugendliches Fehlverhalten“ dar, also ein Verhaltensmuster, das sich gleichsam von selbst auswächst. Vielmehr ist bei Betäubungsmitteldelikten davon auszugehen, dass es sich um „Milieutaten“ handelt, die in einem szenetypischen Umfeld begangen werden, aus dem man sich schwer zu lösen vermag. (Rn. 31) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Beschuldigteneigenschaft, Notwendigkeit / Wiederholungsgefahr, Jugendverfehlung, Zwangsmittel-Bestimmtheit, angemessene Frist, Strafverfolgungsvorsorge, erkennungsdienstliche Behandlung, Betäubungsmitteldelikte, Gefahrenprognose
Fundstelle:
BeckRS 2023, 42191
Tenor
1. Der Antrag wird abgelehnt.
2. Die Kosten des Verfahrens trägt der Antragsteller.
3. Der Streitwert wird auf 2.500,00 EUR festgesetzt.
Gründe
1
Der Antragsteller, geb. 2001, wendet sich im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gegen die Anordnung der erkennungsdienstlichen Behandlung seiner Person.
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Gegen den Antragsteller wird seitens der Staatsanwaltschaft … ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts eines Verstoßes nach § 29a Abs. 1 Betäubungsmittelgesetz (BtMG) wegen illegalem Handel mit Cannabis in nicht geringer Menge aufgrund des Geschehens vom 1. Juni 2023 bis 15. Juni 2023 geführt (Az.: …*). In seiner Beschuldigtenvernehmung am 13. Juli 2023 (Behördenakte Bl. 1 ff.) gab der anderweitig Beschuldigte B. auf die Frage, wem er noch Marihuana verkauft habe, u.a. an, er habe dem Antragsteller vor ca. vier und vor ca. sechs Wochen am Alten Friedhof in … im Park einmal 50 g und einmal 100 g Marihuana für 450,00 EUR bzw. 800,00 EUR verkauft. Am 16. August 2023 wurde ein vor dem Amtsgericht … erwirkter Durchsuchungsbeschluss (Az. …*) in Bezug auf den Antragsteller vollzogen. Dabei wurden ein Mobiltelefon und ein Laptop beim Antragsteller sichergestellt.
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Ausweislich des Zwischenberichts der Kriminalpolizeiinspektion (KPI) … vom 16. August 2023 (Behördenakte, Bl. 24 f.) verlief die Durchsuchung negativ. Der Beschuldigte habe sich unkooperativ gezeigt und eine erkennungsdienstliche Behandlung sowie eine DNA-Entnahme verweigert. Bereits am 23. August 2020 sei der Beschuldigte polizeilich in Erscheinung getreten, als er mit seinem Pkw einer Kontrolle in … unterzogen worden sei. Damals hätten im Fahrzeug 38,02 g Haschisch aufgefunden und sichergestellt werden können. In dem damaligen Verfahren sei es zu einer Verurteilung zu 80 Stunden gemeinnütziger Arbeit gekommen (AG …, Az. …*). Der Beschuldigte sei beim ersten Verstoß nicht erkennungsdienstlich behandelt worden. Er habe sich wiederholt im betäubungsmittelrechtlichen Sektor strafbar gemacht, wobei es sich nun um Betäubungsmittel in nicht geringer Menge handle. Es bestehe der dringende Verdacht, dass der Beschuldigte, der innerhalb von zwei Wochen 150 g Marihuana gekauft habe, das erworbene Cannabis an Dritte gewinnbringend weiterveräußert habe. Eine Steigerung der Häufigkeit und seiner kriminellen Energie sei somit nicht auszuschließen. Der Antragsteller äußerte sich in der Beschuldigtenvernehmung zur Sache nicht.
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Mit Bescheid vom 21. August 2023, zugestellt am 25. August 2023, wurde die erkennungsdienstliche Behandlung der Person des Antragstellers angeordnet. Sie erstrecke sich in seinem Fall auf die Abnahme von Finger- und Handflächenabdrücken, die Fertigung von Lichtbildern, Messungen und Personenbeschreibungen (Ziffer 1). Hierzu werde er zur KPI … an folgenden Terminen vorgeladen: Dienstag, 19. September 2023, 10:00 Uhr oder Donnerstag 21. September 2023, 15:00 Uhr (Ziffer 2). Falls der Antragsteller der Anordnung unter Ziffer 1 oder Ziffer 2 bis zum 21. September 2023 ohne hinreichenden Grund keine Folge leiste, werde ein Zwangsgeld zur Zahlung fällig, welches wie folgt angedroht und festgesetzt werde: ein Zwangsgeld von 300,00 EUR, wenn er zu keinem der alternativ benannten Vorladungstermine unter Ziffer 2 erscheine oder ein Zwangsgeld von 300,00 EUR, wenn er zwar zu einem der Vorladungstermine unter Ziffer 2 erscheine, aber der Anordnung der erkennungsdienstlichen Behandlung unter Ziffer 1 keine Folge leiste. Im Falle der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung eines Rechtsbehelfs werde das Zwangsgeld zur Zahlung fällig, wenn er der angeordneten erkennungsdienstlichen Behandlung unter Ziffer 1 und der Vorladung unter Ziffer 2 nicht innerhalb eines Monats nach Bestandskraft des Bescheides bzw. eines Monats nach Aufhebung eines stattgebenden gerichtlichen Beschlusses nach § 80 Abs. 5 VwGO Folge leiste (Ziffer 3). Falls er der Vorladung unter Ziffer 2 keine Folge leiste, werde er hiermit erneut zur erkennungsdienstlichen Behandlung zur KPI … an folgenden Terminen vorgeladen: Montag, 25. September 2023, 10:00 Uhr oder Donnerstag, 28. September 2023, 15:00 Uhr (Ziffer 4). Falls er auch weiterhin der Anordnung der erkennungsdienstlichen Behandlung unter Ziffer 1 sowie der erneuten Vorladung unter Ziffer 4 keine Folge leiste, würden diese durch Anwendung unmittelbaren Zwangs vollzogen (Ziffer 5). Die sofortige Vollziehung der Ziffern 1, 2 und 4 werde angeordnet (Ziffer 6). Im Falle der Ziffer 3 werde für die Festsetzung des Zwangsgeldes eine Gebühr in Höhe von 50,00 EUR erhoben. Im Falle der Ziffer 5 werde für die Anwendung unmittelbaren Zwangs zusätzlich eine Gebühr in Höhe von 59,00 EUR erhoben. Im Übrigen ergehe der Bescheid kostenfrei (Ziffer 7).
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Nach der glaubhaften Aussage des anderweitig Beschuldigten B. habe der Antragsteller von diesem in der Zeit von 1. Juni bis 15. Juni 2023 einmal 50 g Marihuana für 450 EUR und einmal 100 g Marihuana für 800 EUR erworben. Aufgrund jener Menge sei nicht davon auszugehen, dass es für den Eigengebrauch verwendet werde. Vielmehr bestehe der Verdacht, dass das erworbene Betäubungsmittel seitens des Antragstellers gewinnbringend an Dritte weiterveräußert worden sei, ohne dass er in Besitz der dafür erforderlichen Erlaubnis gewesen sei, was den Tatbestand des illegalen Handels mit Cannabis darstelle. Rechtsgrundlage für die Anordnung der erkennungsdienstlichen Behandlung unter Ziffer 1 des Bescheids sei § 81b Abs. 1 Alt. 2 der Strafprozessordnung (StPO). Die KPI … habe die erkennungsdienstliche Behandlung angeordnet, um mit den gewonnenen Informationen durch den Antragsteller möglicherweise bereits begangene oder zukünftige Straftaten, insbesondere mögliche weitere Verstöße nach dem BtMG aufklären oder diese Informationen zur Abwehr einer Gefahr oder einer drohenden Gefahr für ein bedeutendes Rechtsgut verwenden zu können. Der Antragsteller sei Beschuldigter, da ein Straf- oder Ermittlungsverfahren im maßgeblichen Zeitpunkt des Bescheiderlasses gegen ihn schwebe. Die Anordnung sei auch für die Zwecke des Erkennungsdienstes notwendig. Es sei eine Abwägung zu treffen zwischen dem öffentlichen Interesse und dem Interesse des Betroffenen. Es sei aber nicht erforderlich, dass es zu einer Verurteilung komme, es reiche ein begründeter Restverdacht (BVerwG, B.v. 6.7.1988 – 1 B 61/88 – NJW 1989, 2640). Als präventivpolizeiliche Maßnahme sei die erkennungsdienstliche Behandlung nach § 81b Abs. 1 Alt. 2 StPO daher zwar von einem fortbestehenden hinreichenden Tatverdacht, nicht aber von einer (rechtskräftigen) strafgerichtlichen Schuldfeststellung abhängig. Bei Betäubungsmitteldelikten sei von einer erheblichen Rückfallgefahr auszugehen, so dass auch die erstmalige Verurteilung wegen einer entsprechenden Tat grundsätzlich die Annahme einer Wiederholungsgefahr begründe, wenn nicht besondere Umstände für eine einmalige Tat sprechen würden (BayVGH, B.v. 6.12.2016 – 10 CS 16.2069 – juris Rn. 11 m.w.N.). Derart besondere Umstände seien vorliegend nicht ersichtlich. Der Antragsteller sei bereits im August 2020 polizeilich in Erscheinung getreten. Es bestehe der dringende Verdacht, dass er innerhalb von zwei Wochen 150 g Marihuana gekauft und das erworbene Cannabis an Dritte gewinnbringend weiterveräußert habe. Eine Steigerung der Häufigkeit und der kriminellen Energie sei somit nicht auszuschließen. Der Antragsteller sei am „Datum“ bereits erkennungsdienstlich behandelt worden. Seither verändere sich das Aussehen des Menschen. Darüber hinaus könnten sich auch Finger- und Handflächenabdrücke im Laufe der Jahre durch Verletzungen an der Haut verändern. Zu berücksichtigen sei zudem, dass Fingerspuren am Tatort zumeist nur teilweise vorhanden seien. Eine erneute Aufnahme der Fingerabdrücke erhöhe die Wahrscheinlichkeit, eine solche Spur zu identifizieren. Die Lichtbilder sollten die Wiedererkennung durch Zeugen oder Geschädigte ermöglichen, womit möglichst aktuelle Lichtbilder vorzulegen seien. Bei den Taten, denen er sich verdächtig gemacht habe, handle es sich nicht um Bagatelldelikte. Die Anordnung der erkennungsdienstlichen Behandlung sei verhältnismäßig, Art. 4 Polizeiaufgabengesetz (PAG). In Anbetracht des geschilderten Verhaltens des Antragstellers und der dadurch auch zukünftig bestehenden Gefahr für die Gemeinschaft sei ein Eingriff in seine Persönlichkeitsrechte weit weniger schwer zu beurteilen als das Interesse der Allgemeinheit an der Effektivität sowohl der Gefahrenabwehr als auch der Strafverfolgung. Mit der Anfertigung der Unterlagen sei für den Antragsteller lediglich eine kurzfristige Freiheitsbeschränkung verbunden und die Tatsache, dass diese nur bei der Polizei gespeichert und der Öffentlichkeit nicht zugänglich seien, beeinträchtige die Persönlichkeitsrechte des Antragstellers nur gering, zumal das erkennungsdienstliche Material erneut zur Tataufklärung verwendet werde. Durch die Kenntnis des Antragstellers von der polizeilichen Verfügbarkeit erkennungsdienstlicher Unterlagen sei damit zu rechnen, dass er dadurch von der Begehung weiterer Straftaten Abstand nehme. Beim Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 81b Abs. 1 Alt. 2 StPO stehe der Erlass der Anordnung im pflichtgemäßen Ermessen der Behörde nach Art. 5 PAG. Die gewonnenen Unterlagen und Fingerabdrücke seien zur Aufklärung in der Vergangenheit begangener bzw. künftiger Straftaten des Antragstellers bzw. ggf. zu seiner Entlastung geeignet und erforderlich. Die Erforderlichkeit der Behandlung ergebe sich insbesondere aus dem Umstand, dass er bereits zum zweiten Mal durch ein ähnlich gelagertes Delikt in Erscheinung getreten sei. Künftig könnten bei vermeintlichen Abnehmern des Antragstellers Hinweise aufgefunden werden. Auf Asservaten wie Druckverschlusstüten könnten sich seine Fingerabdrücke befinden bzw. er könnte durch Zeugen beobachtet und identifiziert werden. Die Rechtsgrundlage zur Vorladung in Ziffer 2 des Bescheids bilde als Annex § 81b Abs. 1 Alt. 2 StPO. Ebenso könne Art. 15 Abs. 1 Nr. 2 PAG herangezogen werden. Die Vorladung sei als das mildestes Mittel zur Durchführung der erkennungsdienstlichen Behandlung erforderlich und geeignet. Dies gelte auch für die weitere Vorladung unter Ziffer 4, da diese das mildere Mittel im Vergleich zur sofortigen Anwendung unmittelbaren Zwangs darstelle. Die Androhung von Zwangsgeld unter Ziffer 3 des Bescheids beruhe auf Art. 70 Abs. 1, 71 Abs. 1 Nr. 2, Art. 76 Abs. 1, Abs. 5 PAG. Das unter Ziffer 3 festgesetzte Zwangsgeld werde 30 Tage nach dem 21. September 2023 zur Zahlung fällig, wenn den unter den Ziffern 1 und 2 des Bescheids getroffenen Anordnungen ohne hinreichenden Grund keine Folge geleistet werde. Es handle sich um eine angemessene Zahlungsfrist i.S.d. Art. 73 Abs. 2 PAG. Die Zahlungsfrist sowie die erforderlichen Überweisungsdaten würden dem Antragsteller ggf. im Wege einer gesonderten Zahlungsaufforderung in Form einer Kostenrechnung (nochmals) mitgeteilt. Die Androhung des unmittelbaren Zwangs unter Ziffer 5 des Bescheids beruhe auf Art. 70 Abs. 1, 71 Abs. 1 Nr. 3, 75 Abs. 1, 77 ff., 81 PAG, § 81b Abs. 1 Alt. 2 StPO. Die Zwangsmaßnahmen nach Ziffer 3 und 5 des Bescheids seien gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i.V.m. Art. 21a Satz 1 VwZVG sofort vollziehbar. Das öffentliche Vollzugsinteresse überwiege bezüglich der Ziffern 1, 2 und 4 des Bescheids. Es könne nicht ausgeschlossen werden, dass sich die Wiederholungsgefahr in naher Zukunft realisiere, so dass bis zum rechtskräftigen Abschluss des Hauptsacheverfahrens mit der Durchführung der erkennungsdienstlichen Maßnahme nicht zugewartet werden könne. Das besondere öffentliche Interesse an der effektiven Aufklärung von Straftaten überwiege das Interesse des Betroffenen, einstweilen von der angeordneten Maßnahme verschont zu bleiben. Das Erfordernis der sofortigen Vollziehbarkeit ergebe sich aus dem Umstand, dass der Antragsteller nach kriminalistischen Erwägungen aufgrund seines vorangegangenen Verhaltens bereits zum zweiten Mal strafrechtlich in Erscheinung trete und trotz entsprechender Verurteilung bereits im ersten Fall im Alter von 18 Jahren sich von einer weiteren Begehung von Straftaten nicht abhalten ließe. Vielmehr sei eine Steigerung der Betäubungsmittelmenge ersichtlich. Es folgen Ausführungen zur Kostenentscheidung.
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Mit am 7. September 2023 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz erhob der Antragsteller Klage gegen den Bescheid des Beklagten vom 21. August 2023 und beantragte,
Die aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 21. August 2023 wird wiederhergestellt.
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Zur Begründung wird ausgeführt, dass der Antragsteller des illegalen Handels mit Cannabis beschuldigt werde, ohne dass dafür irgendwelche Anhaltspunkte vorlägen. Der Antragsteller habe sich während der Durchsuchung am 16. August 2023 kooperativ verhalten. Er habe zulässigerweise von dem Aussageverweigerungsrecht nach §§ 163a Abs. 4, 136 Abs. 1 Satz 2 StPO Gebrauch gemacht und einer DNA-Entnahme nicht zugestimmt. Das ihm vorgeworfene Geschehen zwischen 1. Juni 2023 und 15. Juni 2023 stütze sich lediglich auf eine vage unglaubhafte Aussage des anderweitig Beschuldigten B., an dessen Glaubwürdigkeit offenkundig erhebliche Zweifel bestünden.
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Die jeweiligen Anordnungen der erkennungsdienstlichen Maßnahmen in Ziffer 1 des Bescheids seien rechtswidrig. Dies ergebe sich bereits in formeller Hinsicht, da keine Anhörung nach Art. 28 Abs. 1 BayVwVfG stattgefunden habe. Des Weiteren lägen die Voraussetzungen des § 81b Abs. 1 Alt. 2 StPO nicht vor. Im gegenständlichen Bescheid sei nicht ausgeführt worden, wie die angeordneten Maßnahmen im konkreten Einzelfall Ermittlungen fördern könnten. Vielmehr sei ein generelles vorformuliertes Schreiben herangezogen worden. Zudem liege der erforderliche einfache Tatverdacht nicht vor. Die Aussage des Herrn B., auf die der Verdacht gestützt werde, sei nicht glaubwürdig und dessen Aussage daher nicht glaubhaft. So widerspreche sich dieser, indem er zunächst einen Zeitraum von Ende Mai und Mitte Juni benenne und dann zu einem Zeitraum von 1. Juni bis 15. Juni 2023 wechsle. Herr B. habe ein erhebliches Eigeninteresse, den Antragsteller einer Straftat nach §§ 29 bis 30a BtMG zu beschuldigen, um gemäß § 31 Nr. 1 BtMG eine Strafmilderung oder ein Absehen von Strafe zu erreichen. Der Bescheid enthalte keine Ausführungen zur Glaubwürdigkeit des Zeugen. Das Ergebnis der abgeschlossenen Ermittlungen (Durchsuchung) schließe einen Tatverdacht aus. Sofern der Antragsgegner die Ermittlungen als noch nicht abgeschlossen betrachte, sei eine erkennungsdienstliche Behandlung schon unzulässig. Darüber hinaus bestehe keine Wiederholungsgefahr künftiger Straftaten. Vorliegend könne keine Rückfallgefahr aufgrund entsprechender Neigung bei Betäubungsmitteldelikten angenommen werden. Auch aus der einmaligen Verurteilung durch das Amtsgericht …, Az. …, wegen unerlaubten Besitzes könne nicht auf eine Wiederholungsgefahr geschlossen werden, da die verurteilte Tat keine Ähnlichkeit zum jetzigen Vorwurf des Ankaufs, Besitzes und illegalen Handels mit Cannabis aufweise. Im Rahmen einer medizinisch-psychologischen Untersuchung im Zuge der Vorverurteilung habe der Antragsteller nachgewiesen, dass er keinem Betäubungsmittelkonsum mehr nachgehe. Zudem habe er u.a. an einem Aufbauseminar teilgenommen. Jene einzige Verurteilung stelle jugendtypisches Fehlverhalten dar, weshalb gemäß § 105 Abs. 1 Nr. 2 Jugendgerichtsgesetz das Jugendstrafrecht zur Anwendung gekommen sei. Zudem liege die verurteilte Tat bereits drei Jahre zurück, womit sie ihre Indizwirkung verloren habe. Zudem seien die Maßnahmen unverhältnismäßig. Die Anfertigung von Lichtbildern, Abnahme von Hand- und Fingerabdrücken, Durchführung von Messungen und Personenbeschreibungen verstoße erheblich gegen sein Persönlichkeitsrecht, insbesondere auch das Recht am eigenen Bild und die informationelle Selbstbestimmungsfreiheit. Die Vorladungen in den Ziffern 2 und 4 des Bescheids seien mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 81b Abs. 1 Alt. 2 StPO nicht erforderlich. Die Androhung des Zwangsgelds in Ziffer 3 des Bescheids sei rechtswidrig. Die Anordnungen in den Ziffern 1 und 2 des Bescheids seien aufzuheben, womit im Rahmen der allgemeinen Vollstreckungsvoraussetzungen wirksame Grundverwaltungsakte fehlen würden. Da jene Verwaltungsakte rechtswidrig seien, würden sie dem Grundsatz der Konnexität nicht genügen. Auch die besonderen Vollstreckungsvoraussetzungen seien nicht gegeben. Eine angemessene Frist i.S.d. Art. 76 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 PAG sei nicht gesetzt worden. In Ziffer 3 des Bescheids werde das Zwangsgeld bei Nichterfüllung bis zum 21. September 2023 angedroht, in den Gründen werde jedoch ausgeführt, eine Frist von einem Monat sei zumutbar. Zudem sei das Zwangsgeld zu unbestimmt, Art. 37 Abs. 1 BayVwVfG. So widerspreche sich die Formulierung in Tenorziffer 3 („… unter Ziffer 1 oder der Anordnung unter Ziffer 2…“) und die Bescheidsbegründung auf Seite 6 II.4 („…wenn Sie den unter Ziffer 1 und Ziffer 2 des Bescheidstenors getroffenen Anordnungen ohne hinreichenden Grund keine Folge leisten.“). Zudem sei nicht ersichtlich, ob das Zwangsgeld auch für den Fall festgesetzt werde, dass nur einzelne der in Ziffer 1 angeordneten erkennungsdienstlichen Maßnahmen – es handle sich jeweils um selbstständige Verwaltungsakte – nicht erbracht würden. Auch die Androhung unmittelbaren Zwangs in Ziffer 5 des Bescheids sei rechtswidrig, da die Grundverwaltungsakte nach Aufhebung nicht mehr wirksam seien. Zudem seien diese nach dem Grundsatz der Konnexität auch nicht rechtmäßig. Weiter sei die Androhung unmittelbaren Zwangs zu unbestimmt, da auch hier nicht ersichtlich sei, ob die Maßnahme auch im Fall der Nichtbefolgung nur einer der in Ziffer 1 angeordneten Maßnahmen angedroht werde. Mangels rechtmäßiger Grundverwaltungsakte sei auch die Kostenentscheidung in Ziffer 7 des Bescheids rechtswidrig.
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Hinsichtlich des Eilantrags sei auszuführen, dass die Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit formell rechtswidrig sei, da sie den Begründungsanforderungen des § 80 Abs. 3 VwGO nicht genüge. Eine formelhafte Begründung reiche nicht aus. Es genüge nicht, die Begründung des Bescheids zu wiederholen, was hier durch das Abstellen auf die vermeintliche Wiederholungsgefahr geschehen sei. Das Aussetzungsinteresse überwiege, da kein besonderes öffentliches Interesse im Fall rechtswidriger Verwaltungsakte bestehe. Eine Rechtfertigung der tiefgreifenden Eingriffe in Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG und 8 Abs. 1 EMRK sei in besonderem Maße zu begründen.
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Vorgelegt wurde ein Abschlussbericht des Labors Dr. S. & Kollegen GmbH … vom 7. März 2022 über das Abstinenzprogramm im Rahmen der Fahreignungsbegutachtung, wonach sich im Kontrollzeitraum von 16. Februar 2021 bis 16. Februar 2022 im Rahmen von zwei Haarproben des Antragstellers kein Hinweis auf den Konsum der untersuchten Drogen und Arzneimittel ergeben habe; eine Abstinenz habe somit belegt werden können (GA Bl. 25 ff.). Weiter vorgelegt wurde eine Bescheinigung über die Teilnahme des Antragstellers an einem Einzelseminar gemäß den Inhalten und Durchführungsbestimmungen des Besonderen Aufbauseminars nach § 2b Abs. 2 Satz 2 StVG, §§ 36, 37 FeV vom 18. Januar 2021 bis 3. Februar 2021 (GA Bl. 31).
11
Der Antragsgegner beantragt mit Schreiben vom 11. September 2023, den Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage abzulehnen.
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Zur Begründung wurde ausgeführt, das besondere Interesse hinsichtlich der Anordnung der sofortigen Vollziehung bezüglich der Ziffern 1, 2 und 4 sei im Bescheid unter II.6 hinlänglich begründet worden. Der Eingriff in die Rechte des Antragstellers durch die erkennungsdienstliche Behandlung sei im Verhältnis zu der von ihm ausgehenden Gefahr verhältnismäßig gering. Zudem könne der Antragsteller, sofern die Speicherung der gewonnenen Daten nicht mehr notwendig sein sollte, ihre Löschung beantragen. Das Strafverfahren gegen den Antragsteller werde nach wie vor bei der Staatsanwaltschaft … geführt. Aufgrund der vorliegenden Zeugenaussage seien die ermittelnden Beamten zu dem Ergebnis gekommen, dass die Angaben glaubhaft gewesen seien. Der gleichen Meinung sei offensichtlich auch das Amtsgericht … bei Erlass des Durchsuchungsbeschlusses gewesen. Im Rahmen der Notwendigkeit der Anordnung wurde ausgeführt, es sei davon auszugehen, dass es sich bei dem Antragsteller wohl um einen gewohnheitsmäßig agierenden Täter handle, welcher im Betäubungsmittelmilieu verortet sei und zu entsprechenden Straftaten neige. Es komme nicht darauf an, dass sich der Antragsteller bisher an die Auflagen und Weisungen aus seiner vorherigen Verurteilung gehalten habe. Die Anlasstat sei ein Verbrechen des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln; mit diesem Tatvorwurf gehe nicht zwingend auch ein Konsum des Täters einher. Zudem handle es sich bei § 81b Abs. 1 Alt. 2 StPO um eine präventive Maßnahme der Polizei. Die Tatsache, dass sich der Antragsteller an Auflagen und Weisungen gehalten habe, sei deshalb ebenso wenig streitentscheidend wie die Ausführungen zu einer jugendtypischen Verfehlung im Rahmen seiner Erstverurteilung. Weiter ergebe sich die Notwendigkeit der erkennungsdienstlichen Behandlung aus dem Umstand der so ermöglichten Identifizierung. Gerade im Bereich der Betäubungsmitteldelikte seien häufig nur Vornahmen oder Alias der Personen bekannt. Im Hinblick auf die Ausführungen auf S. 4 unten im Bescheid („Datum“) werde angemerkt, dass diese Passage aufgrund eines Versehens im Bescheid aufgeführt sei. Der Antragsteller sei bis dato noch nicht erkennungsdienstlich behandelt worden. Im Rahmen der Ermessensausübung wurde ausgeführt, dass gerade im Hinblick auf das Handeltreiben mit Betäubungsmitteln erkennungsdienstliche Unterlagen unerlässlich seien, um den Besitz von ggf. aufgefundenen Betäubungsmitteln zuordnen zu können bzw. auch einen Besitz des Antragstellers zu verneinen. Im Übrigen wurde im Wesentlichen der Inhalt des Bescheids wiederholt.
13
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichts- und Behördenakte Bezug genommen (§ 117 Abs. 3 Satz 2 VwGO analog).
14
1. Das Gericht legt den Antrag so aus (§ 122 Abs. 1, § 88 VwGO), dass der Antragsteller die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Ziffern 1, 2 und 4 des Bescheids vom 21. August 2023 und die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Zwangsmittelandrohung in den Ziffern 3 und 5 des streitgegenständlichen Bescheids begehrt, da gemäß Art. 21a Bayerisches Verwaltungszustellungs- und Vollstreckungsgesetz (VwZVG) i.V.m. § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO Rechtsbehelfe gegen die Androhung von Zwangsmitteln keine aufschiebende Wirkung haben.
15
2. Der in obiger Weise auszulegende Antrag ist zulässig, aber unbegründet.
16
Nach § 80 Abs. 5 VwGO kann das Gericht die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs im Fall des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO ganz oder teilweise wiederherstellen bzw. im Fall des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr.1 bis 3 VwGO ganz oder teilweise anordnen. Bei der Entscheidung hat das Gericht eine eigene Ermessensentscheidung zu treffen, bei der das Interesse der Allgemeinheit an der sofortigen Vollziehung gegen das Interesse des Betroffenen an der aufschiebenden Wirkung abzuwägen ist. Dabei sind auch die überschaubaren Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs zu berücksichtigen. Sind diese im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung offen, ist eine reine Interessenabwägung vorzunehmen. Das Gericht prüft auch, ob die formellen Voraussetzungen für die Anordnung der sofortigen Vollziehung gegeben sind.
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Bei Zugrundelegung dieser Maßstäbe ist der Antrag abzulehnen, da die Sofortvollzugsanordnung formell rechtmäßig ist (hierzu a.), die erhobene Klage des Antragstellers nach summarischer Überprüfung keine Aussicht auf Erfolg hat (hierzu b.) und auch im Übrigen das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung des angefochtenen Bescheids deutlich schwerer wiegt als das Interesse des Antragstellers an der Wiederherstellung/Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage (hierzu c.).
18
In der Sache selbst schließt sich das Gericht zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen im Wesentlichen zunächst den Gründen des angefochtenen Bescheides an und sieht von einer gesonderten Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 117 Abs. 5 VwGO analog). Ergänzend ist zur Sache sowie zum Antragsvorbringen noch Folgendes auszuführen:
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a. Die Begründung der sofortigen Vollziehung (Ziffer 6) entspricht den Vorgaben des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO. Dies erfordert in formaler Hinsicht, dass klar ist, dass sich die Behörde grundsätzlich des Ausnahmecharakters der sofortigen Vollziehbarkeit bewusst war, so dass der Zweck der Signalwirkung der besonderen Begründung greifen konnte. Sie muss mit einer auf den konkreten Fall abstellenden und nicht lediglich formelhaften schriftlichen Begründung des besonderen öffentlichen Interesses an der sofortigen Vollziehbarkeit des Verwaltungsakts versehen werden (vgl. Schenke in Kopp/Schenke, VwGO Kommentar, 25. Aufl. 2019, § 80 Rn. 84). Die Ausführungen im angefochtenen Bescheid genügen den Anforderungen nach § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO. Der Antragsgegner legt im Bescheid vom 21. August 2023 dar, dass er den Sofortvollzug auf Grund der Gefahr einer Wiederholung von strafbaren Handlungen des Antragstellers auch im Hinblick auf das frühere Strafverfahren des Antragstellers für erforderlich hält und dass mit der erkennungsdienstlichen Maßnahme nicht bis zum rechtskräftigen Abschluss eines Hauptsacheverfahrens zugewartet werden könne. Dies zeigt, dass sich der Antragsgegner des Ausnahmecharakters der Vollzugsanordnung bewusst war und enthält die Erwägungen, die er für die Anordnung des Sofortvollzugs als maßgeblich angesehen hat. Im Übrigen trägt im Falle erkennungsdienstlicher Maßnahmen die Erforderlichkeit der Maßnahme bereits die Gründe für deren eilbedürftige Durchführung in sich (vgl. BayVGH, B.v. 23.11.2009 – 10 CS 09.1854 – juris Rn. 17).
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b. Die im vorliegenden Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO gebotene, aber auch ausreichende summarische Prüfung der Erfolgsaussichten der Hauptsache ergibt, dass die Anfechtungsklage voraussichtlich keinen Erfolg haben wird. Die Anordnung der erkennungsdienstlichen Behandlung erweist sich als rechtmäßig und verletzt den Antragsteller nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 VwGO.
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aa. Der Bescheid ist formell rechtmäßig; insbesondere leidet er nicht unter dem formellen Fehler einer unterbliebenen Anhörung nach Art. 28 Abs. 1 BayVwVfG. Es kann vorliegend dahingestellt bleiben, ob eine derartige Anhörung vor Erlass des streitgegenständlichen Bescheids erfolgt ist. Ein etwaiger Verfahrensmangel wäre jedenfalls nach Art. 45 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 BayVwVfG durch die Nachholung der Anhörung des Klägers im gerichtlichen Verfahren geheilt. Nach Art. 45 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 BayVwVfG kann die Anhörung bis zum Abschluss der letzten Tatsacheninstanz des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens nachgeholt werden. Hierbei setzt Art. 45 BayVwVfG insoweit insbesondere einen zeitlichen Rahmen, verhält sich allerdings nicht zu der Art und Weise, wie die unterbliebene Verfahrenshandlung vorzunehmen ist. Der Mangel kann ausnahmsweise auch durch verwaltungsprozessualen Schriftwechsel der Beteiligten oder Äußerungen der Beteiligten im gerichtlichen Verfahren geheilt werden. Der Sinn und Zweck der Anhörung muss indes gewahrt sein, so dass erforderlich ist, dass die Behörde das bislang noch nicht Vorgetragene zur Kenntnis nimmt, würdigt und erneut prüft, ob sie unter Berücksichtigung des Vorbringens an ihrer Verfügung festhält oder nicht, und schließlich dem Betroffenen das Ergebnis dieser Prüfung ausdrücklich oder sinngemäß mitteilt (vgl. VG Augsburg, U.v. 14.3.2023 – Au 8 K 21.1582 – juris Rn. 24 ff.). Diesen Anforderungen wurde im Nachgang zum Erlass des Bescheids Genüge getan, wodurch eine Heilung i.S.d. Art. 45 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 BayVwVfG eingetreten ist. So hat der Antragsgegner das Vorbringen des Antragstellers in seiner Antragserwiderung vom 11. September 2023 zur Kenntnis genommen, dieses ausreichend gewürdigt und mitgeteilt, dass nach einem kritischen Überdenken der getroffenen Sachentscheidung am Bescheid trotz des Vorbringens des Antragstellers festgehalten werde.
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bb. Der Bescheid ist auch materiell rechtmäßig.
23
Rechtsgrundlage der Anordnung der erkennungsdienstlichen Behandlung in Ziffer 1 des Bescheids ist § 81b Abs. 1 Alt. 2 StPO, wonach, soweit es für die Zwecke des Erkennungsdienstes notwendig ist, Lichtbilder und Fingerabdrücke des Beschuldigten auch gegen seinen Willen aufgenommen und Messungen und ähnliche Maßnahmen an ihm vorgenommen werden dürfen. Diese Vorschrift ermächtigt zu präventivpolizeilichen Maßnahmen der Strafverfolgungsvorsorge und dient – ohne unmittelbaren Bezug zu einem konkreten Strafverfahren – der vorsorgenden Bereitstellung von Hilfsmitteln für die künftige Erforschung und Aufklärung von Straftaten (vgl. BVerwG, U.v. 23.11.2005 – 6 C 2.05 – juris Rn. 18). Die erkennungsdienstliche Behandlung nach § 81b Abs. 1 Alt. 2 StPO setzt voraus, dass der betroffene Antragsteller zum Zeitpunkt der streitbefangenen Anordnung noch Beschuldigter in einem gegen ihn geführten Ermittlungs- oder Strafverfahren war; der spätere Wegfall der Beschuldigteneigenschaft infolge der Beendigung des Strafverfahrens durch Einstellung, Verurteilung oder Freispruch lässt die Rechtmäßigkeit der angeordneten Maßnahmen dagegen unberührt (vgl. BVerwG, U.v. 23.11.2005, a.a.O., juris Rn. 20; BayVGH, B.v. 2.4.2015 – 10 C 15.304 – juris Rn. 5). Die Voraussetzungen der Rechtsgrundlage sind vorliegend gegeben.
24
(1) Zutreffend ist die KPI … davon ausgegangen, dass der Antragsteller im (insoweit) maßgeblichen Zeitpunkt des Ergehens der Anordnung der erkennungsdienstlichen Behandlung Beschuldigter eines Strafverfahrens war (und derzeit auch noch ist).
25
Die Beschuldigteneigenschaft wird durch die erste Ermittlungshandlung begründet, die sich gegen eine bestimmte Person richtet. Dass eine erkennungsdienstliche Behandlung nach § 81b Abs. 1 Alt. 2 StPO nur gegen einen Beschuldigten angeordnet werden darf, besagt lediglich, dass deren Anordnung nicht an beliebige Tatsachen anknüpfen und zu einem beliebigen Zeitpunkt ergehen kann, sondern dass sie aus einem konkret gegen den Betroffenen als Beschuldigten geführten Strafverfahren hervorgehen und sich jedenfalls auch aus den Ergebnissen dieses Verfahrens die gesetzlich geforderte Notwendigkeit (dazu unten) der erkennungsdienstlichen Behandlung herleiten muss (vgl. nur BVerwG, U.v. 23.11.2005 – 6 C 2/05 – juris Rn. 20). Im Zeitpunkt der streitgegenständlichen Anordnung war diese Voraussetzung gegeben, nachdem der Antragsteller insbesondere am 16. August 2023 als Beschuldigter vernommen wurde.
26
Die Anlasstat, nämlich das Geschehen von 1. Juni 2023 bis 15. Juni 2023, erweist sich als geeignete Grundlage für die Anordnung. Für die präventiven Zwecken dienende Anordnung der erkennungsdienstlichen Behandlung sowie der ihrer Durchführung dienende Hilfsmaßnahme der Vorladung ist von der Behörde keine vollumfängliche und zu absoluter Sicherheit führende Sachverhaltsaufklärung hinsichtlich einer tatsächlichen Verwirklichung des in Rede stehenden Straftatbestandes erforderlich. Vielmehr genügt bereits der sich aus dem Ermittlungsverfahren ergebende erhebliche Tatverdacht (VG Würzburg, B.v. 11.2.2011 – W 5 S 11.53 – juris Rn. 40). Ein derartiger Tatverdacht im Hinblick auf einen Verstoß gegen das Betäubungsmittelgesetz ist hier gegeben. So besteht nach dem Zwischenbericht der KPI … vom 16. August 2023 sogar der dringende Verdacht, dass der Beschuldigte das erworbene Cannabis (150 g) an Dritte gewinnbringend weiterveräußert hat, mithin sich des illegalen Handels mit Cannabis in nicht geringer Menge strafbar gemacht hat. Das Gericht ist der Auffassung, dass im maßgeblichen Zeitpunkt die bis dahin im Ermittlungsverfahren getroffenen Feststellungen für die Anordnung jedenfalls ausreichend sind, da die Verwirklichung dieses Straftatbestandes möglich erscheint. Aus den Angaben des Herrn B. kann der Schluss gezogen werden, dass der Antragsteller von diesem im genannten Zeitraum einmal 50 g Marihuana für 450 EUR und einmal 100 g Marihuana für 800 EUR erworben hat, wobei aufgrund der Menge des Erwerbs davon ausgegangen werden kann, dass er dieses gewinnbringend an Dritte weiterveräußert hat bzw. dies beabsichtigte. Insbesondere erscheinen die sich aus der Behördenakte ergebenden Aussagen dieser Person nach summarischer Prüfung als glaubhaft und stimmig, da Herr B. eine Liste von 17 seiner Abnehmer von Betäubungsmitteln erstellen ließ, es ihm damit nicht um eine Beschuldigung nur des Antragstellers (hiervon Nr. 4) ging. Belastungseifer hinsichtlich des Antragstellers ist somit nicht erkennbar. Ein Widerspruch hinsichtlich des Tatzeitraums ist dabei nicht ersichtlich. So gab der Beschuldigte B. in seiner Vernehmung am 13. Juli 2023 an, vor ca. vier und vor ca. sechs Wochen dem Antragsteller Marihuana verkauft zu haben. Damit ergibt sich der polizeilich festgehaltene Zeitrahmen von 1. bis 15. Juni 2023. Der Antragsteller hat sich - aufgrund seines bestehenden Schweigerechts im Strafverfahren – bislang nicht geäußert. Hier könnten sich Zweifel nämlich allenfalls aus der eigenen, von der bisher dokumentierten Schilderung abweichenden Sachverhaltsdarstellung des Antragsstellers ergeben.
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Dass im streitgegenständlichen Bescheid auf Seite 4 unten die konkrete Datums- und Jahresangabe fehlt, führt nicht zur Annahme, es sei nicht ausreichend auf den Einzelfall eingegangen worden. So wird u.a. auf Seite 5 unter II.2.d. im gegenständlichen Bescheid ausgeführt, wie die einzelnen angeordneten erkennungsdienstlichen Maßnahmen im konkreten Einzelfall Ermittlungen bezogen auf den Antragsteller fördern sollen.
28
Auch die Tatsache, dass bei der vollzogenen Durchsuchung wohl keine konkreten Gegenstände aufgefunden wurden, die den Antragsteller in Zusammenhang mit Betäubungsmitteldelikten bringen würden, lässt dessen Eigenschaft als Beschuldigter nicht automatisch entfallen. Vielmehr war jene Durchsuchung nur ein Bestandteil der gegen den Antragsteller durchgeführten Ermittlungen im Zuge seiner Beschuldigteneigenschaft, wobei - wie ausgeführt – selbst bei deren Wegfall hinsichtlich der Anlasstat ein dem Anfangsverdacht entsprechender Restverdacht gegeben sein kann. Maßgeblich ist, dass die gegen den Antragsteller bestehenden Verdachtsmomente nicht vollständig ausgeräumt sind (Trück, in Münchener Kommentar zur StPO, 2. Auflage 2023, § 81b Rn. 11). So liegt der Fall – wie oben dargestellt – hier.
29
(2) Die Anordnung der erkennungsdienstlichen Behandlung erweist sich auch als notwendig i.S.v. § 81b Abs. 1 Alt. 2 StPO.
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Die Notwendigkeit bestimmt sich danach, ob der Sachverhalt, der anlässlich des gegen den Betroffenen gerichteten Strafverfahrens festgestellt wurde, nach kriminalistischer Erfahrung angesichts aller Umstände des Einzelfalles Anhaltspunkte für die Annahme bietet, dass der Betroffene in den Kreis Verdächtiger einer noch aufzuklärenden anderen strafbaren Handlung einbezogen werden könnte und dass die erkennungsdienstlichen Unterlagen die dann zu führenden Ermittlungen – den Betroffenen letztlich überführend oder entlastend – fördern könnten (BVerwG, U.v. 23.11.2005 – 6 C 2/05 – juris Rn. 22). Bei der Prüfung der Notwendigkeit erkennungsdienstlicher Behandlung nach der 2. Alt. ist der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten, wonach die Maßnahme zur Erreichung des angestrebten Zwecks geeignet und erforderlich sein muss und der mit ihr verbundene Eingriff in das Persönlichkeitsrecht nicht außer Verhältnis zur Bedeutung der Sache und zur Stärke des Tatverdachts stehen darf. Keinen genügenden Anlass bieten daher häufig Bagatelldelikte, insbesondere Antragsdelikte oder Privatklagedelikte, sofern nicht das öffentliche Interesse an der Strafverfolgung bejaht werden kann (Trück, in Münchener Kommentar zur StPO, 2. Auflage 2023, § 81b Rn. 13). Der unbestimmte Rechtsbegriff der „Notwendigkeit“ unterliegt dabei der vollen gerichtlichen Überprüfung durch die Verwaltungsgerichte, während das der polizeilichen Prognose über das künftige Verhalten des Betroffenen zugrundeliegende Wahrscheinlichkeitsurteil einer solchen Kontrolle nur begrenzt zugänglich ist. Für die Prognose der Wiederholungsgefahr sind alle Umstände des Einzelfalls, insbesondere die Art, Schwere und Begehungsweise der dem Beschuldigten zur Last gelegten Straftaten, seine Persönlichkeit und der Zeitraum, während dem er strafrechtlich nicht mehr in Erscheinung getreten ist, als Anhaltspunkte heranzuziehen (BayVGH, B.v. 2.4.2015 – 10 C 15.304 – juris Rn. 8). Die Notwendigkeit im dargelegten Sinne kann sogar dann anzunehmen sein, wenn der Beschuldigte erstmalig strafrechtlich in Erscheinung getreten ist (VG Potsdam, B.v. 4.11.2013 – 3 L 628/13 – juris Rn. 7 m. w. N.). Bei Betäubungsmitteldelikten besteht eine statistisch signifikant erhebliche Rückfallgefahr, so dass auch schon eine erstmalige Begehung bzw. Verurteilung wegen einer solchen Tat die Annahme einer Wiederholungsgefahr zu begründen vermag, wenn nicht die Tatumstände einschließlich aller weiteren bedeutsamen Faktoren auf eine zu erwartende Einmaligkeit der Tat hindeuten (vgl. VG Ansbach, B.v. 15.9.2016 – AN 5 S 15.01463 – juris Rn. 37 m.w.N.).
31
Bei der erkennungsdienstlichen Behandlung handelt es sich um eine vorbeugende sicherheitsrechtliche Maßnahme, die gerade dazu dient, tatsächliche Hilfsmittel für künftige Strafverfahren vorsorglich bereit zu stellen. Bei möglicherweise künftigen Delikten im Zusammenhang mit Verstößen gegen das BtMG könnten die erkennungsdienstlichen Unterlagen die dann zu führenden Ermittlungen fördern. Nicht zu beanstandend hat der Antragsgegner folglich darauf abgestellt, dass aufgrund des in der Vergangenheit gegen den Antragsteller geführten Strafverfahrens auch in Zukunft nach kriminalistischer Erfahrung damit zu rechnen ist, dass der Antragsteller prognostisch in den Kreis potentieller Beteiligter insbesondere von Betäubungsmitteldelikten einzubeziehen sein wird. Faktoren, welche auf eine zu erwartende Einmaligkeit der Tat hindeuten, sind vorliegend auch aus Sicht des Gerichts nicht erkennbar. Auch die Ausführungen des Antragstellers zur Einordnung seiner Vorverurteilung als Jugendverfehlung i.S.d § 105 Abs. 1 Nr. 2 des Jugendgerichtsgesetzes und die Tatsache, dass die damalige Tat bereits drei Jahre zurückliegt, führen zu keiner anderen Beurteilung. Der am … 2001 geborene Antragsteller war zum hier gegenständlichen Tatzeitraum im Juni 2023 21 Jahre alt und zum Zeitpunkt der Vorverurteilung im August 2020 18 Jahre alt. Grundsätzlich verlieren zwar frühere Taten an Indizwirkung, je länger sie zurückliegen, insbesondere, wenn ihnen jugendtypisches Fehlverhalten zugrunde lag und eine Lösung aus dem szenetypischen Umfeld ersichtlich ist (vgl. Trück, in Münchener Kommentar zur StPO, 2. Auflage 2023, § 81b Rn. 12 m.w.N.). An die Prognose der Wiederholungsgefahr sind bei einem noch in der Persönlichkeitsentwicklung befindlichen Jugendlichen andere Anforderungen zu stellen als bei einem erwachsenen Beschuldigten, mithin ist zu beurteilen, ob tatsächlich der Beginn einer kriminellen Laufbahn gegeben ist oder ob es sich um typischerweise vorübergehendes jugendliches Fehlverhalten handelt (vgl. VG Potsdam, U.v. 3.6.2022 – 3 K 1143/20 – juris Rn. 24). Vorliegend liegt zumindest der weiter stattfindende Umgang des Antragstellers mit dem anderweitig im Rahmen von Betäubungsmitteldelikten beschuldigten Herrn B. auf der Hand, womit eine Lösung aus dem szenetypischen Umfeld nicht erkennbar ist. Mithin ist nicht ersichtlich, dass der vorgetragenen Straffreiheit eine nachhaltige Änderung der Lebensverhältnisse oder ein sichtbarer und glaubhafter Bewusstseinswechsel zu Grunde liegt, so dass künftig nicht mehr von der Begehung von ähnlichen Straftaten auszugehen ist. Dass der Antragsteller seine persönlichen Lebensverhältnisse geändert hat, ist weder vorgetragen noch erkennbar. Daher kann auch ein längeres straffreies Verhalten ohne Anzeichen für eine Änderung der maßgeblichen Lebensverhältnisse, die Motivation für die Straftaten waren, nicht überbewertet werden (vgl. SächsOVG, B.v. 6.2.2017 – 3 A 862/16 – juris Rn. 12 m. w. N.), wobei hier bereits fraglich ist, ob bei einem Zeitraum von drei Jahren von „länger“ gesprochen werden kann. Zudem stellen die hier in Rede stehenden Verstöße des Antragstellers gegen §§ 29, 29a BtMG kein „typischerweise vorübergehendes jugendliches Fehlverhalten“ dar, also ein Verhaltensmuster, das sich gleichsam von selbst auswächst. Vielmehr ist bei Betäubungsmitteldelikten davon auszugehen, dass es sich um „Milieutaten“ handelt, die in einem szenetypischen Umfeld begangen werden, aus dem man sich schwer zu lösen vermag (vgl. VG Potsdam, U.v. 3.6.2022 – 3 K 1143/20 – juris Rn. 26).
32
Derzeit steht zudem das Dreifache der Menge im Rahmen der ersten Verurteilung im Zusammenhang mit Betäubungsmitteln im Raum, womit sogar von einer Unrechtsverschärfung trotz der damaligen Verurteilung auszugehen ist. In Anbetracht jener Menge an Cannabis schließt sich das Gericht der Einschätzung des Antragsgegners an, dass davon auszugehen ist, dass der Antragsteller die Betäubungsmittel nicht lediglich zum Eigenkonsum besessen hat, sondern vielmehr zumindest beabsichtigte, damit Handel zu treiben. So ist davon auszugehen, dass der Antragsteller nicht lediglich vorhatte, eine einmalige Transaktion, wobei auch in diesem Fall von einem Überschreiten der geringen Menge auszugehen ist, absetzen wollte, sondern vielmehr fortgesetzt über einen längeren Zeitraum Betäubungsmittel abgeben, besitzen und ggf. selbst konsumieren wollte.
33
Nicht auszuschließen ist daneben auch, dass sich der Antragsteller durch die gegen ihn zu treffenden Maßnahmen von der Begehung weiterer Taten abhalten lässt. In der Gesamtschau ist daher der Schluss des Antragsgegners auf eine Wiederholungsgefahr nicht zu beanstanden. So ergeben sich hinreichend begründete Anhaltspunkte für die Vermutung, dass der Antragsteller auch zukünftig Anlass zu polizeilichen Ermittlungen im Zusammenhang mit entsprechenden Verstößen gegen das Betäubungsmittelgesetz geben könnte. Mit den durch die erkennungsdienstliche Behandlung gewonnenen Unterlagen kann im Rahmen von Ermittlungen dieser Art der Antragsteller leichter als Täter überführt oder aber seine Täterschaft leichter ausgeschlossen werden (vgl. BayVGH, B.v. 6.12.2016 – 10 CS 16.2069 – juris Rn. 13; B.v. 23.11.2009 – 10 CS 09.1894 – juris Rn. 15).
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Soweit der Antragsteller vorträgt, im Rahmen einer angeordneten medizinisch-psychologischen Untersuchung zu seiner Fahrtauglichkeit nachgewiesen zu haben, keinem Betäubungsmittelkonsum mehr nachzugehen, so bezieht sich jener Nachweis ausschließlich auf den Zeitraum von 16. Februar 2021 bis 16. Februar 2022. Die hier gegenständliche Tat soll sich hingegen von 1. Juni 2023 bis 15. Juni 2023, mithin über ein Jahr nach Abschluss des Abstinenzzeitraums, ereignet haben. Darüber hinaus ist eine mögliche Betäubungsmittelabstinenz des Antragstellers selbst höchstens ein Indiz im Rahmen des Vorwurfs des Handels mit Betäubungsmitteln, welcher einen anderen Schuldvorwurf trägt als der Eigenkonsum.
35
Es bestehen auch keine Bedenken hinsichtlich der Verhältnismäßigkeit der Maßnahme. Bei der bestehenden Sachlage überwiegt das Interesse der Allgemeinheit an der Aufklärung künftiger Straftaten den mit der erkennungsdienstlichen Behandlung verbundenen Eingriff in die Persönlichkeitsrechte des Antragstellers, weil bei der Anordnung der erkennungsdienstlichen Maßnahmen ein hinreichender Tatverdacht bestand und angesichts des Gewichts gegebenenfalls betroffener Rechtsgüter dem Interesse der Allgemeinheit ein höherer Stellenwert zukommt als dem durch die erkennungsdienstliche Behandlung bewirkten vergleichsweise geringfügigen Grundrechtseingriff (BayVGH, B.v. 5.1.2017 – 10 ZB 14.2603 – juris Rn. 17 m.w.N.).
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(3) In ermessensfehlerfreier Weise hat der Antragsgegner auch die Abnahme von Finger- und Handflächenabdrücken sowie die Fertigung von Lichtbildern und die Durchführung von Messungen und Personenbeschreibungen angeordnet. Diese Maßnahmen sind geeignet und erforderlich, vom Antragsteller möglicherweise in Zukunft begangene Straftaten aufzuklären. Durch Lichtbilder und Personenbeschreibung kann er zukünftig von Zeugen identifiziert werden. Andererseits können die so gewonnenen Erkenntnisse aber auch dazu führen, den Antragsteller möglicherweise bei aufzuklärenden Straftaten zu entlasten.
37
(4) Da sich die Anordnung der erkennungsdienstlichen Behandlung nach summarischer Prüfung als rechtmäßig erweist, sind auch die weiteren vom Antragsgegner im angegriffenen Bescheid vom 21. August 2023 getroffenen Nebenentscheidungen nicht zu beanstanden.
38
Die Vorladung in den Ziffern 2 und 4 des Bescheids ist als Vorbereitungshandlung zur Durchführung der erkennungsdienstlichen Behandlung notwendig, insbesondere auch verhältnismäßig und geeignet, bevor die Maßnahme mit Zwangsmitteln durchgesetzt wird (vgl. z.B. Trück, in Münchener Kommentar zur StPO, 2. Auflage 2023, § 81b Rn. 20).
39
Die Androhung der Zwangsmaßnahmen in den Ziffern 3 und 5 des Bescheids erfolgten nach Art. 71 ff. PAG für den Fall, dass der Antragsteller den Vorladungen nicht Folge leistet. Die allgemeinen Vollstreckungsvoraussetzungen sind gegeben. Wie ausgeführt liegen entgegen den Ausführungen des Antragstellers wirksame Grundverfügungen mit den Anordnungen in den Ziffern 1, 2 und 4 des Bescheids vor. Damit ergeben sich auch keine Bedenken hinsichtlich des in der Lehre teilweise vertretenen Konnexitätsprinzips (vgl. BayVGH, U.v. 26.1.2009 – 10 BV 08.1422 – juris Rn. 32 zur Sicherstellung unter Hinweis auf Knemeyer, Polizei- und Sicherheitsrecht, 10. Auflage 2004, Rn. 358).
40
Soweit der Antragsteller bezüglich der besonderen Vollstreckungsvoraussetzungen vorträgt, die Androhung von Zwangsgeld bzw. der Anwendung unmittelbaren Zwangs im Bescheid sei zu unbestimmt i.S.d. Art. 37 Abs. 1 BayVwVfG erfolgt, da nicht ersichtlich sei, ob die Androhung für den Fall gilt, dass nur gegen einzelne der Maßnahmen in Ziffer 1 des Bescheids verstoßen wird oder für den Fall, dass die Durchführung aller Maßnahmen kumulativ verweigert wird, ist zu entgegnen, dass es sich bei den angeordneten Pflichten in Ziffer 1 des Bescheids nach § 81b Abs. 1 Alt. 2 StPO um eine Einheit handelt. Dies ergibt sich bereits aus dem Wortlaut der Norm. Es handelt sich um präventiv-polizeiliche Maßnahmen für die künftige Täterermittlung (Trück, in Münchener Kommentar zur StPO, 2. Auflage 2023, § 81b Rn. 4), die sich gegenseitig in ihrer Wirkung bedingen und fördern. Mithin erweist sich die Formulierung im Bescheid jeweils nicht als zu unbestimmt, da eindeutig ersichtlich ist, dass die Androhung für den Fall gilt, dass die Anordnungen in Ziffer 1 des Bescheids in ihrer Gesamtheit nicht erfüllt werden. Die Durchführung der Zwangsmaßnahmen wird mithin angedroht, sofern die Umsetzung einer Maßnahme in Ziffer 1 verweigert wird, da dann die Gesamtmaßnahme nicht durchgeführt werden konnte.
41
Die Androhung des Zwangsgeldes erfolgte dabei auch nicht deshalb zu unbestimmt, Art. 37 Abs. 1 BayVwVfG, weil eine unangemessene Frist zur Erfüllung der Verpflichtung i.S.d. Art. 76 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 PAG gesetzt wurde. In der (maßgeblichen) Tenorziffer 3 des Bescheids wird eindeutig bestimmt, dass das Zwangsgeld fällig wird, sofern den Anordnungen unter Ziffer 1 oder Ziffer 2 bis zum 21. September 2023 keine Folge geleistet werde. Unter II.4 der Gründe des Bescheids wird ausgeführt, dass mit der Terminsbestimmung zum 21. September 2023 bei Anordnung mit Bescheid vom 21. August 2023 eine angemessene Zeitspanne zwischen Anordnung und Erfüllungszeitpunkt liegt, Art. 76 Abs. 3 Satz 2 PAG. Im Übrigen wird angekündigt, dass eine Zahlungsfrist hinsichtlich des Zwangsgelds i.S.d Art. 73 Abs. 2 PAG von 30 Tagen nach dem 21. September 2023 gewährt wird.
42
Da die Anwendung unmittelbaren Zwangs in Ziffer 5 des gegenständlichen Bescheids erst für den Fall angedroht wird, dass der im Vergleich zu Ziffer 2 erneuten Vorladung unter Ziffer 4 ebenfalls keine Folge geleistet wird, ergeben sich keine Bedenken hinsichtlich Art. 75 Abs. 1 Satz 1 PAG, wonach dieses Zwangsmittel nur angewendet werden kann, wenn andere Zwangsmittel nicht in Betracht kommen oder keinen Erfolg versprechen. Dabei erfolgte die erste Vorladung (Ziffer 2) zwangsgeldbewehrt (Ziffer 3) und im Rahmen der zweiten Vorladung (Ziffer 4) erging der Hinweis, der Antragsteller solle sich zwecks erneuter Terminvereinbarung zur Abwendung weiterer Zwangsmaßnahmen unverzüglich mit dem Antragsgegner in Verbindung setzen, sofern er die vorgegebenen Termine ohne hinreichenden Grund wiederum nicht habe einhalten können. Mithin war es in dieser Abfolge nicht erforderlich, als Vorstufe zum unmittelbaren Zwang ein erhöhtes Zwangsgeld anzudrohen. Die Androhung mehrerer Zwangsmittel in einem Bescheid ist in Art. 76 Abs. 3 Satz 2 PAG ausdrücklich vorgesehen. Die Reihenfolge der Anwendung der angedrohten Zwangsmittel wurde angegeben und entspricht dem Gebot verhältnismäßigen Vorgehens. Das jeweilige Zwangsmittel wurde dabei genau bezeichnet, Art. 76 Abs. 3 Satz 1, 71 Abs. 1 PAG.
43
Im Übrigen erscheinen die gesetzten Fristen ausreichend bemessen und begegnen ebenso wenig Bedenken wie die angedrohte Höhe des Zwangsgeldes. Nicht zu beanstanden ist außerdem, dass im Bescheid bereits eine weitere Vorladung vorgenommen wurde. Die Zwangsmittel wurden nach Art. 76 Abs. 1 Satz 1 PAG schriftlich angedroht und nach Art. 76 Abs. 2 Satz 2 PAG mit dem Verwaltungsakt verbunden.
44
Auch hinsichtlich der im Bescheid unter Ziffer 7 getroffenen Kostenentscheidung ergeben sich angesichts der voraussichtlichen Rechtmäßigkeit der angeordneten Maßnahmen keine Bedenken.
45
c. Die vom Gericht zu treffende eigene Abwägungsentscheidung zwischen den Supensivinteressen des Antragstellers und den Vollzugsinteressen des Antragsgegners geht aufgrund obiger Ausführungen zugunsten des Antragsgegners aus. Da die Anordnungen im streitgegenständlichen Bescheid rechtmäßig sind, überwiegt das Vollzugsinteresse (vgl. OVG NRW, B.v. 13.9.1996 – 11 B 1083/96 – NWVBl 1997, 106). Im vorliegenden Fall bestehen auch keine so gewichtigen Suspensivinteressen des Antragstellers, die das durch die höchstwahrscheinliche Erfolglosigkeit der Anfechtungsklage in der Hauptsache begründete Vollzugsinteresse übersteigen würden. Aufgrund der angenommenen Wiederholungsgefahr überwiegen die öffentlichen Interessen an der Durchführung, ein Zuwarten bis zur Rechtskraft einer Entscheidung würde dem zuwiderlaufen. Es sind keine mit dem Sofortvollzug verbundenen unwiederbringlichen Nachteile für den Antragsteller ersichtlich. Sollte sich die Anordnung im Hauptsacheverfahren als rechtswidrig erweisen, wären die Daten zu löschen. Gründe, von dem kraft Gesetzes vorgesehenen Sofortvollzug der Zwangsmittel abzusehen, liegen damit erst recht nicht vor.
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3. Der Antragsteller hat nach § 154 Abs. 1 VwGO die Kosten des Verfahrens zu tragen.
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4. Die Höhe des Streitwerts richtet sich nach § 63 Abs. 2, § 53 Abs. 2, § 52 Abs. 1 und 2 GKG in Verbindung mit Nrn. 1.5 und 35.5 des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 (s. NVwZ-Beilage 2013, 57).