Inhalt

VG Bayreuth, Beschluss v. 13.09.2023 – B 1 K 22.801
Titel:

Obdachlosenunterbringung, Unterbringungsfähigkeit

Normenkette:
LStVG Art. 7 Abs. 2 Nr. 3
Schlagworte:
Obdachlosenunterbringung, Unterbringungsfähigkeit
Fundstelle:
BeckRS 2023, 42189

Tenor

Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.

Gründe

I.
1
Der Kläger begehrt die Bewilligung von Prozesskostenhilfe im Rahmen seiner erhobenen Klage, die sich gegen die Ablehnung der erneuten Zuweisung einer städtischen Obdachlosenunterkunft richtet.
2
Mit Schreiben vom 22. Juni 2022 (BA, Bl. 335) beantragte der Bevollmächtigte des Klägers dessen Wiedereinweisung in die städtische Obdachlosenunterkunft …, … Zur Begründung wurde ausgeführt, der Kläger sei dort bereits untergebracht gewesen. Aufgrund familiärer Probleme habe er sein Leben nicht wie früher weiterführen können. Nun sei er wieder gewillt, ein „normales“ Leben zu führen (Wohnung, Arbeit). Eine anderweitige Unterbringungsmöglichkeit sei für ihn derzeit und bis auf Weiteres nicht gegeben.
3
Mit Bescheid vom 26. Juli 2022, zugestellt am 28. Juli 2022, lehnte die Stadt … den Antrag des Klägers auf Zuweisung einer Unterkunft in der städtischen Obdachlosenunterkunft … ab (Ziffer 1). Der Bescheid ergehe kostenfrei (Ziffer 2).
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Die Stadt … habe dem Kläger auf dessen Antrag hin erstmals am 14. Februar 2020 dort eine Unterkunft zugewiesen, welche dieser am 6. Oktober 2020 freiwillig verlassen habe. Bis 15. September 2021 habe sich der Kläger weiterhin in … aufgehalten und sei unter der Adresse …, … gemeldet gewesen. Am 27. September 2021 habe sich der Kläger erneut bei der Stadt … als obdachlos vorgestellt, woraufhin ihm auf Antrag eine städtische Unterkunft zugewiesen worden sei, in der er bis zum 15. April 2022 geblieben sei. Anschließend habe er sich in … aufgehalten. Anfang Juni 2022 sei er nach … zurückgekehrt und habe sich seit dem 7. Juni 2022 sechsmal unerlaubt auf dem Gelände der städtischen Obdachlosenunterkunft aufgehalten. Der Kläger sei während seiner Aufenthalte in der städtischen Obdachlosenunterkunft mehrfach auffällig geworden. Während seines ersten Aufenthalts zwischen 14. Februar 2020 und 6. Oktober 2020 habe er mehrere Straftaten und Ordnungswidrigkeiten begangen (u.a. Diebstahl, Verstöße gegen das Infektionsschutzgesetz). Bei seinem zweiten Aufenthalt in der Unterbringung zwischen 27. September 2021 und 15. April 2022 habe der Kläger wiederum zahlreiche, diesmal schwerwiegendere Straftaten und Ordnungswidrigkeiten begangen (u.a. Bedrohung, Körperverletzung, Sachbeschädigung, räuberische Erpressung). Während seines Aufenthalts in … von April 2022 bis Anfang Juni 2022 habe der Kläger weitere Straftaten (u.a. Verstoß gegen das Betäubungsmittelgesetz, Körperverletzung) begangen. Sozialarbeiter jener städtischen Unterkunft hätten über das dortige Verhalten des Klägers am 25. Juli 2022 ein Testat (vgl. BA, Bl. 347) erstellt, wonach der Kläger stark alkoholkrank sei und täglich konsumiere. Sobald er betrunken sei, zeige er sich hoch aggressiv gegenüber jedem, dem er begegne. So bedrohe er Personen z.B. mehrfach mit der Aussage, er würde dem Bewohner „den Kopf abschneiden“ oder „ein Messer in den Bauch rammen“. Die sowohl minder- als auch volljährigen Bewohnerinnen hätten sich abends aus Angst vor dem Kläger meist nicht mehr aus ihrem Zimmer getraut. Unter Alkoholeinfluss habe der Kläger mit einem Messer diverse Sachgegenstände der Unterkunft zerstört. Mehrfache Angebote, ihn in einem Entgiftungsprogramm unterzubringen, habe er abgelehnt. Er habe Sanitärräume mit Kot und Erbrochenem verunreinigt und sich geweigert, dies zu entfernen. Trotz Abmahnung und zahlreicher Gespräche habe sich an diesem Verhalten nichts geändert. In nüchternem Zustand habe der Kläger immer wieder Besserung versprochen, wenige Stunden später im Vollrausch allerdings wieder randaliert. Diese fast täglichen Vorfälle hätten es unmöglich gemacht, ihn in einer Unterkunft dieser Art unterzubringen, da der Schutz der anderen Bewohner und Mitarbeiter nicht gewährleistet sei. Angefügt befindet sich eine Auflistung von Vorkommnissen in Bezug auf den Kläger – u.a. unter Beteiligung der Polizeiinspektion (PI) … – zwischen 4. August 2020 und 8. Juli 2022.
5
Rechtsgrundlage für die Ablehnung des Antrags auf Zuweisung einer Unterkunft in der städtischen Obdachlosenunterkunft sei Art. 7 Abs. 2 Nr. 3 des Landesstraf- und Verordnungsgesetzes (LStVG). Für den Kläger bestehe kein Anspruch auf Unterbringung in der städtischen Obdachlosenunterkunft, da ihm die erforderliche Unterbringungsfähigkeit fehle. Obdachlosigkeit im rechtlichen Sinne liege nicht vor, wenn es an der Unterbringungsfähigkeit und -willigkeit fehle. Dies sei dann der Fall, wenn sich der Obdachlose durch eigenes Verhalten der Nutzungsmöglichkeit der Obdachlosenunterkunft entziehe, indem er beharrlich gegen die innere Ordnung der ihm zugewiesenen Einrichtung verstoße und deshalb im Interesse der Aufrechterhaltung der Ordnung der Unterkunft verwiesen werden müsse. Während seiner Aufenthalte in der städtischen Obdachlosenunterkunft habe der Kläger nahezu dauerhaft die Hausgemeinschaft in der Obdachlosenunterkunft, die dort tätigen Sozialarbeiter und den Sicherheitsdienst in unzumutbarer Weise gestört und bedroht. Sein nahezu permanentes, höchst aggressives eigen- und fremdgefährdendes Verhalten führe in der städtischen Obdachlosenunterkunft zu wiederkehrenden Körperverletzungs- und Bedrohungsdelikten sowie zu Sachbeschädigungen. Der Kläger sei uneinsichtig und trotz umfangreicher Hilfsangebote nicht bereit, etwas gegen seine Alkoholerkrankung zu unternehmen und sein Verhalten zu ändern. Die Prognose, dass er sein bisheriges Verhalten bei einer erneuten Zuweisung in die Unterkunft ändere, sei schon deshalb negativ, da er sich seit dem 7. Juni 2022 mehrfach unerlaubt auf dem Gelände der Unterkunft aufgehalten und dort aufgrund seines alkoholisierten und aggressiven Verhaltens Polizeieinsätze verursacht habe. Die Behauptung, er sei nun wieder gewillt, ein normales Leben zu führen, sei vielmehr als reine „Schutzbehauptung“ zu werten. Er habe mit seinem Verhalten bereits das Gegenteil bewiesen. Der Kläger benötige therapeutische Hilfe, die von der Beklagten im Rahmen einer Obdachlosenunterbringung nicht geleistet werden könne. Die Ablehnung einer erneuten Zuweisung sei auch verhältnismäßig i.S.d. Art. 8 LStVG erfolgt, da diese das einzige Mittel sei, weitere Straftaten und Ordnungswidrigkeiten des Klägers zu Lasten der Bewohner und des Personals der Unterkunft sowie Sachbeschädigungen und Verstöße gegen die Benutzungssatzung zu unterbinden. Alle Versuche, auf den Kläger i.S.e. Verhaltensänderung bzw. Therapiebereitschaft einzuwirken, seien mangels seiner Kooperation fehlgeschlagen. Auch die Belange der dort untergebrachten, wohnsitzlosen Personen sowie des Personals seien zu berücksichtigen. Die Stadt … habe als Betreiberin dieser öffentlichen Einrichtung diesem Personenkreis gegenüber eine Fürsorgepflicht, was den Schutz von Leib und Leben bzw. der körperlichen und seelischen Unversehrtheit betreffe. Die Notwendigkeit der Aufrechterhaltung der Sicherheit und Ordnung in der städtischen Unterkunft, mithin der Schutz des genannten Personenkreises vor jeglichen weiteren Angriffen durch den Kläger wiege bei einer Abwägung schwerer als der Wunsch des Klägers, wieder eine Zuweisung zu erhalten. Dieser Schutz sei – wie die Vergangenheit gezeigt habe – bei einer Unterbringung des Klägers in der städtischen Unterkunft nicht zu gewährleisten. Im Rahmen der Ermessensausübung sei insbesondere berücksichtigt worden, dass die für die Unterbringung Obdachloser zuständigen Behörden oftmals mit schwierigen Persönlichkeiten umgehen müssten und deshalb kein kleinlicher Maßstab angelegt werden dürfe. Der Kläger habe mehrfach Chancen erhalten, sei mehrfach in der städtischen Unterkunft untergebracht worden. Auch der Vortrag des Klägers, er habe derzeit und bis auf Weiteres keine Möglichkeit der Unterbringung, ändere daran nichts. Bei fehlender Unterbringungsfähigkeit lebe die Pflicht der Obdachlosenbehörde zur Unterbringung nicht von selbst wieder auf.
6
Mit Schriftsatz vom 26. August 2022, eingegangen beim Verwaltungsgericht Bayreuth am selben Tag, ließ der Kläger Klage erheben und beantragen.
7
Der Beklagte wird verurteilt,
den Bescheid vom 26. Juli 2022 aufzuheben und dem Kläger eine städtische Unterkunft zuzuweisen.
8
Ferner werde Prozesskostenhilfe für den Kläger beantragt.
9
Zur Begründung wurde mit Schreiben vom 25. Oktober 2022 ausgeführt, die Ablehnung der Zuweisung einer städtischen Unterkunft sei rechtswidrig erfolgt. Der Kläger sei erneut ohne dauerhafte Wohnmöglichkeit. Aus dem Bescheid ergebe sich nicht eindeutig, dass der Kläger nicht unterbringungsfähig im Rechtssinne sei. Der Kläger habe sein Leben zwischenzeitlich verändert und habe Hilfe angenommen. Er suche eigenen Wohnraum und erhalte wieder Leistungen vom Jobcenter … Weiter habe er einen Antrag auf gesetzliche Betreuung zum Amtsgericht … gestellt. Eine Begutachtung sei bislang nicht erfolgt. Die Ablehnung sei auch unverhältnismäßig. Der Kläger habe einen Anspruch auf erneute Unterbringung in der städtischen Obdachlosenunterkunft, zumindest so lange, bis er selbst Wohnraum gefunden habe.
10
Mit Schreiben vom 31. August 2022 beantragte die Beklagte,
die Klage abzuweisen.
11
Zur Begründung werde auf die Ausführungen im gegenständlichen Bescheid vom 26. Juli 2022 verwiesen. Mit Schreiben vom 26. Oktober wurde dargelegt, dass die Behauptung des Klägers, er habe sein Leben verändert, als reine Schutzbehauptung zu werten sei. Angehängt wurde u.a. die Ordnungswidrigkeitenanzeige der PI … vom 17. Oktober 2022, wonach der Kläger gegen das Alkoholverbot im Stadtgebiet … verstoßen hat, sowie die Erstmeldung der PI … vom 3. September 2022, wonach der Kläger gegen 23 Uhr vor der Obdachlosenunterkunft randalierte. Der darauffolgende Polizeieinsatz habe zu einem tätlichen Angriff des Klägers auf sowie zu dessen Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte geführt. Eine Blutprobe des Klägers habe einen BAK-Wert von 1,79 Promille ergeben. Beide Vorfälle würden beweisen, dass der Kläger nach wie vor alkoholabhängig sei, unter Alkoholeinfluss höchst aggressiv reagiere und dadurch fremdgefährdend sei. Weiterhin könne die Beklagte keine positive Prognose im Hinblick auf die Unterbringungsfähigkeit des Klägers in der städtischen Obdachlosenunterkunft erteilen.
12
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird gemäß § 117 Abs. 3 Satz 2 VwGO analog auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Behördenakten Bezug genommen.
II.
13
Vorliegend kann dem Kläger Prozesskostenhilfe – unabhängig vom Vorliegen der wirtschaftlichen Voraussetzungen – nicht bewilligt werden, weil der von ihm beabsichtigten Klage bei summarischer Prüfung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg zugesprochen werden kann.
14
Die Bewilligung von Prozesskostenhilfe setzt gem. § 166 VwGO i. V. m. §§ 114 ff. ZPO voraus, dass die betreffende Partei außerstande ist, ohne Beeinträchtigung des für sie und ihre Familie notwendigen Unterhalts die Kosten des Prozesses zu bestreiten, die beabsichtigte Rechtsverfolgung eine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Hinreichende Aussicht auf Erfolg im Sinne des § 114 ZPO bedeutet bei einer an Art. 3 Abs. 1 GG und Art. 19 Abs. 4 GG orientierten Auslegung des Begriffs einerseits, dass Prozesskostenhilfe nicht erst nur dann bewilligt werden darf, wenn der Erfolg der beabsichtigten Rechtsverfolgung gewiss ist, andererseits aber auch, dass Prozesskostenhilfe versagt werden darf, wenn ein Erfolg in der Hauptsache zwar nicht schlechthin ausgeschlossen, die Erfolgschance aber nur eine entfernte ist. Die Prüfung der Erfolgsaussichten eines Rechtsschutzbegehrens darf dabei nicht dazu dienen, die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung selbst in das summarische Verfahren der Prozesskostenhilfe vorzuverlagern und dieses an die Stelle des Hauptsacheverfahrens treten zu lassen. Das Prozesskostenhilfeverfahren will den grundrechtlich garantierten Rechtsschutz nicht selbst bieten, sondern zugänglich machen. Schwierige, bislang nicht ausreichend geklärte Rechts- und Tatsachenfragen dürfen nicht im Prozesskostenhilfeverfahren geklärt werden (vgl. BVerfG, B.v. 13.7.2005 – 1 BvR 175/05 – NJW 2005, 3489). Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Frage, ob die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet, ist grundsätzlich der Zeitpunkt der Bewilligungsreife des Prozesskostenhilfegesuchs, mithin spätestens der Eingang der Klageerwiderung am 27. Oktober 2022.
15
Die zulässige Klage ist nach summarischer Prüfung unbegründet. Der am 26. Juli 2022 von der Beklagten erlassene Bescheid zur Ablehnung der erneuten Zuweisung einer städtischen Obdachlosenunterkunft erging rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Dem Kläger steht kein Anspruch auf Verpflichtung der Beklagten zur Wiedereinweisung des Klägers in eine städtische Unterkunft zu, § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO.
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1. Die Klage ist unbegründet. Der Kläger ist im maßgeblichen Zeitpunkt jedenfalls nicht unterbringungsfähig i.S.d. Obdachlosenrechts und hat damit keinen – auch nur temporären – Anspruch auf Unterbringung in einer städtischen Obdachlosenunterkunft der Beklagten.
17
Der Zustand der (unfreiwilligen) Obdachlosigkeit ist als eine Störung der öffentlichen Ordnung bzw. im Hinblick auf die damit u.U. verbundene Gefährdung von Gesundheit und Leben des Obdachlosen als eine Beeinträchtigung der öffentlichen Sicherheit anzusehen. Im Rahmen von Art. 7 Abs. 2 Nr. 3, Art. 8 LStVG hat die Beklagte als Sicherheitsbehörde die (unfreiwillige) Obdachlosigkeit nach pflichtgemäßem Ermessen zu beseitigen. Insoweit ist sie jedoch grundsätzlich nur verpflichtet, zur Behebung der unmittelbaren Gefahren für Leib und Leben des Obdachlosen eine den Mindestanforderungen an eine menschenwürdige Unterkunft genügende vorübergehende Unterbringung zu ermöglichen; ein Auswahlrecht unter diesen Unterkünften hat der Obdachlose nicht (vgl. VG München, B.v. 24.10.2002 – M 22 E 02.2459 – juris Rn. 50 m.w.N.).
18
Eine rechtliche Verpflichtung der Beklagten, dem Kläger (erneut) eine Obdachlosenunterkunft zur Verfügung zu stellen, besteht jedoch dann nicht, wenn es an der erforderlichen Unterbringungsfähigkeit und Unterbringungswilligkeit des Klägers fehlt. In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass von Obdachlosigkeit im rechtlichen Sinne dann nicht mehr auszugehen ist, wenn sich der Obdachlose durch eigenes Verhalten der Nutzungsmöglichkeit der Obdachlosenunterkunft entzieht, indem er beharrlich gegen die innere Ordnung der ihm zugewiesenen Einrichtung verstößt und deshalb im Interesse der Aufrechterhaltung der Ordnung der Unterkunft verwiesen werden muss. Die verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung geht davon aus, dass die Unterbringung eines Obdachlosen nach dem Obdachlosenrecht sowohl dessen Unterbringungsfähigkeit als auch dessen Unterbringungswilligkeit voraussetzt (BayVGH, B.v. 6.8.2015 – 4 C 15.1578 – juris Rn. 13; VG München, B.v. 24.10.2002 – M 22 E 02.2459 – juris; VG Bayreuth, B.v. 10.7.2017 – B 1 S 17.510 – juris Rn. 24). Dies wird auch in § 1 Abs. 3 der Satzung über die Benutzung der städtischen Obdachlosenunterkünfte der Stadt … vom 11. März 2019 (BA, Bl. 122 ff.) aufgegriffen. Nach § 13 lit. d der Satzung über die Benutzung der städtischen Obdachlosenunterkünfte können Verstöße gegen diese Satzung, die Hausordnung oder Anordnungen der Bediensteten und Beauftragten der Stadt … mit der Entfernung des Störers aus der Unterkunft geahndet werden.
19
Dabei darf vor dem Hintergrund, dass die für die Unterbringung Obdachloser zuständigen Behörden auch oftmals mit schwierigen Persönlichkeiten umgehen müssen, kein kleinlicher Maßstab angelegt werden (BayVGH, B.v. 6.8.2015 – 4 C 15.1578 – juris Rn. 13).
20
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze und angesichts der von der Beklagten benannten, anhand der vorgelegten Behördenakte nachvollziehbaren Vorfälle erscheint die Annahme der fehlenden Unterbringungsfähigkeit des Klägers rechtlich tragfähig. Die Gründe für diese Einordnung durch die Beklagte ergeben sich aus Sicht des Gerichts eindeutig und in ausführlicher Darstellung aus dem gegenständlichen Bescheid. Der Kläger hat mehrfach im Rahmen von zwei zeitlich versetzten Aufenthalten in der Obdachlosenunterkunft dort massiv die Ruhe und Ordnung gestört. Er hat die Obdachlosenunterkunft wiederholt beschädigt und Einrichtungsteile wie Fenster zerstört. Teilweise unter Einsatz eines Messers griff der Kläger Personal sowie andere Bewohner auf aggressive Art und Weise aktenkundig an. Insbesondere jene körperlichen Angriffe fallen besonders ins Gewicht. Es ist den bei der Unterkunft beschäftigten Personen auch nicht zuzumuten, sich vom Kläger u.a. mit schweren Straftaten bedrohen zu lassen (vgl. VG Bayreuth, B.v. 10.7.2017 – B 1 S 17.510 – juris Rn. 25). Angesichts dieses Verhaltens des Klägers, das mit erheblichen Gefährdungen Dritter und möglicherweise auch mit einer Eigengefährdung verbunden ist und das der Kläger trotz wiederholter Hinweise und Hilfsangebote der Beklagten nicht abgestellt hat, ist die Annahme gerechtfertigt, dass der Kläger nicht willens bzw. nicht in der Lage ist, die notwendigen Grundregeln im Umgang mit anderen Personen, die auch in einer Obdachlosenunterkunft für ein einigermaßen geordnetes und verträgliches Zusammenleben unerlässlich sind, zu akzeptieren und einzuhalten. Vielmehr wäre im Falle der erneuten Zuweisung einer Obdachlosenunterkunft mit einer Fortsetzung seines bisherigen Verhaltens mit entsprechender Fremd- und ggf. Eigengefährdung zu rechnen (vgl. VG Osnabrück, B.v. 13.3.2015 – 6 B 10/15 – juris Rn. 4). Das von der Beklagten geschilderte Verhalten des Klägers wird dabei von diesem nicht bestritten, sondern es wird lediglich mit Schriftsatz vom 25. Oktober 2022 ausgeführt, dass dieser sein Leben zwischenzeitlich verändert und Hilfe angenommen habe. Dieser Ansatz wird jedoch durch die Vorlage der polizeilichen Berichte hinsichtlich der einschlägigen Vorfälle am 3. September 2022 sowie 17. Oktober 2022 (vgl. GA Bl. 33 ff.) durch die Beklagte bereits eindeutig widerlegt.
21
Es ist nicht Aufgabe der Sicherheitsbehörden, für eine Unterbringung Rechnung zu tragen, die über die einfachen sicherheitsrechtlichen Maßstäbe nach Obdachlosenrecht hinaus einem besonderen Betreuungsbedarf genügt (VG Regensburg, B.v. 1.12.2016 – RO 4 S 16.1812 – beck.online LS, Rn. 23). Dieser Aufwand ergibt sich vorliegend daraus, dass zumindest der Großteil der Vorkommnisse in Bezug auf den Kläger im Zusammenhang mit (übermäßigem) Alkoholkonsum steht. Aufgrund dieser nachgewiesenen Verbindung der Vorfälle mit einer Alkoholisierung des Klägers ist die Vermutung einer Alkoholabhängigkeit bzw. -zugeneigtheit, welche im Fall des Klägers zu Aggressivität führt, nicht von der Hand zu weisen. Angesichts der anhand der Behördenakte nachvollziehbaren Gesamtumstände des vorliegenden Falles ist davon auszugehen, dass die erneute Unterbringung des Klägers nach den einfachen sicherheitsrechtlichen Maßstäben und Anforderungen des Obdachlosenrechts nicht mehr zu bewältigen ist. Die verzeichneten Vorfälle machen deutlich, dass der Kläger über die Unterbringung hinaus einer Hilfestellung bedarf, aber eben einer Hilfestellung professioneller Art, die er in der begehrten Obdachlosenunterkunft nicht erhalten kann. Solche Einrichtungen verfügen in der Regel insbesondere nicht über geschultes Personal für den Umgang mit Personen, die zum Alkoholmissbrauch und entsprechenden Verhaltensweisen neigen (VG Bayreuth, B.v. 6.6.2013 – B 1 K 12.468 – juris Rn. 46). Soweit weiterhin seitens des Klägers ein Anspruch auf Unterbringung geltend gemacht wird, verkennt der Klägerbevollmächtigte, dass eine einfache Obdachlosenunterkunft kein Ersatz für eine Heimeinrichtung für speziellen Betreuungsbedarf (und im Fall des Klägers auch für speziellen Sicherungsbedarf) darstellt (BayVGH, B.v. 6.8.2015 – 4 C 15.1578 – juris Rn. 15 bezüglich eines gewalttätigen psychisch Kranken).
22
Die Obdachlosenbehörde hat ihre Pflicht zur Unterbringung von Obdachlosen dadurch erfüllt, dass sie dem Obdachlosen die Möglichkeit verschafft hat, in einer einfachen menschenwürdigen Unterkunft zu wohnen. Diese Pflicht hat die Beklagte gegenüber dem Kläger bereits mehrfach erfüllt, obwohl der Kläger schon im Rahmen seines ersten Aufenthalts in der städtischen Unterbringung auffällig wurde. Sie hat auch nicht kleinlich reagiert, sondern dem Kläger mehrere Chancen gegeben und dabei immer wieder die Regeln des Zusammenlebens in der Unterkunft verdeutlicht.
23
Die Ablehnung der erneuten Zuweisung erging damit auch verhältnismäßig. Die Beklagte hat hier letztlich auch an die anderen in der Obdachlosenunterkunft untergebrachten Personen zu denken, die sie vor den Exzessen und Übergriffen des Klägers zu schützen hat (vgl. BayVGH, B.v. 6.8.2015 – 4 C 15.1578 – juris Rn. 14 bezüglich eines gewalttätigen psychisch Kranken).
24
Soweit seitens des Klägers vorgetragen wird, dass er einen Anspruch auf Unterbringung habe, weil der Kläger erneut über keine dauerhafte Wohnmöglichkeit verfüge, geht er fehl. Denn bei fehlender Unterbringungsfähigkeit lebt die Pflicht der Obdachlosenbehörde zur Unterbringung eines Obdachlosen nicht von selbst wieder auf (BayVGH, B.v. 6.8.2015 – 4 C 15.1578 – juris Rn. 16 m.w.N.; vgl. auch ausführlich hierzu VG Bayreuth, B.v. 6.6.2013 – B 1 K 12.468 – juris Rn. 52 f.). Nachdem eine Unterbringung in der Obdachlosenunterkunft nicht mehr tragbar und der Beklagten wegen der angerichteten Schäden und von ihm ausgehenden Gefahren für andere Bewohner bzw. Personal auch nicht mehr zumutbar ist, wird sich ein für diesen Aufgabenkreis zuständiger Betreuer intensiv um Unterbringungsmöglichkeiten nach dem Unterbringungsgesetz bemühen und professionelle Hilfe für den Kläger anstreben müssen. Hierfür ist aber jedenfalls nicht die Beklagte zuständig, auf die der Betreuungsbedarf für den Kläger nicht einfach abgewälzt werden kann (BayVGH, B.v. 6.8.2015 – 4 C 15.1578 – juris Rn. 16 m.w.N.; vgl. auch VG Bayreuth, B.v. 10.7.2017 – B 1 S 17.510 – juris Rn. 26). Nach dem Schreiben des Klägerbevollmächtigten vom 25. Oktober 2022 wurde bereits ein Antrag auf gesetzliche Betreuung zum Amtsgericht … gestellt.
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Wenn der Kläger gegenüber der Beklagten in substantiierter und glaubwürdiger Weise nachweist, dass sich seine mangelnde Fähigkeit oder Willigkeit zur Einfügung in eine gemeinschaftliche Einrichtung im positiven Sinne gewandelt hat und dass er in der Zukunft Gewähr dafür bietet, sich gemeinschaftsverträglich zu verhalten (positive Unterbringungsprognose), kann er wieder mit seinem Begehren auf Unterbringung an die Beklagte herantreten. Diesen Nachweis kann der Kläger beispielsweise durch Gutachten sozialpädagogischer Fachstellen erbringen (vgl. VG München, B.v. 24.10.2002 – M 22 E 02.2459 – Rn. 54; VG Bayreuth, B.v. 10.7.2017 – B 1 S 17.510 – juris Rn. 27). Eine etwa auf nachvollziehbare und substantiierte Fachgutachten gestützte positive Unterbringungsprognose für den Kläger hat die Klägerseite bisher nicht benannt.
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2. Nach alledem ist der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe mangels hinreichender Erfolgsaussicht abzulehnen, ohne dass es auf die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Klägers ankommt.