Inhalt

VG Regensburg, Urteil v. 12.10.2023 – RO 7 K 20.102
Titel:

Baugebot im Altstadtbereich

Normenkette:
BauGB § 1 Abs. 3, § 175, § 176
Leitsätze:
1. Eine Planung, deren Umsetzung objektiv vor nicht überwindbaren Hindernissen steht oder deren Umsetzung die planende Gemeinde für einen völlig unbestimmten Zeitraum als offen ansieht, vermag die Aufgabe der verbindlichen Bauleitplanung nicht zu erfüllen und verfehlt mithin ihren gestaltenden Auftrag. Nicht erforderlich – und damit unwirksam – sind daher Bebauungspläne bzw. einzelne Festsetzungen, wenn ihrer Verwirklichung auf unabsehbare Zeit rechtliche oder tatsächliche Hindernisse im Wege stehen. (Rn. 21) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Erforderlichkeit aus städtebaulichen Gründen iSd § 175 Abs. 2 Hs. 1 BauGB ist nicht mit der Erforderlichkeit der Planungspflicht aus § 1 Abs. 3 S. 1 BauGB gleichzusetzen, sondern erfordert ein zusätzliches Zeitmoment. Liegt ein Bebauungsplan vor, müssen die städtebaulichen Gründe in ihrem Gewicht und ihrer Dringlichkeit über diejenigen hinausreichen, die den Bebauungsplan tragen. (Rn. 30) (redaktioneller Leitsatz)
3. Erforderlich ist die Anordnung eines städtebaulichen Gebots, wenn der mit dem Baugebot verfolgte Zweck nicht auf andere, weniger belastende Weise bewirkt werden kann. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn die Schließung einer Baulücke erforderlich ist, um eine Verunstaltung des Straßen- oder Ortsbildes zu beseitigen oder wenn in der Gemeinde ein dringender Bedarf an Baugrundstücken besteht. (Rn. 30) (redaktioneller Leitsatz)
4. Die Anordnung einer angemessenen Frist gem. § 176 Abs. 1 S. 1 BauGB ist notwendiger Inhalt eines Baugebots. (Rn. 32) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Anordnung eines Baugebots, Erforderlichkeit der Bauleitplanung, Städtebauliche Ziele, Fehlende Fristsetzung, Kein Bebauungsgebot bei bereits bebauten Grundstücken, Baulücke
Fundstelle:
BeckRS 2023, 41939

Tenor

I. Der Bescheid der Beklagten vom 20.12.2012, Az. 610-6130, wird aufgehoben.
II. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Das Urteil ist im Kostenpunkt gegen Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1
Der Kläger wendet sich gegen ein Baugebot.
2
Der Kläger ist Eigentümer der Grundstücke Fl.Nrn. …1, …2, …3 und …4 der Gemarkung S…, die im Altstadtbereich der Beklagten mit verschiedenen Gebäuden bebaut sind (…Straße 4, 6, 8 und …gasse 4). Die Grundstücke liegen im Geltungsbereich der Satzung über die förmliche Festsetzung des Sanierungsgebietes II A „…“ vom 25.10.1989 und der Satzung über die Gestaltung von baulichen Anlagen in der Innenstadt (Gestaltungssatzung) vom 21.07.2006, zuletzt durch Satzung vom 8. Dezember 2017 geändert.
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Nach den Melderegistereinträgen ist der klägerische Gebäudekomplex seit mehr als 20 Jahren unbewohnt. Die Gewerbeeinheiten in den Anwesen wurden bis 1987 (…gasse 4), bis Januar 2007 (…Straße 4) bzw. bis Frühjahr 2009 (…Straße 8) genutzt. In der …Straße 6 war bislang kein Gewerbebetrieb gemeldet.
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Am 20. Mai 2010 beschloss die Beklagte die Aufstellung des Bebauungsplans „…Straße“. Das Plangebiet umfasst ausschließlich die klägerischen Grundstücke Fl.Nrn. …1, …2, …3 und …4 der Gemarkung S… mit einer Gesamtfläche von ca. 1.000 m². Der seit 4. Januar 2011 rechtsverbindliche Bebauungsplan wurde im beschleunigten Verfahren nach § 13a BauGB aufgestellt und enthält unter anderem folgende textliche Festsetzungen:
„1.Art der baulichen Nutzung (…)
1.2. Mischgebiet Gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 1 BauGB wird ein Mischgebiet ausgewiesen (§ 6 BauNVO). (…)
2. Maß der baulichen Nutzung (…)
2.5. Grundflächenzahl (GRZ) (…) maximal zulässige GRZ gemäß Nutzungsschablone: 1,0 (…)
2.7 Zahl der Vollgeschosse (…) maximal zulässige Zahl der Vollgeschosse gemäß Nutzungsschablone im MI 1: 2 Vollgeschosse maximal zulässige Zahl der Vollgeschosse gemäß Nutzungsschablone im MI 2: 3 Vollgeschosse
2.8 Gebäudehöhe (…)
Die maximale Firsthöhe wird für die Bauflächen im MI 1 mit 14,0 m festgesetzt. Die maximale Traufhöhe im MI 1 beträgt 9,0 m.
Die maximale Firsthöhe wird für die Bauflächen im MI 2 mit 16,0 m festgesetzt. Die maximale Traufhöhe im MI 2 beträgt 11,0 m (…).
3. Baulinie, Baugrenze (…)
3.4 Baulinie (…)
Entlang der …Straße und der Einmündung in die …gasse sind die Gebäude auf der Baulinie zu bebauen (…).
5. örtliche Bauvorschriften (…)
5.1 Dachform (…)
Entsprechend der historischen Baustruktur im Altstadtbereich S… sind im MI 1 nur Sattel- und Walmdächer zulässig. Im MI 2 sind nur Satteldächer zulässig. Die Giebel sind dabei zur …Straße zu orientieren. (…)“
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Nach mehreren Gesprächen zwischen den Beteiligten über die künftige Nutzung bzw. Bebauung der Grundstücke beantragte der Kläger mit Schreiben vom 29. September 2010 eine sanierungsrechtliche Genehmigung für den Abbruch der Gebäude auf den Grundstücken Fl.Nrn. …1, …2, …3 und …4 der Gemarkung S… Mit erstem Bescheid vom 3. November 2010 lehnte die Beklagte den Antrag auf sanierungsrechtliche Genehmigung ab. Mit Bescheid vom 9. Januar 2012 widerrief die Beklagte den Ablehnungsbescheid vom 3. November 2010 und stellte fest, dass die Bearbeitung des sanierungsrechtlichen Abbruchantrages vom 29. September 2010 mit sofortiger Wirkung wiederaufgenommen und über den Antrag neu entschieden wird. Mit weiterem Bescheid vom 18. Januar 2012 genehmigte die Beklagte sanierungsrechtlich den Abbruch der Anwesen auf den Grundstücken …Straße 4, 6, 8 und …gasse 4 in S… (Fl.Nrn. …1, …2, …3 und …4 der Gemarkung S…) unter der Bedingung, dass vor Beginn des Abbruchs ein städtebaulicher Vertrag zwischen dem Kläger und der Beklagten geschlossen wird. Gegen diesen Bescheid ließ der Kläger am 14. Februar 2012 Klage zum Verwaltungsrecht Regensburg erheben (Az. RO 7 K 12.291). Mit Urteil vom 11. April 2013 des Verwaltungsgerichts Regensburg wurde die Beklagte verpflichtet, unter Aufhebung der entgegenstehenden Bescheide die sanierungsrechtliche Genehmigung gemäß Antrag vom 29. September 2010 zu erteilen.
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Mit Bescheid vom 20. Dezember 2012 ordnete die Beklagte u.a. Folgendes an:
„1. Herr … wird verpflichtet, die Grundstücke Fl.Nrn. …1, …2, …3 und …4 Gemarkung S… entsprechend den Festsetzungen des Bebauungsplanes „… Straße“ zu bebauen. Die Stadt S… behält sich eine Fristsetzung zur Baufertigstellung vor. Die derzeit auf den Grundstücken befindlichen Gebäude sind unmittelbar vor Beginn des Neubaus, jedoch nicht vor Einreichung der Baubeginnsanzeige für den Neubau, zu beseitigen.
2. Herr … wird verpflichtet, nach Eintritt der Bestandskraft dieses Bescheids
a) innerhalb von 2 Monaten einen Planungsauftrag für die Bauvorlagenerstellung des Gesamtvorhabens vorzulegen, und
b) innerhalb von 6 Monaten (nach Bestandskraft) eine den Festsetzungen des o.g. Bebauungsplans entsprechende Bauvorlage für das Gesamtvorhaben bei der Stadt S… einzureichen (zur jedenfallsigen sanierungsrechtlichen Genehmigung).
3. Falls Herr … die in der Nr. 2 aufgegebenen Pflichten nicht innerhalb der festgesetzten Fristen erfüllt, wird ein Zwangsgeld fällig in Höhe von
a) 60.000 EUR bei Nichtvorlage des Planungsauftrags (Buchst. a) bzw.
b) 60.000 EUR bei Nichteinreichung der Bauvorlagen (Buchst. b);
bei Nichterfüllung beider Pflichten jedoch nur einmal.“
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Zur Begründung wird im Wesentlichen ausgeführt: Nach § 176 Abs. 1 Nr. 1 BauGB könne der Grundstückseigentümer verpflichtet werden, innerhalb einer zu bestimmenden angemessenen Frist sein Grundstück entsprechend den Festsetzungen des Bebauungsplans zu bebauen. Bei den vier bestehenden Gebäuden seien erhebliche städtebauliche Mängel vorhanden. Umfangreiche Verbesserungsmaßnahmen an dem Gesamtanwesen bzw. eine verträgliche Neubebauung seien erforderlich. Der Eigentümer wolle jedoch keine Instandsetzung durchführen, da sämtliche Gebäude nicht mehr sanierungswürdig seien. Eine verbindliche Zusage einer zeitnahen Neubebauung sei verweigert worden. Auch wenn die Möglichkeit einer Sanierung bzw. Instandsetzung und Modernisierung bestehe, müsse davon ausgegangen werden, dass eine Sanierung gegen den Willen des Eigentümers rechtlich schwerer zu erreichen sei, als eine bebauungsplankonforme und an den heutigen Nutzungsbedürfnissen orientierte Neubebauung. Der jetzige Zustand des gesamten Wesens beeinträchtige das Straßen- und Ortsbild in erheblichem Maße. Die Neubebauung diene daher der geordneten Entwicklung des Stadtgebiets sowie der besseren Ausnutzung der bereits versiegelten Fläche und sei überdies zur Beseitigung der Verunstaltung dringend geboten. Eine freiwillige Bebauung der Grundstücke habe nicht erreicht werden können. Das Baugebot erweise sich für den Eigentümer auch als verhältnismäßig. Aufgrund der guten Standortvoraussetzungen wie der verkehrlichen Anbindung und der zentralen Lage sei ein erhebliches Interesse an dem Objekt zu erwarten. Auf eine Fristsetzung zur Fertigstellung des Bauvorhabens werde derzeit verzichtet, um eventuell eine Kooperationsbereitschaft des Eigentümers zu erreichen. Zudem könne mit dem Baugebot die Verpflichtung verbunden werden, innerhalb einer angemessenen Frist erforderliche Anträge und Unterlagen einzureichen. Das angedrohte Zwangsgeld orientiere sich am wirtschaftlichen Interesse des Klägers. Die Beklagte habe die Kosten eines Architektenvertrages nach HOAI-Mindestsätzen auf 58.001 EUR netto geschätzt. Das gesetzliche Höchstmaß des Zwangsgeldes von 50.000 EUR könne aufgrund der Schätzung gemäß Art. 31 Abs. 2 Satz 3 VwZVG überschritten werden. Im Übrigen wird auf die Begründung des Bescheids verwiesen.
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Am 16. Januar 2013 hat der Kläger durch seinen Prozessbevollmächtigten gegen den Bescheid vom 20. Dezember 2012 Klage zum Verwaltungsgericht Regensburg erheben lassen (Az. RO 2 K 13.94, fortgeführt unter Az. RO 7 K 20.102). Die gesetzlichen Voraussetzungen für ein Baugebot seien tatsächlich und rechtlich in keiner Weise erfüllt. Gemäß § 176 Abs. 1 Nr. 1 BauGB könne nur die erstmalige Bebauung eines Grundstücks verfügt werden. Die klägerischen Grundstücke seien jedoch bereits mit Bestandsgebäuden bebaut. Zudem seien die klägerischen Gebäude im Vergleich zu anderen Gebäuden in S… kein Schandfleck. Für die Anordnung eines Baugebotes müsse die alsbaldige Durchführung von Maßnahmen aus überragenden städtebaulichen Gründen dringend erforderlich sein. Das bloße Vorliegen eines Bebauungsplans reiche hierfür nicht aus. Die Beklagte selbst habe über mehrere Jahre hinweg die geplante Neubebauung der Grundstücke verzögert, da die beantragte Abbruchgenehmigung verweigert worden sei. Der Kläger habe bereits im Jahr 2009 einen Rohentwurf für den Neubau eines Geschäftshauses vorgelegt. Hätte der Kläger bereits 2009 die Abbruchgenehmigung erhalten und die Neubauplanung umsetzen können, hätten sich die Baukosten für die Herstellung des Gebäudes auf 1.000 EUR pro m² belaufen; im Jahr 2020 hingegen auf 3.000 EUR pro m². Kein seriöser Investor würde eine millionenschwere Investition planen, bevor nicht die Nutzung und die solide eigentumserhaltende Amortisation geklärt seien. Hinzu komme, dass der Bebauungsplan die Voraussetzungen für eine Vermietung eines Gebäudes auf den Grundstücken im Innenstadtbereich unmöglich mache. Ein solventer Mieter habe kein Interesse an einem Gebäude, das den Festsetzungen des Bebauungsplans entspreche. Eine Renditenutzung sei derzeit nicht gegeben. Das angeordnete Baugebot sei zudem ermessensfehlerhaft. In der Innenstadt würden weitere Grundstücke brachliegen, wie zum Beispiel das direkt an den Marktplatz der Stadt S… angrenzende ca. 5.000 m² große Grundstücksareal „…-Gebäude“. Zudem sei das Baugebot nicht hinreichend bestimmt. Es sei unklar, auf welche Grundstücke sich das Baugebot beziehe, d.h. ob für sämtliche im Tenor bezeichneten Grundstücke eine kumulative Bebauungsverpflichtung oder lediglich eine alternative Bebauungsverpflichtung bestehe.
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Der Kläger beantragt,
den Bescheid der Stadt S… vom 20. Dezember 2012, Az. 610-6130, aufzuheben.
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Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
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Ergänzend zu den Ausführungen des streitgegenständlichen Bescheids wird vorgetragen: Die Voraussetzungen für den Erlass eines Baugebotes liegen vor, da die Grundstücke des Klägers im Geltungsbereich eines rechtsverbindlichen Bebauungsplans liegen und die alsbaldige Durchführung der Bebauung erforderlich sei. Das Baugebot gemäß § 176 Abs. 1 Nr. 1 BauGB komme nicht nur bei der erstmaligen Bebauung eines unbebauten Grundstücks, sondern auch bei bebauten Grundstücken in Betracht. Der bauliche Zustand des Gesamtanwesens beeinträchtige augenscheinlich mehr denn je das Straßen- und Ortsbild in einem erheblichen Maß. Das Gebäudeensemble werde optisch aufgrund seines Zustandes als störend wahrgenommen, vor allem da in den letzten Jahren eine Umgestaltung der …Straße und der parallel verlaufenden …Straße stattgefunden habe. Nachdem dem Kläger auch die sanierungsrechtliche Genehmigung zum Abriss des Gebäudebestands erteilt worden sei, stünden einem vorherigen Abriss zur Umsetzung des Baugebots auch keine rechtlichen Hinderungsgründe mehr im Wege. Im Übrigen sei die Aufforderung, das Grundstück entsprechend den Festsetzungen des Bebauungsplans zu bebauen, hinreichend bestimmt. Die Beklagte könne dem Kläger nicht konkret vorschreiben, in welcher Weise er seine Grundstücke nutzen solle. Allein möglich und dementsprechend auch hinreichend bestimmt sei es, wenn die Stellung eines Bauantrags nach Maßgabe der Festsetzungen des Bebauungsplans verlangt werde. Soweit der Kläger vorträgt, die Bebauung sei unwirtschaftlich, handele es sich um eine pauschale Rüge. Es liege auch keine Ungleichbehandlung vor. Die Beklagte sei zwischenzeitlich Eigentümerin des vom Kläger angesprochenen „…-Gebäudes“. Zudem sei der Sachverhalt aufgrund der divergierenden Grundstücksgrößen und der vormaligen Nutzungen nicht vergleichbar.
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Aufgrund von außergerichtlichen Einigungsgesprächen wurde das gerichtliche Verfahren seit 2014 nicht weiter betrieben. Nachdem außergerichtliche Einigungsversuche ergebnislos verliefen, wurde das gerichtliche Verfahren unter dem Aktenzeichen RO 7 K 20.102 fortgeführt.
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Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten zum Sach- und Streitstand wird auf die Gerichts- und Behördenakte in diesem sowie in den Verfahren RO 2 K 13.94 und RO 7 K 12.291 verwiesen.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Klage ist begründet. Der angefochtene Bescheid vom 20. Dezember 2012 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
I.
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Maßgeblich für die rechtliche Beurteilung des klägerischen Begehrens sind die Vorschriften
§§ 175, 176 BauGB in der Fassung der Bekanntmachung vom 27. August 1997 ((BGBl. I S. 2141, 1998 I S. 137), zuletzt geändert durch Artikel 4 Abs. 10 des Gesetzes vom 5. Mai 2004 (BGBl. I S. 718), sowie § 1 BauGB in der Fassung der Bekanntmachung vom 23. September 2004 (BGBl. I S. 2414), zuletzt geändert durch Gesetz vom 22. Juli 2011 ((BGBl. I S. 1509), im Folgenden: a.F).
16
Die Frage der Begründetheit einer Anfechtungsklage beurteilt sich nach der Sach- und Rechtslage, auf die es nach dem Streitgegenstand und dem darauf anwendbaren materiellen Recht ankommt (st. Rspr., vgl. BVerwG, B.v. 21.12.1989 – 7 B 21.89 – juris Rn. 5; U.v. 15.11.2007 – 1 C 45.06 – juris Rn. 13). Hiernach war auf den Zeitpunkt der Anordnung des Baugebots, d.h. den 20. Dezember 2012 abzustellen. Dies ergibt sich § 175 Abs. 2 BauGB a.F., wonach die alsbaldige Durchführung der Maßnahmen erforderlich sein muss. Die Erforderlichkeit aus städtebaulichen Gründen muss zum Zeitpunkt der Anordnung des Baugebots bestehen (Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger/Stock, 151. EL August 2023, BauGB § 175 Rn. 2; Schröster/Möller, 9. Aufl. 2019, BauGB, § 175 Rn. 24).
II.
17
Der streitgegenständliche Bescheid erweist sich als rechtswidrig, da die Voraussetzungen für die Anordnung eines Baugebots gem. § 176 Abs. 1 BauGB a.F. i.V.m. § 175 Abs. 2 BauGB a.F. nicht vorliegen.
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Im Geltungsbereich eines Bebauungsplans kann die Gemeinde den Eigentümer durch Bescheid verpflichten, innerhalb einer zu bestimmenden angemessenen Frist sein Grundstück entsprechend den Festsetzungen des Bebauungsplans zu bebauen (§ 176 Abs. 1 Nr. 1 BauGB a.F.) oder ein vorhandenes Gebäude oder eine vorhandene sonstige bauliche Anlage den Festsetzungen des Bebauungsplans anzupassen (§ 176 Abs. 1 Nr. 1 BauGB a.F.). Die Anordnung eines Baugebots gemäß § 176 BauGB a.F. setzt weiterhin voraus, dass die alsbaldige Durchführung der Maßnahmen aus städtebaulichen Gründen erforderlich ist, § 175 Abs. 2 Halbsatz 1 BauGB a.F.
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1. Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt, da der zugrunde liegende Bebauungsplan „…Straße“ unwirksam ist (a) und die Anordnung des Baugebotes nicht erforderlich ist (b).
20
a) Der Bebauungsplan „…Straße“ ist unwirksam, der dieser Bebauungsplan dem Grundsatz der Erforderlichkeit gem. § 1 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 1 BauGB a.F. widerspricht.
21
Nach § 1 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 1 BauGB a.F. haben die Gemeinden Bauleitpläne aufzustellen, sobald und soweit es für die städtebauliche Entwicklung und Ordnung erforderlich ist. Die Gemeinde ist planungsbefugt, wenn sie hierfür hinreichend gewichtige städtebauliche Allgemeinbelange ins Feld führen kann. Welche städtebaulichen Ziele sie sich setzt, liegt in ihrem planerischen Ermessen, d.h. sie ist ermächtigt, eine „Städtebaupolitik“ entsprechend ihren städtebaulichen Ordnungsvorstellungen zu betreiben (vgl. BVerwG, B.v. 11.5.1999 – 4 BN 15.99 – BayVBl 2000, 23). Voraussetzung für die Erforderlichkeit des Bebauungsplans ist, dass der Planung ein realisierbares städtebauliches Konzept zugrunde liegt und der Bebauungsplan der Verwirklichung dieses Konzepts dient (vgl. z.B. BayVGH, U.v. 10.7.2018 – 1 N 15.938 – BayVBl. 2019, 307 – juris Rn. 20 m.w.N.). Der Bauleitplan und seine Festsetzungen müssen Aussicht auf Verwirklichung haben (Battis in Battis/ Krautzberger/Löhr, BauGB, 14. Aufl. 2019, § 1 Rn. 26a m.w.N.). Eine Planung, deren Umsetzung objektiv vor nicht überwindbaren Hindernissen steht oder deren Umsetzung die planende Gemeinde für einen völlig unbestimmten Zeitraum als offen ansieht, vermag die Aufgabe der verbindlichen Bauleitplanung nicht zu erfüllen und verfehlt mithin ihren gestaltenden Auftrag. Nicht erforderlich – und damit unwirksam – sind daher Bebauungspläne bzw. einzelne Festsetzungen, wenn ihrer Verwirklichung auf unabsehbare Zeit rechtliche oder tatsächliche Hindernisse im Wege stehen (BVerwG, U.v. 21.3.2002 – 4 CN 14.00 – BVerwGE 116, 144 – juris Rn. 10 f.; U.v. 18.3.2004 – 4 CN 4.03 – BVerwGE 120, 239 – juris Rn. 9; U.v. 27.3.2013 – 4 C 13.11 – BVerwGE 146, 137 – juris Rn. 9; U.v. 27.3.2013 – 4 CN 6.11 – BauR 2013, 1402 – juris Rn. 9; U.v. 25.6.2014 – 4 CN 4.13 – BVerwGE 150, 101 – juris Rn. 14; U.v. 5.5.2015 – 4 CN 4.14 – NVwZ 2015, 1537 – juris Rn. 10; BayVGH, B.v. 26.6.2017 – 1 NE 17.716 – juris Rn.10; OVG Rh-Pf, U.v. 19.2.2009 – 1 C 10256/08 – BRS 74 Nr. 14 – juris Rn. 30; zur unzulässigen „Vorratsplanung“ vgl. BVerwG, U.v. 18.3.2004 a.a.O. juris Rn. 10 f.; B.v. 26.1.2010 – 4 B 43.09 – ZfBR 2010, 376 – juris Rn. 10 f.; BayVGH, U.v. 6.7.2005 – 2 N 02.1114 – juris Rn. 18; U.v. 17.3.2015 – 15 N 13.972 – juris Rn. 24 f.; U.v. 28.4.2017 – 15 N 15.967 – juris Rn. 60; OVG Berlin-Bbg., U.v. 10.8.2010 – OVG 10 A 14.07 – NVwZ-RR 2010, 956 – juris Rn. 52). Das Tatbestandsmerkmal der Erforderlichkeit gilt nicht nur für den Anlass, sondern auch für den Inhalt des Plans und damit für jede seiner Festsetzungen (vgl. BVerwG, U.v. 31.8.2000 – 4 CN 6.99 – DVBl 2001, 377).
22
Hieran gemessen war die Bauleitplanung nicht erforderlich. Nach der Begründung für den Bebauungsplan „…Straße“ vom 16. Dezember 2010 war es das Planungsziel, städtebauliche Missstände im Bereich der Innenstadt zu beseitigen und die Attraktivität der Altstadt zu erhöhen. Um die städtebaulichen Missstände zu beseitigen, wurde „die leer stehende Brachfläche …Straße 4,6 und 8 sowie …gasse 4 baurechtlich überplant“ (vgl. 1. II und 1. III. der Begründung für den Bebauungsplan).
23
Das mit dem Bebauungsplan verfolgte Ziel, die städtebaulichen Missstände zu beseitigen, kann jedoch durch die Festsetzung eines gerade einmal 1.000 m² umfassenden Gebietes nicht erreicht werden. Die Beteiligten haben in der mündlichen Verhandlung übereinstimmend vorgetragen, dass es zum Zeitpunkt der Aufstellung des Bebauungsplans weitere Gebäudekomplexe im Kernbereich der Innenstadt gab, die sanierungsbedürftig waren.
24
Hierfür sprechen auch die Satzung über die förmliche Festsetzung des Sanierungsgebietes II A „…“ vom 25.10.1989 (im Folgenden: Sanierungsatzung) und die Satzung über die Gestaltung von baulichen Anlagen in der Innenstadt vom 21.07.2006, zuletzt durch Satzung vom 8. Dezember 2017 geändert (im Folgenden: Gestaltungssatzung)
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Nach § 1 der Sanierungsatzung bestehen in dem insgesamt 34,4 ha umfassenden Sanierungsgebiet städtebauliche Missstände. Auch der Geltungsbereich der Gestaltungssatzung umfasst die gesamte Innenstadt und entspricht dem durch die Sanierungssatzung festgesetztem Sanierungsgebiet. Sanierungssatzung, Gestaltungssatzung und Bebauungsplan verfolgen demnach dasselbe städtebauliche Ziel, und zwar die Beseitigung von städtebaulichen Missständen in der S… Innenstadt. Die Festlegung eines Bebauungsplangebietes von ca. 1.000 m² erweist sich vor diesem Hintergrund als ungeeignet, denn die städtebaulichen Missstände umfassen nicht nur die streitgegenständlichen Grundstücke, sondern den Marktplatzbereich, den Altstadtbereich und die Vorstadt (vgl. Sanierungssatzung). Eine Verwirklichung der mit der Bauleitplanung verfolgten städtebaulichen Ziele ist daher aufgrund des geringen räumlichen Anwendungsbereichs des Bebauungsplans ausgeschlossen.
26
Die Bauleitplanung erweist sich auch deshalb als nicht erforderlich im Sinne des § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB a.F., weil die einzelnen Festsetzungen nicht geeignet sind, zur Verwirklichung der städtebaulichen Ziele beizutragen. Der Bebauungsplan enthält Festsetzungen zu Art und Maß der baulichen Nutzung sowie Festsetzungen zu Baulinien, Baugrenzen, Verkehrsflächen und örtliche Bauvorschriften, insbesondere hinsichtlich der Dachform.
27
Die auf den streitgegenständlichen Grundstücken vorhandene Bestandsbebauung entspricht bereits all diesen Festsetzungen. Die Gebäude wurden bislang für Wohn- und Geschäftszwecke genutzt. Wohn-, Geschäfts- und Bürogebäude sind in dem als Mischgebiet festgesetzten Baugebiet gem. § 9 Abs. 1 und 2 BauNVO allgemein zulässig (vgl. I. 1.2, III. 1.2 des Bebauungsplans). Die entlang der …Straße und der Einmündung in die …gasse festgesetzten Baulinien sind eingehalten. Die Grundstücksflächen wurden vollständig überbaut. Die Bebauung hält die festgesetzten Baugrenzen sowie die Grundflächenzahl von 1,0 ein (vgl. I. 2.5, 3.; III. 2.5., 3. des Bebauungsplans). Die streitgegenständlichen Gebäude verfügen über jeweils 2 Vollgeschosse und überschreiten nicht die maximal zulässige Zahl der festgesetzten Vollgeschosse (vgl. I. 2.7; III. 2.7 des Bebauungsplans). Auch die maximale Firsthöhe von 14,0 m im MI 1 bzw. von 16,0 m im MI 2 wird eingehalten (vgl. I. 2.8; III. 2.8 des Bebauungsplans). Ausweislich der in dem Verfahren vorgelegten Bauvorlagen ergibt sich eine Firsthöhe von höchstens 10,80 m. Die vorhandene Dachform entspricht ebenfalls den Festsetzungen des Bebauungsplans. Die Gebäude sind mit einem Satteldach und straßenseitigem Giebel errichtet (vgl. III. 5.1 des Bebauungsplans).
28
b) Darüber hinaus ist die Anordnung eines Baugebotes nicht erforderlich im Sinne des § 175 Abs. 2 BauGB a.F.
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Gem. § 175 Abs. 2 BauGB a.F. darf ein Baugebot nur erlassen werden, wenn die alsbaldige Durchführung aus städtebaulichen Gründen erforderlich ist.
30
Die Erforderlichkeit aus städtebaulichen Gründen im Sinne des § 175 Abs. 2 Halbsatz 1 BauGB a.F. ist nicht mit der Erforderlichkeit der Planungspflicht aus § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB a.F. gleichzusetzen, sondern erfordert ein zusätzliches Zeitmoment. Liegt ein Bebauungsplan vor, müssen die städtebaulichen Gründe in ihrem Gewicht und ihrer Dringlichkeit über diejenigen hinausreichen, die den Bebauungsplan tragen (BVerwG. B.v. 3.8.1989 – 4 B 70/89; Battis/Krautzberger/Löhr/Mitschang, 15. Aufl. 2022, BauGB § 175 Rn. 5). Erforderlich ist die Anordnung eines städtebaulichen Gebots, wenn der mit dem Baugebot verfolgte Zweck nicht auf andere, weniger belastende Weise bewirkt werden kann (BeckOK BauGB/Oehmen, 60. Ed. 1.10.2023, BauGB § 175 Rn. 5). Dies ist beispielsweise der Fall, wenn die Schließung einer Baulücke erforderlich ist, um eine Verunstaltung des Straßen- oder Ortsbildes zu beseitigen oder wenn in der Gemeinde ein dringender Bedarf an Baugrundstücken besteht (BT-Drucks. 9/746, 16).
31
Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall nicht erfüllt. Eine besondere Dringlichkeit ist schon deshalb nicht erkennbar, weil die Beklagte darauf verzichtet hat, für die Umsetzung des Baugebotes eine Frist anzuordnen. Die Beklagte ordnete lediglich an, innerhalb von 2 Monaten einen Planungsauftrag vorzulegen sowie innerhalb von 6 Monaten nach Bestandskraft des Bescheids entsprechende Bauvorlagen einzureichen (Ziffer 2 a) und b) des Bescheids). Auf eine Fristsetzung hinsichtlich des Baugebots in Ziffer 1 des streitgegenständlichen Bescheides wurde ausdrücklich verzichtet.
32
Die Anordnung einer angemessenen Frist gemäß § 176 Abs. 1 BauGB a.F. ist jedoch notwendiger Inhalt eines Baugebots. Denn erst nach Ablauf der Frist kann ein unanfechtbares Baugebot im Wege der Vollstreckung durchgesetzt werden, insbesondere das Enteignungsverfahren gem. § 85 Abs. 1 Nr. 5 BauGB eingeleitet werden (vgl. Schrödter/Möller, 9. Aufl. 2019 BauGB, § 176 Rn. 26).
33
Zudem liegen keine städtebaulichen Gründe vor, die in ihrem Gewicht über die für die Aufstellung des Bebauungsplans „…Straße“ sprechenden Gründe hinausgehen. Zur Begründung des Baugebots wird im streitgegenständlichen Bescheid ausgeführt, dass das öffentliche Interesse an der Herstellung eines erträglichen Straßen- und Ortsbildes überwiege. Die bestehenden Gebäude würden das Straßenbild in erheblichem Maße beeinträchtigen. Das städtebauliche Ziel, das Ortsbild zu verbessern und Verunstaltungen aufgrund von städtebaulichen Missständen zu beseitigen, stellt zwar einen anerkannten städtebaulichen Grund im Sinne des § 176 BauGB a.F. dar. Allerdings entspricht dieser städtebauliche Grund bereits den Planungszielen des Bebauungsplans. Nach der Begründung des Bebauungsplans war es die städtebaulich Zielsetzung, städtebauliche Missstände im Altstadtkern zu beseitigen.
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Ein über die Ziele der Bauleitplanung hinausgehendes Interesse der Beklagten an der Anordnung eines Baugebotes ist nicht erkennbar.
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3. Der angefochtene Bescheid ist weiter rechtswidrig, weil die Anordnung eines Baugebots gemäß § 176 Abs. 1 Nr. 1 BauGB a.F. nur bei unbebauten Grundstücken in Betracht kommt.
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§ 176 Abs. 1 BauGB a.F. regelt mehrere Varianten eines Baugebotes. Das Baugebot gemäß § 176 Abs. 1 Nr. 1 BauGB a.F. verpflichtet den Eigentümer, sein Grundstück entsprechend den Festsetzungen des Bebauungsplans zu bebauen (sog. Bebauungsgebot). Das Anpassungsgebot gemäß § 176 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BauGB a.F. kann hingegen angeordnet werden, wenn die vorhandene Bebauung an die Festsetzungen des Bebauungsplans angepasst werden soll (Dürsch/Rixner in: Rixner/Biedermann/Charlier, BauGB/BauNVO, § 176 BauGB Rn. 2).
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Bereits aus dem Wortlaut der Varianten des § 176 Abs. 1 Satz 1 BauGB a.F. ergibt sich, dass das Bebauungsgebot nur bei unbebauten Grundstücken, das Anpassungsgebot gemäß § 176 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BauGB a.F. hingegen bei bebauten Grundstücken in Betracht kommt.
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Für dieses Verständnis spricht auch der Sinn und Zweck der Vorschrift, denn das Bebauungsgebot ist ein städtebauliches Instrument, um vorhandene Baulücken zu schließen (BT-Drucks. 9/746, 16, 25, vgl. BVerwG, B.v. 3.8.1989 – 4 B 70/89; U.v. 15.02.1990 – 4 C 41/87). Das Anpassungsgebot bezweckt hingegen, dass „vorhandene Gebäude oder sonstige bauliche Anlagen erweitert [werden]“ (vgl. zu § 17 Bundesbaugesetz: BT-Drucks. 6/510, 36).
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Schließlich ergibt sich auch aus der systematischen Stellung des § 176 BauGB a.F., dass ein Bebauungsgebot gem. § 176 Abs. 1 Nr. 1 BauGB a.F. die Neuerrichtung einer nicht vorhandenen baulichen Anlage betrifft. Das Anpassungsgebot gemäß § 176 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BauGB a.F. hat, wie das Modernisierung- und Instandsetzungsgebot zur Behebung baulicher Missstände oder Mängel gemäß § 177 BauGB, die Änderung einer baulichen Anlage zum Gegenstand. Das Anpassungsgebot unterscheidet sich nur insofern vom Modernisierungs- und Instandsetzungsgebot, als das die vorhandene Bausubstanz, die vom Rechtsrahmen des Bebauungsplans abweicht, erweitert wird. Dies gilt unabhängig davon, ob Missstände oder bauliche Mängel vorhanden sind. Demgegenüber wird im Rahmen des Modernisierungs- und Instandsetzungsgebots die bauliche Grundsubstanz zwar geändert, sie bleibt aber äußerlich im Wesentlichen erhalten (Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger/Stock, 151. EL August 2023, BauGB § 176 Rn. 88).
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Dieser Auffassung steht auch nicht entgegen, dass § 176 Abs. 5 Satz 1 BauGB a.F. den Eigentümer im Falle eines Baugebot auch zur Beseitigung von vorhandener Bausubstanz verpflichtet, wenn die Durchführung des Baugebots nur nach Beseitigung einer baulichen Anlage oder von Teilen davon möglich ist.
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Diese Vorschrift dient nur der Verwaltungsvereinfachung, denn durch die Beseitigungspflicht nach § 176 Abs. 5 Satz 1 BauGB a.F. wird vermieden, dass die Behörde in einem ersten Schritt zunächst die Beseitigung anordnet und sodann in einem weiteren Schnitt die Herstellung bzw. Ergänzung eines Gebäudes anordnet (Dürsch/Rixner in: Rixner/Biedermann/Charlier, BauGB/BauNVO, § 176 BauGB Rn. 12). Hieraus ergibt sich jedoch nicht, dass im Falle einer Umsetzung des Baugebotes gemäß § 176 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BauGB a.F. regelmäßig auch der Abbruch baulicher Anlagen erforderlich sein wird.
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Dafür spricht auch, dass der Gesetzgeber bei der Neuschaffung dieser Vorschrift lediglich eine Regelung zur Kostentragung, Entschädigung sowie zur Verwaltungsvereinfachung treffen wollte und deshalb auf eine Differenzierung zwischen den unterschiedlichen Formen des Baugebots in § 176 Abs. 5 Satz 1 BauGB a.F. verzichtet hat. Dies ergibt sich aus der Gesetzesbegründung zur Einführung der Beseitigungspflicht durch die inhaltsgleiche Vorschrift des § 39 b Bundesbaugesetz (BBauGB). Hierzu führt der Gesetzgeber Folgendes aus:
„Eine Bebauung setzt oft den vorherigen Abbruch von baulichen Anlagen voraus. Abriß und Neubebauung stehen in solchen Fällen sowohl rechtlich als auch wirtschaftlich in einem untrennbaren Zusammenhang. Dem trägt der neue Absatz 5 Rechnung, der den Eigentümer in solchen Fällen – anders als nach § 39 d – zur Durchführung des Abbruchs und unter bestimmten Voraussetzungen zur Kostentragung verpflichtet.“ (BT-Drucks. 7/2496, 50)
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4. Aus denselben Erwägungen erweist sich die Anordnung des Baugebots auch als unverhältnismäßig, denn das Baugebot ist nicht geeignet, die städtebaulichen Gründe zu erreichen.
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Unterstellt, der Bebauungsplan „…Straße“ wäre wirksam und würde dem Gebot der Erforderlichkeit gemäß § 1 Abs. 3 BauGB a.F. genügen (vgl. II.1), so könnte die Beklagte mit der Anordnung des Baugebots nicht mehr erreichen, als ohnehin schon vorhanden ist. Die streitgegenständlichen Grundstücke sind bereits bebaut und die Bebauung entspricht den Festsetzungen des Bebauungsplans (vgl. II. 1. a)).
III.
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Die in Ziffer 2 a) und b) angeordneten Pflichten zur Vorlage eines Planungsauftrags und zur Einreichung von Bauvorlagen erweisen sich ebenfalls als rechtswidrig.
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Nach § 176 Abs. 7 BauGB a.F. kann mit dem Baugebot die Verpflichtung verbunden werden, innerhalb einer zu bestimmenden angemessenen Frist den für eine bauliche Nutzung des Grundstücks erforderlichen Antrag auf Erteilung einer bauaufsichtlichen Genehmigung zu stellen. Durch diese Regelung wird lediglich klargestellt, dass das Baugebot mit einem Bauantragsgebot verbunden werden kann. Denn das Baugebot enthält nicht gleichzeitig auch die bauplanungsrechtliche Zulässigkeitsentscheidung für die Durchführung der angeordneten Bebauung. Allerdings würde das Baugebot ins Leere laufen, wenn der Grundstückseigentümer nicht zugleich verpflichtet werden würde, die zu seiner Realisierung notwendigen Mitwirkungshandlungen vorzunehmen (BVerwG, U.v. 15.02.1990 – 4 C 41/87).
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Voraussetzung für die Anordnung zur Stellung eines Bauantrags gemäß § 176 Abs. 7 BauGB a.F. ist u.a. die Rechtmäßigkeit des Baugebots gemäß § 176 Abs. 1 BauGB a.F. Das angeordnete Baugebot erweist sich jedoch als rechtswidrig, weshalb auch die Anordnung zur Stellung eines Bauantrags rechtswidrig ist.
IV.
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Die Rechtswidrigkeit der Grundverfügungen in Ziffer 2 a) und b) des streitgegenständlichen Bescheids führt zur Rechtswidrigkeit der darauf aufbauenden Zwangsgeldandrohungen in Ziffer 3 a) und b) des angefochtenen Bescheids.
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Nach alledem war der Bescheid vom 20. Dezember 2012 aufzuheben und die Kosten des Verfahrens waren der Beklagten aufzuerlegen, vgl. § 154 Abs. 1 VwGO.
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Die Entscheidung bezüglich der vorläufigen Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.