Inhalt

VG Ansbach, Beschluss v. 14.12.2023 – AN 10 S 23.2292
Titel:

Erfolgloser einstweiliger Rechtsschutz gegen den Entzug der Fahrerlaubnis wegen verbotener Kraftfahrzeugrennen; Bindungswirkung der Fahrerlaubnisbehörde an die strafgerichtliche Entscheidung

Normenketten:
FeV § 11 Abs. 3 S. 1 Nr. 5, Abs. 8, § 46 Abs. 1
StVG § 3 Abs. 4
StGB § 69, § 69a, § 315d
JGG § 2
Leitsätze:
1. Eine Bindungswirkung der Verwaltungsbehörde an die strafgerichtliche Entscheidung gem § 3 Abs. 4 StVG lässt sich nur dann rechtfertigen, wenn sich eine Beurteilung der Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen „hinreichend sicher“ aus den schriftlichen Urteilsgründen entnehmen lässt. (Rn. 39) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Entscheidung des Strafgerichts, einen Entzug der Fahrerlaubnis gem § 69 StGB nicht auszusprechen, lässt allein aber nicht den Schluss zu, dass damit gleichzeitig die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen bejaht wird. Mithin besteht keine Bindung der Fahrerlaubnisbehörde, wenn das Strafgericht zwar ausdrücklich von einer Entziehung der Fahrerlaubnis absieht, in den schriftlichen Urteilsgründen aber unklar bleibt, ob es überhaupt die Kraftfahreignung des Angeklagten eigenständig beurteilt hat. (Rn. 39) (redaktioneller Leitsatz)
3. So ist die Bindungswirkung des § 3 Abs. 4 StVG beispielsweise zu verneinen, wenn das Strafgericht unter Hinweis auf den Zeitablauf ausführt, dass jetzt jedenfalls nicht mehr festgestellt werden könne, dass der Angeklagte weiterhin ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen sei. In einem solchen Fall enthält sich das Strafgericht einer eigenen Bewertung der Kraftfahreignung und lässt die Frage letztlich offen. (Rn. 39) (redaktioneller Leitsatz)
4. Erst Recht greift keine Bindungswirkung, wenn eine Entscheidung nach § 69 StGB zwar geboten gewesen wäre, das Strafgericht aber eine Entscheidung – aus welchen Gründen auch immer – unterlassen hat. Eine Unterscheidung zwischen positiver Feststellung der Eignung („ist geeignet“) und negativer Feststellung der Ungeeignetheit („ist nicht ungeeignet“) findet nicht statt bzw. ist rechtlich gleichwertig. (Rn. 39) (redaktioneller Leitsatz)
5. Hat ein Antragsteller über einen großen Zeitraum wiederholt die Verkehrssicherheit erheblich gefährdende Straftaten (§ 315d StGB) begangen und lag der Fahrerlaubnisentzug daher „auf der Hand“, ist für die Annahme einer Bindungswirkung iSv § 3 Abs. 4 S. 1 StVG zumindest ein Minimum an inhaltlichen Ausführungen in den Urteilsgründen zu fordern, ob und mit welchem Ergebnis das Strafgericht die Kraftfahreignung beurteilt hat. (Rn. 40) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Bindungswirkung eines amtsgerichtlichen Urteils im Jugendstrafrecht, Verbotene Kraftfahrzeugrennen, Fahrerlaubnisbehörde, strafgerichtliche Entscheidung, Entziehung der Fahrerlaubnis, Absehen, Bindungswirkung, Jugendlicher, Erziehungsgedanke
Fundstellen:
VRS , 103
BeckRS 2023, 41774
LSK 2023, 41774

Tenor

1. Der Antrag wird abgelehnt.
2. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Der Streitwert wird auf 3.750,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
1
Der Antragssteller wendet sich im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes gegen den Entzug seiner Fahrerlaubnis.
2
Der Antragsteller war Inhaber einer Fahrerlaubnis der Klassen A2, A1, AM, B und L.
3
Durch Mitteilung des Amtsgerichts … vom 1. März 2023 erhielt die Antragsgegnerin davon Kenntnis, dass der Antragsteller mit rechtskräftigem Urteil vom 14. Februar 2023 wegen verbotenen Kraftfahrzeugrennen in drei Fällen und des vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis mit Urkundenfälschung in Tateinheit mit vorsätzlichem Gebrauch eines Fahrzeugs ohne Haftpflichtversicherungsvertrag zu einer Geldstrafe von 1.200,00 € und einem dreimonatigen Fahrverbot verurteilt wurde (Az. …*). Die Taten fanden im Zeitraum zwischen … 2020 und … 2022 statt.
4
In der Strafzumessung des zuvor genannten Urteils ist wörtlich folgendes ausgeführt:
„Mit Blick auf die Tatbestände verbotenes Kraftfahrzeugrennen gemäß § 315 d Abs. 1 Nr. 2 StGB ist als Regelbeispiel nach §§ 69, 69a StGB grundsätzlich die Entziehung der Fahrerlaubnis vorgesehen.
Nach Jugendstrafrecht kommt allerdings nach § 2 JGG dem Erziehungsgedanken eine vorrangige Rolle dazu und zusätzlich ist die Geeignetheit bzw. Ungeeignetheit zum Führen der Fahrerlaubnis im Hauptverhandlungstermin zu prüfen.
In Zusammenschau der Jugendamtsberichte und dem Eindruck in der Hauptverhandlung wäre der Entzug der Fahrerlaubnis für beide Angeklagte nicht-angemessen und deren weiteren beruflichen und persönlichen Entwicklung extrem kontraproduktiv.
Daher hat sich das Gericht entschlossen es bei Fahrverboten bewenden zu lassen.“
5
Die Antragsgegnerin ordnete aufgrund der Erkenntnisse aus diesem Urteil mit Schreiben vom 5. April 2023 die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens einer amtlich anerkannten Begutachtungsstelle für Fahreignung zur Klärung der Fahreignung des Antragstellers im Hinblick auf die abgeurteilten Verkehrsstraftaten an. Die in dem medizinisch-psychologischen Gutachten zu klärende Fragestellung lautete:
„Ist trotz der aktenkundigen Straftaten im Zusammenhang mit dem Straßenverkehr zu erwarten, dass … künftig nicht erheblich oder wiederholt gegen verkehrsrechtliche Bestimmungen verstoßen wird?“
6
Nachdem Fristverlängerungen durch die Antragsgegnerin mehrfach gewährt wurden, führte der Prozessvertreter des Antragstellers mit Schriftsatz vom 8. September 2023 aus, dass das Amtsgericht in seinem Urteil bereits eine eigenständige Eignungsbeurteilung vorgenommen habe und die Fahrerlaubnisbehörde insoweit nicht zum Nachteil vom Inhalt des Urteils abweichen dürfe, weshalb die Gutachtensanordnung rechtswidrig sei.
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Mit Anhörungsschreiben vom 14. September 2023 wurde dem Antragsteller die Möglichkeit zur Stellungnahme hinsichtlich der beabsichtigen Entziehung der Fahrerlaubnis gegeben. Mit Schriftsatz vom 28. September 2023 wiederholte der Prozessvertreter seine bereits zuvor vorgebrachten Argumente hinsichtlich einer Bindungswirkung des Urteils des Amtsgerichts … Mit Schreiben vom 29. September 2023 erwiderte die Antragsgegnerin, dass eine Bindungswirkung nach § 3 Abs. 4 StVG nach ihrer Ansicht nicht greife. In den schriftlichen Urteilsgründen sei nicht zu erkennen, dass das Amtsgericht (Jugendgericht) eine Fahreignungsprognose gestellt habe. Vielmehr werde bei der Entscheidung auf den von Ihnen hinterlassenen Eindruck in der Hauptverhandlung und auf einen Jugendamtsbericht verwiesen. Insbesondere sei keine Prognose erkennbar, ob mit weiteren Zuwiderhandlungen im Straßenverkehr zu rechnen sei. Aufgrund der Schwere der begangenen Verkehrsstraftaten und der damit verbundenen Gefährdung der Allgemeinheit sei eine Eignungsüberprüfung geradezu geboten gewesen.
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Darauf wurde dem Antragsteller erneut eine Frist bis 6. Oktober 2023 zur Vorlage des medizinisch-psychologischen Gutachtens gesetzt. Mit Schriftsatz vom 5. Oktober 2023 brachte der Prozessvertreter erneut die Reichweite und den Umfang der Bindungswirkung des § 3 Abs. 4 StVG vor. Die Antragsgegnerin hielt an ihrer Rechtsauffassung fest und lehnte die Einstellung des Entzugsverfahrens ab. In der Strafzumessung des Urteils sei nur die soziale Komponente eines Fahrerlaubnisentzugs geprüft worden, eine Fahreignungsprognose sei jedoch ausdrücklich nicht gestellt worden.
9
Das medizinisch-psychologische Gutachten brachte der Antragsteller abermals nicht bei.
10
Mit Bescheid vom 9. Oktober 2023 – zugestellt am 13. Oktober 2023 – entzog die Antragsgegnerin dem Antragsteller die Fahrerlaubnis aller Klassen (Ziffer 1) und gab ihm auf, seinen Führerschein binnen einer Woche nach Zustellung des Bescheids bei ihr abzuliefern (Ziffer 2). Für den Fall der Nichtablieferung des Führerscheins wurde dem Antragsteller unmittelbarer Zwang angedroht (Ziffer 3). Die sofortige Vollziehung der Ziffern 1 und 2 des Bescheids wurde angeordnet (Ziffer 4). Schließlich wurden dem Antragsteller die Kosten des Entzugsverfahrens auferlegt (Ziffer 5). Da der Antragsteller das geforderte medizinisch-psychologische Gutachten nicht fristgerecht beigebracht habe, werde daher nach § 11 Abs. 8 FeV auf seine Nichteignung zum Führen von Kraftfahrzeugen geschlossen.
11
Der Antragsteller lieferte seinen Führerschein am 20. Oktober 2023 bei der Antragsgegnerin ab.
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Mit dem am 13. November 2023 bei Gericht eingegangen Schriftsatz erhob der Antragsteller gegen den zuvor genannten Bescheid vom 9. Oktober 2023 Klage. Zugleich begehrt der Antragsteller einstweiligen Rechtsschutz. Zur Begründung führt der Prozessvertreter aus, dass die in der Anordnung der medizinisch-psychologischen Begutachtung mitgeteilten Sachverhalte aus dem Urteil des Amtsgericht … vom 14. Februar 2023 nicht hätten herangezogen werden dürfen. Das Gericht habe bereits eine eigenständige Eignungsbeurteilung vorgenommen und sei zu dem Ergebnis gekommen, dass eine Ungeeignetheit beim Antragsteller nicht vorliege. Nach den Ausführungen des Gerichts sei nach Jugendstrafrecht neben dem Erziehungsgedanken eben auch zusätzlich die Geeignetheit bzw. Ungeeignetheit zum Führen der Fahrerlaubnis in der Hauptverhandlung zu prüfen. Hiermit werde klar, dass eine solche Prüfung im Hauptverhandlungstermin auch stattgefunden habe. Es bestehe insofern eine Bindungswirkung nach § 3 Abs. 4 StVG. Außerdem sei das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung nicht konkretisiert dargelegt worden. Der Antragsteller sei im … Ausbildungsjahr zum Kraftfahrzeugmechatroniker auf seine Fahrerlaubnis angewiesen.
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Er beantragt daher im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes:
1. Die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers vom 13. November 2023 gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 09. Oktober 2023, Az. …, gemäß § 80 Abs. 5 VwGO wiederherzustellen.
2. Der Antragsgegnerin aufzugeben, den vom Antragsteller am 20. Oktober 2023 abgegebenen Führerschein unverzüglich wieder an den Antragsteller herauszugeben und für den Fall bereits erfolgter Unbrauchbarmachung einen neuen Führerschein der Klassen A2+A1+AM+B+L auszustellen.
14
Die Antragsgegnerin beantragt (sinngemäß):
Der Antrag wird abgelehnt.
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Sie verweist auf die Begründung des streitgegenständlichen Bescheids bzw. vertieft diese.
16
Wegen der weiteren Einzelheiten wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die beigezogene Behördenakte sowie auf die Gerichtsakte verwiesen.
II.
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1. Der zulässige Antrag ist unbegründet.
18
Bei Orientierung am Klagebegehren (§§ 88, 122 Abs. 1 VwGO) ist davon auszugehen, dass sich der Antrag zu 1. nicht auch gegen die Ziffer 3 des streitgegenständlichen Bescheids richten soll. Selbst wenn der Antrag tatsächlich gegen diese Ziffer gerichtet sein sollte, wäre der Antrag insoweit unzulässig. Im Hinblick auf Ziffer 3 wäre der Antrag zwar gem. § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 1 VwGO i.V.m. Art. 21a VwZVG statthaft, jedoch mangels Rechtsschutzbedürfnis unzulässig, da der Antragsteller seinen Führerschein bereits am 20. Oktober 2023 abgegeben hatte. Damit ist die Verpflichtung aus Ziffer 2 des Bescheids bereits erfüllt. Es ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass die Antragsgegnerin die Vollstreckung entgegen der Vorschrift des Art. 37 Abs. 4 Satz 1 VwZVG gleichwohl betreiben wird (BayVGH, B.v. 5.2.2021 – 11 ZB 20.2611 – juris Rn. 23). Da der Prozessvertreter eine Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung beantragt hat, ist davon auszugehen, dass er sich auch nicht gegen Ziffer 5 des Bescheides wendet. Insofern wäre ein Eilantrag nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 1 VwGO jedenfalls im Übrigen auch unbegründet.
19
Der so verstandene Antrag ist zulässig.
20
Der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Hauptsacheklage gegen die Ziffern 1 und 2 des Bescheides ist gem. § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 2 VwGO statthaft, da es sich bei den Ziffern 1 und 2 des Bescheides um wirksame Verwaltungsakte (Art. 35 BayVwVfG) handelt, die aufgrund der Sofortvollzugsanordnung in Ziffer 4 des Bescheides (§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO) sofort vollziehbar sind. Insbesondere ist hinsichtlich Ziffer 2 (Abgabeverpflichtung) keine Erledigung durch die Abgabe des Führerscheins eingetreten, da diese den Rechtsgrund zum vorläufigen Behaltendürfen des Dokuments für die Antragsgegnerin darstellt (BayVGH, B.v. 12.2.2014 – 11 CS 13.2281 – juris Rn. 22). Der Antrag zu 2. ist als Antrag auf Vollzugsfolgenbeseitigung bzgl. Ziffer 2 des Bescheides gem. § 80 Abs. 5 Satz 3 VwGO statthaft, da das Gericht bei einer bereits erfolgten Vollziehung deren Aufhebung anordnen kann.
21
Sonstige Bedenken gegen die Zulässigkeit des Antrags bestehen nicht.
22
Der Antrag ist unbegründet.
23
Der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ist unbegründet, da die Sofortvollzugsandordnung in Ziffer 4 des Bescheides sich als formell rechtmäßig erweist und die vom Gericht vorzunehmende Interessenabwägung im vorliegenden Fall zugunsten der Antragsgegnerin ausfällt.
24
Die Sofortvollzugsanordnung in Ziffer 4 des Bescheides (§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO) ist formell rechtmäßig. Insbesondere genügt die Begründung den formellen Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO.
25
Die Behörde hat unter Würdigung des jeweiligen Einzelfalls darzulegen, warum sie abweichend vom Regelfall der aufschiebenden Wirkung, die Widerspruch und Klage grundsätzlich zukommt, die sofortige Vollziehbarkeit der Verwaltungsakte angeordnet hat. Nicht ausreichend sind lediglich formelhafte Begründungen. An den Inhalt der Begründung sind dabei keine zu hohen Anforderungen zu stellen (Hoppe in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 80 Rn. 55). Ob die in einer Sofortvollzugsanordnung genannten Gründe inhaltlich die Anordnung zu rechtfertigen vermögen, ist keine Frage des formellen Begründungserfordernisses gemäß § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO (vgl. BayVGH, B.v. 4.3.2019 – 22 CS 18.2310 – juris Rn. 11). Im Gefahrenabwehrrecht kann sich die Begründung für die Ordnungsverfügung selbst (Erlassinteresse) und diejenige für die Anordnung der sofortigen Vollziehung (Vollzugsinteresse) weitgehend decken. Wenn bei immer wiederkehrenden Sachverhaltsgestaltungen eine typische Interessenlage zugrunde liegt, kann sich die Behörde zur Rechtfertigung der Anordnung der sofortigen Vollziehung darauf beschränken, die für diese Fallgruppen typische Interessenlage aufzuzeigen und deutlich zu machen, dass diese Interessenlage nach ihrer Auffassung auch im konkreten Fall vorliegt. In Fällen des Fahrerlaubnisentzugs liegt in der Regel auf der Hand, dass die Teilnahme eines für ungeeignet erachteten Kraftfahrers am Straßenverkehr zu erheblichen Gefahren für Leben, Gesundheit und Eigentum anderer Verkehrsteilnehmer führt, und dass ein solcher Kraftfahrer zur Vermeidung der von ihm ausgehenden akuten Gefahr durch die Anordnung des Sofortvollzugs des Entziehungsbescheids schnellstmöglich von der weiteren Teilnahme am motorisierten Straßenverkehr auszuschließen ist (BayVGH B.v. 8.9.2015 – 11 CS 15.1634 – juris Rn. 6). Nach diesen Maßstäben ist nicht zu bestanden, wie die Antragsgegnerin die sofortige Vollziehung der Ziffern 1 und 2 des streitgegenständlichen Bescheids jeweils begründet hat. Hinsichtlich Ziffer 1 des Bescheids führt die Antragsgegnerin aus, dass das private Interesses des Antragstellers bis zu einer abschließenden Klärung der Rechtmäßigkeit des Bescheides aus Gründen der Gefahrenabwehr zurückstehen müsse. Sie sei davon überzeugt, dass der Antragsteller ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen sei und außerdem sei zu befürchten, dass der Antragsteller bis zur Bestandskraft des Bescheides weiterhin ein Kraftfahrzeug führen werde. Dazu komme, dass regelmäßig von einer Gefährdung der Allgemeinheit durch ungeeignete Kraftfahrer auszugehen sei. Der Sofortvollzug in Ziffer 2 erfolge zur Dokumentation mit Außenwirkung, dass der Antragsteller nicht mehr berechtigt sei, ein Kraftfahrzeug zu führen. Hierdurch könnten Polizeibeamte bei Verkehrskontrollen nicht mehr über eine bestehende Fahrerlaubnis getäuscht werden. Zugleich solle durch den Sofortvollzug mögliche Sicherheitsrisiken für andere Verkehrsteilnehmer reduziert werden.
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Die bei einem Antrag nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 2 VwGO vorzunehmende originäre Ermessensentscheidung des Gerichts fällt zugunsten der Antragsgegnerin aus.
27
Bei dieser Entscheidung ist das Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfs (Suspensivinteresse), also dem vorläufigen Weitergebrauch seiner Fahrerlaubnis bis zur Hauptsacheentscheidung, gegen das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung der Maßnahme (Vollzugsinteresse), also der Unterbindung der Teilnahme des Antragstellers am Straßenverkehr, gegeneinander abzuwägen. Das Gewicht der gegenläufigen Interessen wird vor allem durch die summarisch zu prüfenden Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache, aber auch durch die voraussichtlichen Folgen des Suspensiveffekts einerseits und der sofortigen Vollziehung andererseits bestimmt. Bei der Abwägung hat das Suspensivinteresse umso stärkeres Gewicht, je größer die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs sind. Dem Vollzugsinteresse ist hingegen umso größeres Gewicht beizumessen, je weniger Aussicht auf Erfolg der Rechtsbehelf hat.
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Nach diesen Maßstäben fällt die Interessenabwägung zugunsten der Antragsgegnerin aus, da die Erfolgsaussichten des Hauptsacherechtsbehelfs, der Klage vom 13. November 2023, gering ausfallen. Der streitgegenständliche Bescheid vom 9. Oktober 2023 erweist sich nach gebotener, aber auch ausreichender summarischer Prüfung voraussichtlich als rechtmäßig. Maßgeblicher Beurteilungszeitpunkt für die Rechtmäßigkeit des Bescheids (§ 113 Abs. 1 VwGO) ist die Sach- und Rechtslage bei Erlass des streitgegenständlichen Bescheids (VG München, B.v. 19.4 2018 – M 26 S 18.234 – juris Rn. 28).
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Die Antragsgegnerin durfte aus der Nichtbeibringung eines vom Antragsteller zu Recht geforderten medizinisch-psychologischen Gutachtens gemäß § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 Alt. 1 i.V.m. § 11 Abs. 8 FeV auf seine Nichteignung zum Führen von Kraftfahrzeugen schließen und diesem die Fahrerlaubnis gem. § 3 Abs. 1 Satz 1 StVG, § 46 Abs. 1 FeV entziehen.
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Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 StVG, § 46 Abs. 1 Satz 1 FeV hat die Fahrerlaubnisbehörde die Fahrerlaubnis zu entziehen, wenn sich deren Inhaber als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist. Werden Tatsachen bekannt, die Bedenken begründen, dass der Inhaber einer Fahrerlaubnis zum Führen von Kraftfahrzeugen ungeeignet oder nur bedingt geeignet ist, so finden gemäß § 46 Abs. 3 FeV die §§ 11 bis 14 FeV entsprechende Anwendung. Die Fahrerlaubnisbehörde hat dann unter den dort genannten Voraussetzungen weitere Aufklärung, insbesondere die Anordnung der Vorlage ärztlicher oder medizinisch-psychologischer Gutachten, zu betreiben (§ 3 Abs. 1 Satz 3 StVG, § 46 Abs. 3 FeV). Bedenken gegen die körperliche oder geistige Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen bestehen gem. § 11 Abs. 2 Satz 2 FeV insbesondere, wenn konkrete Tatsachen bekannt werden, die eine Erkrankung oder einen Mangel nach Anlage 4 oder 5 als naheliegend erscheinen lassen. Außerdem kann die Eignung dadurch ausgeschlossen sein, dass der Inhaber einer Fahrerlaubnis erheblich oder wiederholt gegen verkehrsrechtliche Vorschriften oder Strafgesetze verstößt, § 11 Abs. 1 Satz 3 FeV. Diese Tatsachen können sich aus Amtsermittlung der Behörde, aus Mitteilungen anderer Behörden oder von dritter Seite ergeben (BeckOK, StVR, § 11 FeV Rn. 10). Zur Klärung von Eignungszweifeln bei einer erheblichen Straftat, die im Zusammenhang mit dem Straßenverkehr steht, oder bei Straftaten, die im Zusammenhang mit dem Straßenverkehr stehen, kann die Fahrerlaubnisbehörde nach § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 FeV die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens anordnen.
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Weigert sich der Betroffene, sich untersuchen zu lassen, oder bringt er das von der Fahrerlaubnisbehörde geforderte Gutachten nicht fristgerecht bei, darf die Fahrerlaubnisbehörde bei ihrer Entscheidung auf die Nichteignung schließen (§ 11 Abs. 8 Satz 1 FeV). Hier hat der Antragsteller das zu Recht geforderte medizinisch-psychologische Gutachten nicht beigebracht.
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Ein Schluss auf die Nichteignung zum Führen von Kraftfahrzeugen ist jedoch nur zulässig, wenn die Anordnung des Gutachtens formell und materiell rechtmäßig, insbesondere anlassbezogen und verhältnismäßig ist (BayVGH, B.v. 23.8.2023 – 11 CS 23.980 – Rn. 14). An die Rechtmäßigkeit der Gutachtensanordnung sind dabei grundsätzlich strenge Maßstäbe anzulegen, weil der Antragsteller sie mangels Verwaltungsaktqualität nicht unmittelbar anfechten kann. Es ist gemäß § 11 Abs. 6 FeV Aufgabe der Fahrerlaubnisbehörde, die Beurteilungsgrundlage und den Beurteilungsrahmen selbst klar festzulegen. Der Betroffene muss der Gutachtensaufforderung entnehmen können, was konkret ihr Anlass ist und ob das Verlautbarte die behördlichen Zweifel an seiner Fahreignung zu rechtfertigen vermag.
33
Die Begutachtungsaufforderung der Fahrerlaubnisbehörde vom 5. April 2023 begegnet keinen rechtlichen Bedenken, da sie sowohl die formellen, als auch die materiellen Voraussetzungen erfüllt.
34
Die Begutachtungsaufforderung erfolgte formell ordnungsgemäß i.S.d. § 11 Abs. 6 u. 8 FeV. Insbesondere wurde dem Antragsteller der anlassgebende Sachverhalt – die Verkehrsstraftaten aus dem Urteil des Amtsgerichts … vom 14. Februar 2023 – unter Nennung der zutreffenden Rechtsgrundlage für die Aufforderung (§ 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 Alt. 1 FeV) genannt. Außerdem wurde dem Antragsteller eine bestimmte und aus Sicht des Gerichts angemessene Frist gesetzt, innerhalb derer er das medizinisch-psychologische Gutachten hätte beibringen müssen. Die ursprünglich mit Schreiben vom 19. April 2023 gesetzte Frist lief nach mehrfacher Verlängerung letztlich bis zum 6. Oktober 2023. Eine Frist von zwei Monaten ist dabei grundsätzlich ausreichend und angemessen, um das geforderte Gutachten anfertigen zu lassen (MüKo, StVR, § 11 FeV Rn. 112). Zuletzt enthielt die Aufforderung auch den erforderlichen Hinweis nach § 11 Abs. 8 Satz 2 FeV auf die Folgen der Nichtbeibringung eines medizinisch-psychologisches Gutachtens. Sonstige Bedenken gegen die formelle Rechtmäßigkeit bestehen nicht.
35
Die materiellen Voraussetzungen zur Anforderung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens nach § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 Alt. 1 FeV lagen im maßgeblichen Zeitpunkt der Begutachtungsanordnung vor.
36
Die Anordnung zur Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens beruhte auf den neuen Erkenntnissen der Fahrerlaubnisbehörde, welche sie durch Mitteilung des Amtsgerichts … vom 1. März 2023 bekam. Aus dem übermittelten rechtskräftigen Urteil konnte die Fahrerlaubnisbehörde entnehmen, dass der Antragsteller wegen verbotenen Kraftfahrzeugrennen in drei Fällen und des vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis mit Urkundenfälschung in Tateinheit mit vorsätzlichem Gebrauch eines Fahrzeugs ohne Haftpflichtversicherungsvertrag verurteilt wurde. Jedenfalls bei der Tat am … 2022 gegen … in der … in … handelte es sich um eine erhebliche Straftat im Zusammenhang mit dem Straßenverkehr i.S.v. § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 Alt. 1 FeV, da die zulässige Höchstgeschwindigkeit im Rahmen eines verbotenen Kraftfahrzeugrennens (§ 315d StGB) innerorts um 68 km/h überschritten wurde (Spitzengeschwindigkeit: 118 km/h). Die „Erheblichkeit“ der Straftat bezieht sich auf die Bedeutung der Straftat für die Bewertung der Fahreignung (Hentschel/König/Dauer, StVR, § 11 StVG Rn. 35b) und ist zu bejahen, da sowohl die Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit innerorts um mehr als das Doppelte, als auch die Durchführung eines Kraftfahrzeugrennens im öffentlichen Straßenverkehr auf möglicherweise fehlende geistige Anforderungen i.S.v. § 11 Abs. 1 FeV schließen lässt. Im Zusammenschau mit den anderen Verkehrsstraftaten ist es aus gerichtlicher Sicht nicht zu beanstanden, wenn die Antragsgegnerin Zweifel an der Fahreignung des Antragstellers hatte, v.a. da der Antragsteller über einen längeren Zeitraum (* … 2020 bis … 2022) wiederholt gleichartige Straßenverkehrsdelikte (Verbotene Kraftfahrzeugrennen) verwirklicht hatte. Bei vernünftiger, lebensnaher Betrachtung bestand hier die Besorgnis, dass der Antragsteller als Führer eines Kraftfahrzeugs nicht zur Teilnahme am Straßenverkehr geeignet sein könnte (vgl. BayVGH, B.v. 11.7.2022 – 11 CS 22.939 – juris Rn. 21). Die in der Begutachtungsaufforderung vom 5. April 2023 gestellte Frage begegnet damit keinen rechtlichen Bedenken, da mit dieser lediglich geklärt werden sollte, ob der Antragsteller trotz seinen aktenkundigen Straftaten im Zusammenhang mit dem Straßenverkehr künftig nicht erheblich oder wiederholt gegen verkehrsrechtliche Bestimmungen verstoßen wird.
37
Der Gutachtensaufforderung vom 5. April 2023 durch die Antragsgegnerin stand eine Bindungswirkung nach § 3 Abs. 4 Satz 1 StVG des Urteils des Amtsgerichts … vom 14. Februar 2023 nicht entgegen.
38
Nach § 3 Abs. 4 Satz 1 StVG kann die Fahrerlaubnisbehörde, die in einem Entziehungsverfahren einen Sachverhalt berücksichtigen will, der bereits Gegenstand der Urteilsfindung in einem Strafverfahren gegen den Inhaber der Fahrerlaubnis gewesen ist, zu dessen Nachteil von dem Inhalt des Urteils u.a. insoweit nicht abweichen, als es sich auf die Beurteilung der Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen bezieht. Diese Bindungswirkung gilt dabei nicht nur für die Entziehung selbst, sondern nach ihrem Sinn und Zweck für das gesamte Entziehungsverfahren unter Einschluss der vorbereitenden Maßnahmen, sodass in derartigen Fällen die Behörde schon die Beibringung eines Gutachtens nicht anordnen darf (BayVGH, B.v. 28.1.2022 – 11 CS 21.2171 – juris Rn. 13).
39
Der Anwendungsbereich des § 3 Abs. 4 StVG war vorliegend eröffnet, da die Behörde denselben Sachverhalt herangezogen hatte, der auch bereits im Urteil des Amtsgerichts vom 14. Februar 2023 festgestellt wurde (BVerwG, U.v. 15.7.1988 – 7 C 46/87 – juris Rn. 11). Auch wäre in dem zuvor genannten Urteil eine Entziehung der Fahrerlaubnis nach § 69 StGB in Betracht gekommen, da § 315d StGB (Verbotene Kraftfahrzeugrennen) als Regelbeispiel in § 69 Abs. 2 StGB aufgeführt ist (vgl. OVG Berlin-Bbg, B.v. 16.8.2016 – OVG 1 S 52.16 – juris Rn. 5). Eine Bindungswirkung lässt sich allerdings nur dann rechtfertigen, wenn sich eine Beurteilung der Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen „hinreichend sicher“ aus den schriftlichen Urteilsgründen entnehmen lässt (BVerwG, a.a.O. Rn. 15; BayVGH, B.v. 28.1.2022 – 11 CS 21.2171 – juris Rn. 13; OVG Lüneburg, B.v. 20.7.2016 – 12 ME 108/16 – juris Rn. 10; OVG Münster, B.v. 25.06.2012 – 16 B 711/12 – juris Rn. 3; Hentschel/König/Dauer, StVR, § 3 StVG Rn. 59). Schon aus dem Wortlaut des § 3 Abs. 4 Satz 1 StVG ergibt sich, dass sich der Inhalt des Urteils auf die „Eignung“ zum Führen von Kfz „beziehen“ muss (BeckOK, StVR, § 3 StVG Rn. 103). Sinn und Zweck des § 3 Abs. 4 FeV ist sowohl die Vermeidung überflüssiger und aufwendiger Doppelprüfungen, als auch die Vermeidung widersprechender Entscheidungen durch den Strafrichter und die Fahrerlaubnisbehörde (BVerwG, a.a.O. Rn. 11). Die Entscheidung des Strafgerichts, einen Entzug der Fahrerlaubnis gem. § 69 StGB nicht auszusprechen, lässt allein aber nicht den Schluss zu, dass damit gleichzeitig die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen bejaht wird. Mithin besteht keine Bindung der Fahrerlaubnisbehörde, wenn das Strafgericht zwar ausdrücklich von einer Entziehung der Fahrerlaubnis absieht, in den schriftlichen Urteilsgründen aber unklar bleibt, ob es überhaupt die Kraftfahreignung des Angeklagten eigenständig beurteilt hat. Ist dies nicht der Fall oder bestehen auch nur Unklarheiten, so wäre es mit der den Fahrerlaubnisbehörden im Interesse der Verkehrssicherheit übertragenen Ordnungsaufgabe nicht zu vereinbaren, ihnen die Möglichkeit zu nehmen, durch Anordnungen i.S.d. §§ 11 ff. FeV Klarheit über die zweifelhaft gebliebene Eignung des verurteilten Kraftfahrers zu schaffen. (BVerwG, a.a.O. Rn. 15). So ist die Bindungswirkung des § 3 Abs. 4 StVG beispielsweise zu verneinen, wenn das Strafgericht unter Hinweis auf den Zeitablauf ausführt, dass jetzt jedenfalls nicht mehr festgestellt werden könne, dass der Angeklagte weiterhin ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen sei. In einem solchen Fall enthält sich das Strafgericht einer eigenen Bewertung der Kraftfahreignung und lässt die Frage letztlich offen (BVerwG, a.a.O. Rn. 13). Erst Recht greift keine Bindungswirkung, wenn eine Entscheidung nach § 69 StGB zwar geboten gewesen wäre, das Strafgericht aber eine Entscheidung – aus welchen Gründen auch immer – unterlassen hat (Hentschel/König/Dauer, StVR, § 3 StVG Rn. 58). Eine Unterscheidung zwischen positiver Feststellung der Eignung („ist geeignet“) und negativer Feststellung der Ungeeignetheit („ist nicht ungeeignet“) findet nicht statt bzw. ist rechtlich gleichwertig (BVerwG, a.a.O. Rn. 12).
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Nach diesen Grundsätzen lässt sich dem Urteil des Amtsgerichts … vom 14. Februar 2023 eine Eignungsprognose, die eine Bindungswirkung des § 3 Abs. 4 StVG auslösen würde, nicht mit hinreichender Sicherheit entnehmen. Nach Auffassung der Kammer genügen die Ausführungen im Strafurteil nicht den Anforderungen des Bundesverwaltungsgerichts, die im Rahmen des § 3 Abs. 4 StVG zu stellen sind. Das Amtsgericht war sich zwar der Anwendbarkeit der §§ 69, 69a StGB bewusst und führte darauf die Rolle des Erziehungsgedankens nach § 2 JGG auf, wobei zusätzlich „die Geeignetheit bzw. Ungeeignetheit zum Führen der Fahrerlaubnis im Hauptverhandlungstermin zu prüfen“ sei. Jedoch ist für das Verwaltungsgericht anschließend keine klare Begründung i.S.e. positiven Fahreignungsprognose erkennbar. Unter Bezugnahme auf die Jugendamtsberichte und den Eindruck des Antragstellers in der Hauptverhandlung beurteilte das Strafgericht einen Entzug der Fahrerlaubnis für den Antragsteller als nicht angemessen und im Hinblick auf seine berufliche und persönliche Entwicklung als extrem kontraproduktiv. Ob mit der Würdigung allein die Rechtsfolgen eines Fahrerlaubnisentzugs vor dem Hintergrund des Erziehungsgedankens (§ 2 JGG) angesprochen werden sollten, um damit eine (aufwendigere) Beurteilung der Fahreignung des Antragstellers nicht vornehmen zu müssen oder ob der Strafrichter gedanklich tatsächlich eine Fahreignungsprüfung vorgenommen hat und letztlich nur das Ergebnis niedergeschrieben hat, ist fraglich. Jedenfalls findet sich in den schriftlichen Urteilsgründen keine auch nur knappe Begründung einer Kraftfahreignung des Antragstellers, sondern nur das Ergebnis der Strafzumessung, wieder. Insoweit wäre vor dem Hintergrund des § 267 Abs. 6 Satz 2 StPO eine Begründung des Strafgerichts zu erwarten gewesen, um einen Eintritt der Bindungswirkung überprüfen zu können (BVerwG, a.a.O. Rn. 11). Nach dieser strafprozessualen Vorschrift muss sich aus den Urteilsgründen stets ergeben, weshalb die Fahrerlaubnis als Maßregel nicht entzogen wurde, obwohl dies nach der Art der Straftat in Betracht kam, etwa, weil ein Regelbeispiel des § 69 Abs. 2 StGB erfüllt war. Die Anforderungen an diese Begründung richten sich stets nach den konkreten Umständen des Einzelfalls, also nach den abgeurteilten Straftaten (BGH, B.v. 27.4.2005 – GSSt 2/04 – NJW 2005, 1957). Je naheliegender ein Entzug der Fahrerlaubnis ist, desto umfangreicher muss die Begründung des Urteils ausfallen, weshalb hier von der Verhängung der Maßregel abgesehen wird. Angesichts der Tatsache, dass der Antragsteller über einen großen Zeitraum wiederholt die Verkehrssicherheit erheblich gefährdende Straftaten (§ 315d StGB) begangen hat und der Fahrerlaubnisentzug daher hier „auf der Hand“ lag (vgl. SächsOVG, B.v. 2.7.2017 – 3 B 95/17 – juris Rn. 15), ist nach Rechtsauffassung der Kammer für die Annahme einer Bindungswirkung i.S.v. § 3 Abs. 4 Satz 1 StVG zumindest ein Minimum an inhaltlichen Ausführungen in den Urteilsgründen zu fordern, ob und mit welchem Ergebnis das Strafgericht die Kraftfahreignung beurteilt hat (vgl. OVG Münster, a.a.O. Rn. 7, wonach es für eine Bindungswirkung ausreichend ist, wenn das Strafgericht Folgendes ausführt: „Der Zeitraum von 13 Monaten war ausreichend, um die Allgemeinheit vor dem zum Führen von Kraftfahrzeugen seinerzeit charakterlich ungeeigneten Angeklagten zu schützen“ oder OVG Saarl, B.v. 9.8.2023 – 1 B 75/23 – juris Rn. 19, wonach es nicht zu bestanden ist, wenn das Strafgericht ausführt, dass nicht festzustellen sei, dass der Antragsteller zum Führen von Kraftfahrzeugen ungeeignet sei). Mit diesen obergerichtlichen Urteilen vergleichbare Begründungen hinsichtlich der charakterlichen Fahreignung des Antragstellers finden sich hier im Urteil des Amtsgerichts … vom 14. Februar 2023 nicht in einem für die Kammer ausreichenden Umfang, da der Begriff der „Eignung“ nach den abstrakten Ausführungen nicht einmal beiläufig angesprochen wird. Das Strafgericht verweist hier lediglich auf die Jugendamtsberichte und den Eindruck des Antragstellers in der Hauptverhandlung im Rahmen einer rechtsfolgenorientierten Strafzumessung, in der es im Ergebnis von dem Entzug der Fahrerlaubnis absieht. Nach dem oben Gesagten lässt die (Rechtsfolgen-)Entscheidung, vom Entzug der Fahrerlaubnis gem. § 69 StGB abzusehen, aber allein noch nicht den Schluss zu, dass damit gleichzeitig die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen bejaht wurde. Letztlich wird diese Verneinung der Bindungswirkung auch vom Sinn und Zweck des § 3 Abs. 4 StVG, insbesondere die Vermeidung von Doppelprüfungen und sich widersprechenden Entscheidungen, getragen. Solche Gefahren bestehen aber gerade nicht, wenn sich einem strafgerichtlichen Urteil derart wenig zur Frage des Fahrerlaubnisentzugs findet.
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Die Antragsgegnerin hat ihr im Rahmen des § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 FeV bestehendes Ermessen ordnungsgemäß ausgeübt. Sie führt in der Anordnung vom 5. April 2023 insbesondere aus, dass die vom Antragsteller begangenen Verkehrsstraftaten eine deutliche Missachtung grundsätzlicher Regeln der Straßenverkehrsordnung gezeigt haben und eine Neigung zu bedenkenloser Durchsetzung eigener Interessen ohne Rücksicht auf berechtigte Interessen anderer erkennen ließen. Dadurch habe der Antragsteller durch sein Verhalten andere Verkehrsteilnehmer/-innen und sich selbst gefährdet. Daher sei durch ein medizinisch-psychologische Untersuchung abzuklären, ob beim Antragsteller eine stabile Verhaltensänderung eingetreten sei und von einer zukünftig regelkonformen und verantwortungsbewussten Verkehrsteilnahme ausgegangen werden könne. Die Ermessenserwägungen stehen allesamt im Einklang mit dem Zweck der Ermächtigungsgrundlage, der Abklärung von Eignungszweifeln beim Betroffenen bei Straftaten im Zusammenhang mit dem Straßenverkehr. Die Ausführungen waren hier ausreichend einzelfallbezogen, da es sich hier um einen relativ eindeutigen Fall gehandelt hat. Insofern hat sich das Entschließungsermessen der Behörde tatsächlich beinahe auf Null reduziert (vgl. Hentschel/König/Dauer, StVR, § 11 StVG Rn. 24a). Auch wenn sich die Behörde nicht ausdrücklich mit dem Verhältnis von § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 FeV zum Fahreignungsbewertungssystem auseinandersetzt (vgl. § 4 Abs. 1 Satz 3 StVG), genügen die aufgeführten Ermessenserwägungen den nach obergerichtlicher Rechtsprechung hieran zu stellenden Anforderungen, da sich aus der Begutachtensaufforderung der Fahrerlaubnisbehörde ergibt, dass sie den vorliegenden Sachverhalt für einen Sonderfall gehalten hat, der es ausnahmsweise rechtfertigt, sofort weitergehende Aufklärungsmaßnahmen zur Klärung der Eignungsfrage zu ergreifen, ohne im Interesse der Verkehrssicherheit das Erreichen von acht Punkten im Fahreignungsbewertungssystem abwarten zu müssen (BayVGH, B.v. 28.10.2021 – 11 CS 21.2148 – juris Rn. 19, B.v. 10.2.2021 – 11 ZB 20.2642 – juris Rn. 20). Auch bzgl. des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes bestehen keine Bedenken. Insbesondere war die Anordnung i.S.d. § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 Alt. 1 FeV im Hinblick auf die bereits wiederholt begangenen Kraftfahrzeugrennen nicht unangemessen. Aufgrund dieser Straftaten bestand eine mehr als hinreichende Wahrscheinlichkeit, dass der Antragsteller möglicherweise nicht zum Führen von Kraftfahrzeugen geeignet ist (BVerwG, U.v. 9.6.2005 – 3 C 25/04 – juris Rn. 22). Die persönlichen Interessen des Antragstellers hingegen, die durch eine medizinisch-psychologischen Untersuchung beeinträchtigt werden, haben gegenüber der Sicherstellung der Sicherheit des Straßenverkehrs zurückzutreten.
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Hinsichtlich der Entziehung der Fahrerlaubnis wegen Nichtvorlage des geforderten Gutachtens nach § 11 Abs. 8 FeV stand der Antragsgegnerin hingegen kein Ermessenspielraum zu. Bei Nichtvorlage eines zu Recht geforderten Fahreignungsgutachtens ist die Entziehung der Fahrerlaubnis zwingend (BayVGH, B.v. 30.3.2021 – 11 ZB 20.1138 – juris Rn. 14).
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Aufgrund der mit überwiegender Wahrscheinlichkeit gegebenen Rechtmäßigkeit der Ziffer 1 des Bescheides vom 25. September 2023 wird sich auch die akzessorische Ablieferungspflicht des Führerscheins in Ziffer 2 des Bescheides als rechtmäßig erweisen, § 47 Abs. 1 Satz 1 FeV, da diese Norm an eine rechtmäßige Entziehung der Fahrerlaubnis anknüpft.
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Die Interessensabwägung des Gerichts fällt auch aufgrund des Umstands, dass der Antragsteller nach eigenem Vortrag auf die Fahrerlaubnis als Kraftfahrzeugmechatroniker wegen Durchführung von Probefahrten von Kundenfahrzeugen beruflich angewiesen sei, nicht anders aus. Abgesehen davon, dass dieser Beruf nicht elementar von der Durchführung von Probefahrten geprägt wird, ist dem Interesse der Allgemeinheit an einem sicheren und verkehrsgerechten Straßenverkehr und damit der Schutz der hochrangigen Rechtsgüter Leben und Gesundheit (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG) sowie des Eigentums Dritter (Art. 14 GG) der Vorrang gegenüber dem Interesse des Antragstellers an dem weiteren Besitz seiner Fahrerlaubnis für berufliche Zwecke (Art. 12 GG) einzuräumen.
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Aufgrund der Unbegründetheit des Antrags auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung erweist sich auch der Antrag auf Vollzugsfolgenbeseitigung als unbegründet.
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2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
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3. Der Streitwert ergibt sich aus §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 und 2 GKG i.V.m. den Ziffern 1.5, 46.2 und 46.3 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013.