Inhalt

VGH München, Urteil v. 04.12.2023 – 7 B 23.1263
Titel:

Zumutbare Mitwirkungspflichten bei einer krankheitsbedingten Prüfungsunfähigkeit

Normenketten:
GG Art. 12 Abs. 1
ÄApprO § 19 Abs. 2 S. 2, § 18 Abs. 1 S. 1, § 20 Abs. 1 S. 1, S. 2
BayVwVfG Art. 2 Abs. 3 Nr. 2, Art. 24 Abs. 1, Art. 26 Abs. 1 S. 1
Leitsatz:
Ein Prüfling kommt seinen zumutbaren Mitwirkungspflichten nach § 19 Abs. 2 Satz 2, § 18 Abs. 1 Satz 1 ÄApprO nicht schon dann in ausreichendem Maße nach, wenn er überhaupt Gründe für den Rücktritt, die Unterbrechung oder die Säumnis dem Prüfungsamt unverzüglich mitteilt. Vielmehr muss er die Gründe auch unverzüglich so hinreichend konkretisiert benennen, dass das Prüfungsamt in der Lage ist, beurteilen zu können, ob diese grundsätzlich einen wichtigen Grund darstellen. (Rn. 20 – 32)
Schlagworte:
Erster Abschnitt der Ärztlichen, Prüfung, wiederholte Rücktritte, Unterbrechungen und Säumnisse, krankheitsbedingte Prüfungsunfähigkeit, kurzfristiger Krankenhausaufenthalt, Fristsetzung zur Vorlage von Nachweisen, Erster Abschnitt der ärztlichen Prüfung, Unverzüglichkeit, Unterbrechungsgründe, Mitwirkungspflichten, wiederholte Erkrankungen
Vorinstanz:
VG Würzburg, Urteil vom 25.05.2022 – W 2 K 20.1805
Rechtsmittelinstanzen:
BVerwG Leipzig, Beschluss vom 25.06.2024 – 6 B 7.24
BVerwG Leipzig, Beschluss vom 16.08.2024 – 6 B 16.24
Fundstelle:
BeckRS 2023, 41752

Tenor

I. Die Berufung wird zurückgewiesen.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1
Der Kläger begehrt die Gewährung eines weiteren (letztmaligen) Wiederholungsversuchs des schriftlichen Teils des Ersten Abschnitts der Ärztlichen Prüfung.
2
Der Kläger, der ab dem Wintersemester 2009/2010 im Studiengang Humanmedizin an der Julius-Maximilians-Universität Würzburg immatrikuliert war, bestand die Prüfungen in den Terminen für den schriftlichen Teil des Ersten Abschnitts der Ärztlichen Prüfung am 21./22. August 2012 und am 10./11. März 2015 nicht; bei allen anderen Prüfungsterminen zwischen 2013 und 2019 kam es insgesamt zu zwölf krankheitsbedingten Rücktritten, Säumnissen und Unterbrechungen. Den mündlichen Teil des Ersten Abschnitts der Ärztlichen Prüfung bestand der Kläger im Prüfungstermin August 2012. Zur streitgegenständlichen Prüfung am 10. und 11. März 2020 erschien der Kläger nur am ersten Tag. Mit E-Mail vom 11. März 2020 teilte er der Julius-Maximilians-Universität, Prüfungsamt zur Durchführung der Prüfungen nach der Approbationsordnung für Ärzte im Auftrag der Regierung von Oberbayern (im Folgenden: Prüfungsamt) mit, dass er an diesem Tag an der Prüfung wegen gesundheitlicher Einschränkungen (Krankenhausaufenthalt) nicht teilnehmen könne. Das Prüfungsamt erhielt zudem eine Liegebescheinigung des Universitätsklinikums W* … (im Folgenden: Universitätsklinikum) vom 11. März 2020, wonach sich der Kläger am 10. und 11. März 2020 in stationärer Behandlung befunden habe. Unter Hinweis darauf, dass eine Liegebescheinigung nicht ausreichend sei, setzte das Prüfungsamt mit E-Mail vom 11. März 2020 eine Frist zur Vorlage „entsprechender Nachweise für eine vermeintliche Prüfungsunfähigkeit“ bis zum 3. April 2020. Ein Antrag des Klägers vom 2. April 2020 auf Fristverlängerung wurde mit E-Mail des Prüfungsamts vom 7. April 2020 abgelehnt. Am 20. April 2020 ging dem Prüfungsamt der Entlassungsbericht des Universitätsklinikums vom 11. März 2020 zu. Darin wurden beim Kläger „eine Synkope bei CO-Erhöhung nach Shisharauchen“ sowie eine Blutzucker-Entgleisung diagnostiziert.
3
Mit Bescheid des Prüfungsamts vom 5. Mai 2020 wurde die streitgegenständliche Prüfung mit „nicht ausreichend“ bewertet und der Erste Abschnitt der Ärztlichen Prüfung als endgültig nicht bestanden erklärt. Ein ärztliches Attest sei innerhalb der gesetzten Frist nicht eingereicht worden. Gegen den Bescheid legte der Kläger Widerspruch ein; gleichzeitig legte er ein Attest des Universitätsklinikums vom 19. Mai 2020 vor, in dem ausgeführt wird, dass beim Kläger eine Blutzucker-Entgleisung bei bekanntem Diabetes Mellitus Typ 2 und eine relevante CO-Erhöhung diagnostiziert worden seien, die zur Prüfungsunfähigkeit geführt hätten. Mit Bescheid der Regierung von Oberbayern, Landesprüfungsamt für Medizin, Pharmazie und Psychotherapie (im Folgenden: Landesprüfungsamt) vom 21. Oktober 2020 wurde der Widerspruch zurückgewiesen. Der Kläger sei seinen im Prüfungsrechtsverhältnis begründeten Mitwirkungspflichten nicht in ausreichendem Umfang nachgekommen.
4
Das Verwaltungsgericht wies die Klage auf Aufhebung des Bescheids vom 5. Mai 2020 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21. Oktober 2020 und auf Verpflichtung des Beklagten, dem Kläger einen weiteren Wiederholungsversuch zur Ablegung des schriftlichen Teils des Ersten Abschnitts der Ärztlichen Prüfung zu gewähren, mit Urteil vom 25. Mai 2022 ab. Der Kläger habe die vom Prüfungsamt zulässigerweise geforderte ärztliche Bescheinigung nicht rechtzeitig innerhalb der gesetzten Frist bis zum 3. April 2020 vorgelegt. § 18 Abs. 1 Satz 4 ÄApprO impliziere auch das Recht des Prüfungsamts, nach Art. 36 Abs. 2 Nr. 1 BayVwVfG eine Frist zur Vorlage einer ärztlichen Bescheinigung zu setzen. Der Entlassungsbericht, aus dem sich die Prüfungsunfähigkeit des Klägers ergebe, und den der Kläger entgegen seiner Behauptung bereits bei seiner Entlassung aus der Klinik am Vormittag des 11. März 2020 und nicht erst nach dem 13. April 2020 erhalten habe, sei am 20. April 2020 vorgelegt worden, ein ärztliches Attest vom 19. Mai 2020 sei dem Prüfungsamt am 4. Juni 2020 zugegangen. Coronabedingte Zugangsbeschränkungen bei den Kliniken hätten sich erst ab dem 16. März 2020 ergeben, so dass dem Kläger noch fünf Tage Zeit geblieben wären, sich bei der behandelnden Ärztin ein Attest zu beschaffen. Darüber hinaus könne hier auch deswegen kein wichtiger Grund für die Unterbrechung angenommen werden, weil der krankheitsbedingte Unterbrechungsgrund auf missbräuchliches Verhalten zurückzuführen sei.
5
Mit der vom Verwaltungsgerichtshof zugelassenen Berufung verfolgt der Kläger sein Rechtsschutzbegehren weiter. Der Kläger beantragt,
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unter Aufhebung des Urteils des Verwaltungsgerichts vom 25. Mai 2022 den Beklagten zu verpflichten, dem Kläger unter Aufhebung des Bescheids vom 5. Mai 2020 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21. Oktober 2020 einen weiteren Wiederholungsversuch zur Ablegung des schriftlichen Teils des Ersten Abschnitts der Ärztlichen Prüfung zu gewähren.
7
Zur Begründung trägt der Kläger im Wesentlichen vor, die vom Verwaltungsgericht postulierten Anforderungen an einen Rücktritt entsprächen nicht den Tatbestandsmerkmalen des § 18 Abs. 1 ÄApprO. Die Regelung verlange lediglich die unverzügliche Mitteilung der Gründe. Dem sei der Kläger nachgekommen, indem er unverzüglich unter Verweis auf seinen Krankenhausaufenthalt den Rücktritt erklärt habe. Das Verwaltungsgericht behandele dagegen die vom Prüfungsamt gesetzte Frist wie eine gesetzliche Ausschlussfrist; diese Rechtsfolge sei in den Regelungen der Ärztlichen Approbationsordnung nicht enthalten und verstoße daher gegen das prüfungsspezifische Bestimmtheitsgebot, wonach sowohl das zu sanktionierende Verhalten als auch die daran anknüpfende Sanktionsfolge aus den Regelungen der Ärztlichen Approbationsordnung so klar ersichtlich sein müssten, dass jeder Prüfling sein Verhalten problemlos danach ausrichten und jede Gefahr des Eingriffs in sein Grundrecht aus Art. 12 GG vermieden werden könne. Mit diesen vom Bundesverwaltungsgericht in seiner Entscheidung vom 27. Februar 2019 – 6 C 3.18 – (juris) aufgestellten Anforderungen habe sich das Verwaltungsgericht nicht auseinandergesetzt. Da die in § 18 Abs. 1 ÄApprO genannte „Unverzüglichkeit“ letztlich nur der Sachverhaltserforschung diene, bedürfe es keiner Fristsetzung zum Schutze der Behörde bzw. wegen des Gleichbehandlungsgrundsatzes. Entscheidend sei allein, ob ein wichtiger Grund vorliege, nicht, wann dieser erstmals mit der notwendigen Gewissheit festgestellt werden könne. Im Übrigen sei auch die unverzüglich vorgelegte Liegebescheinigung ein offizielles ärztliches Dokument, das durch weitere ärztliche Dokumente ergänzt worden sei; diese müssten auf den Zeitpunkt des Einreichens der Liegebescheinigung zurückwirken. Die Liegebescheinigung belege ungeachtet einer bestehenden Erkrankung einen stationären Aufenthalt des Klägers in der Klinik zur Abklärung seiner Gesundheitsgefährdungen in der Nacht vom 10. März 2020 auf den 11. März 2020 bis zu seiner Entlassung um 13 Uhr, was für sich allein genommen bereits einen den Rücktritt rechtfertigenden Grund darstelle, da der Kläger schon faktisch verhindert gewesen sei, an der Prüfung teilzunehmen. Soweit das Verwaltungsgericht auch darauf abstelle, dass der krankheitsbedingte Unterbrechungsgrund auf missbräuchliches Verhalten zurückzuführen sei, weil der Kläger in Kenntnis seiner Vorerkrankung Diabetes Mellitus Typ 2 aufgrund des Rauchens einer Shisha die Ursache für die Blutzuckerentgleisung mit der anschließenden stationären Aufnahme in der Klinik gesetzt habe, gehe das Gericht von einem unzutreffenden Sachverhalt aus. Weder leide der Kläger an einer Diabetes Mellitus Typ 2 Erkrankung, sondern lediglich an einer „Vorstufe“, noch sei eine permanente Kontrolle des Blutzuckerspiegels erforderlich gewesen. Der Kläger sei nach seiner Bewusstlosigkeit am 10. März 2020 gegen 15 Uhr von Herrn N. erstversorgt worden; er habe auch nicht davon ausgehen können, nach dem anschließenden Shisharauchen gesundheitliche Probleme zu bekommen. Es habe sich ausschließlich ein allgemeines Lebensrisiko verwirklicht, eine höhere gesundheitliche Anfälligkeit und eine geringere Stressresilienz müssten bei der Bewertung des Sachverhalts, insbesondere auch im Hinblick auf die häufigen Klinikaufenthalte des Klägers während der Prüfungstermine, unberücksichtigt bleiben.
8
Der Beklagte ist dem entgegengetreten und beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
10
In der mündlichen Verhandlung am 28. November 2023 wurden Herr N. und Herr B. zum Beweis über den gesundheitlichen Zustand des Klägers und die erfolgten Maßnahmen am Nachmittag und Abend des 10. März 2020 als Zeugen einvernommen. Auf die Niederschrift wird verwiesen. Im Übrigen wird wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands auf die Behördenakte sowie auf die Gerichtsakten beider Instanzen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Berufung des Klägers bleibt ohne Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Der Bescheid des Beklagten vom 5. Mai 2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21. Oktober 2020 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten; ein Anspruch des Klägers auf einen weiteren Wiederholungsversuch zur Ablegung des schriftlichen Teils des Ersten Abschnitts der Ärztlichen Prüfung besteht nicht (§ 113 Abs. 5 Satz 1 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 VwGO). Die Berufung ist daher zurückzuweisen.
I.
12
Der Kläger hat keinen Anspruch darauf, dass der schriftliche Teil des Ersten Abschnitts der Ärztlichen Prüfung im Termin 10./11. März 2020, den er nach Zulassung wegen krankheitsbedingter Prüfungsunfähigkeit unterbrochen hat, als nicht unternommen gilt. Er hat die Unterbrechungsgründe dem Prüfungsamt nicht rechtzeitig mitgeteilt (nachfolgend 1.) und zudem den erforderlichen Nachweis hierfür nicht innerhalb der ihm gesetzten Frist erbracht (nachfolgend 2.).
13
1. Der Kläger hat die Unterbrechungsgründe dem Prüfungsamt nicht unverzüglich i.S.v. § 18 Abs. 1 Satz 1 ÄApprO mitgeteilt (nachfolgend a.), jedenfalls hat er sie nicht innerhalb der ihm vom Prüfungsamt gesetzten Frist bis 3. April 2020 benannt (nachfolgend b.).
14
a. Gemäß § 18 Abs. 1 der Approbationsordnung für Ärzte vom 27. Juni 2002 – ÄApprO – (i.d. seit dem 27.6.2002 geltenden Fassung, BGBl I S. 2405, die der Vorgängerregelung v. 3.4.1979, BGBl I S. 425, entspricht) hat ein Prüfling, sofern er nach seiner Zulassung von einem Prüfungsabschnitt oder einem Prüfungsteil zurücktritt, die Gründe für seinen Rücktritt unverzüglich der nach Landesrecht zuständigen Stelle mitzuteilen. Dies gilt nach § 19 Abs. 2 Satz 2 ÄApprO auch dann, wenn der Prüfling – wie hier – die Prüfung unterbricht. Liegt ein wichtiger Grund für das Verhalten des Prüflings vor, so gilt der Prüfungsabschnitt oder der Prüfungsteil als nicht unternommen (§ 19 Abs. 1 Satz 2 ÄApprO).
15
aa. Es ist in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts geklärt, dass ein Prüfling, der nach seiner Zulassung von einer Prüfung oder einem Prüfungsabschnitt zurücktreten will, nach § 18 Abs. 1 Satz 1 ÄApprO nicht nur unverzüglich den Rücktritt erklären, sondern auch unverzüglich die Rücktrittsgründe mitteilen muss (so bereits BVerwG, U.v. 22.10.1982 – 7 C 119.81 – juris Rn. 9 f.; U.v. 7.10.1988 – 7 C 8.88 – juris Rn. 9 jeweils zu den gleichlautenden Vorgängerfassungen des § 18 ÄApprO). Für den Prüfling, der trotz Zulassung die Prüfung unterbricht, bedeutet dies, dass er die Unterbrechungsgründe dem Prüfungsamt unverzüglich mitzuteilen hat (vgl. BVerwG, U.v. 13.5.1998 – 6 C 12.98 – juris Rn. 17 zum Fall der in § 19 ÄApprO ebenfalls geregelten Säumnis). Die Erklärung enthält den Antrag, die Prüfung als nicht unternommen zu werten; dem Antrag wird stattgegeben, wenn im vom Prüfling genannten Grund ein wichtiger Grund für die Säumnis bzw. für die Unterbrechung liegt (vgl. § 19 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 ÄApprO). Unter einem wichtigen Grund sind dabei alle Gesichtspunkte zu verstehen, die dagegensprechen, dass die Prüfung oder der Prüfungsabschnitt rechtlich – mit allen daran geknüpften Rechtsfolgen – gewertet wird (vgl. BVerwG, U.v. 22.10.1982 – 7 C 119.81 – juris Rn. 10). Eine lediglich faktische Verhinderung, die nicht durch einen wichtigen Grund gerechtfertigt ist, kann die Rechtsfolge des § 19 Abs. 1 Satz 2 ÄApprO somit nicht auslösen (vgl. BayVGH, U.v. 4.12.2023 – 7 B 22.2267 – zur Veröffentlichung vorgesehen). Ein Prüfling kommt seinen zumutbaren Mitwirkungspflichten nach § 19 Abs. 2 Satz 2, § 18 Abs. 1 Satz 1 ÄApprO mithin nicht schon dann in ausreichendem Maße nach, wenn er überhaupt Gründe für den Rücktritt, die Unterbrechung oder die Säumnis dem Prüfungsamt unverzüglich mitteilt. Vielmehr muss er die Gründe auch unverzüglich so hinreichend konkretisiert benennen, dass das Prüfungsamt in der Lage ist, beurteilen zu können, ob diese grundsätzlich einen wichtigen Grund darstellen.
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Eine Verletzung der Pflicht zur unverzüglichen Mitteilung hat regelmäßig zur Folge, dass es für den Prüfungsabschnitt oder den Prüfungsteil auch dann bei der Note „ungenügend“ bleibt, wenn objektiv ein wichtiger Grund für die Säumnis bzw. die Unterbrechung vorgelegen hat. Allerdings gilt es hier in besonderer Weise zu beachten, dass die Sanktion des gegebenenfalls endgültigen Verlusts der Prüfungschance nicht außer Verhältnis zu dem mit der Pflicht zur unverzüglichen Mitteilung verfolgten legitimen Ziel der Wahrung der Chancengleichheit steht (vgl. BVerwG, U.v. 13.5.1998 – 6 C 12.98 – juris Rn. 17).
17
Ob eine Mitteilung im Rechtssinne unverzüglich ist, ist stets auch im Licht des Art. 12 Abs. 1 GG zu beurteilen. Hieraus ergeben sich insbesondere im Fall des endgültigen Nichtbestehens einer Prüfung durch Verletzung der prüfungsverfahrensrechtlichen Nebenpflicht zur unverzüglichen Mitteilung eines Säumnis- bzw. Unterbrechungsgrunds Schranken. Hat die Verletzung einer solchen Pflicht nämlich zur Folge, dass die Prüfung als nicht bestanden gilt, so wird sie letztlich ebenfalls zu einer die Freiheit der Berufswahl begrenzenden „Prüfungsschranke“. Insoweit gelten vergleichbar die Grundsätze, die das Bundesverfassungsgericht für das materielle Prüfungsverfahren entwickelt hat. Vorschriften, die für die Aufnahme des Berufs eine bestimmte Vor- und Ausbildung sowie den Nachweis erworbener Fähigkeiten in Form einer Prüfung verlangen, greifen in die Freiheit der Berufswahl ein. Sie müssen deshalb den Anforderungen des Art. 12 Abs. 1 GG genügen. Die Leistungen, die in einer solchen Prüfung gefordert werden, und die Maßstäbe, nach denen die erbrachten Leistungen zu bewerten sind, bedürfen somit einer gesetzlichen Grundlage; die Prüfungsschranke darf zudem nach Art und Höhe nicht ungeeignet, unnötig oder unzumutbar sein. Darüber hinaus beansprucht das Grundrecht der Berufsfreiheit auch Geltung für die Durchführung des Prüfungsverfahrens; Grundrechtsschutz ist somit auch durch die Gestaltung von Verfahren zu bewirken (sog. Grundrechtsschutz durch Verfahren vgl. BVerwG, U.v. 13.5.1998 – 6 C 12.98 – juris Rn. 18 m.w.N.).
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Diese Grundsätze sind auf die Anforderungen an die Unverzüglichkeit der Mitteilung von Gründen im Sinne des § 18 Abs. 1 Satz 1 ÄApprO übertragbar. Die unter Berücksichtigung von Art. 12 Abs. 1 GG zumutbare Mitwirkung des Prüflings dient auch dem Schutz der Chancengleichheit im Prüfungsverfahren. Allein schon dieser, das gesamte Prüfungsrecht beherrschende Grundsatz rechtfertigt die einschneidende Folge der verspäteten Mitteilung, nämlich den gegebenenfalls endgültigen Verlust einer Prüfungschance und damit der Möglichkeit, überhaupt in dem gewählten Beruf tätig zu sein. Deshalb muss die Beurteilung, wie und wann ein Prüfling seine Mitwirkungsobliegenheit zumutbarer Weise zu erfüllen hat, mit einbeziehen, ob im Einzelfall der Zeitpunkt der Benachrichtigung des Prüfungsamts sich auf die Chancengleichheit der übrigen Prüflinge auswirken kann. Ist dies zu verneinen, liegt eine Verletzung der Mitwirkungsobliegenheit des Prüflings zur unverzüglichen Mitteilung nur dann vor, wenn sie im Sinne eines „Verschuldens gegen sich selbst“ – vorwerfbar ist (vgl. BVerwG, U.v. 13.5.1998 – 6 C 12.98 – juris Rn. 19 m.w.N.).
19
„Unverzüglich“ in diesem Sinne bedeutet – wie sonst auch (vgl. § 121 BGB) – „ohne schuldhaftes Zögern“. Die Verpflichtung zur unverzüglichen Geltendmachung des wichtigen Grunds ergibt sich bereits aus der dem Prüfungsrechtsverhältnis innewohnenden Obliegenheit, im Prüfungsverfahren mitzuwirken. Dazu kann – auch ohne ausdrückliche Regelung – die rechtzeitige Geltendmachung von Störungen, Mängeln und Behinderungen gehören. Darüber hinaus können weitere ungeschriebene Mitwirkungspflichten bestehen, die jedoch häufig eine entsprechende Aufforderung der Prüfungsbehörde voraussetzen. Anders als bei einer Säumnis ist bei einer Prüfungsunterbrechung – ebenso wie bei einem nachträglichen Rücktritt – zu berücksichtigen, dass die Gefahr einer Beeinträchtigung der Chancengleichheit in besonderem Maße besteht. Denn in diesen Fällen hat der Prüfling bereits an einem Teil der (schriftlichen) Prüfung teilgenommen, also die entsprechenden Arbeiten mitgeschrieben und abgegeben. Damit hat er die Möglichkeit, durch Heranziehung von Fachliteratur, Gesprächen mit Fachkundigen und dergleichen eine Einschätzung seiner Prüfungsleistungen zu erlangen, und bei einem zu befürchtenden Misserfolg der Prüfung sich durch Rücktritt oder Unterbrechung den Rechtswirkungen der fehlgeschlagenen Prüfung zu entziehen sowie sich eine weitere, ihm nicht zustehende Prüfungschance zu verschaffen. Daher ist in diesen Fällen an die unverzügliche Geltendmachung des wichtigen Grunds ein strenger Maßstab anzulegen. Denn nur ein strenger Maßstab kann Missbräuche des Rücktrittsrechts mit dem Ziel der Verbesserung der Prüfungschancen verhindern (vgl. BVerwG, U.v. 13.5.1998 – 6 C 12.98 – juris Rn. 12 m.w.N.).
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bb. Dies zugrunde gelegt hat der Kläger dem Prüfungsamt die Gründe seiner Prüfungsunfähigkeit bereits nicht unverzüglich i.S.v. § 18 Abs. 1 Satz 1 ÄApprO mitgeteilt.
21
Mit E-Mail vom 11. März 2020, 7:36 Uhr, hat der Kläger das Prüfungsamt darüber informiert, dass er „aufgrund von gesundheitlichen Einschränkungen (Krankenhausaufenthalt) an der heutigen Prüfung nicht teilnehmen“ könne. Die Liegebescheinigung des Universitätsklinikums vom 11. März 2020, die keine weiteren Angaben enthält, ging dem Prüfungsamt per E-Mail am 11. März 2020, im Original am 13. März 2020 zu. Den Entlassungsbericht des Universitätsklinikums vom 11. März 2020 im Original hat der Kläger am 20. April 2020 vorgelegt, dessen medizinisches Attest vom 19. Mai 2020 im Original am 4. Juni 2020. Mit diesem Vorgehen ist der Kläger seiner Mitwirkungspflicht zur unverzüglichen Mitteilung der Gründe für die Unterbrechung der streitgegenständlichen Prüfung nicht nachgekommen.
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(1) Für die Frage, was vom Kläger zumutbarer Weise zu erwarten war, ist vorliegend in den Blick zu nehmen, dass die unverzügliche Mitteilung der Unterbrechungsgründe hier nicht nur die Funktion hatte, eine ihm zustehende Prüfungschance zu wahren. Vielmehr ging es aufgrund der besonderen Prüfungshistorie des Klägers, insbesondere wegen der wiederholten kurzfristigen stationären Krankenhausaufenthalte im engen zeitlichen Zusammenhang mit dem jeweiligen Prüfungstermin entscheidend darum, dem Prüfungsamt schnellstmöglich aufzuzeigen, dass der erneute kurzfristige Krankenhausaufenthalt nicht dazu dienen sollte, sich gleichheitswidrig gegenüber den Mitprüflingen eine zusätzliche Prüfungschance zu verschaffen, und dieser vor allem nicht auf einem Dauerleiden beruhte.
23
(2) Objektive Anhaltspunkte dafür, dass seine wiederholten Erkrankungen im zeitlichen Zusammenhang mit den jeweiligen Prüfungsterminen auf einem Dauerleiden beruhen könnten, ergaben sich aus der prüfungsrechtlichen Vorgeschichte des Klägers.
24
Beim Kläger war es zwischen 2013 und 2019 zu zwölf krankheitsbedingten Rücktritten, Unterbrechungen und Versäumnissen gekommen. Dabei befand er sich nach Aktenlage in stationärer Behandlung im Jahr 2016 am 14./15. März, im Jahr 2017 am 14./15. März und am 21. August, im Jahr 2018 am 13./14. März und vom 22. bis 25. August, im Jahr 2019 am 12./13. März und am 22./23. August und im streitgegenständlichen Jahr 2020 am 10./11. März, wobei die Zeiten der Klinikaufenthalte meist exakt den jeweiligen Prüfungsterminen des schriftlichen Teils des Ersten Abschnitts der Ärztlichen Prüfung entsprachen. Bereits mit Schreiben vom 4. April 2018 teilte das Prüfungsamt dem Kläger mit, dass die aktuelle Säumnis keinen Einzelfall darstelle, nachdem er bereits neun Mal krankheitsbedingt die Prüfung versäumt oder abgebrochen habe bzw. zurückgetreten sei. Zur Abklärung des Vorliegens eines Dauerleidens wurde der Kläger um Abgabe einer Entbindung von der Schweigepflicht hinsichtlich der amtsärztlichen Untersuchungstermine und der stationären Aufenthalte im Universitätsklinikum inklusive Weitergabe der fachärztlichen Bescheinigungen/Bestätigungen gebeten. Diese vom Prüfungsamt geforderten Erklärungen gab der Kläger nicht ab, sondern legte stattdessen einen Arztbrief des Universitätsklinikums vom 13. März 2018 vor, dem zu entnehmen ist, dass sich der Kläger am 12. März 2018 notfallmäßig wegen seit ca. einer Stunde anhaltender starker Rückenschmerzen in der neurologischen Notaufnahme vorgestellt habe, nachdem er im Fitness-Studio versucht habe, ca. 80 kg zu heben. Mit Schreiben vom 2. Mai 2018 erkannte das Prüfungsamt einen wichtigen Grund für die Versäumnis der Prüfung zwar an, wies jedoch darauf hin, dass insbesondere für Erkrankungen aus dem orthopädischen bzw. neurochirurgischen Fachbereich eine Versäumnis letztmalig genehmigt werde. Eine Genehmigung wegen eines Dauerleidens komme nicht in Betracht. Für die Unterbrechung der Prüfung am 21./22. August 2018 erkannte das Prüfungsamt mit Schreiben vom 24. September 2018 „unter Rückstellung erheblichster Bedenken“ einen wichtigen Grund aufgrund der Aufenthaltsbescheinigung des J* …spitals vom 7. September 2018 an. Gleichzeitig wies es darauf hin, dass die mit Schreiben vom 2. Mai 2018 mitgeteilten Bedingungen weiterhin Gültigkeit hätten und eine Aufenthaltsbescheinigung eines Krankenhauses alleine nicht mehr ausreichend sei; vielmehr müsse ein amtsärztliches Attest vorgelegt werden. Zur schriftlichen Prüfung am 12./13. März 2019 erschien der Kläger nur am ersten Tag, am 14. März 2019 ging dem Prüfungsamt per Fax eine Liegebescheinigung des Universitätsklinikums zu, am 18. März 2019 eine ärztliche Bescheinigung, wonach sich der Kläger seit dem 12. März 2019 bis auf Weiteres wegen einer Anpassungsstörung in stationär-psychiatrischer Behandlung befinde. Der Kläger reichte am 15. April 2019 mit der Mitteilung, dass er am 19. März 2019 entlassen worden sei, den vorläufigen Entlassungsbericht des Universitätsklinikums vom gleichen Tage nach. Diesen billigte das Prüfungsamt mit Schreiben vom 18. April 2019 zwar nicht als Nachweis für einen wichtigen Grund, da der Entlassungsbericht mangels konkreter Beschreibung der krankheitsbedingten und prüfungsrelevanten Funktionsstörungen sowie der Gründe, die eine weitere Teilnahme an der Prüfung verhindert hätten, nicht die Mindestanforderungen an ein (amts-)ärztliches Attest erfülle. Nachdem der Kläger jedoch ein ärztliches Attest des Universitätsklinikums vom 25. April 2019 vorlegte, erkannte das Prüfungsamt mit Schreiben vom 18. Juni 2019 erneut einen wichtigen Grund für die Unterbrechung an. Den Rücktritt von der schriftlichen Prüfung am 20./21. August 2019 genehmigte das Prüfungsamt aufgrund des ärztlichen Attests des Universitätsklinikums, das dem Kläger eine rezidivierende depressive Erkrankung (F 33.2) bescheinigte, mit Schreiben vom 31. Oktober 2019. Es wies gleichzeitig darauf hin, dass künftig auch eine Erkrankung aus dem psychiatrischen Formenkreis nicht mehr als ein zum Rücktritt berechtigender Grund angesehen werden könne.
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Aufgrund dieser Prüfungshistorie konnte und musste das Prüfungsamt in Erwägung ziehen, dass die vielen krankheitsbedingten Rücktritte, Unterbrechungen und Säumnisse des Klägers durch Dauerleiden verursacht worden waren. Dass die Einschätzung des Prüfungsamts objektiv nachvollziehbar ist, wird für die streitgegenständliche Prüfung durch die Aussagen der beiden Zeugen bestätigt. So führte der Zeuge N. in der mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden Senat aus, die Bewusstseinsstörung des Klägers am Nachmittag des 10. März 2020 habe für ihn psychogene Ursachen gehabt, d.h., sie sei stressbedingt gewesen. Auch der Zeuge B. wies darauf hin, er denke, Ursache für die Symptome des Klägers sei eine Kombination aus der CO-Erhöhung und dem Prüfungsstress, wahrscheinlich eine Kombination aus allem gewesen.
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(3) Weder der klägerischen E-Mail vom 11. März 2020 noch der Liegebescheinigung des Universitätsklinikums waren Anlass bzw. sonstige nähere Umstände des klägerischen Krankenhausaufenthalts zu entnehmen. Beide Mitteilungen waren zudem nicht ansatzweise geeignet, auszuschließen, dass der erneute Krankenhausaufenthalt des Klägers auf einem Dauerleiden beruhte. Den Entlassungsbericht des Universitätsklinikums vom 11. März 2020 legte der Kläger erst am 20. April 2020 und damit nicht zum frühestmöglichen Zeitpunkt vor, zu dem dies von ihm zumutbarer Weise hätte erwartet werden können.
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Nachdem der Kläger – wie vom Universitätsklinikum und letztlich im erstinstanzlichen Verfahren auch von ihm selbst bestätigt – den Entlassungsbericht vom 11. März 2020 nicht, wie von ihm ursprünglich behauptet, nach dem 13. April 2020, sondern bereits am 11. März 2020 erhalten hatte, hätte es ihm angesichts der erneuten Prüfungsunterbrechung, seiner gesamten Prüfungshistorie und eines im Raum stehenden Dauerleidens im Rahmen der ihm zukommenden Mitwirkungspflichten oblegen, den Entlassungsbericht unmittelbar nach dessen Aushändigung dem Prüfungsamt zuzuleiten. Der Kläger kann sich insoweit nicht darauf berufen, dass er nach dem Schreiben des Prüfungsamts vom 18. April 2019 davon ausgegangen sei, ein vorläufiger Entlassungsbericht werde als nicht ausreichend abgelehnt werden. Das Prüfungsamt hatte die damalige Ablehnung hinreichend deutlich auf die mangelnde Aussagekraft des Entlassungsberichts vom 19. März 2019 gestützt. Dieser genüge nicht „den Mindestanforderungen an ein (amts)ärztliches Attest“, insbesondere nicht den zusätzlichen, im Schreiben vom 24. September 2018 mitgeteilten Auflagen. Der streitgegenständliche Entlassungsbericht enthielt jedoch – auch für den Kläger als Medizinstudent klar erkennbar – hinreichend konkrete Angaben über die Art und den Umfang seiner Erkrankung. Nachdem das Prüfungsamt mit E-Mail vom 11. März 2020, 8:32 Uhr, dem Kläger mitgeteilt hatte, dass über eine Genehmigung erst nach Vorlage der „nötigen ärztlichen Nachweise im Original“ entschieden werde, wäre es dem Kläger daher nicht nur zumutbar, sondern es wäre von einem Prüfling in seiner konkreten Situation sogar zu erwarten gewesen, diesen dem Prüfungsamt mit der Nachfrage zuzuleiten, ob sich aus dem Entlassungsbericht hinreichend deutlich ein wichtiger Grund im Sinne des § 18 Abs. 1 Satz 1 ÄApprO ergibt, zumal auch mehrmalige Hinweise des Prüfungsamts, dass eine Liegebescheinigung nicht anerkannt werden könne, den Kläger nicht davon abgehalten haben, für die streitgegenständliche Unterbrechung erneut eine Liegebescheinigung vorzulegen. Dass er es unterlassen hat, den Entlassungsbericht unmittelbar nach Erhalt dem Prüfungsamt zuzuleiten, stellt keine geringe Pflichtverletzung, sondern ein Verschulden gegen sich selbst dar.
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(4) Unabhängig davon ist vorliegend auch deshalb ein besonders strenger Maßstab an die Unverzüglichkeit anzulegen, weil der Kläger zur Überzeugung des Senats nach dem ersten Tag der schriftlichen Prüfung mit einem möglichen Misserfolg gerechnet haben dürfte und daher im besonderen Maße die Gefahr bestand, dass er sich durch die Prüfungsunterbrechung gleichheitswidrig gegenüber den Mitprüflingen eine zusätzliche Prüfungschance zu verschaffen versuchte.
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Dafür spricht bereits das sich aus dem Prüfungsbogen, 1. Tag, ergebende „Kreuzverhalten“ des Klägers (vgl. Bl. 147 der Behördenakte), da er bei den ersten fünfzig Fragen das Kreuz einheitlich je Block bei A, B, C, D oder E gesetzt hat. Zudem hat der Senat erhebliche Zweifel an der Richtigkeit der Einlassung des Klägers, er habe am 10. März 2020 nicht über die Plattform Medi-Learn seine eigenen Prüfungsergebnisse überprüft, nachdem er in der mündlichen Verhandlung vom 28. November 2023 erklärt hat: „Das Prüfungsheft darf man nach dem jeweiligen Prüfungsteil mitnehmen. Ich kenne die Plattform Medi-Learn und weiß, dass man dort die eigenen Prüfungsergebnisse sehr schnell überprüfen kann. Ich habe das am 10. März 2020 auch gemacht. Ich korrigiere, dass ich die Prüfungsergebnisse in der Vergangenheit eingegeben habe, beim letzten Mal, d.h. im Frühjahr 2020, habe ich das nicht gemacht.“ Darüber hinaus ist es durchaus naheliegend, dass der Kläger am Nachmittag des 10. März 2020 auch mit seinen bei ihm anwesenden Freunden, den Zeugen N., zum damaligen Zeitpunkt bereits Arzt, und B., zum damaligen Zeitpunkt nach eigener Aussage kurz vor der M3-Prüfung stehend, über die Prüfungsaufgaben und seine Ergebnisse gesprochen hat.
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(5) Entgegen der Auffassung des Klägers kann auch das von ihm zitierte Urteil des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 16. Juni 2011 – 2 A 822/10 – (juris) nicht zur Untermauerung seiner Berufungsbegründung herangezogen werden, da der dortigen Entscheidung eine mit § 19 i.V.m. § 18 ÄAPPrO nicht vergleichbare Härtefallregelung zugrunde lag. Danach kann ein Prüfling aufgrund außergewöhnlicher Belastung zu einer zweiten Wiederholungsprüfung zugelassen werden. Anders als die Genehmigung nach den hier maßgeblichen Vorschriften der Ärztlichen Approbationsordnung steht die Genehmigung über die Zulassung im Rahmen einer Härtefallentscheidung nach der sächsischen Regelung im Ermessen der Behörde und setzt zudem eine positive Leistungsprognose voraus. Die Rechtsstellung desjenigen, der einen misslungenen Prüfungsversuch ganz beseitigen kann, ist erheblich besser, als die Rechtsstellung desjenigen, der auf die Anerkennung eines Ausnahmefalls angewiesen ist. Wegen der unterschiedlichen Rechtsfolgen ist das Gebot der Chancengleichheit bei der Beanspruchung eines auf Härtefallgründe gestützten Wiederholungsversuchs im Unterschied zum Rücktritt nicht oder jedenfalls nicht vergleichbar betroffen; die Geltendmachung eines besonderen Härtefalls ist daher nicht ohne weiteres mit der nachträglichen Geltendmachung der Prüfungsunfähigkeit gleichzusetzen (vgl. SächsOVG, U.v. 16.6.2011 – 2 A 822/10 – juris Rn. 33).
31
b. Jedenfalls hat der Kläger die Unterbrechungsgründe nicht innerhalb der ihm vom Prüfungsamt gesetzten Frist bis 3. April 2020 mitgeteilt.
32
Selbst dann, wenn man die E-Mail des Prüfungsamts vom 11. März 2020, 8:32 Uhr, zugunsten des Kläger dahingehend versteht, dass er die Unterbrechungsgründe unabhängig von § 18 Abs. 1 Satz 1 ÄApprO bis zum 3. April 2020 hätte mitteilen können, ist er dem – obwohl ihm dies nach Erhalt des Entlassungsberichts am 11. März 2020 objektiv möglich und zudem zumutbar gewesen wäre – nicht nachgekommen.
33
2. Darüber hinaus hat der Kläger die vom Prüfungsamt gesetzte Frist zur Vorlage der erforderlichen ärztlichen Nachweise nicht eingehalten. Denn mit der E-Mail des Prüfungsamts wurde dem Kläger auch aufgegeben, die erforderlichen ärztlichen Nachweise bis zum 3. April 2020 vorzulegen.
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a. Das Prüfungsrechtsverhältnis enthält auch unabhängig von einer gesetzlichen Regelung beiderseitig – für den Prüfling und die Prüfungsbehörde – vielfältige Rechte und Pflichten bzw. Obliegenheiten. Es ist geprägt durch Fürsorge- und Informationspflichten der Prüfungsbehörde einerseits und Mitwirkungspflichten des Prüflings andererseits (vgl. BVerwG, U.v. 7.10.1988 – 7 C 8.88 – juris Rn. 13; Jeremias in Fischer/Jeremias/Dieterich, Prüfungsrecht, 8. Aufl. 2022, Rn. 14). Diese resultieren insbesondere aus dem auch im öffentlichen Recht geltenden Grundsatz von Treu und Glauben. Die Behörde bestimmt Art und Umfang der Ermittlungen im Rahmen des Untersuchungsgrundsatzes (vgl. Art. 2 Abs. 3 Nr. 2 BayVwVfG i.V.m. Art. 24 Abs. 1 BayVwVfG) und bedient sich der Beweismittel, die sie nach pflichtgemäßem Ermessen zur Ermittlung des Sachverhalts für erforderlich hält (vgl. Art. 2 Abs. 3 Nr. 2 BayVwVfG i.V.m. Art. 26 Abs. 1 Satz 1 BayVwVfG).
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b. Vorliegend ist es nicht zu beanstanden, dass das Prüfungsamt die Liegebescheinigung, aus der sich keinerlei Belege für eine Prüfungsunfähigkeit des Klägers ergeben haben, nicht als Nachweis anerkannt, sondern den Kläger mit E-Mail vom 11. März 2020, 8:32 Uhr, zudem aufgefordert hat, die für die geltend gemachte Prüfungsunfähigkeit nötigen ärztlichen Nachweise im Original auf dem Postweg vorzulegen und ihm hierfür eine Frist bis 3. April 2020 gesetzt hat (vgl. Bl. 139 der Behördenakte). Mit dieser verfahrensmäßig auferlegten Verpflichtung war kein unverhältnismäßiger Eingriff in Art. 12 Abs. 1 GG verbunden.
36
Da es beim Kläger zwischen 2013 und 2019 zu zwölf krankheitsbedingten Rücktritten, Unterbrechungen und Säumnissen gekommen war, die krankheitsbedingte Prüfungsunfähigkeit des Klägers regelmäßig kurzfristig vor dem jeweiligen Prüfungstermin auftrat, er sich zumeist in der Notaufnahme eines Krankenhauses vorstellte und aufgrund der geschilderten Symptome meist für die Zeit der Prüfung stationär aufgenommen wurde, zudem der Kläger auch im streitgegenständlichen Prüfungstermin die Prüfung nach dem ersten Prüfungstag unterbrochen hatte, war das Prüfungsamt aus Gründen der Chancengleichheit nicht nur berechtigt, sondern sogar gehalten, die nötigen ärztlichen Nachweise für das Vorliegen einer krankheitsbedingten Prüfungsunfähigkeit bis zur gesetzten Frist zu fordern. Die gesetzte Frist von drei Wochen und zwei Tagen zur Beibringung der ärztlichen Unterlagen war, selbst unter Berücksichtigung der ab dem 16. März 2020 geltenden Coronabeschränkungen, angemessen. Selbst wenn der Kläger davon ausgegangen wäre, dass der Entlassungsbericht vom 11. März 2020 nicht den Anforderungen des Prüfungsamts entsprach, hätte er vom 11. bis 16. März 2020 ausreichend Zeit gehabt, sich in der Klinik persönlich um eine aussagekräftige ärztliche Bescheinigung zu bemühen. Ab dem 17. März 2020 hätte er sich zudem mit seinem Anliegen auf schriftlichem Weg an die Klinik wenden können.
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c. Prüfungsamt und Landesprüfungsamt waren auch berechtigt, den erst am 20. April 2020 vorgelegten Entlassungsbericht vom 11. März 2020 sowie die mit ärztlichem Attest des Universitätsklinikums vom 19. Mai 2020 geltend gemachten Unterbrechungsgründe bei ihrer Entscheidung unberücksichtigt zu lassen.
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aa. Das Prüfungsamt war auch unter dem Blickwinkel des Art. 12 Abs. 1 GG nicht verpflichtet, dem Kläger die mit E-Mail vom 2. April 2020 beantragte Fristverlängerung zu gewähren. Denn es hatte den Kläger aus Fürsorgegründen wiederholt und ausreichend oft darauf hingewiesen, dass eine weitere krankheitsbedingte Säumnis, Unterbrechung oder ein weiterer Rücktritt grundsätzlich nicht mehr genehmigt und an den Nachweis eines wichtigen Grunds erhöhte Anforderungen gestellt werden würden. Der Kläger musste daher damit rechnen, dass ihm die beantragte Fristverlängerung nicht gewährt werden würde. Sich schlicht auf vorhandene Coronabeschränkungen zu berufen und wahrheitswidrig anzugeben, er habe vom Universitätsklinikum mit Ausnahme der Liegebescheinigung keine weiteren Unterlagen erhalten, reicht nicht aus.
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bb. Dessen ungeachtet benötigte der Kläger die beantragte Fristverlängerung nicht unbedingt. Denn es wäre ihm im Rahmen seiner Mitwirkungspflichten zumutbar gewesen, den ihm bereits am 11. März 2020 ausgehändigten Entlassungsbericht im Original auf dem Postweg innerhalb der gesetzten Frist der Prüfungsbehörde zur Prüfung vorzulegen, nachdem dieser – für den Kläger auch erkennbar – hinreichend konkrete Angaben über die Art und Umfang seiner Erkrankung enthielt. Da das Prüfungsamt dem Kläger mit Schreiben vom 18. April 2019 (Bl. 122 der Verwaltungsakte) mitgeteilt hatte, dass er anstelle einer amtsärztlichen Bescheinigung auch ein Attest des Universitätsklinikums vorlegen könne, wäre er jedenfalls aufgrund seiner Prüfungshistorie gehalten gewesen, die Geeignetheit des Entlassungsberichts als Nachweis des wichtigen Grunds mit dem Prüfungsamt abzuklären. Das Prüfungsamt hätte so die Möglichkeit gehabt, zeitnah darüber zu entscheiden, ob es den Entlassungsbericht des Universitätsklinikums als ausreichend ansieht oder vom Kläger weitere Auskünfte und Nachweise fordert. Er kann sich auch insoweit nicht darauf berufen, man habe ihm mitgeteilt, ein Entlassungsbericht werde als nicht ausreichend abgelehnt. Die Vorlage des Entlassungsberichts erst am 20. April 2020 und seine wahrheitswidrige Behauptung, er habe diesen erst nach Ostern erhalten, belegen vielmehr, dass der Kläger gerade nicht alles ihm Zumutbare unternommen hat, um dem Prüfungsamt schnellstmöglich nachzuweisen, dass der erneute kurzfristige Krankenhausaufenthalt nicht auf einem Dauerleiden beruhte und vor allem nicht dazu dienen sollte, sich gleichheitswidrig gegenüber den Mitprüflingen eine zusätzliche Prüfungschance zu verschaffen.
40
3. Nach alledem hat der Kläger die krankheitsbedingte Prüfungsunfähigkeit nicht unverzüglich i.S.v. § 18 Abs. 1 Satz 1 ÄApprO, jedenfalls nicht innerhalb der vom Prüfungsamt gesetzten Frist mitgeteilt und sie darüber hinaus nicht innerhalb dieser Frist nachgewiesen. Die Entscheidung des Beklagten, den schriftlichen Teil des Ersten Abschnitts der Ärztlichen Prüfung als nicht bestanden zu bewerten, ist daher nicht zu beanstanden.
II.
41
Da der Kläger den schriftlichen Teil des Ersten Abschnitts der Ärztlichen Prüfung somit zweimal erfolglos wiederholt hat, hat er nach § 13 Abs. 3 ÄApprO den Ersten Abschnitt der Ärztlichen Prüfung endgültig nicht bestanden, eine weitere Wiederholung ist auch nach einem erneuten Medizinstudium nicht zulässig (§ 20 Abs. 1 Satz 1 und 2 ÄApprO).
III.
42
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i.V.m. § 709 ff. ZPO.
43
IV. Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.