Titel:
Berechtigtes Interesse an der Haltung von Kampfhunden, Anforderungen an wissenschaftliche Gründe, Vorübergehendes Verbringen von Kampfhunden ins Inland, Ausnahmeregelung für ukrainische Flüchtlinge
Normenketten:
LStVG Art. 37 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 S. 1
LStVG Art. 7 Abs. 2 Nr. 1
KampfhundeV § 1 Abs. 1
HundVerbrEinfG § 2
HundVerbrEinfV § 2 Abs. 3 und 4
Schlagworte:
Berechtigtes Interesse an der Haltung von Kampfhunden, Anforderungen an wissenschaftliche Gründe, Vorübergehendes Verbringen von Kampfhunden ins Inland, Ausnahmeregelung für ukrainische Flüchtlinge
Rechtsmittelinstanz:
VGH München, Beschluss vom 15.01.2024 – 10 CS 23.1873 , 10 CE 23.1874
Fundstelle:
BeckRS 2023, 41738
Tenor
I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Der Streitwert wird auf 2.500,00 Euro festgesetzt.
Gründe
1
Die Antragstellerin begehrt im Wege einer einstweiligen Anordnung die vorläufige – ggf. mit Auflagen verbundene – Erteilung einer Erlaubnis zur Haltung der eigenen Hündin „Z.“ oder zumindest die Duldung der fortgesetzten Haltung der Hündin – ggf. unter Auflagen – bis zum Abschluss des Verfahrens in der Hauptsache.
2
Die Antragstellerin ist Halterin und Eigentümerin des s1., am …2018 gewölften, weiblichen American Staffordshire Terrier Mischlings „Z.“ (Chip-Nr.: …). Die Hündin wurde im Jahr 2018 von der Antragstellerin aus einem Tierheim in C. (Ukraine) zu sich geholt.
3
Im Frühjahr 2022 flüchtete die Antragstellerin aufgrund des Krieges in der Ukraine zusammen mit ihrem Sohn und der Hündin „Z.“ aus C. (Ukraine) nach S. Dort lebt die Antragstellerin seither mit ihrer Familie. Ihr Sohn besucht die Schule in S. Die Antragstellerin verfügt über einen vorübergehenden Aufenthaltstitel mit einer Wohnsitzverpflichtung auf den Freistaat Bayern. Sofern dies in Zukunft sicher möglich sein wird, beabsichtigt die Antragstellerin, in die Ukraine zurückzukehren.
4
Mit Schreiben vom 7.7.2022 teilte das Bayerische Staatsministerium des Innern, für Sport und Integration (StMI) den Städten und Gemeinden mit, dass im Zusammenhang mit der Einreise und dem Verbleib von ukrainischen Flüchtlingen von der Ausnahmeregelung des § 2 Abs. 3 der Verordnung über Ausnahmen zum Verbringungs- und Einfuhrverbot von gefährlichen Hunden in das Inland (HundVerbrEinfVO), wonach gefährliche Hunde vorübergehend in das Inland verbracht oder eingeführt werden dürften, sofern sie sich nicht länger als vier Wochen im Inland aufhalten werden, wobei eine Verlängerung des vorübergehenden Aufenthalts zur Vermeidung unbilliger Härten durch die zuständige Behörde genehmigt werden könne, Gebrauch gemacht worden sei und von Fall zu Fall unterschiedliche Entscheidungen getroffen worden seien. Die Gemeinden seien nun angehalten, im Einzelfall bei Neuanträgen zur Vermeidung unbilliger Härten höchstens eine zweimalige Verlängerung von jeweils höchstens vier (weiteren) Wochen zu gewähren. Auf diese Weise könnten die betroffenen Personen eine Ausnahmeregelung von maximal zwölf Wochen in Anspruch nehmen. Bisher erteilte Ausnahmeerlaubnisse seien hiervon nicht betroffen. Eine großzügigere Verlängerung sei bis zu deren Ablauf gültig. Unbefristete Ausnahmeerlaubnisse seien zu widerrufen. Nach Ablauf der höchstzulässigen Frist von zwölf Wochen seien die in Bayern geltenden allgemeinen Regelungen anzuwenden.
5
Mit Schreiben vom 23.12.2022 stellte die Antragstellerin durch ihre Bevollmächtigte bei der Antragsgegnerin einen Antrag auf Erteilung einer Erlaubnis zur Haltung der Hündin „Z.“.
6
Mit Anhörungsschreiben vom 13.1.2022 reagierte die Antragsgegnerin auf den Antrag der Antragstellerin. Die Antragsgegnerin teilte der Antragstellerin mit, dass sie beabsichtige, unter anderem die Erlaubnis zur Haltung der Hündin „Z.“ nicht zu erteilen. Mit Schreiben vom 30.1.2023 nahm die Antragstellerin im Anhörungsverfahren hierzu Stellung.
7
Mit Bescheid vom 10.2.2023 lehnte die Antragsgegnerin unter anderem den Antrag auf Erlaubnis zur Haltung der Hündin „Z.“ ab. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass die Sondersituation der Antragstellerin (Flucht aus der Ukraine) ausreichend berücksichtigt worden sei. Durch die Anwendung der Ausnahmeregelung des § 2 Abs. 3 HundVerbrEinfVO sei es möglich gewesen, die Hündin „Z.“ vorübergehend ins Inland einzuführen. Jedoch seien entsprechend dem Schreiben des Bayerischen Staatsministerium des Innern, für Sport und Integration zur „Einreise mit Kampfhunden aus der Ukraine; Befristung der Ausnahmeregelung nach § 2 Abs. 3 HundVerbrEinfVO“ vom 7.7.2022 (Az.: C2-2116-9-8) die in Bayern geltenden allgemeinen Regelungen des Art. 37 LStVG sowie die KampfhundeV auch auf die betroffenen Hunde von ukrainischen Flüchtlingen uneingeschränkt anzuwenden, wenn die höchstzulässige Frist von zwölf Wochen abgelaufen sei. Da die Hündin „Z.“ ein American Staffordshire Terrier Mischling sei und es sich mithin um einen Kampfhund nach Art. 37 Abs. 1 S. 2 LStVG i.V.m. § 1 Abs. 1 KampfhundeV handele, bedürfe es im vorliegenden Fall einer Erlaubnis zur Haltung der Hündin „Z.“ nach Art. 37 Abs. 1 S. 1 LStVG. Eine solche könne nicht erteilt werden, da die Voraussetzungen des Art. 37 Abs. 2 S. 1 LStVG nicht vorlägen. Die Erlaubniserteilung scheitere bereits am fehlenden berechtigten Interesse der Antragstellerin. Das von der Antragstellerin dargelegte persönliche Interesse sei lediglich als Liebhaberinteresse an der Haltung ihres Hundes einzustufen. Auch ein wissenschaftliches Interesse an der Haltung des Kampfhundes habe die Antragstellerin nicht nachweisen können. Die Aufnahme der Hündin in ein Forschungsprojekt begründe kein wissenschaftliches Interesse der Antragstellerin selbst. Auf die weiteren Voraussetzungen für die Erteilung der Erlaubnis zur Hundehaltung komme es daher nicht an.
8
Am 27.2.2023 hat die Antragstellerin durch ihre Bevollmächtigte einen Antrag auf einstweilige Anordnung gemäß § 123 VwGO gestellt.
9
Nach Auffassung der Antragstellerin besteht ein Anspruch auf Erteilung einer Halteerlaubnis für die Hündin „Z.“ bzw. ein Anspruch auf Duldung der Haltung der Hündin bis zu ihrer Rückkehr in die Ukraine, so dass ein Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht werden könne. Dies ergebe sich bereits aus der Ausnahmeregelung des § 2 Abs. 3 HundVerbrEinfVO. Da der Krieg in der Ukraine andauere und sich die Situation für die Antragstellerin nicht geändert habe, sei weiterhin davon auszugehen, dass ein Fall unbilliger Härte im Sinne dieser Vorschrift vorliege. Das Bayerische Staatsministerium des Innern, für Sport und Integration könne eine solche unbillige Härte nicht mit Schreiben vom 7.7.2022 für beendet erklären.
10
Hilfsweise ergebe sich ein Anspruch der Antragstellerin aus § 2 Abs. 4 HundVerbrEinfVO. Die hierfür erforderlichen Voraussetzungen des Landesrechts – Art. 37 LStVG – lägen vor. Insbesondere gehe von der Hündin keinerlei Gefahr aus. Diese sei überaus friedlich und im Umgang mit Menschen als auch mit Tieren bestens sozialisiert. Einen Wesenstest würde die Hündin sicher bestehen. Nicht zuletzt habe die Antragstellerin ein berechtigtes Interesse an der Haltung der Hündin „Z.“. Ein solches ergebe sich zum einen aus persönlichen Gründen. Schließlich sei es der Antragstellerin aufgrund ihrer besonderen Situation als Flüchtling aus der Ukraine nicht zumutbar, die zunächst gebilligte Haltung der Hündin an ihrem Aufenthaltsort in Bayern nun wieder rückgängig machen zu müssen. Überdies könne es ihr nicht aufgebürdet werden, ihre Hündin nun abzugeben, da sie beabsichtige in die Ukraine zurückzukehren, sofern die dortige Situation dies ermögliche. Aus diesem Grund sei die Situation der Antragstellerin auch nicht mit der Hundehaltung aus Liebhabergründen eines deutschen Tierhalters vergleichbar. Darüber hinaus sei ein berechtigtes Interesse aus wissenschaftlichen Gründen zu bejahen. Die Hündin sei durch Beschluss vom …2022 in das Forschungsprojekt des I. e.V. (kurz I1....) aufgenommen worden. Hierbei handele es sich um einen gemeinnützigen Verein, welcher sich neben der untergeordneten Tierschutzarbeit im Bereich der Listenhunde der Forschung verschrieben habe. Die Hündin werde an einem Sozialtest im Bereich der Forschung des I1. teilnehmen. Anzumerken sei überdies, dass es dem Tierschutzgesetz zuwiderlaufe, die Hündin – bis zur Rückkehr in die Ukraine – vorübergehend aus der Familie zu reißen. Jedenfalls müsse die aktuelle Situation in den Tierheimen für die Entscheidung Berücksichtigung finden.
11
Selbst für den Fall, dass ein berechtigtes Interesse der Antragstellerin im Sinne des Art. 37 Abs. 2 LStVG hier verneint werden sollte, müsse aufgrund der besonderen Situation, in welcher sich die Antragstellerin befinde, hinreichend berücksichtigt werden, dass eine etwaige Restgefahr der Hündin ohne Weiteres durch einen Maulkorbzwang und eine Leinenpflicht ausgeschlossen werden könne.
12
Im Verlauf des Verfahrens führte die Antragstellerin mit Schriftsatz vom 8.9.2023 durch ihre Bevollmächtige – nach richterlichem Hinweis – hinsichtlich des Nachweises des berechtigten Interesses an der Hundehaltung aus wissenschaftlichen Gründen unter anderem näher aus, dass die Hündin „Z.“ in der nächsten Runde den Sozialtest im Hund-Halter-Team durchlaufen werde und sie hierfür konkret vorgemerkt sei. Hierbei handele es sich um ein Forschungsprojekt des I1. Um zu beobachten, wie sich einzelne Rassen in identischen Situationen verhielten, würden bei Listenhunden und Nicht-Listenhunden im Hund-Halter-Team Sozialtests durchgeführt. Es solle erforscht werden, ob sich manche Rassen aggressiver gegenüber Menschen und anderen Tieren verhielten als andere und wie konkret der Wesenstest von den einzelnen Rassen durchlaufen werde. In diesem Zusammenhang solle ein Hund nicht nur einmalig, sondern wiederkehrend begutachtet werden.
13
Die Antragstellerin beantragt wörtlich,
die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihr vorläufig bis zur rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache eine vorläufige Halteerlaubnis zur Haltung der Hündin „Z.“, Chip-Nr.: … – ggf. unter Auflagen – zu erteilen; jedenfalls die Fortsetzung der Haltung der Hündin durch die Antragstellerin bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens – ggf. unter Auflagen – zu dulden.
14
Die Antragsgegnerin beantragt,
15
Sie trägt vor, dass ein Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht werden könne, da eine summarische Prüfung der materiell-rechtlichen Situation in der Hauptsache ergeben werde, dass die Antragstellerin weder einen Rechtsanspruch auf Erteilung einer Halteerlaubnis für die Hündin „Z.“ noch auf Duldung der Haltung habe.
16
Einen Anspruch aus § 2 Abs. 3 HundVerbrEinfVO könne die Antragstellerin nicht herleiten. Die Prüfung einer unbilligen Härte im Sinne des § 2 Abs. 3 HundVerbrEinfVO könne im vorliegenden Einzelfall dahinstehen, da die Antragstellerin als Begleitperson der streitgegenständlichen Hündin ihren aktuellen Wohnsitz – wegen der Wohnsitzverpflichtung nach § 12a AufenthG – im Inland habe. Jedenfalls sei der mit Schreiben des Bayerischen Staatsministerium des Innern, für Sport und Integration vom 7.7.2022 im Hinblick auf die Regelung des § 2 Abs. 3 HundVerbrEinfVO vorgegebene höchstzulässige Ausnahmezeitraum von 12 Wochen bereits verstrichen.
17
Auf die Ausnahmeregelung des § 2 Abs. 4 HundVerbrEinfVO könne sich die Antragstellerin ebenfalls nicht berufen. Da es sich bei der Hündin „Z.“ um einen American Staffordshire Terrier Mischling und mithin um einen Hund im Sinne des § 2 Abs. 1 S. 1 HundVerbrEinfG handele, finde die Regelung des § 2 Abs. 4 HundVerbrEinfVO keine Anwendung. Diese setze voraus, dass ein gefährlicher Hund im Sinne des § 2 Abs. 1 S. 2 HundVerbrEinfG vorliege.
18
Des Weiteren bestehe kein Anspruch der Antragstellerin auf Erteilung einer Halteerlaubnis für die Hündin „Z.“ nach Art. 37 Abs. 1 S. 1 LStVG, da es bereits an einem berechtigten Interesse im Sinne des Art. 37 Abs. 2 S. 1 LStVG mangele. In Ergänzung zu den Ausführungen in dem Bescheid vom 10.2.2023 trägt die Antragsgegnerin nicht zuletzt vor, dass es – wie im vorliegenden Fall nicht geschehen – für den Nachweis des berechtigen wissenschaftlichen Interesses erforderlich sei, die Absicht, an wissenschaftlichen Projekten teilzunehmen, hinreichend zu konkretisieren.
19
Für den Sachverhalt und das Vorbringen der Beteiligten im Übrigen werden auf die Gerichtsakte mit den eingereichten Schriftsätzen und die vorgelegte Behördenakte Bezug genommen.
20
1. Der zulässige Antrag der Antragstellerin hat in der Sache keinen Erfolg.
21
Ein Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO ist begründet, wenn der Antragsteller gemäß § 123 Abs. 3 VwGO, § 920 Abs. 2 ZPO die Tatsachen glaubhaft gemacht hat, aus denen sich der Anordnungsanspruch und der Anordnungsgrund ergeben. Dabei bezeichnet der Anordnungsanspruch denjenigen materiell-rechtlichen Anspruch, für den vorläufiger Rechtsschutz begehrt wird (BVerwG, B.v. 21.1.1994 – 7 VR 12/93 – NVwZ 1994, 370). Ergibt eine summarische Prüfung des betreffenden Begehrens, dass der Antragsteller in der Hauptsache mit überwiegender Wahrscheinlichkeit erfolgreich sein wird, dann ist das Vorliegen eines Anordnungsanspruchs zu bejahen (BVerfG, B.v. 25.10.1998 – 2 BvR 745/88 – NJW 1989, 827; BayVGH, B.v. 23.7.2012 – 11 AE 12.1013 – juris Rn. 27). Der Anordnungsgrund ergibt sich aus der Notwendigkeit, schon vor einer gerichtlichen Entscheidung in der Hauptsache Rechtsschutz zu gewähren (BayVGH, B.v. 19.2.2018 – 10 CE 17.2258 – juris Rn. 7). Wird die Anordnung zur Sicherung eines bestehenden Zustands begehrt, dann ist ein Anordnungsgrund gegeben, wenn durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (§ 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Soll die gerichtliche Entscheidung hingegen zur vorläufigen Regelung eines streitigen Rechtsverhältnisses erfolgen, dann ist ein Anordnungsgrund zu bejahen, wenn die Anordnung nötig ist, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern (§ 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Sind Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund glaubhaft gemacht, dann ist abschließend zu beachten, dass die einstweilige Anordnung die Entscheidung in der Hauptsache in der Regel nicht endgültig vorwegnehmen darf (Happ in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 123 Rn. 66a).
22
Unter Heranziehung dieser Grundsätze hat die Antragstellerin vorliegend einen Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht. Die aufgrund summarischer Prüfung vorzunehmende Vorausbeurteilung der Erfolgsaussichten der Klage ergibt nicht, dass die Antragstellerin in der Hauptsache mit überwiegender Wahrscheinlichkeit obsiegen wird. Ein Anspruch der Antragstellerin auf Erteilung einer Erlaubnis zur Haltung der Hündin „Z.“ ist nicht ersichtlich. Die Erteilung einer solchen Erlaubnis kommt bei summarischer Prüfung nicht in Betracht, weil die Voraussetzungen nach Art. 37 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 S. 1 LStVG nicht vorliegen. Die Antragstellerin hat ein berechtigtes Interesse an der Haltung der Hündin „Z.“ nicht dargelegt.
23
Um die beschränkende Funktion des Merkmals des berechtigten Interesses im Sinne des Art. 37 Abs. 2 S. 1 LStVG nicht zu unterlaufen, ist das Tatbestandsmerkmal restriktiv auszulegen (vgl. BayVGH München, BeckRS 2009, 40746; BayVGH, BeckRS 2018, 28773; VG Würzburg, BeckRS 2009, 49403). Dadurch wird bezweckt, die Haltung von gefährlichen Tieren auf wenige Ausnahmetatbestände zu begrenzen und die Zahl von genehmigten Haltungen gering zu halten (s. Nr. 37.4.1 VollzBekLStVG). Da der Erlaubnis zur Haltung eines gefährlichen Tieres also Ausnahmecharakter zukommt, muss das berechtigte Interesse erheblich über dem liegen, was durchschnittliche Halter geltend machen können (s. VG Würzburg, BeckRS 2013, 55489). Als bloßer Ausdruck der allgemeinen Handlungsfreiheit nach Art. 2 Abs. 1 GG genügen daher weder Liebhaberinteressen, eine intensive, zum Lebensinhalt gewordene Hobbyhaltung noch die Tatsache, dass mit der Haltung des gefährlichen Tieres bereits begonnen wurde (s. Schwabenbauer, in: Möstl/Schwabenbauer, BeckOK Polizei- und Sicherheitsrecht Bayern, 22. Edition, Stand: 15.04.2023, Art. 37 LStVG, Rdn. 66 m.w.N). Mit der Haltung des gefährlichen Tieres muss vielmehr ein Zweck verfolgt werden, der es schlussendlich rechtfertigt, die weiterhin bestehende „Restgefahr“, welche von dem Tier ausgeht und selbst bei zuverlässiger Haltung und sachgerechter Unterbringung nicht gänzlich ausgeschlossen werden kann, hinzunehmen (s. BayVGH, BeckRS 2010, 9574 m.w.N.).
24
Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe liegt bei summarischer Prüfung weder ein berechtigtes Interesse der Antragstellerin an der Erteilung einer Erlaubnis zur Haltung der Hündin „Z.“ (dazu a) noch ein berechtigtes Interesse an der hilfsweise beantragten Duldung bis zum abschluss des Hauptsacheverfahrens (dazu b) vor.
25
a) Ein Interesse an der Erteilung einer Haltungserlaubnis ergibt sich weder aus wissenschaftlichen Gründen (dazu aa)) noch aus den von der Antragstellerin vorgetragenen persönlichen Gründen (dazu bb)).
26
aa) Die Antragstellerin kann bei summarischer Prüfung ein berechtigtes Interesse im Sinne des Art. 37 Abs. 2 S. 1 LStVG aus wissenschaftlichen Gründen nicht erfolgreich geltend machen.
27
Zwar ist anerkannt, dass – insbesondere mit Blick auf Art. 5 Abs. 3 GG – bei wissenschaftlichen Forschungsinteressen ein berechtigtes Interesse bejaht werden kann. Für den Nachweis des berechtigten Interesses genügt es jedoch nicht, wenn die Haltung des gefährlichen Tieres allgemein einen Beitrag zur Erhaltung der jeweiligen Art leisten soll. Stattdessen ist es erforderlich, dass die Absicht der Teilnahme an wissenschaftlichen Projekten hinreichend konkretisiert ist und dass die Haltung des Tieres für Zwecke der Wissenschaft an sich geeignet ist. Nur für den Fall, dass eine hinreichend konkrete und zeitlich absehbare Forschungsarbeit vorliegt, kann ein berechtigtes Interesse angenommen werden (vgl. zum Absatz etwa VG Ansbach, BeckRS 2022, 13324, Rdn. 28; VG Augsburg, BeckRS 2022, 21190, Rdn. 26; Schwabenbauer, in: Möstl/Schwabenbauer, BeckOK Polizei- und Sicherheitsrecht Bayern, 22. Edition, Stand: 15.04.2023, Art. 37 LStVG, Rdn. 69, 69c).
28
Unter Zugrundelegung dieses Maßstabs hat die Antragstellerin ihre Absicht, mit der Hündin „Z.“ an wissenschaftlichen Projekten teilzunehmen, nicht hinreichend konkretisiert. Wie sich aus den Darlegungen der Antragstellerin ergibt, wurde die Hündin „Z.“ bereits mit Beschluss des Vorstands des I1. vom …2022 in das Forschungsprojekt des I1. aufgenommen. Seither hat die Antragstellerin mit ihrer Hündin allerdings an keinen konkreten Testreihen des I1. teilgenommen. Vielmehr ist lediglich dargelegt, dass die Hündin der Antragstellerin nun für den Sozialtest im Hund-Halter-Team vorgemerkt ist. Für eine berechtigtes Interesse aus wissenschaftlichen Gründen reicht eine bloße Absichtserklärung aber nicht aus. Dies gilt umso mehr, als die Antragstellerin keine Ausführungen dazu gemacht hat, zu welchem Zeitpunkt die Durchführung des Sozialtests vorgesehen ist oder welche Dauer für die Testreihe vorgesehen ist. Insoweit kann dahingestellt bleiben, ob eine konkret geplante und in naher Zukunft stattfindende, einmalige Teilnahme an einem Forschungsprojekt überhaupt ausreichen könnte, um die Haltung eines gefährlichen Hundes zu rechtfertigen. Würde in einem solchen Fall ein berechtigtes Interesse an der Haltung eines gefährlichen Tieres bejaht werden, bestünde die Gefahr, dass die diesem Merkmal zukommende beschränkende Funktion unterlaufen werden würde. Dies gilt umso mehr, als nicht dargelegt wurde, dass eine Teilnahme am Projekt von der derzeitigen Halterin abhängt.
29
bb) Die Antragstellerin kann einen Anspruch auf Erteilung einer Halteerlaubnis auch nicht aus den von ihr vorgetragenen persönlichen Gründen herleiten.
30
(1) Ein Anspruch auf Erteilung einer Halteerlaubnis ergibt sich nicht aus § 2 Abs. 3 HundVerbrEinfVO.
31
§ 2 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes zur Beschränkung des Verbringens oder der Einfuhr gefährlicher Hunde in das Inland – HundVerbrEinfG setzt unter anderem für Hunde der Rasse American Staffordshire-Terrier sowie deren Kreuzungen mit anderen Hunden ein Verbot fest, diese in das Inland einzuführen oder zu verbringen. Hiervon können nach Maßgabe von § 2 Abs. 3 HundVerbrEinfG i. V. m. der HundVerbrEinfV Ausnahmen zugelassen werden. Nach Satz 1 dieser Vorschrift dürfen gefährliche Hunde im Sinne des § 2 Abs. 1 HundVerbrEinfG vorübergehend in das Inland verbracht oder eingeführt werden, sofern sie sich zusammen mit einer Begleitperson, welche ihren Wohnsitz nicht im Inland hat, nicht länger als vier Wochen im Inland aufhalten werden. Zur Vermeidung unbilliger Härten kann nach Satz 2 dieser Vorschrift eine Verlängerung des vorübergehenden Aufenthalts durch die nach Landesrecht zuständige Behörde auf Antrag genehmigt werden. Hiervon hat das StMI mit Schreiben vom 7.7.2022 Gebrauch gemacht und für alle Gemeinden in Bayern eine einheitliche Vorgehensweise dahingehend festgelegt, dass „zur Vermeidung unbilliger Härten“ diese Frist von vier Wochen für ukrainische Flüchtlinge höchstens zweimal um jeweils höchstens vier (weitere) Wochen, mithin maximal bis zu 12 Wochen verlängert werden kann.
32
Diese Begrenzung erweist sich bei summarischer Prüfung auch als ermessensgerecht. Sie ist nach Auffassung des Gerichts vor dem Hintergrund der mit Art. 37 LStVG und den Vorschriften der HundVerbrEinfG verfolgten sicherheitsrechtlichen Zielsetzung nicht zu beanstanden.
33
Wie sich bereits aus dem Wortlaut „vorübergehend“ ergibt, kann die Regelung des § 2 Abs. 3 HundVerbrEinfV keine dauerhafte Haltung von gefährlichen Hunden im Inland gestatten. Dieses Ergebnis wird durch den Charakter der Norm als Ausnahmevorschrift vom grundsätzlich bestehenden Einführungs- und Verbringungsverbot des § 2 Abs. 1 Satz 1 HundVerbrEinfG bestätigt.
34
Bei ukrainischen Flüchtlingen ist derzeit im Hinblick auf die weiter unverändert andauernde Kriegssituation in der Ukraine ein konkretes Ende des Aufenthalts nicht absehbar. Allein die Absicht der Betroffenen, irgendwann in die Heimat zurückkehren zu wollen, kann es jedoch nicht rechtfertigen, das Restrisiko, welches von Kampfhunden im Sinne des Art. 37 Abs. 1 S. 2 LStVG, § 1 Abs. 1 KampfhundeV ausgeht, auf derzeit unbestimmte Zeit hinzunehmen. Andernfalls würde der Sinn und Zweck der Regelung des Art. 37 LStVG, die Haltung von gefährlichen Tieren auf wenige Ausnahmetatbestände zu begrenzen und die Zahl von genehmigten Haltungen gering zu halten, unterlaufen werden.
35
Bei der Antragstellerin sind auch keine persönlichen Gründe erkennbar, die sich signifikant von denjenigen anderer ukrainischer Flüchtlinge unterscheiden würden, so dass auch im konkreten Fall die Erteilung weiterer Verlängerungen – abweichend von der Weisungslage des StMI – nicht geboten ist. Die Antragstellerin ist im Frühjahr 2022 eingereist und mit ihrer Familie seit nunmehr anderthalb Jahren in S. wohnhaft, ohne dass ein Ende ihres Aufenthalts in Bayern konkret absehbar wäre. Ihre Situation ist daher für die vom StMI zugrunde gelegte Interessenlage geradezu typisch.
36
(2) Ein Anspruch auf Erteilung der Erlaubnis zur Haltung der Hündin „Z.“ ergibt sich – entgegen der Ansicht der Antragstellerin – auch nicht aus der Vorschrift des § 2 Abs. 4 HundVerbrEinfVO. Zwar dürfen nach dieser Vorschrift zum Zweck des ständigen Haltens gefährliche Hunde im Sinne des § 2 Abs. 1 S. 2 HundVerbrEinfG in das Inland verbracht und eingeführt werden, sofern die Begleitperson nachweist, dass die Hunde berechtigt in einem Land gehalten werden dürfen. Die Hündin „Z.“ fällt als American Staffordshire Terrier Mischling jedoch unter die Vorschrift des § 2 Abs. 1 S. 1 HundVerbrEinfG und gerade nicht unter die Vorschrift des § 2 Abs. 1 S. 2 HundVerbrEinfG, so dass § 2 Abs. 4 HundVerbrEinfVO bereits deshalb keine Anwendung finden kann.
37
(3) Die Antragstellerin kann sich auch nicht auf Vertrauensschutz berufen. Soweit sie geltend macht, dass es ihr nicht zumutbar sei, die zunächst gebilligte Haltung der Hündin an ihrem Aufenthaltsort in Bayern nun wieder rückgängig machen zu müssen, steht dem entgegen, dass etwaige Vertrauensschutzaspekte im Hinblick auf das Vorliegen eines berechtigten Interesses unberücksichtigt zu bleiben haben. Bezugspunkt des berechtigten Interesses ist (allein) das Motiv für die Haltung des gefährlichen Tieres, welches sich – selbst im Fall bestehenden Vertrauens auf die Beibehaltung – nicht ändert (Schwabenbauer, in: Möstl/Schwabenbauer, BeckOK Polizei- und Sicherheitsrecht Bayern, 22. Edition, Stand: 15.04.2023, Art. 37 LStVG, Rn. 78a). Hinzu kommt, dass es sich bei der Vorschrift des § 2 Abs. 3 HundVerbrEinfVO – wie oben ausgeführt – um eine Regelung handelt, welche die Haltung eines gefährlichen Tieres von vorneherein nur vorübergehend gestattet, so dass auf eine zulässige, längerfristige Haltung der Hündin in Bayern nicht in schutzwürdiger Weise vertraut werden konnte.
38
(4) Ein berechtigtes Interesse an der Haltung der Hündin „Z.“ aus Gründen des Tierschutzes kommt ebenfalls nicht in Betracht. Insoweit mangelt es bereits an einem hinreichend substantiierten Vortrag der Antragstellerin. Die Antragstellerin trägt lediglich vor, dass die Hündin „Z.“ aus der Familie gerissen werde und dass die aktuelle Situation in den Tierheimen (Überbelegung und Knappheit von Pflegestellen) bei der Entscheidung beachtet werden müsse. Dies reicht für ein berechtigtes Interesse nicht aus.
39
Zwar kann sich im Einzelfall ein berechtigtes Interesse grundsätzlich auch aus Gründen des Tierschutzes ergeben. Allerdings reicht der Verweis auf die drohende Unterbringung in einem Tierheim nicht, weil dies den Regelfall darstellen dürfte. Ausreichend im Hinblick auf Art. 20a GG ist vielmehr, dass das Tier artgerecht untergebracht werden kann (vgl. etwa BayVGH, BeckRS 2014, 52521, Rn. 5 f., 10; BayVGH, BeckRS 2018, 28773, Rn. 29; Schwabenbauer, in: Möstl/Schwabenbauer, BeckOK Polizei- und Sicherheitsrecht Bayern, 22. Edition, Stand: 15.04.2023, Art. 37 LStVG, Rn. 76 m.w.N.). Dass hieran Zweifel bestehen, ist nicht ersichtlich. Ein Anspruch darauf, das gefährliche Tier in der vertrauten Umgebung zu belassen oder bestmöglich zu behandeln, lässt sich aus Tierschutzgründen nicht ableiten.
40
b) Die Antragstellerin hat auch hinsichtlich ihres hilfsweise geltend gemachten Antrags auf Duldung bis zur Entscheidung in der Hauptsache keinen Anordnungsanspruch. Ungeachtet dessen, dass für einen solchen Anspruch keine Rechtsgrundlage ersichtlich ist, scheitert ein Anordnungsanspruch insoweit schon daran, dass – wie oben dargelegt – nach summarischer Prüfung nicht davon auszugehen ist, dass die Antragstellerin mit dem im Hauptsacheverfahren geltend gemachten Anspruch auf Erteilung einer Haltungserlaubnis durchdringen wird.
41
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
42
3. Rechtsgrundlage der Streitwertfestsetzung sind §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG. Das Gericht hat Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit bei seiner Entscheidung berücksichtigt.