Titel:
Beseitigungsanspruch bei Wurzelüberwuchs und Überhang
Normenkette:
BGB § 910, § 1004 Abs. 1 S. 1, Abs. 2
Leitsätze:
1. Dem Eigentümer eines Grundstücks steht gegen dessen Nachbarn ein Beseitigungsanspruch aus § 1004 Abs. 1 BGB zu, wenn das Wurzelwerk eines Baumes (hier: Esche) auf seinem Grundstück die Erdoberfläche durchbricht und jede andere Nutzungsmöglichkeit an dieser Stelle ausschließt. Ob das Abschneiden der Wurzeln zum Absterben des Baumes führt, ist dabei unerheblich. (Rn. 23 und 25) (redaktioneller Leitsatz)
2. Das Selbsthilferecht des Eigentümers aus § 910 Abs. 1 S. 2 BGB schließt einen Beseitigungsanspruch des Eigentümers gegen den Grundstücksnachbarn aus § 1004 Abs. 1 BGB nicht aus; beide bestehen gleichrangig nebeneinander (Anschluss an BGH BeckRS 2019, 23070 Rn. 5 mwN). (Rn. 20) (redaktioneller Leitsatz)
3. Dem Grundstückseigentümer steht dagegen gem. § 910 Abs. 2 BGB das Selbsthilferecht nach § 910 Abs. 1 BGB nicht zu, wenn die herüberragenden Zweige des Baumes die Benutzung seines Grundstücks nicht beeinträchtigen. In welchen Fällen keine Beeinträchtigung vorliegt, entscheidet dabei nicht das subjektive Empfinden des Grundstückseigentümers; maßgebend ist vielmehr die objektive Beeinträchtigung der Grundstücksbenutzung (Anschluss an BGH BeckRS 2003, 10544 Rn. 20 mwN). (Rn. 30) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Nachbarrecht, Eigentumsbeeinträchtigung, wesentliche Beeinträchtigung, Beseitigungsanspruch, Selbsthilferecht, Wurzeln, Überhang, Maschendrahtzaun
Rechtsmittelinstanz:
LG Augsburg, Hinweisbeschluss vom 26.09.2023 – 044 S 2011/23
Fundstellen:
BeckRS 2023, 41416
ZMR 2024, 537
LSK 2023, 41416
Tenor
1. Die Beklagten werden samtverbindlich verurteilt, die von der an der östlichen Grenze auf dem Grundstück der Beklagten, Flurnummer ... der Gemarkung D... stehenden Esche auf das Grundstück der Kläger wachsenden Wurzeln zu entfernen.
2. Die Beklagten werden verurteilt, den an der gemeinsamen Grundstücksgrenze der Parteien stehenden Maschendrahtzaun, soweit er durch den Wuchs der Esche angehoben und beschädigt ist, fachgerecht zu reparieren.
3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
4. Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.
5. Das Urteil ist für die Kläger gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 3.500 € vorläufig voll streckbar. Die Kläger können die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 o/o des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreck€nden Betrags leisten.
Der Streitwert wird auf 5.000,00 € festgesetzt.
Tatbestand
1
Die Kläger nehmen die Beklagten wegen einer Störung ihres Grundstücks durch einen auf dem Grundstück der Beklagten stehenden Baum in Anspruch.
2
Die Parteien sind Grundstücksnachbarn. Die Kläger sind Eigentümer des Anwesens die Beklagten Eigentümer des Anwesens, der östlichen Grenze des Grundstücks der Beklagten, Gemarkung Gie ßen steht die streitgegenständliche Esche, welche ca. 15 m hoch und etwa 50 Jahre alt ist. Diese Grenze ist die gemeinsame Grenze zum klägerischen Grundstück.
3
Die Kläger forderten die Beklagten in der Vergangenheit wiederholt auf, den Baum zurückzuschneiden und dessen Wurzeln auf ihrem Grundstück zu entfernen. Der Baum wird regelmäßig durch Baumpfleger geschnitten, auch in Richtung des klägerischen Grundstücks.
4
Im Fußbereich der Esche zeigen sich auf dem Grundstück der Kläger oberflächlich Wurzeln.
5
Die Kläger behaupten, der Baum rage ab einer Höhe von ca. 5 m in ihr Grundstück hinein. Die Esche sei von Fäulnis befallen, daher drohe der Baum über kurz oder lang auf das Grundstück der Kläger zu fallen. Da der Baum zusätzlich an einem Hang stehe, sei zu befürchten, dass der Baum umstürze.
6
Es sei zu befürchten, dass die Esche von dem sogenannten Eschensterben betroffen sei und zu dem Großteil der bereits befallenen Eschen gehöre, sodass schon ein leichter Windstoß dazu führen könne, dass der Baum umstürze.
7
Zudem wüchsen die Wurzeln tief in das Grundstück der Kläger. Es sei eine starke Beeinträchtigung des klägerischen Grundstücks gegeben. Die Wurzeln würden bereits in weite Teile des klägerischen Grundstücks hineinragen und an vielen Stellen oberflächlich hervortreten, sodass die Gefahr von Stürzen bestehe. Der Wuchs des Rasens sei gestört. Zudem reichten die Wurzeln bereits unter den Bereich der Pflanzsteine, die als Hangabsicherung fungierten. Teilweise seien Pflanzsteine bereits beschädigt und abgeschoben worden.
8
Zudem würde die Esche den im Eigentum der Kläger stehenden Zaun beeinträchtigen. Der wachsende Stamm drücke gegen den Maschendrahtzaun und beschädigte diesen.
9
Die Kläger beantragen zu erkennen wie folgt:
„1. A) Die Beklagten werden verurteilt, die vom Grundstück der Beklagten auf das Grundstück der Kläger wachsenden Wurzeln zu entfernen.
a) Die auf das Grundstück der Kläger hierüber ragenden Äste der Esche, welche auf dem Grundstück der Beklagten steht, zu entfernen.
c) Die auf dem Grundstück der Beklagten stehende Esche so weitzurückzuschneiden, dass sie nicht in den Luftraum des Grundstücks der Kläger ragt.
d) Den an der Grenze stehenden Maschendrahtzaun, welche durch den Wurzelwuchs der Esche angehoben und beschädigt ist, fachgerecht zu reparieren.
2. Die Beklagten tragen die Kosten des Rechtsstreits.Die Beklagten beantragen,
die Klage kostenfällig abzuweisen.“
10
Die Beklagten räumen ein, dass sich am Fuß der Esche zwischen dem Maschendrahtzaun und der auf dem Grundstück der Kläger gepflanzten Thujenhecke tatsächlich Wurzeln zeigten. Diese könnten jedoch nicht entfernt werden, ohne dass der Baumarkt Schaden nimmt und damit die Standfestigkeit des Baumes nicht mehr gewährleistet ist.
11
Dieser Bereich werde jedoch allenfalls zweimal im Jahr begangen, sodass eine Beeinträchtigung der Kläger nicht gegeben sei.
12
Die Beklagten bestreiten, dass durch Wurzeln der Rasenfläche eine Sturzgefahr ausgehe. Die Kläger hätten im Übrigen den Zustand selbst provoziert, dass sie den Hang etwa 1-1,5 m abgraben ließen und sodann Pflanzsteine stufenweise aufstellten. Dies habe nicht ohne Folgen für die tiefer liegenden Baumwurzeln der Esche bleiben können. Dabei aufgefundene Wurzeln seien beseitigt wurden. Eine Schädigung der Drainage der Kläger durch Wurzeln des Baumes habe nicht festgestellt werden können. Eventuelle Probleme mit dem Wuchs des Rasens habe nichts mit den Wurzeln zu tun.
13
Durch die Äste des Baumes seien keine gravierenden Beeinträchtigungen des klägerischen Grundstücks gegeben. Die erste Asthöhe liege im Bereich von 8-9 m über dem Gartengrund der Kläger. Eine Verletzung des sogenannten Luftraums über dem klägerischen Grundstück sei konstruiert, da eine irgendwie geartete Beeinträchtigung durch eine geringe Schräglage nicht auszumachen sei. Die Esche sei erhaltenswert und befinde sich in einem gesunden Zustand. Eine Umsturzgefahr bestehe nicht.
14
Hinsichtlich des Maschendrahtzauns sei zwar eine Auswirkung auf eine Länge von 2 m des Zauns festzustellen, jedoch werde jedoch in keiner Weise Standfestigkeit und Zweck des Zauns beeinträchtigt.
15
Das Gericht hat mündlich verhandelt. Es wurde Beweis erhoben durch Einholung eines Sachverständigengutachtens sowie durch Augenscheinnahme von Lichtbildern. Zum Ergebnis der Beweisaufnahme wird Bezug genommen auf das in den Akten befindliche schriftliche Sachverständigengutachten nebst Ergänzungsgutachten sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 25.02.2021. Zur Vervollständigung des Parteivorbringens im Übrigen wird Bezug genommen auf die in den Akten befindlichen Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 25.02.2021.
Entscheidungsgründe
16
Die ordnungsgemäß erhobene Klage ist zulässig. Das Amtsgericht Landsberg am Lech ist sachlich gemäß §§ 23,71 GVG und örtlich gemäß §§ 12,13 ZPO zuständig. Der Nachweis des Schlichtungsverfahrens wurde durch Vorlage des Zeugnisses über einen erfolglosen Schlichtungsversuch gemäß Art. 4 BaySchIG geführt.
17
Den Klägern steht gegen die Beklagten ein Anspruch auf Entfernung der Wurzeln zu, die von der auf dem Grundstück der Beklagten stehenden Esche in das klägerische Grundstück wachsen. Zudem haben die Kläger in Anspruch auf Beseitigung des Schadens an ihrem Gartenzaun, soweit dieser durch den Wurzelwuchs bzw. Stammwuchs der Esche angehoben und beschädigt ist.
18
Im Übrigen konnten die Kläger nicht zur Überzeugung des Gerichts beweisen, dass ihnen ein Anspruch auf Entfernung überwachsender Äste oder Rückschnitt der Esche, soweit sie den Luftraum des Grundstücks der Kläger ragt, zusteht.
19
1. Wird das Eigentum in anderer Weise als durch Entziehung oder Vorenthaltung des Besitzes beeinträchtigt, so kann der Eigentümer von dem Störer die Beseitigung der Beeinträchtigung verlangen. Der Anspruch ist ausgeschlossen, wenn der Eigentümer zur Duldung verpflichtet ist, § 1004 Abs. 1 Satz l, Abs. 2 BGB.
20
Nach § 910 Abs. 1 Satz 1 BGB kann der Eigentümer eines Grundstücks Wurzeln eines Baumes, die von dem Nachbargrundstück eingedrungen sind, abschneiden und behalten. Er kann auch nach § 1004 Abs. 1 BGB von dem Nachbarn die Beseitigung dieser Wurzeln verlangen. Das Selbsthilferecht des Eigentümers aus § 910 Absatz 1 Satz 2 BGB schließt einen solchen Beseitigungsanspruch nicht aus. Beide bestehen gleichrangig nebeneinander (BGH, Urteil vom 14.06.2019 in NJW-RR 2019, 1356).
21
Den Klägern steht damit grundsätzlich ein Beseitigungsanspruch zu, auch wenn sie über ein Selbsthilferecht verfügen.
22
Hinsichtlich der in das klägerische Grundstück eingedrungenen Wurzeln sind die Beklagten Störer im Sinne von § 1004 Abs. 1 BGB, weil sie es zugelassen haben, dass die Wurzeln der Esche über die Grundstücksgrenze ich gewachsen sind und auf dem klägerischen Grundstück zu Beeinträchtigungen führen. Die Kläger haben zur Überzeugung des Gerichts nachgewiesen, dass von den Wurzeln des Baumes eine Beeinträchtigung ausgeht. Hierzu wurden zahlreiche Lichtbilder vorgelegt, die die Situation gut nachvollziehbar darstellen. Dabei ist erkennbar, dass die Wurzeln des Baumes deutlich in das klägerische Grundstück wachsen, in unmittelbarer Nähe des Stammes liegt sogar ein als massiv zu bezeichnendes oberirdisches Wurzelwachstum vor. Die Bilder datieren dem Aufnahmedatum nach zum Teil aus Juli 2020, zuletzt aber auch aus März 2023.
23
Die Beklagten haben auch nicht in Abrede gestellt, dass Wurzeln das klägerische Grundstück wachsen. Sie sind jedoch der Auffassung, dass keine wesentliche Beeinträchtigung vorliegt. Dem kann sich das Gericht nicht anschließen. Es kommt nicht darauf an, ob die Kläger bei vorsichtiger Nutzung oder Begehung des grenznahen Bereichs stolpern könnten oder dies vermeiden könnten, in diesem Sie diesen Bereich nur wenig nutzen. Die Kläger haben das Recht, das Grundstück in beliebiger Weise bis zur Grundstücksgrenze nach ihrem Geschmack zu gestalten und zu nutzen. In dem Bereich des Wurzelwachstums der Esche ist hier nach Augenscheinnahme der Lichtbilder keinerlei Nutzung mehr möglich, vielmehr durchbricht das Wurzelwerk die Erdoberfläche und schließt jede andere Nutzungsmöglichkeit an dieser Stelle aus. Die Kläger haben auch Lichtbilder vom tiefer gelegenen Rasenbereich ihres Gartens vorgelegt, bei dem Wurzeln des Baumes die Erdkruste durchbrechen. Dies ist nach Auffassung des Gerichts zum einen optisch störend, zum anderen störend bei der Rasenpflege.
24
Die Beklagten sind beweisbelastet mit der Behauptung, dass keine wesentliche Beeinträchtigung des klägerischen Grundstücks vorliegt. Diesen Beweis haben die Beklagten nicht geführt. Im Gegenteil haben die vorgelegten Lichtbilder eine Beeinträchtigung belegt Ein Beseitigungsanspruch der Kläger ist daher gegeben. Die Beklagten sind zur Duldung nicht verpflichtet, da sich um eine erhebliche Beeinträchtigung handelt.
25
Unerheblich ist die Frage, ob das Abschneiden der Wurzeln zum Absterben des Baumes führt. Die Beklagten sind grundsätzlich verpflichtet, die Grundstücksgrenzen einzuhalten und hierbei auch den Bewuchs so im Zaum zu halten, dass Nachbargrundstücke nicht tangiert werden. Etwaige Nachteile für den ihren Eigentum stehenden Baum haben die Beklagten hinzunehmen, da sie verantwortlich dafür sind, dass sie Wurzeln das Nachbargrundstück hinüberwachsen haben lassen und damit ihr Grundstück nicht ordnungsgemäß bewirtschaften.
26
2. Die Kläger steht auch ein Anspruch auf Wiederherstellung des Schadens an ihrem Gartenzaun zu, der durch den Wuchs des Baumes und dessen Wurzeln beschädigt ist. Der Anspruch beruht auf §§ 823 Abs. 1, 249 Abs. 1 BGB und ist auf Naturalrestitution gerichtet.
27
Die Kläger haben zur Überzeugung des Gerichts nachgewiesen, dass der Baum den Maschendrahtzaun wegdrückt und anhebt, sodass von einer substantiellen Einwirkung und damit Beschädigung im Sinne von § 828 Abs. 1 BGB auszugehen ist. Hierzu wurden Lichtbilder vorgelegt, die zeigen, dass im unteren Teil des Stamms bzw. im Bereich zum Übergang zu den Wurzeln der Zaun weggedrückt und angehoben wird. Es ist nach Auffassung des Gerichts unerheblich, dass es noch nicht zu einem Riss der Drähte des Zauns gekommen ist. Diese sind, was gerichtsbekannt ist, in gewissem Umfang flexibel. Als unbeschädigt ist der Zaun nach Auffassung des Gerichts jedoch nur dann zu qualifizieren, wenn er noch in der ursprünglich errichteten Flucht und senkrecht mit gleichmäßigen Abstand zum Boden besteht. Dies ist vorliegend offensichtlich nicht mehr der Fall, wie insbesondere die zuletzt vorgelegten Aufnahmen mit dem Datum 27.03.2023 zeigen, jedoch auch bereits die in der mündlichen Verhandlung in Augenschein genommen Lichtbilder.
28
3. Soweit die Kläger beantragen, die Beklagten zu verurteilen, in ihr Grundstück hierüber ragende Äste zu entfernen und den Baum so weit zurückzuschneiden, dass er nicht in den Luftraum des Grundstücks der Kläger ragt, ist die Klage abzuweisen.
29
Die Kläger müssen nach § 1004 II BGB das Herüberragen dulden, weil dadurch die Benutzung ihres Grundstücks nicht beeinträchtigt wird.
30
Nach § 910 II BGB steht dem Grundstückseigentümer das Selbsthilferecht nach Abs. 1 nicht zu, wenn die herüberragenden Zweige die Benutzung des Grundstücks nicht beeinträchtigen. Die Vorschrift gilt auch für den Beseitigungsanspruch nach § 1004 l BGB (BGH in NZM 2004,115 mit Verweis auf LG Saarbrücken, NJW-RR 1986, 1341; LG Bonn, NJW-RR 1987, 1421; AG Würzburg, NJW-RR 2001, 953; Staudinger/Roth, BGB 2002., § 910 Rdnr. 2). In welchen Fällen keine Beeinträchtigung vorliegt, entscheidet nicht das subjektive Empfinden des Grundstückseigentümers; maßgebend ist vielmehr die objektive Beeinträchtigung der Grundstücksbenutzung (BGH a.a.O.j.
31
Die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass von herüberragenden Zweigen keine Beeinträchtigung ausgeht, trägt der Nachbar (Palandt/Bassenge, § 910 Rdnr. 3; Staudinger/Roth, § 910 Rdnr. 33). Das sind hier die Beklagten. Sie haben das Fehlen einer Beeinträchtigung ausreichend dargeiegt und bewiesen.
32
a) Die Beklagten haben behauptet, dass von der Esche keine Beeinträchtigung ausgehe, weil sie gesund und vital sei deshalb nicht die Gefahr eines Umsturzes oder Abbrechen von Ästen in Richtung des klägerischen Grundstücks bestehe. Zu dieser Frage hat das Gericht ein Sachverständigengutachten eingeholt. Denn grundsätzlich wäre bei Bestehen einer Umsturzgefahr oder Gefahr des Abbrechens großer Äste von einer Beeinträchtigung des klägerischen Grundstücks auszugehen.
33
aa) Der Sachverständige verfügt nach Überzeugung des Gerichts über die erforderliche Sachkunde, die Beweisfrage zu beantworten. Das Gutachten ist nachvollziehbar und widerspruchsfrei und kann der Entscheidung ohne Einschränkung zugrunde gelegt werden. Es bestand kein Anlass, ein Obergutachten einzuholen. Die Kläger haben nach Vorlage des Gutachtens die Untersuchungsmethode des Sachverständigen infrage gestellt und moniert, der Sachverständige habe nicht die erforderliche und aussagekräftige Untersuchung des Baumes vorgenommen, um ein Urteil bilden zu können. Der Sachverständige wurde diesbezüglich zur Stellungnahme aufgefordert und hat seine Untersuchungsmethode erläutert. Er dargelegt, dass und weshalb seine Untersuchungsmethode ausreicht, um die Beweisfrage zu beantworten. Eine adäquate Erwiderung liegt in den Schriftsätzen der Klagepartei nicht vor. Zwar mag es verschiedene Untersuchungsmethoden geben. Der Sachverständige hat die von ihm gewählte Methode jedoch erläutert, ohne dass sich dem Gericht Zweifel an der Geeignetheit dieser Methode oder andere fachliche Mängel ergeben. Denkbar wäre allenfalls, dass ein privat beauftragter Gutachter mit vergleichbarer Fachkompetenz wie der gerichtliche Gutachter seinem anderweitigen Ergebnis kommt; solches haben die Kläger jedoch nicht dargelegt. Die zitierte Literatur genügt jedenfalls nicht, an der Sachkunde des Sachverständigen und dem Ergebnis des Gutachtens zu zweifeln.
34
bb) Der Sachverständige hat den streitgegenständlichen Baum vor Ort untersucht. Er beurteilt den streitgegenständlichen Baum als wüchsig und vital. Die Kronenperipherie sei art- und alterstypisch dicht mit Feinästen besetzt. Die Verzweigungsstruktur der Oberkrone werde von Langtrieben geprägt und entspreche dem für gesunde Bäume dieser Art zu erwartenden Bild. Am Stamm und Stammfuß sei aufgrund der tiefen Borkentäler und Streifen rehbraunen Bastgewebes art-und alterstypisch guter Holzzuwachs feststellbar. Auch konnte an dieser Esche nur in sehr geringem Umfang des Absterben von Eschentrieben festgestellt werden, sodass der Baum als weitgehend gesund eingestuft werden könne.
35
Der Sachverständige untersuchte auch eine auf ca. 4,5 m Höhe befindliche Astungswunde.
36
Der Baum besitze keine gefahrerhöhenden Merkmale. Die Verkehrssicherheit sei zum Zeitpunkt Ortsbesichtigung als gegeben einzustufen.
37
Der Sachverständige erläuterte zu dem die baumstatische Analyse. Er führte die Berechnungen durch eine Baumstatiksoftware durch. Der Stamm weise in 1 Meter Höhe einen Durchmesser von 60,5 cm auf, der Baum selbst sei 18,5 m hoch. Es ergebe sich ein sog. Grundsicherheitsfaktor von 2,3, der zeige, dass der Baum, sofern keine Defekte im Inneren des Stammes vorliegen, über ausreichende Sicherheitsreserven verfüge.
38
Es gebe keinen Grund zu der Annahme, dass der Baumstamm in seinem Inneren verfault sei, da sich beim Abklopfen des Stammes durchwegs ein heller Holzton gezeigt habe. Auch ansonsten sei keine Anzeichen von fäulebedingten Vorschäden vorhanden. Dennoch sei bei der Berechnung von der sehr konservativen Annahme ausgegangen, dass der Stamm einen großen Höhlungsgrad aufweise. Dabei habe sich herausgestellt, dass der Baum trotz angenommener und unbestätigter großflächiger Ausfaulung im Stammzentrum immer noch über ein ausreichendes Sicherheitspolster verfüge.
39
Die Baumkrone sei über dem Nachbargrundstück deutlich eingekürzt worden. An den in der Krone vorhandenen Ästen konnten sich zum Zeitpunkt Ortsbesichtigung keine Anzeichen einer verminderten Verkehrssicherheit festgestellt werden. Daher sei mit sehr großer Wahrscheinlichkeit nicht damit zu rechnen, dass von den Kronenästen eine Gefahr für das klägerische Grundstück ausgehe.
40
Auch im Ergänzungsgutachten blieb der Sachverständige bei seiner bisherigen Einschätzung. Der Sachverständige erläuterte nochmals, dass, wenn der Stamm des Baumes tatsächlich so hohl wäre wie in dem konservativen Szenario angenommen, beim Abklopfen mit dem Schonhammer ein dunkler Holzton vernehmbar gewesen wäre. Dies sei aber nicht der Fall gewesen. Baumverletzende Untersuchungsverfahren seien hingegen kontraproduktiv. Sogar eine Restwandstärke von 8 cm würde ausreichen, um den Baum als sicher einzustufen. Auch die von den Klägern monierte Wachstumswunde hat der Sachverständige anhand der Lichtbilder bewertet und es zu dem Ergebnis gekommen, dass dies ist die Verkehrssicherheit des Baumes nicht beeinträchtigt. Es sei davon auszugehen, dass die vorhandene Fäule in dem Ausbruchsbereich so lange fortschreitet, bis das abgestorbene Gewebe des verloren gegangenen Astes vollständig abgebaut sei. Unter für Pilze günstigen Witterungsbedingungen könne es künftig sogar zu einer Bildung von Pilzfruchtkörpern kommen. Dies sei ein erwartbarer Vorgang und kein Anzeichen für eine verminderte Verkehrssicherheit Im weiteren Ergänzungsgutachten legte der Sachverständige dar, das holzzersetzende Pilze sich nicht in das gesunde angrenzende Holzgewebe ausdehnen könnten. Hohle Bäume würden an sich auch keine Gefahr darstellen. Der Sachverständige verweist zudem nochmals auf seine Erfahrung mit zahlreichen Zerstörungstests von Bäumen im Rahmen wissenschaftlicher Untersuchungen und bestätigt damit seine Expertise bei der Beantwortung der Beweisfrage.
41
cc) Damit steht zu Überzeugung des Gerichts fest, dass der Baum nicht umsturzgefährdet ist. Auch der Abbruch größerer Äste ist nicht zu befürchten. Eine Beeinträchtigung des klägerischen Grundstücks liegt damit nicht vor.
42
b) Auch durch Laub und herabfallende Zweige liegt eine erhebliche Beeinträchtigung des Grundstücks nach Überzeugung des Gerichts nicht vor. Die Kläger haben eine massive Verunreinigung behauptet und hierzu Lichtbilder von Laub und Totholz vorgelegt. Aus dem klägerischen Vortrag ergibt sich schon nicht nachvollziehbar, in welchem Umfang die Beeinträchtigung vorliegt. So haben die Kläger etwa zum Zeitaufwand keine konkreten Angaben gemacht. Die Beklagten haben eingewandt, dass die Lichtbilder mit Ästen und kleinen Zweigen zum Teil die Situation nach einem singulären Sturmereignis darstellen. Dem sind die Kläger nicht entgegengetreten.
43
Eine Beeinträchtigung des klägerischen Grundstücks liegt nicht vor. Das klägerische Grundstück wird nur geringfügig in großer Höhe von den Zweigen der Esche überragt. Die Beklagten haben durch Rückschnitt einen weiteren Überwuchs des Baumes vermindert. Den jährlich einmal stattfindende Laubfall erachte das Gericht für zumutbar und im Hinblick auf die Größe des Grundstücks der Kläger für unerheblich. Gleiches gilt für kleine Äste und Reisig, die auf den Lichtbildern erkennbar sind. Lichtbilder zeigen in der Wohnumgebung zahlreiche für das ländliche Gebiet typische Laubgehölze, die im Herbst zu Laubabfail führen. Der Baum ist unstreitig 50 Jahre alt, die Kläger unstreitig später eingezogen. Die örtlichen Verhältnisse waren ihnen demnach bekannt. Eine Kürzung auf den senkrecht zu bemessenen Luftraum würde nach Überzeugung des Gerichts zu keiner messbaren Änderung des Laubfalls führen. Ein kausaler Zusammenhang zwischen dem in das klägerische Grundstück herüberragenden Teil des Baumes und dem Laubfall ist nicht zu erkennen oder so geringfügig, dass er keine Beeinträchtigung darstellt.
44
Die prozessualen Nebenentscheidungen haben ihre Grundlage in §§ 92,708 Ziff.11, 711, 709 ZPO. Das Gericht erachtet das Maß des Obsiegens und Unterliegen der Parteien als gleich hoch. Zwar unterliegen die Kläger mit ihrem Antrag auf Rückschnitt von Ästen und des Baumes, jedoch sind die Beklagten zur Entfernung der hinüberwachsenden Wurzel verpflichtet. Den Aufwand dieser Arbeiten schätzt das Gericht als ebenso hoch ein wie den Rückschnitt der Äste und des Baumes. Die Reparatur des Maschendrahtzauns fällt daneben kaum ins Gewicht und hat deshalb keinen Einfluss auf die Quote.