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BayObLG, Hinweisbeschluss v. 10.11.2023 – 102 Sch 179/23 e
Titel:

Fehlendes Rechtsschutzbedürfnis für Antrag auf Aufhebung eines Schiedsspruchs

Normenkette:
ZPO § 1060 Abs. 2
Leitsatz:
Einem selbstständigen Antrag auf Aufhebung des Schiedsspruchs kann im Verfahren auf Vollstreckbarerklärung das Rechtsschutzbedürfnis fehlen, weil bei Ablehnung des Antrags auf (Teil-)Vollstreckbarerklärung der Schiedsspruch insoweit ohnehin aufzuheben wäre. (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Schiedsspruch, Vollstreckbarerklärung, Aufhebungsantrag, Rechtsschutzbedürfnis
Rechtsmittelinstanz:
BayObLG, Beschluss vom 09.01.2024 – 102 Sch 179/23 e
Fundstelle:
BeckRS 2023, 41140

Tenor

Die Parteien werden auf Folgendes hingewiesen:
1. Der Senat geht derzeit davon aus, dass die Antragstellerin mit anwaltlichem Schriftsatz vom 26. Juni 2023 beantragt hat, neben dem „Kostenfestsetzungsbeschluss“ vom 23. Juni 2023 den im Original beiliegenden (widerruflichen und widerrufenen) Schiedsspruch mit vereinbartem Wortlaut vom 17. November 2022 für vollstreckbar zu erklären. Diesen Antrag hat sie allerdings vor der Zustellung an die Antragsgegnerin, die erst am 7. September 2023 erfolgt ist, mit Schriftsatz vom 21. August 2023, eingegangen beim Bayerischen Obersten Landesgericht am selben Tag, zurückgenommen, indem sie deutlich gemacht hat, ihn nicht mehr weiterzuverfolgen, und ihren Antrag dahin geändert hat, dass anstelle des Schiedsspruchs vom 17. November 2022 der Schiedsspruch mit vereinbartem Wortlaut vom 2. Mai 2023 (in dessen Ziffer I; siehe hierzu Ziffer 2. dieses Hinweisbeschlusses) für vollstreckbar erklärt werden soll. Hinsichtlich der Kostenfolge wird auf § 269 ZPO, der entsprechend anzuwenden sein dürfte, hingewiesen.
Bei der Auslegung der Prozesserklärung vom 26. Juni 2023 ist der gesamte Inhalt des Schriftsatzes einschließlich der beigefügten Anlagen zu berücksichtigen. Vorliegend war dem verfahrenseinleitenden Antrag der Schiedsspruch vom 17. November 2022 im Original beigefügt. Der Antrag auf Vollstreckbarerklärung hat sich auf den „anliegenden Schiedsspruch“ bezogen. Der Grundsatz der „falsa demonstratio non nocet“ dürfte hinsichtlich des von der Antragstellerin durch Vorlage in Bezug genommenen Schiedsspruchs vom 17. November 2022 nicht zur Anwendung kommen. Auf der Grundlage einer vorläufigen Bewertung dürfte es sich nicht lediglich um eine fehlerhafte Bezeichnung desjenigen Schiedsspruchs, der für vollstreckbar erklärt werden sollte, handeln, sondern um die Beifügung und damit Benennung des wegen des später erklärten Widerrufs des Vergleichs nicht wirksam gewordenen Schiedsspruchs vom 17. November 2022 als Gegenstand des Vollstreckbarerklärungsverfahrens. Der Urkunde konnte nur die Widerruflichkeit, nicht aber die Tatsache des Widerrufs des dem Schiedsspruch mit vereinbartem Wortlaut zugrunde liegenden Vergleichs entnommen werden. Gegenstand des Vollstreckbarerklärungsverfahrens gemäß Schriftsatz vom 26. Juni 2023 dürfte damit nach dem Willen der Antragstellerin so, wie er objektiv geäußert worden ist, der Schiedsspruch vom 17. November 2022 gewesen sein. Eine andere Bewertung dürfte nicht daraus folgen, dass dem Einleitungssatz des „Kostenfestsetzungsbeschlusses“ vom 23. Juni 2023, der nach dem Antrag vom 26. Juni 2023 ebenfalls für vollstreckbar erklärt werden sollte, entnommen werden konnte, dass möglicherweise auch ein Schiedsspruch mit vereinbartem Wortlaut vom 2. Mai 2023 existiert. Dass tatsächlich jener Schiedsspruch, der dem Schriftsatz vom 26. Juni 2023 nicht beilag, und nicht der im Original beigefügte Schiedsspruch mit vereinbartem Wortlaut vom 17. November 2022 gemeint war, war der Erklärung vom 26. Juni 2023 bei objektiver Würdigung des Inhalts der Prozesserklärung aus Sicht des Gerichts und der Antragsgegnerin als Empfängern der Prozesserklärung nicht unzweifelhaft zu entnehmen.
2. Der Senat geht derzeit davon aus, dass sich der Antrag auf Vollstreckbarerklärung gemäß Schriftsatz vom 21. August 2023, soweit der Schiedsspruch mit vereinbartem Wortlaut vom 2. Mai 2023 betroffen ist, nur auf Ziffer I des Tenors bezieht, nicht aber auf die weiteren Ziffern dieses Schiedsspruchs. Zwar kann für die Vollstreckbarerklärung eines Schiedsspruchs auch dann ein rechtlich anzuerkennendes Interesse bestehen, wenn der Schiedsspruch insgesamt oder abgrenzbare Teile dieses Schiedsspruchs nicht vollstreckbar sind. Denn die Vollstreckbarerklärung erfüllt über das rechtliche Interesse, die Zwangsvollstreckung zu ermöglichen, hinaus das gleichfalls rechtlich geschützte Interesse, den Schiedsspruch gegen die Geltendmachung von Aufhebungsgründen abzusichern (BGH, Beschluss vom 30. März 2006, III ZB 78/05, NJW-RR 2006, 995 [juris Rn. 10]; OLG München, Beschluss vom 25. Januar 2017, 34 Sch 37/16, juris Rn. 9; OLG Frankfurt, Beschluss vom 25. November 2015, 26 Sch 4/15, juris Rn. 10). Dennoch ist vorliegend von einer Beschränkung des Antrags auf die in Ziffer I des Tenors ausgesprochene Zahlungsverpflichtung auszugehen. Dies schließt der Senat daraus, dass die Antragstellerin im Schriftsatz vom 21. August 2023 als „Gegenstandswert“ für das vorliegende Verfahren einen Betrag in Höhe von lediglich 40.000,00 € angegeben und deutlich gemacht hat, dass es ihr auf „titulierte“, vollstreckungsfähige Forderungen ankomme. Auch aus den Ausführungen im Schriftsatz vom 5. Oktober 2023 geht hervor, dass nur die Zahlungsverpflichtung für vollstreckbar erklärt werden soll. Zudem ist zwischen den Parteien unstreitig, dass die in Ziffer II des genannten Schiedsspruchs mit vereinbartem Wortlaut vom 2. Mai 2023 genannte Erfüllungsbürgschaft bereits herausgegeben worden ist. Die Vollstreckbarerklärung eines Teils eines Schiedsspruchs ist zulässig, wenn Teil- und Abgrenzbarkeit gegeben ist (vgl. BGH, Beschluss vom 25. Juni 2020, I ZB 108/19, SchiedsVZ 2021, 341 Rn. 9; BayObLG, Beschluss vom 20. Januar 2023, 102 Sch 115/21, GmbHR 2023, 396 [400, juris Rn. 126]; Beschluss vom 7. Dezember 2022, 101 Sch 76/22, juris Rn. 66 f.). Dies dürfte vorliegend zu bejahen sein.
Die Antragstellerin wird um Mitteilung gebeten, falls das Verständnis des Senats unzutreffend ist.
3. Der Senat versteht den Antrag der Antragsgegnerin auf Aufhebung des Schiedsspruchs mit vereinbartem Wortlaut vom 2. Mai 2023 derzeit nicht als selbständigen Antrag, sondern als unselbständigen Gegenantrag zum Antrag auf (Teil-)Vollstreckbarerklärung (bezogen auf Ziffer I des Tenors; siehe Ziffer 2 dieses Hinweisbeschlusses). Einem selbständigen derartigen Antrag kann das Rechtsschutzbedürfnis fehlen, weil bei Ablehnung des Antrags auf (Teil-)Vollstreckbarerklärung der Schiedsspruch insoweit ohnehin aufzuheben wäre (§ 1060 Abs. 2 Satz 1 ZPO; vgl. z. B. OLG Frankfurt, Beschluss vom 11. September 2008, 26 Sch 12/08, juris Rn. 27).
Die Antragsgegnerin wird um Mitteilung gebeten, falls das Verständnis des Senats vom Antrag als unselbständigem Gegenantrag zum Antrag der Antragstellerin auf Vollstreckbarerklärung von Ziffer I des Schiedsspruchs vom 2. Mai 2023 unzutreffend ist.
4. Es besteht Gelegenheit zur Stellungnahme bis 27. November 2023.