Inhalt

VG Augsburg, Urteil v. 21.11.2023 – Au 8 K 21.1288
Titel:

Widerruf von Bewilligungsbescheiden über landwirtschaftliche Förderungen

Normenketten:
VO (EU) Nr. 809/2014 Art. 7
BayVwVfG Art. 49, Art. 49a
Leitsätze:
1. Grundsätzlich ist weder die Auslegung einer Zuwendungsrichtlinie anhand des Wortlauts, noch der Systematik oder dem Telos entscheidend. Vielmehr kommt es darauf an, ob die dem Bescheid zugrundliegende Anwendung der Richtlinie dem Verständnis sowie der ständigen Verwaltungspraxis der Behörde entspricht, wobei es nicht auf das klägerische Verständnis der Begriffe oder den allgemeinen Sprachgebrauch ankommt. (Rn. 30) (redaktioneller Leitsatz)
2. Bei der rechtlichen Beurteilung staatlicher Fördermaßnahmen, die lediglich auf verwaltungsinternen ermessenslenkenden Vergaberichtlinien beruhen, kommt es nicht auf eine objektive Auslegung der Richtlinien an, sondern grundsätzlich nur darauf, wie die ministeriellen Vorgaben von der zuständigen Stelle tatsächlich verstanden und praktiziert worden sind. Der Zuwendungsgeber legt die Modalitäten einer Förderung fest, legt dessen Richtlinien aus, bestimmt den Förderzweck und richtet die Förderpraxis entsprechend aus. (Rn. 30) (redaktioneller Leitsatz)
3. Bei einjährigen Förderprogrammen prüft die Behörde im Rahmen der Antragsbearbeitung, ob in dem entsprechenden Antragsjahr die Förderkriterien, Verpflichtungen und Auflagen eingehalten worden sind. Maßgebend für die Bestimmung des Inhalts dieser Anforderungen ist die von der Behörde bis dahin entwickelte Verwaltungspraxis. (Rn. 32) (redaktioneller Leitsatz)
4. Bei mehrjährigen Förderprogrammen ist der Grundbescheid für den Betriebsinhaber Anspruchsgrundlage für die jährliche Auszahlung, wobei sich der Inhalt der Förderkriterien, Verpflichtungen und Auflagen aus diesem Grundbescheid ergeben, der ausgelegt werden muss. (Rn. 32) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Aufhebung von Bewilligungsbescheiden, Rückforderung der auf den Bewilligungsbescheiden basierenden Auszahlungen, Agrarumweltmaßnahmen bzw. Agrarumwelt- und Klimamaßnahmen (AUM), KULAP-Maßnahme B40 „Erhalt artenreicher Grünlandbestände“, Vorliegen von Kennarten, Bewilligungsbescheid, landwirtschaftliche Förderung, Widerruf, Rückzahlung, Agrarumweltmaßnahmen, Verwaltungspraxis, Kennarten, Zuwendungsrichtlinie, Auslegung, Förderprogramme
Fundstelle:
BeckRS 2023, 40870

Tenor

I. Der Bescheid vom 11. November 2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27. Mai 2021 wird aufgehoben.
II. Die Kosten des Verfahrens hat der Beklagte zu tragen.
III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.   

Tatbestand

1
Der Kläger wendet sich gegen die Aufhebung zweier Bewilligungsbescheide über landwirtschaftliche Förderungen in Gestalt des Widerspruchsbescheids sowie den auf den Bescheiden basierenden Auszahlungsmitteilungen.
2
Der Kläger ist Inhaber eines landwirtschaftlichen Betriebes. Bis 2017 fand eine Bewirtschaftung des Betriebes durch den Vater des Klägers statt. Bei den beantragten Flächen handelt es sich um Niedermoorflächen, welche vier bzw. bis zu fünf Mal im Jahr im 5-Wochen-Rhythmus gemäht werden. Der erste Schnitt findet für die Heuflächen Anfang bzw. Mitte Juni, für die übrigen Flächen im Mai statt.
3
Mit Antrag des damaligen Betriebsinhabers vom 19. Februar 2015 mit den Feldstücknummern 1, 2, 3, 4, 19, 20, 39, 41 und 43 für insgesamt neun Feldstücke sowie mit Antrag des Klägers vom 5. Februar 2018 für ein weiteres Feldstück mit der Feldstücknummer 10 wurde eine Förderung von Agrarumwelt- und -klimamaßnahmen (AUM) beantragt. Mit Bescheiden vom 18. August 2015 für die genannten neun Feldstücke sowie mit Bescheid vom 12. Juli 2018 für das weitere Flurstück wurde dem Kläger durch das Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (AELF) die Förderung B40 („Erhalt artenreicher Grünlandbestände“) über einen Zeitraum von fünf Jahren bewilligt.
4
Bei einer Vor-Ort-Kontrolle (VOK) der Feldstücke durch den Prüfdienst des AELF am 4. Juli 2018 sowie im Rahmen einer Nachkontrolle am 26. Juli 2018 stellte dieser fest, dass lediglich auf zwei der zehn beantragten Feldstücke (Nummer 41 und 43) die vier erforderlichen Kennarten vorhanden seien. Über die Vor-Ort-Kontrollen wurde der Kläger mit Schreiben vom 13. November 2018 informiert und ihm das Ergebnis der Vor-Ort-Kontrollen mitgeteilt. Bei den Vor-Ort-Kontrollen waren weder der Kläger noch der frühere Betriebsleiter, dessen Vater, anwesend.
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Am 10. Februar und 2. März 2019 gingen Stellungnahmen des Klägers ein, wonach er vor jedem Schnitt Kontrollgänge vorgenommen und eine entsprechende Anzahl an Kennarten vorgefunden habe.
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Mit Schreiben vom 2. Juli 2019 wurde der Kläger zu den Feststellungen der Vor-Ort-Kontrollen im Juli 2018 und zur beabsichtigten Aufhebung der Bescheide, hinsichtlich einer Rückforderung der gegebenenfalls bereits ausgezahlten Förderungen für das Jahr 2018 sowie zu einem möglichen Ausschluss für das Folgejahr angehört.
7
Mit Schreiben vom 12. September 2019 nahm der Bevollmächtigte des Klägers zur Anhörung Stellung und berichtete über einen vorgenommenen Ortstermin im August 2019, an welchem dieser selbst, der Kläger sowie der seitens des Klägers hinzugezogene in botanischen Fragen Sachkundige teilgenommen hätten. An diesem Termin sei Feldstück Nr. 1 begangen und durch den Sachkundigen festgestellt worden, dass auf diesem die vier erforderlichen Kennarten vorhanden seien.
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Weitere Ortsbegehungen durch den Sachkundigen erfolgten am 15. Mai, 21. Juli sowie 28. August 2020.
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Mit Bescheid des AELF ... vom 11. November 2019 wurden die Bewilligungsbescheide vom 18. August 2015 sowie 12. Juli 2018 in Verbindung mit den Auszahlungsmitteilungen vom 15. Juni 2016, 5. Dezember 2016 sowie 11. Dezember 2017 für die Jahre 2015 bis 2019 sowie 2018 bis 2022 im Hinblick auf die Maßnahme B40 (Erhalt artenreicher Grünlandbestände) zurückgenommen (Ziffer 1). Der Kläger wurde aufgefordert, den zu Unrecht ausbezahlten Betrag in Höhe von 13.027,50 EUR zurückzuerstatten (Ziffer 2). Im Bescheid wurde eine Kosten- und Gebührenregelung (Ziffer 3) sowie eine Verzinsungsregelung getroffen (Ziffer 4).
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Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass nach Art. 48, 49a BayVwVfG i.V.m. Art. 7 Durchführungs-VO (EU) Nr. 809/2014 die gewährten Zuwendungen zurückzufordern seien. Sowohl für die Jahre 2015 bis 2017 als auch für das Jahr 2018 seien jeweils acht bzw. neun Feldstücke aufgefunden worden, auf denen keine oder weniger als vier Kennarten vorgefunden worden seien. Die betreffende Fläche für die Jahre 2015 bis 2017 betrage 15,26 ha (87,85% der beantragten Fläche), weshalb nach der Sanktionsregelung dies eine Aufhebung des Bescheids sowie eine Rückforderung der bereits ausbezahlten Beträge erfordere. Für das Jahr 2018 seien auf einer Fläche von 16,36 ha (88,57%) keine oder weniger als vier Kennarten aufgefunden worden, was nach der Sanktionsregelung eine Aufhebung des Bescheids, die Einbehaltung bzw. Rückforderung von bereits bezahlten Fördermitteln sowie einen Ausschluss für das Folgejahr nach sich ziehe. Der jährliche Rückforderungsbetrag betrage für die gewährten Feldstücke 4.342,50 EUR, mithin für die drei Jahre 2015, 2016 und 2017 insgesamt 13.027,50 EUR.
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Der Kläger ließ am 11. Dezember 2019 hiergegen Widerspruch einlegen, der in der Folge nicht weiter begründet wurde.
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Mit Widerspruchsbescheid vom 27. Mai 2021 wurde der Widerspruch zurückgewiesen, festgestellt, dass der Kläger die Kosten des Widerspruchsverfahrens zu tragen habe und eine Gebühr in Höhe von 195,00 EUR festgesetzt.
13
In diesem wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass der Widerspruch unbegründet sei. Die Aufhebung der Bewilligungsbescheide stütze sich auf Art. 49 Abs. 2a Satz 1 Nr. 2, Art. 49a BayVwVfG i.V.m. den Gemeinsamen Richtlinien der Bayerischen Staatsministerien für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (StMELF), für Umwelt und Verbraucherschutz (StMUV) zur Förderung von Agrarumwelt-, Klima- und Tierschutzmaßnahmen (AUM) in Bayern für den Verpflichtungszeitraum 2015 bis 2019 sowie 2018 bis 2022. Mit der einzelflächenbezogenen AUM-Maßnahme B40 „Erhalt artenreicher Grünlandbestände“ werde extensive Bewirtschaftung von Dauergrünlandflächen durch das Nachweisen von jährlich mindestens vier Kennarten gefördert. Diese Kennarten müssten – wie auch im Merkblatt zu AUM erläutert – in der seitens der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft (LfL) erstellten Informationsschrift „Artenreiches Grünland“ enthalten sein. Im Rahmen der Vor-Ort-Kontrollen am 4. und 26. Juli 2019 seien lediglich auf zwei Feldstücken (Nr. 41 und 43) vier Kennarten aufgefunden worden. Zudem sei festgestellt worden, dass es sich um intensiv genutzte Flächen handle. Der Auffassung des Prüfers, wonach solche Flächen generell nicht für die Maßnahme B40 geeignet seien, sei zutreffend. Darüber hinaus würden solche Flächen nicht der Zielsetzung der Maßnahme, der Artenvielfalt, dienen. Der Verstoß sei nach der Sanktionsmatrix (Anlage 7 der Gemeinsamen Richtlinie zur Förderung von AUM in Bayern) bewertet worden. Für die Gesamtbewertung sei die Bewertungsstufe „Ausmaß“ entscheidend gewesen. Sofern bei den übrigen Kriterien („Schwere“, „Dauer“, „Häufigkeit“) eine einheitlich nach oben bzw. unten festzustellende Abweichung von über einer Stufe gegenüber dem Kriterium des „Ausmaß“ festgestellt werde, dürfe das Gesamtergebnis diese Stufe höchstens um eine Stufe unter- oder überschreiten. Unter Verweis auf die Berechnung im Bescheid vom 11. November 2019 führe dies im Hinblick auf das Ausmaß zu einem schweren Verstoß (Bewertungsstufe V) für die Jahre 2015 bis 2017 sowie für das Jahr 2018. Eine Zielverfehlung führe indes zu einem sehr schweren Verstoß (Bewertungsstufe VI). Aus diesem Grund habe das AELF ... in Ausübung seines Ermessen in der Gesamtschau von einem sehr schweren Verstoß ausgehen dürfen. Dies führe zu einem Entziehen der Bewilligung, einer Rückforderung sowie einem Ausschluss für das darauffolgende Jahr. Zwar sei Letzterer nicht ausdrücklich aufgeführt worden. Dies sei jedoch unerheblich, da der Kläger im darauffolgenden Jahr keinen Antrag gestellt habe. Die durch die eigene Vor-Ort-Kontrolle des Klägers im Jahr 2019 getroffenen Feststellungen könnten die Vor-Ort-Kontrollen im Jahr 2018 nicht entkräften. Es stehe fest, dass die Prüfer im Juli 2018 keine vier Kennarten aufgefunden hätten. Zudem sei die Kontrolle des Klägers auf das Feldstück Nr. 1 begrenzt gewesen. Für das Auffinden der nach Ansicht des Klägers vorgefundenen Kennarten sei kein tauglicher Beleg übersandt worden. Aus dem übersandten Erfassungsbogen gehe weder hervor, auf welches Flurstück sich dieser beziehe, noch seien Datum oder Unterschrift darauf. Das Bildmaterial sei ebenfalls ohne Datum oder Unterschrift und zeige nicht, wo die einzelnen Pflanzen aufgenommen worden seien. Darüber hinaus würden schriftliche Ausführungen des klägerischen Sachverständigens vollständig fehlen.
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Am 4. Juni 2021 ließ der Kläger Klage erheben.
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Zur Begründung wurde im Wesentlichen vorgebracht, dass die bei den Vor-Ort-Kontrollen am 4. Juli 2018 sowie am 27. (richtig: 26.) Juli 2018 getroffenen Feststellungen die Annahme, dass der Kläger die Voraussetzungen für die Fördermaßnahme nicht erfülle, nicht tragen würden. Die Aufhebung sei rechtswidrig und verletze den Kläger in seinen Rechten. Bereits im Frühjahr 2018 habe der Kläger gemeinsam mit seinem Vater eine Begehung der Flächen durchgeführt und hierbei jeweils vier Kennarten feststellen können. Auch die Nachprüfung durch den hinzugezogenen Sachkundigen habe das Vorliegen der vier Kennarten auf einer Fläche bestätigt, welche im Rahmen der Vor-Ort-Kontrolle durch den Beklagten beanstandet worden sei. Zudem sei es nicht Sache des Klägers einen Nachweis über das Vorliegen der vier Kennarten zu erbringen. Eine derartige Nachweisführung sei nicht Bedingung der Förderung, sondern lediglich das Vorhandensein von vier Kennarten. Es werde darauf hingewiesen, dass weder der hinzugezogene Sachkundige noch der Bevollmächtigte des Klägers Veranlassung habe, falsche Angaben zu tätigen. Indes könne zwar eingewendet werden, dass die Nachbegehung erst im nachfolgenden Bewirtschaftungsjahr erfolgt sei, jedoch habe der Kläger die Flächen in der gleichen Weise wie auch die Jahre zuvor bewirtschaftet. Unter Verweis auf das Informationsblatt der LfL würden die Fördervoraussetzungen keine generell ungeeigneten Flächen anführen. Auf welche Weise der Landwirt zum Erhalt artenreicher Grünlandbestände beitrage, könne eigenständig entschieden werden. Es sei allein ausschlaggebend, dass auf der zu fördernden Fläche vier Arten aus der Kennartenliste vorhanden seien. Das Informationsblatt weise zudem darauf hin, dass sich die Kennarten leicht zur Blütezeit identifizieren lassen würden. Je nach Witterung sei dies von Anfang Mai bis Mitte Juni vor dem ersten Schnitt der Fall. Aufgrund von zum Teil bereits früher oder später blühenden Arten, könne deshalb eine mehrfache Begehung der Flächen zu unterschiedlichen Jahreszeiten erfolgen, um die Arten jeweils im Formular zu ergänzen. Die Vor-Ort-Kontrollen seien außerhalb des im Informationsblatt empfohlenen Beobachtungszeitraum erfolgt. Zum Teil seien die Flächen frisch gemäht gewesen. Daher sei es auf diesen Flächen schwierig, die erforderlichen Kennarten festzustellen. Darüber hinaus bedürfe es hierfür einer besonderen pflanzenkundigen Sachkenntnis, da die erforderlichen Pflanzen zum Teil nur an minimalen Unterschieden zu erkennen seien. Es sei nicht davon auszugehen, dass die Prüfer im Rahmen der Vor-Ort-Kontrolle einen derartigen Aufwand betrieben hätten. Allein aus diesem Grund seien die Prüfungsfeststellungen nicht ausreichend. Zudem könne sich der Prüfungszeitraum nicht auf einzelne Tage begrenzen lassen. Vielmehr sei es auch nach dem Informationsblatt entscheidend, dass die Kennarten während der Vegetationsperiode wenigstens einmal vorhanden seien. Eben aus diesem Grund solle eine Begehung mehrfach im Jahr erfolgen und ein Nachtrag möglich sein. Es komme darauf an, ob die Kennarten vorhanden seien, und nicht, ob sie aufgrund einer zufälligen Vor-Ort-Kontrolle aufgefunden werden würden. Die Kontrolle müsse sich den Fördervoraussetzungen anpassen, sodass zudem eine Kontrolle auch vor dem ersten Schnitt vorgenommen werden sollte. Die punktuellen Vor-Ort-Kontrollen würden den Sachverhalt, welcher zur Rücknahme der Förderung führte, nicht belegen. Es seien auf allen beantragten Flächen während des Förderungszeitraums jeweils mindestens vier Kennarten vorhanden gewesen. Dies lasse sich auch noch heute aus der vorhandenen Bepflanzung herleiten. Zudem wies der Klägerbevollmächtigte mit weiterem Schriftsatz vom 11. August 2021 darauf hin, dass aufgrund der eindeutig definierten Fördervoraussetzungen die Feststellung der Verstöße nicht darauf gestützt werden könne, dass der Prüfer sporadisch an den Flächen vorbeigefahren sei. Es werde nicht entscheidend darauf ankommen, welchen Eindruck sich bei dem Prüfer hierdurch verfestigte. Die Förderung untersage weder die Düngung noch eine vier- oder fünfmalige Mähnutzung. Es könne lediglich sanktioniert werden, sofern feststehe, dass die vier Kennarten auf der betreffenden Fläche nicht existent seien. Dieser Beleg sei durch gelegentliche, undefinierte Kontrolle nicht erbracht.
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Der Kläger lässt beantragen,
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den Bescheid vom 11. November 2019 in der Form des Widerspruchsbescheids vom 27. Mai 2021 aufzuheben.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Zur Begründung wird unter Verweis auf die Ausführungen im Widerspruchsbescheid im Wesentlichen ausgeführt, dass die streitgegenständlichen Verstöße hinreichend belegt seien, weshalb der klägerische Vortrag dies bislang nicht habe entkräften können. Welche Betriebe einer Vor-Ort-Kontrolle unterzogen werden würden, entscheide das Bayerische Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (StMELF). Eine Mitteilung im Hinblick auf den Betrieb des Klägers erfolgte am 25. Juni 2018. Die Kontrolle von Feldstücken hinsichtlich der Kulturlandschaftsprogrammmaßnahme (KULAP-Maßnahme) „B40 – artenreiches Grünland“ werde bei der zuständigen Stelle in Krumbach grundsätzlich durch einen Spezialisten, welcher eine pflanzenbauliche Schulung zur Kontrolle dieser Maßnahme durchlaufen habe, durchgeführt. Nach Mitteilung der zu kontrollierenden Betriebe übernehme dieser Prüfer den Auftrag, führe eine zeitnahe Besichtigung der Feldstücke durch und leite die Ergebnisse der durchgeführten Kontrolle den jeweiligen Erstprüfern zu. Die Kontrolle der B40-Feldstücke des Klägers seien durch einen spezialisierten Prüfer durchgeführt worden. Dieser habe sowohl in der Zeit davor als auch danach Betriebe im Hinblick auf das Vorliegen von B40-Flächen kontrolliert und hierdurch einen Erfahrung- und Sachverstand aufgebaut. In der Woche nach der Mitteilung des StMELF sei die Vor-Ort-Kontrolle der klägerischen Feldstücke gesetzt worden. Der Prüfer sei zum ersten Termin vom damaligen Abteilungsleiter des Prüfdienstes begleitet worden. Zu diesem Zeitpunkt seien die Flächen bereits erstmalig gemäht gewesen und hätten sich im zweiten Aufwuchs befunden. Dies hätte eine Erschwerung der Kontrolle zur Folge gehabt, eine solche jedoch nicht unmöglich gemacht. Der Prüfer habe im Verlaufe des Jahres die Feldstücke mehrmals einer Kontrolle unterzogen, da er die Entscheidung über die Feststellung eines Verstoßes nicht leichtfertig habe treffen wollen. Diese weiteren Kontrollen seien ohne Dokumentation erfolgt, da der Prüfer immer wieder an den Flächen vorbeigefahren sei. Es habe sich für den Prüfer aufgrund dessen gezeigt, dass die Feldstücke nicht im Sinne der Fördermaßnahme bewirtschaftet werden würden. Vielmehr handle es sich nach der Ansicht des Prüfers bei den Feldstücken um intensiv genutzte und gedüngte Flächen mit vier bis fünf Mähnutzungen. Aus diesem Grund würden die kontrollierten Flächen einen grasreichen und kräuterarmen Bestand aufweisen. Aus Sicht des Prüfers handle es sich im vorliegenden Fall um eindeutige Verstöße. Zwei der Flächen des Klägers hätten aufgrund der Kontrolle keine Beanstandung erfahren – dies sei jedoch lediglich aufgrund eines großen Entgegenkommens geschehen.
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Mit weiterem Schriftsatz vom 30. Oktober 2023 führte der Beklagte aus, dass es unrichtig sei, wenn der Bevollmächtigte des Klägers ausführe, dass es nicht in der Verantwortung des Klägers liege, den Nachweis über die Existenz der Kennarten zu führen. Ein Verweis auf das Merkblatt AUM Verpflichtungszeitraum 2015 – 2019, wonach es auf Seite 9 zur Maßnahme B40 heiße: „Gefördert wird die extensive Bewirtschaftung bestimmter Dauergrünlandflächen durch Nachweis von jährlich mindestens vier Kennarten“, zeige, dass der Kläger den Nachweis über die vier Kennarten in jedem Jahr zu erbringen habe. Sofern im Rahmen einer Kontrolle diese nicht aufgefunden werden würden, führe dies zu einem Verstoß. Der Kläger habe im Rahmen der Antragstellung selbst versichert, dass er von diesem Merkblatt Kenntnis habe und die genannten Verpflichtungen einhalten werde. Bei dem genannten Satz handle es sich um eine Verpflichtung. Diese sei wesentlicher Bestandteil der Maßnahme und begründe die Höhe der jeweiligen Zuwendung. Sofern der Kläger auf andere Weise über die Existenz der vier Kennarten im Jahr 2018 einen Nachweis hätte erbringen können, wäre eine Sanktionierung nicht erfolgt. Für das betreffende Jahr liege jedoch kein tauglicher Nachweis vor, welche das Vorliegen der vier Kennarten in diesem Jahr belegen könnte. Ergebnisse von Ortsbegehungen aus den Jahren 2019 sowie 2020 seien untauglich, das Nichtvorliegen eines Nachweises für das Jahr 2018 zu heilen. Die Behauptung, wenn Kennarten im Jahr 2019 vorliegen würden, würden diese aufgrund identischer Bewirtschaftung ebenfalls im Jahr 2018 vorgelegen haben, sei als Nachweis unzureichend. Zudem hätte der Prüfer die Kennarten im Rahmen der Vor-Ort-Kontrolle vorfinden müssen. Darüber hinaus handle es sich um eine einzelflächenbezogene Maßnahme, weshalb der Nachweis im Hinblick auf das Vorliegen der vier Kennarten jährlich für jedes einzelne Feldstück zu erbringen sei. Auch durch die Begehung des Klägers mit dem hinzugezogenen Sachkundigen seien lediglich auf Feldstück Nr. 1 aus Sicht der Ortsbegehenden vier Kennarten aufgefunden worden – ohne Begehung der weiteren Feldstücke. Selbst für das Jahr dieser Begehung – 2019 – sei daher für die weiteren Feldstücke kein tauglicher Nachweis erbracht worden.
22
In der Sache wurde am 21. November 2023 mündlich vor Gericht verhandelt. In der mündlichen Verhandlung wurde durch die Vernehmung der Zeugen, dem Vaters des Klägers, dem klägerischen Sachkundigen sowie dem damaligen Prüfer des Beklagten, Beweis erhoben zu den Umständen und Feststellungen des Bewuchses sowie der Bewirtschaftung der klägerischen Grundstücke. Auf das dabei gefertigte Protokoll wird Bezug genommen, ebenso wegen der weiteren Einzelheiten auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Behördenakte.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Klage ist begründet. Der angefochtene Bescheid des Beklagten vom 11. November 2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27. Mai 2021 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
24
Die tatbestandlichen Voraussetzungen für einen Widerruf nach Art. 49 Abs. 2a Satz 1 Nr. 2 BayVwVfG liegen nicht vor. Entgegen der Auffassung des Beklagten hat der Kläger die mit den ausgezahlten Förderungen verbundene Auflage eines jährlichen Nachweises von mindestens vier Kennarten für die beantragten Feldstücke erfüllt.
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1. Die Aufhebung der Bewilligungsbescheide sowie die Rückforderung der auf den Bewilligungsbescheiden basierenden Auszahlungen in Gestalt des Widerspruchsbescheids stützt sich zu Unrecht auf Art. 49 Abs. 2a Satz 1 Nr. 2, 49a BayVwVfG i.V.m. Art. 7 VO (EU) Nr. 809/2014 i.V.m. den Gemeinsamen Richtlinien der Bayerischen Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten und für Umwelt und Verbraucherschutz zur Förderung von Agrarumwelt-, Klima- und Tierschutzmaßnahmen (AUM) in Bayern für den Verpflichtungszeitraum 2015 bis 2019 bzw. 2018 bis 2022 (AUM-Richtlinien).
26
Gemäß Art. 49 Abs. 2a Satz 1 Nr. 2 BayVwVfG kann ein rechtmäßiger Verwaltungsakt, der eine einmalige oder laufende Geldleistung zur Erfüllung eines bestimmten Zweckes gewährt oder hierfür Voraussetzung ist, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise auch mit Wirkung für die Vergangenheit widerrufen werden, wenn mit dem Verwaltungsakt eine Auflage verbunden ist und der Begünstigte diese nicht oder nicht innerhalb einer ihm gesetzten Frist erfüllt hat. Art. 49a BayVwVfG regelt die Erstattung und Verzinsung von bereits erbrachten Leistungen.
27
a) Nach Nr. 3.2 der AUM-Richtlinie sind die Verpflichtungen zu den jeweiligen Maßnahmen in den Merkblättern zur Richtlinie aufgeführt und mit einem Stern „...“ gekennzeichnet. Diese stellen die wesentlichen Bestandteile der Maßnahme dar und sind Grundlage für die kalkulierte Höhe der Zuwendung. Im Rahmen der Maßnahme B40 ist auf Seite 9 des Merkblatts Agrarumwelt- und Klimamaßnahmen (AUM) mit einem „...“ gekennzeichnet: „Gefördert wird die extensive Bewirtschaftung bestimmter Dauergrünlandflächen durch Nachweis von jährlich mind. vier Kennarten“.
28
Sowohl im Bescheid im Jahr 2015 als auch im Jahr 2018 wurde im Rahmen der Bewilligung der jeweiligen Förderungen unter Ziffer 4 der Nebenbestimmungen darauf hingewiesen, dass die Bestimmungen, die Förderkriterien und Verpflichtungen sowie sonstige Auflagen, die im Merkblatt „Agrarumwelt- und Klimamaßnahmen (AUM)“ unter den jeweiligen Abschnitten aufgeführt sind, einzuhalten sind.
29
Für die Beteiligten stand unstreitig fest, dass Voraussetzung für das Gewähren der Förderung von B40-Maßnahmen „Erhalt artenreicher Grünlandbestände“ das Vorhandensein von mindestens vier Kennarten, die in der Informationsschrift „Artenreiches Grünland“ der Landesanstalt für Landwirtschaft (LfL) enthalten sind, auf den jeweiligen Feldstücken ist. Auch wenn grundsätzlich eine extensive Bewirtschaftungsweise gefördert wurde, waren Beschreibungen über die Art und Weise dieser gewünschten Bewirtschaftungsweise in den Merkblättern nicht enthalten. Vielmehr sollte eine solche durch den Nachweis der Kennarten erfolgen. Folglich kam es im vorliegenden Fall entscheidend darauf an, wie der Nachweis der Auflage des jährlichen Vorliegens von mindestens vier Kennarten geführt werden sollte und ob ein etwaiger geführter Nachweis durch den Beklagten erschüttert wurde.
30
Grundsätzlich ist weder die Auslegung der streitgegenständlichen Zuwendungsrichtlinie anhand des Wortlauts, noch der Systematik oder dem Telos entscheidend (VG München, U.v. 16.12.2021 – M 31 K 21.3624 – juris Rn. 31). Vielmehr kommt es darauf an, ob die dem Bescheid des Beklagten zugrundliegende Anwendung der Richtlinie dem Verständnis sowie der ständigen Verwaltungspraxis des Beklagten entspricht. Es kommt nicht auf das klägerische Verständnis der Begriffe oder dem allgemeinen Sprachgebrauch an (BayVGH, B.v. 8.11.2021 – 6 ZB 21.1889 – juris Rn. 20 m.w.N.; VG Würzburg, U.v. 6.3.2023 – W 8 K 22.1257 – juris Rn. 38). Für die Selbstbindung der Verwaltung ist nicht der Wortlaut der Richtlinie, Vollzugshinweise oder Merkblätter entscheidend, vielmehr das Verständnis des Fördergebers und die tatsächliche Verwaltungspraxis zum maßgeblichen Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung (VGH BW, B.v. 21.10.2021 – 13 S 3017/21 – juris Rn. 33 mit Verweis auf BVerwG, B.v. 11.11.2008 – 7 B 38.08 – juris Rn. 9 f.; VG Würzburg, U.v. 6.3.2023 – W 8 K 22.1257 – juris Rn. 38). Bei der rechtlichen Beurteilung staatlicher Fördermaßnahmen, die lediglich auf verwaltungsinternen ermessenslenkenden Vergaberichtlinien beruhen, kommt es damit nicht auf eine objektive Auslegung der Richtlinien an, sondern grundsätzlich nur darauf, wie die ministeriellen Vorgaben von der zuständigen Stelle tatsächlich verstanden und praktiziert worden sind (vgl. BayVGH, U.v. 10.12.2015 – 4 BV 15.1830 – juris Rn. 42 m.w.N.). Der Zuwendungsgeber legt die Modalitäten einer Förderung fest, legt dessen Richtlinien aus, bestimmt den Förderzweck und richtet die Förderpraxis entsprechend aus (NdsOVG, U.v. 15.9.2022 – 10 LC 151/20 – juris Rn. 41 ff.; BayVGH, B.v. 8.11.2021 – 6 ZB 21.1889 – juris Rn. 19).
31
b) Etwas Anderes gilt für die Aufhebung der bereits erfolgten Bewilligung der Förderungen im Falle eines mehrjährigen Förderungszeitraumes.
32
Für die Frage, wie die konkrete Inhaltsbestimmung der jeweiligen Verpflichtungen und Auflagen zu erfolgen hat, muss unterschieden werden zwischen einjährigen und mehrjährigen Förderprogrammen. Bei einjährigen Förderprogrammen prüft die Behörde im Rahmen der Antragsbearbeitung, ob in dem entsprechenden Antragsjahr die Förderkriterien, Verpflichtungen und Auflagen eingehalten worden sind. Maßgebend für die Bestimmung des Inhalts dieser Anforderungen ist die von der Behörde bis dahin entwickelte Verwaltungspraxis. Bei mehrjährigen Förderprogrammen gelten allerdings andere Grundsätze. Dort vollzieht sich die Förderung in zwei Stufen. Zunächst wird dem Grunde nach für einen bestimmten – meist 5-jährigen – Zeitraum eine Förderung (z.B. für eine Extensivierung) bewilligt. Sodann wird für jedes Antragsjahr eine Auszahlung dieser dem Grunde nach bereits bewilligten Förderung im Rahmen eines Auszahlungsbescheides festgelegt. Der Grundbescheid ist dann für den Betriebsinhaber Anspruchsgrundlage für die jährliche Auszahlung. Der Inhalt der Förderkriterien, Verpflichtungen und Auflagen ergibt sich aus diesem Grundbescheid. Dieser muss somit ausgelegt werden. Für die Auslegung ist insoweit entscheidend der objektive Empfängerhorizont. Jede Nichteinhaltung von Verpflichtungen und Auflagen stellt einen Verstoß dar (VG Würzburg, U.v. 6.3.2023 – W 8 K 22.1257 – juris Rn. 93).
33
Im vorliegenden Fall wurde die Zuwendung für einen Zeitraum von fünf Jahren bewilligt. In Anwendung der genannten Grundsätze kam es folglich im Hinblick auf die inhaltliche Bestimmung der Verpflichtungen bzw. Auflagen auf den objektiven Empfängerhorizont und nicht die ständige Verwaltungspraxis an.
34
2. Aus Sicht des objektiven Empfängerhorizonts des Klägers geht das Gericht nach der Beweisaufnahme in der mündlichen Verhandlung davon aus, dass der jährliche Nachweis für das Vorliegen von mindestens vier Kennarten auf den jeweiligen Feldstücken erbracht wurde.
35
a) Der in der mündlichen Verhandlung als Zeuge vernommene Vater des Klägers – bis zum Jahr 2017 selbst Betriebsleiter und Antragsteller der Förderung für einen Großteil der Feldstücke – konnte glaubhaft und detailliert schildern, dass und wie die seitens der Beklagtenseite geforderte Auflage erfüllt worden ist.
36
Der Zeuge hat dargelegt, dass ihm im Rahmen der Antragstellung versichert wurde, dass er hinsichtlich des Vorliegens der Kennarten auf den Feldstücken nichts zu dokumentieren brauche. Es reiche vielmehr, dass die Kennarten lediglich über das Jahr verteilt tatsächlich vorhanden seien. Das Vorhandensein der Kennarten hat der Zeuge nachvollziehbar aufgrund seiner langjährigen Bewirtschaftung der Flächen geschildert.
37
Die Ausführungen des Zeugen im Hinblick auf die in die Förderung miteinbezogenen Flächen zeigen nach Ansicht der Kammer deutlich, dass diesem bei der Antragstellung bekannt war, dass es sich um Flächen handeln soll, auf welchen jährlich mindestens vier Kennarten, die in der Informationsschrift „artenreiches Grünland“ enthalten sind, wachsen sollen und im Jahr der beantragten Förderung sowie in den Folgejahren – auch für das durch den Kläger neu beantragte Feldstück Nr. 10 – auch jährlich gewachsen sind. Auch die Einlassungen des Zeugen hierzu, wonach das Feldstück Nr. 10 neu hinzugepachtet wurde und er – mangels Kenntnis von diesem Grundstück und aufgrund der Aufnahme in das Förderprogramm – das Feldstück begutachtet hat, um sich zu versichern, dass die Kennarten auch auf diesem vorhanden sind, zeigen, dass ein Nachweis für das Vorhandensein der Kennarten auch für das neue Feldstück Nr. 10 vorhanden war.
38
Somit wurde aus Sicht des objektiven Empfängers ein Nachweis dahingehend erbracht, dass die Kennarten jährlich auf den beantragten Feldstücken tatsächlich vorhanden waren. Nach der Aussage des Zeugen, dem früheren Betriebsinhaber, war dieser regelmäßig auf den Grundstücken und hat im Rahmen der langjährigen Bewirtschaftung der Flächen die Kennarten erkannt.
39
Dies geht auch aus den Stellungnahmen des Klägers vom 10. Februar sowie
2. März 2019 hervor, in welchen dieser dem Beklagten mitteilt, dass er regelmäßig Kontrollgänge durchgeführt und konkrete Kennarten gesehen hat.
40
b) Die Einlassungen des in botanischen Fragen sachkundigen weiteren Zeugen des Klägers, welcher auf den Feldstücken im Jahr 2019 wie auch mehrfach im Jahr 2020 Ortsbegehungen durchgeführt hat, war entgegen der Auffassung des Beklagten geeignet, das tatsächliche Vorhandensein weiterer Kennarten auf den Feldstücken nachzuweisen. Zu den Zeitpunkten der Ortsbegehungen waren – aufgrund der weiter zurückliegenden Schnittzeitpunkte – nach den glaubhaften Schilderungen des Zeugen die verschiedenen Kennarten teilweise schon von Weitem zu sehen. Das Gericht konnte im Rahmen der Beweiswürdigung auch die Einlassungen des sachkundigen Zeugen aufgrund seiner Ortsbegehungen berücksichtigen, obwohl diese nicht in den Jahren 2015 bis 2018 stattfanden. Die Feststellungen des sachkundigen Zeugen zu den Kennarten ergaben mit den glaubhaften Schilderungen des früheren Betriebsinhabers wie auch den Einlassungen des Klägers zur gleichbleibenden Bewirtschaftungsweise der Feldstücke über lange Zeit in einer Gesamtschau das tatsächliche Vorliegen der Kennarten auf den jeweiligen Feldstücken in diesen Jahren.
41
c) Entgegen der Auffassung des Beklagten ist es nach Ansicht des Gerichts nicht erforderlich, zum Zeitpunkt einer unangekündigten Kontrolle, bei welcher weder der im Jahr 2018 aktuelle Betriebsinhaber noch der Betriebsinhaber für die Jahre zuvor anwesend waren, schriftliche Aufzeichnungen vorzuweisen, welche das Vorhandensein der Kennarten über die letzten Jahre belegen würden. Eine solche schriftliche oder fotografische Dokumentationspflicht ergibt sich weder aus den Unterlagen im Rahmen der Antragstellung, noch wurden nach den glaubhaften Schilderungen des Zeugen, der früheren Betriebsinhaber bzw. der heutige Betriebsinhaber im Rahmen der Antragstellung auf ein solches Erfordernis hingewiesen.
42
Der Beklagte konnte weder durch die Feststellungen der zwei punktuellen vorgenommenen Vor-Ort-Kontrollen noch durch die Einlassungen des damaligen Prüfers in der mündlichen Verhandlung die Schilderungen des Klägers, dessen Vater sowie deren Sachkundigen erschüttern. Zwar handelt es sich nach Aussage des Prüfers bei den getroffenen Feststellungen um eine Zusammenfassung aller Vor-Ort-Kontrollen, sodass im Hinblick auf die Anzahl der Kennarten, eine Addition derselben im Hinblick auf das gesamte Jahr erfolgte. Allerdings erscheint es bereits fraglich, ob eine in einem Monat punktuell stattfindende Vor-Ort-Kontrolle geeignet ist, die jeweiligen Früh-, Mittel- und Spätblüher zu erfassen.
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Unabhängig davon waren die Feldstücke nach übereinstimmender Aussage aller Beteiligten zum Teil bereits geschnitten. Aus diesem Grund standen die Feldstücke teilweise – aufgrund der Zufälligkeit und punktuellen Natur der Vor-Ort-Kontrolle – erst wieder im nächsten Aufwuchs, was auch durch die übergebenen Aufzeichnungen des früheren Betriebsinhabers, dem Vater des Klägers, nachvollziehbar war. Ob zu diesem Zeitpunkt sämtliche auf den Feldstücken vorhandene Kennarten erfassbar sind, konnte der als Zeuge vernommene Prüfer für das Gericht dagegen nicht plausibel darlegen.
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d) Unter Berücksichtigung der in der mündlichen Verhandlung erfolgten Beweisaufnahme waren aus Sicht der Kammer zum Zeitpunkt der Aufhebung der Bewilligungsbescheide das Vorliegen von mindestens vier Kennarten auf allen zehn beantragen Feldstücken nachgewiesen, was durch die vorgenommenen zwei punktuellen Vor-Ort-Kontrollen nicht erschüttert werden konnte.
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3. Selbst im Falle einer Auslegung im Sinne der ständigen Verwaltungspraxis, würde sich kein anderes Ergebnis ergeben. Das der Förderung zugrundeliegende Merkblatt AUM enthält keine weiteren Hinweise, um den geforderten möglichen Nachweis zu konkretisieren. Hinsichtlich der Kennarten wird – ohne eine mit „...“ gekennzeichnete Verpflichtung – auf die Informationsschrift „artenreiches Grünland“ der Landesanstalt für Landwirtschaft verwiesen. Zwar findet sich in der Informationsschrift ein Erfassungsbogen, um die aufgefundenen Kennarten festzuhalten. Eine zwingende Verpflichtung, diesen Erfassungsbogen jährlich für den Nachweis der Kennarten zu verwenden, besteht indes nicht. Vielmehr wurde auch seitens des Beklagten nicht vorgetragen, dass eine jährliche Verwendung zwingend erforderlich sei und eine diesbezügliche Verwaltungspraxis bestehe. Vielmehr ist es nach dem Vortrag des Beklagten ausreichend, wenn der Kläger das Vorliegen der Kennarten anderweitig, in Form von Lichtbildern oder Ähnlichem, hätte nachweisen können.
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4. Die Kostenfolge ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO, der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.