Inhalt

LG München I, Beschluss v. 16.11.2023 – 2 Qs 14/23
Titel:

Klimaaktivisten als kriminelle Vereinigung

Normenketten:
GG Art. 8
StGB § 129 Abs. 1, Abs. 2, Abs. 3 Nr. 2
Leitsätze:
1. Sollen neben einer Vielzahl von Straßenblockaden, die im Einzelfall ggf. einer näheren Betrachtung auch unter dem Blickwinkel von Art. 8 GG bedürfen, Mitglieder einer Vereinigung wiederholt unter Zerstörung von Schutzeinrichtungen widerrechtlich auf besonders gegen unberechtigten Zutritt gesicherte Gelände vorgedrungen sein und dort durch Protestaktionen sensible Bereiche der Infrastruktur erheblich beeinträchtigt haben (Störung und Blockaden des Betriebs verschiedener Flughäfen und konzertierte Aktionen, um den Durchfluss verschiedener Ölpipelines zu unterbrechen), liegen zureichende tatsächliche Anhaltspunkte für das Vorliegen einer erheblichen Gefahr für die öffentliche Sicherheit vor. (Rn. 16) (redaktioneller Leitsatz)
2. § 129 Abs. 1 StGB ist nicht nur dann anwendbar, wenn die Straftaten, die begangen werden sollen, Endziel, Hauptzweck oder ausschließliche Tätigkeit der Vereinigung sind. Die Begehung von Straftaten ist jedenfalls dann nicht von untergeordneter Bedeutung nach § 129 Abs. 3 Nr. 2 StGB, wenn sie zwar nur einen von mehreren Zwecken der Vereinigung darstellt, dieser Zweck aber wenigstens in dem Sinne wesentlich und damit gleichgeordnet mit den anderen ist, dass durch das strafrechtswidrige Verhalten das Erscheinungsbild der Vereinigung aus der Sicht informierter Dritter mitgeprägt wird. (Rn. 13) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Vereinigung, kriminell, Klimaaktivisten, Gefahr, öffentliche Sicherheit
Vorinstanz:
AG München, Beschluss vom 16.05.2023 – ER V Gs 5965/23
Fundstellen:
LSK 2023, 40815
BeckRS 2023, 40815
NStZ 2024, 295

Tenor

Die Beschwerde des Beschuldigten M. W. M. gegen den Beschluss des Amtsgerichts München vom 16.05.2023 (Gz.: ER V Gs 5965/23) wird als unbegründet verworfen.
2. Der Beschuldigte hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe

I.
1
Bei der Generalstaatsanwaltschaft München ist ein Ermittlungsverfahren gegen mehrere Personen anhängig, die sich unter der Bezeichnung „...“ als Klimaaktivisten betätigen. Die Generalstaatsanwaltschaft München stufte die „...“ als kriminelle Vereinigung ein und beantragte beim Amtsgericht München – Ermittlungsrichter mehrere Beschlüsse, unter anderem einen Durchsuchungsbeschluss gegen den Beschuldigten M., den hiesigen Beschwerdeführer.
2
Die Generalstaatsanwaltschaft München wirft mehreren Personen, unter ihnen der Beschwerdeführer, vor, sich spätestens seit Anfang 2022 in unterschiedlichen Funktionen in der Vereinigung „... (...)“ engagiert zu haben und weiteren Personen, dass sie die Organisation durch die Zurverfügungstellung einer Zugriffsmöglichkeit auf ein Bankkonto und die Verwaltung der eingehenden Spendengelder unterstützt hätten.
3
Im Wesentlichen begründet die Generalstaatsanwaltschaft München den Tatverdacht mit den Ergebnissen der durchgeführten Ermittlungen, wonach es sich bei der „...“ um eine Vereinigung von Aktivisten handele, die durch Mittel des „zivilen Ungehorsams“ Maßnahmen der Bundesregierung gegen die Klimakrise zu erzwingen suchten. Straßenblockaden würden einen Schwerpunkt der Aktivitäten bilden. Um die Räumung von Straßenblockaden durch die Polizei zu erschweren, klebten sich immer wieder einzelne Aktivisten mit ihren Hand- oder FußfläChen auf den Straßenbelag. Zudem würden regelmäßig Aktionen gegen die Infrastruktur der Kohle-, Öl- und Gasindustrie in Deutschland durchgeführt und publikumswirksam der Öffentlichkeit präsentiert. Die Klimaaktivisten würden immer wieder bewusst und zielgerichtet Straftaten begehen, um die öffentliche Aufmerksamkeit zu erreichen und in ihrem Sinne auf den Klimawandel aufmerksam zu machen. Insbesondere würden zielgerichtet Sachbeschädigungen am Eigentum Unbeteiligter und Nötigungen von unbeteiligten Passanten begangen. Beispielhaft wurden eine Reihe von Aktionen konkret beschrieben, die unter anderem Blockaden von Autobahnen und Zufahrtsstraßen zu Flughäfen, Festklebeaktionen auf dem Rollfeld des Flughafens Berlin-Brandenburg, sowie die Manipulation der Notabschaltung von Ölpipelines zum Gegenstand hatten. Die Vereinigung verfüge über eine straffe Organisationsstruktur mit einem Führungsteam und dezentral organisierten Aktivistengruppen. Bundesweit hätten sich bereits mehrere hundert Personen an Straftaten der „...“ beteiligt. Zur Sicherstellung ihres einheitlichen Auftretens habe die „...“ Richtlinien erarbeitet, die auch über Flyer kommuniziert würden. Es existiere eine zentrale Verwaltung der Finanzen. Die Vereinigung finanziere sich über Spendengelder, mit denen die Lebenshaltung, Reisetätigkeit und Unterkunft der Mitglieder bezahlt werde, um ihnen die Begehung von Straftaten zu ermöglichen. Zudem hätten mit diesem Geld die Kosten von Mitgliedern übernommen werden sollen, die durch die Begehung von Straftaten angefallen seien.
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Konkret wird dem Beschwerdeführer zur Last gelegt, sich an folgender Aktion beteiligt zu haben: Am 27.04.2022 gegen 10:30 Uhr sei er zusammen mit dem Beschuldigten in die Pipeline-Schiebestation TAL Ni. bei Mo. eingedrungen, an der der Ölfluss der „Transalpinen Ölleitung“, mit welcher das gesamte Rohöl für die Erdölraffinerien in Bayern liefere, gesteuert werden könne. Gemeinsam mit dem Mitbeschuldigten BÄ habe der Beschwerdeführer den Sicherungszaun durchschnitten und das Sicherungsschloss der Tür zerstört. In der Schiebestation sei es ihnen dann aufgrund mangelnder Sachkenntnis nicht gelungen, den Durchfluss durch die Pipelines zu stoppen, jedoch sei durch das Auslösen eines Sicherheitsalarms eine Abschaltung der Pipeline erfolgt. Der Öldurchfluss sei über einen Zeitraum von fünf Stunden unterbrochen gewesen. Der Schaden am Sicherungszaun und am Vorhängeschloss betrage insgesamt 2.870 Euro. Der Beschwerdeführer habe 669,11 Euro, der Beschuldigte BZ habe 8.611 Euro als Zuwendung aus den Spendengeldern erhalten. Gegen den Beschwerdeführer liefen zudem mehrere weitere Ermittlungs- und Strafverfahren wegen der Beteiligung an einzelnen Straftaten der „...“.
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Hinsichtlich der näheren Einzelheiten wird auf die Ausführungen in dem Durchsuchungsbeschluss (BI. 1303 ff.) Bezug genommen.
6
Der Ermittlungsrichter am Amtsgericht München hat am 16.05.2023 unter dem Geschäftszeichen ER V Gs 5965/23 den von der Generalstaatsanwaltschaft München beantragten Durchsuchungsund Beschlagnahmebeschluss gegen den Beschwerdeführer erlassen (BI. 1303 ff.). Gegen diesen Beschluss hat der Beschwerdeführer M- mit Schriftsatz von Prof. Dr. G1. vom 26.05.2023 (BI. 1601) Beschwerde eingelegt und diese mit Schriftsätzen vom 03.08.2023 und 07.08.2023 näher begründet. Mit Schriftsatz vom 03.08.2023 macht der Beschwerdeführer geltend, dass der Beschluss des Ermittlungsrichters vom 31.07.2023, mit dem der Ermittlungsrichter der Beschwerde gegen die Durchsuchungsbeschlüsse nicht abgeholfen habe, wegen eines Verstoßes gegen § 29 Abs. 1 StPO offensichtlich fehlerhaft sei, da der Ermittlungsrichter ein Ablehnungsgesuch vom 30.06.2023 bewusst ignoriert habe. In seinem Schriftsatz vom 07.08.2023 macht der Beschwerdeführer im Wesentlichen geltend, dass der Inhalt der Anordnung nicht den gesetzlichen Vorgaben entspreche. Der Umstand, dass sich der Beschwerdeführer tatsächlich in der Wohnung von Cl. H- in der in Mü. aufhalten solle, ergebe sich ausweislich BI. 1225 der Akte aus einer Überwachung des Telekommunikationsverkehrs. Dem Ermittlungsrichter hätten bei der Beschlussfassung jedoch keine Akten mit ...-Protokollen vorgelegen. Daher habe dieser keine eigenständige Prüfung im Hinblick auf die zu durchsuchenden Räume vornehmen können. Der Durchsuchungsbeschluss lasse auch in seiner Gesamtheit nicht erkennen, dass der Ermittlungsrichter die Voraussetzungen für dessen Erlass eigenständig geprüft habe. Der Ermittlungsrichter müsse sich durch die eigenverantwortliche Prüfung der Ermittlungen davon überzeugen, dass die Maßnahme verhältnismäßig sei. Zur Begründung der Angemessenheit genügten formelhafte Wendungen nicht. Eine Prüfung durch den Ermittlungsrichter habe nicht stattgefunden. Die Bezugnahme auf neu hinzugetretene Ermittlungsergebnisse, die dem Ermittlungsrichter zum Zeitpunkt des Erlasses seiner Entscheidung unbekannt gewesen seien, könnten einen bestehenden Mangel nicht heilen. Hinsichtlich der Einzelheiten des Beschwerdevorbringens wird auf die Schriftsätze vom 31.07., 03.08. und 07.08.2023 verwiesen.
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Das Amtsgericht hat der Beschwerde mit Beschluss vom 26.07.2023 (BI. 2025) und nach der Entscheidung über den Befangenheitsantrag gegen den Ermittlungsrichter mit Beschluss vom 02.10.2023 (BI. 2647) unter Bezugnahme auf den Beschluss vom 26.07.2023 nicht abgeholfen. Hinsichtlich der näheren Einzelheiten zur Begründung der Nichtabhilfeentscheidung wird auf den Beschluss vom 26.07.2023 Bezug genommen.
II:
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Die zulässige Beschwerde ist unbegründet. Die Voraussetzungen für den Erlass eines Durchsuchungs- und Beschlagnahmebeschlusses lagen vor.
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1. Voraussetzung für den Erlass eines Durchsuchungsbeschlusses ist zunächst das Vorliegen zureichender tatsächlicher Anhaltspunkte dafür, dass eine bestimmte Straftat begangen worden ist. Dem Beschwerdeführer wird durch die Generalstaatsanwaltschaft München unter anderem zur Last gelegt, eine kriminelle Vereinigung gebildet zu haben. Das Vorliegen zureichender tatsächlicher Anhaltspunkte dafür, dass es sich bei der ... um eine kriminelle Vereinigung im Sinne des § 129 StGB handelt, wurde zutreffend angenommen, selbst der Beschwerdeführer stellt dies in seinem Beschwerdevorbringen nicht in Abrede.
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a) Vereinigung im Sinne des § 129 StGB.
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aa) Der Begriff der Vereinigung ist in § 129 Abs. 2 StGB legaldefiniert. Danach ist eine Vereinigung ein auf Dauer angelegter, von einer Festlegung von Rollen der Mitglieder, der Kontinuität der Mitgliedschaft und der Ausprägung der Struktur unabhängiger organisierter Zusammenschluss von mehr als zwei Personen zur Verfolgung eines übergeordneten gemeinsamen Interesses.
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bb) Diese Voraussetzungen sind bei der „...“ vor dem Hintergrund der bisherigen Ermittlungsergebnisse erfüllt. Die „...“ besteht jedenfalls seit Januar 2022. Nach den Ermittlungen der Generalstaatsanwaltschaft haben sich bislang mehrere Hundert Menschen an Aktionen der „...“ beteiligt und es gibt eine Internetseite, Personen, die für Kontakte, beispielsweise zur Presse, zuständig sind und verschiedene Aktionsgruppen, die im Rahmen bzw. unter Beachtung der zentral einsehbaren Vorgaben (Richtlinien) Aktionen durchführen. Diese dienen auch einem gemeinsamen übergeordneten Ziel, namentlich sollen durch Mittel des „zivilen Ungehorsams“ verschiedene Forderungen der Initiative gegenüber der Bunderegierung durchgesetzt werden.
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b) Zweck oder Tätigkeit der Vereinigung muss auf die Begehung von Straftaten gerichtet sein, die im Höchstmaß mit Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren bedroht sind. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass § 129 Abs. 1 StGB nicht nur dann anwendbar ist, wenn die Straftaten, die begangen werden sollen, Endziel, Hauptzweck oder ausschließliche Tätigkeit der Vereinigung sind (vgl. zum Ganzen BGH NJW 1995, 340, 343; BGH bei Wagner GA 1967, 103; NJW 1966, 310 – jeweils unter Hinweis auf BGHSt 15, 259, 260; ferner BGHSt 27, 325, 326). Die Begehung von Straftaten ist jedenfalls dann nicht von untergeordneter Bedeutung nach § 129 Abs. 3 Nr. 2 StGB, wenn sie zwar nur einen von mehreren Zwecken (oder eine von mehreren Tätigkeiten) der Vereinigung darstellt, dieser Zweck (diese Tätigkeit) aber wenigstens in dem Sinne wesentlich und damit gleichgeordnet mit den anderen ist, dass durch das strafrechtswidrige Verhalten das Erscheinungsbild der Vereinigung aus der Sicht informierter Dritter mitgeprägt wird (vgl. Lampe ZStW 106 (1994), 683, 706, 707). Vorliegend bestehen zureichende tatsächliche Anhaltspunkte dafür, dass sich die „...“ zum Ziel gesetzt hat, verschiedene Forderungen gegenüber der Bundesregierung durchzusetzen und sie sich hierbei verschiedener Protestformen bedient, wobei Blockaden von Straßen und Flughäfen medial und auch aufgrund der Beeinträchtigung einer Vielzahl von Verkehrsteilnehmern oder Flugreisenden dem Erscheinungsbild der „...“ ein nicht unwesentliches Gepräge geben. Das Erscheinungsbild der „...“ wird somit durch die infrage kommenden Straftatbestände wie hier beispielhaft in Betracht zu ziehenden Nötigungen oder (gemeinschädliche) Sachbeschädigungen – wesentlich mitgeprägt. Der Straftatbestand der Nötigung sieht Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe vor, der Straftatbestand der Sachbeschädigung Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder Geldstrafe, der Straftatbestand der gemeinschädlichen Sachbeschädigung Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe.
14
c) Nach herrschender Meinung hat zudem eine Begrenzung auf Straftaten zu erfolgen, die eine erhebliche Gefahr für die öffentliche Sicherheit darstellen (vgl. auch BT-Drs. 18/1 1275, S. 10).
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aa) Daraus lässt sich aber keine Beschränkung auf besonders schwere Straftaten ableiten (vgl. Fischer, 70. Aufl., § 129 Rn. 20). Vielmehr ist § 129 Abs. 1 StGB dann anwendbar, wenn die begangenen und/oder geplanten Straftaten der Mitglieder eine erhebliche Gefahr für die öffentliche Sicherheit bedeuten, wenn sie somit unter diesem Blickwinkel von einigem Gewicht sind (vgl. BT-Drs. 18/11275, S. 10, BGH NJW 1995, 340, BGHSt 31, 202, 207; BGH NJW 1975, 985, 986). Hierbei ist primär nicht auf die gesellschaftliche Bedeutung der Gruppierung als solche abzustellen, sondern auf die Gefahr, die von den nicht völlig ungewichtigen Straftaten ausgeht. Entscheidend ist nicht die abstrakte Strafandrohung allein, sondern eine Gesamtwürdigung der begangenen und/oder geplanten Straftaten unter Einbeziehung aller Umstände, die für das Maß der Gefährdung der öffentlichen Sicherheit von Bedeutung sein können, namentlich der Tatauswirkungen (vgl. zum Ganzen BeckOK StGB/von Heintschel-Heinegg/KuIhanek, § 129 Rn. 44 m. w. N.). Zur Tatbestandserfüllung bedarf es keines allgemeinen Klimas der Angst, vermittelt durch die Vereinigung oder ihre Straftaten (a. A. Kuhli/Papenfuß KriPoZ 2023, 71 (75)). Es geht nicht darum, ob sich der Einzelne oder eine Vielzahl konkret bedroht fühlen oder gar in Angst leben, sondern entscheidend ist, dass der gesellschaftliche Diskurs durch illegitime Mittel verletzt wird, indem eine Gruppierung versucht, sich – gegebenenfalls moralisch überhöhend – über die rechtsstaatliche Ordnung und die konsentierten Formen der demokratischen Abläufe zu stellen. Straftaten sind kein Mittel der freiheitlichen, demokratischen, rechtsstaatlichen Diskussion. Sie sind Ausdruck krimineller Energie und als solche juristisch nüchtern zu bewerten (Schwarz NJW 2023, 275 Rn. 24). Moralische Argumente können jenseits der Gesetze eine Strafbarkeit weder begründen noch negieren (BeckOK StGB/von Heintschel-Heinegg/Kulhanek, § 129 Rn. 44; vgl. auch Fischer LTO 22.5.2023).
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bb) Dies zugrunde gelegt liegen zureichende tatsächliche Anhaltspunkte für das Vorliegen einer erheblichen Gefahr für die öffentliche Sicherheit vor, zumal nach den zum Zeitpunkt der bei Erlass des Beschlusses vorliegenden Ermittlungsergebnissen neben einer Vielzahl von Straßenblockaden, die im Einzelfall ggf. einer näheren Betrachtung auch unter dem Blickwinkel von Art. 8 GG bedürfen, Mitglieder der „...“ wiederholt unter Zerstörung von Schutzeinrichtungen widerrechtlich auf besonders gegen unberechtigten Zutritt gesicherte Gelände vorgedrungen sein sollen und dort durch Protestaktionen sensible Bereiche der Infrastruktur erheblich beeinträchtigt haben sollen (Störung und Blockaden des Betriebs verschiedener Flughäfen und konzertierte Aktionen, um den Durchfluss verschiedener Ölpipelines zu unterbrechen).
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d) Zuletzt liegen auch Anhaltspunkte dafür vor, dass sich der Beschwerdeführer bei der „...“ als Mitglied beteiligt hat. So wird dem Beschwerdeführer aufgrund der bisherigen Ermittlungen vorgeworfen, am 27.04.2022 selbst in eine Pipeline-Schiebestation in Ni. bei Mo. eingedrungen zu sein, um dort den Öldurchfluss zu stoppen, was sich ohne weiteres in die in diesem Zeitraum erfolgten und der „...“ zugerechneten Versuche einfügt, an mehreren Orten in Norddeutschland (De., Sch. und St.) die Notabschaltung von Ölpipelines zu manipulieren. Somit besteht der Verdacht, dass der Beschwerdeführer sich aktiv an Handlungen zur Förderung der Tätigkeit der Organisation beteiligt hat und dæ mit als Mitglied handelte.
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Insgesamt lagen daher die Voraussetzungen für den Erlass eines Durchsuchungsbeschlusses gemäß § 102 StPO vor. Es bestand der Verdacht, dass der Beschwerdeführer an einer Straftat als Täter beteiligt gewesen ist. Auch war zu vermuten, dass die Durchführung der Durchsuchung zum Auffinden von Beweismitteln führen werde, die Aufschluss über die Tätigkeit des Beschwerdeführers im Zusammenhang mit der „...“ geben könnten.
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2. Soweit der Beschwerdeführer der Auffassung ist, dass der Erlass des Durchsuchungsbeschlusses aufgrund formeller Fehler rechtswidrig erfolgt sei, greift das Beschwerdevorbringen im Ergebnis nicht durch.
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a) Soweit der Beschwerdeführer vorträgt, dass kein eigenständiger Prüfvorgang des Ermittlungsrichters in Bezug auf die zu durchsuchenden Räume stattgefunden habe, ist dies nicht nachvollziehbar. Der Beschwerdeführer stützt diese Annahme darauf, dass der Beschluss keine Ausführungen dazu enthalte, warum davon ausgegangen werde, dass sich der Beschwerdeführer in der Wohnung von Cl. in der ... in Mü. aufhalten solle. Aus Bl. 1225 der Akte ergebe sich, dass der tatsächliche Aufenthaltsort durch ... ermittelt worden sei, jedoch hätten dem Ermittlungsrichter bei der Beschlussfassung keine Akten mit ...-ProtokoIlen vorgelegen. Diesem sei daher keine eigenständige Prüfung im Hinblick auf die zu durchsuchenden Räume möglich gewesen. Dieser Einwand greift nicht durch. Wie der Beschwerdeführer selbst vorträgt, lagen polizeiliche Erkenntnisse dahingehend vor, dass der Beschwerdeführer tatsächlich bei seiner Freundin in der in Mü. aufhältlich ist. Dies wurde so in einem Aktenvermerk des BLKA festgehalten (vgl. BI. 1225 d. A.). Dass dieser Umstand nicht den tatsächlichen Gegebenheiten entsprochen hätte, trägt selbst der Beschwerdeführer nicht vor. Entgegen der Rechtsauffassung des Beschwerdeführers oblag es dem Ermittlungsrichter auch nicht, in die dem polizeilichen Aktenvermerk zugrundeliegenden ...-ProtokoIle Einsicht zu nehmen. Zwar wäre es im Rahmen der Prüfung der Voraussetzungen für den Erlass des sich auf diese Räumlichkeit erstreckenden Durchsuchungsbeschluss ohne weiteres möglich gewesen, die dem Vermerk zugrundeliegenden ...-Protokolle anzufordern; entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers ist dies jedoch keine zwingende Voraussetzung für eine ordnungsgemäße Prüfung durch den Ermittlungsrichter vor Erlass des Beschlusses. Vielmehr obliegt es dem zuständigen Ermittlungsrichter selbst, die Prüfungstiefe zu bestimmen, also zu entscheiden, inwieweit er seine Entscheidung aufgrund der ihm beispielsweise in Form von Aktenvermerken dargestellten Erkenntnisse von Ermittlungspersonen trifft oder er die zugrundeliegenden Informationen selbst weiter nachprüft. Letzteres drängt sich bei ...-Protokollen auch deshalb nicht auf, weil es sich hierbei in der Regel ebenfalls um – von Polizeibeamten verschriftete – Gespräche handelt, sodass sich der Ermittlungsrichter – die Argumentation des Beschwerdeführers konsequent zu Ende gedacht – sämtliche relevanten Telefongespräche selbst anzuhören hätte, was diesem jedoch im Rahmen der Prüfung der Voraussetzungen für den Erlass eines ermittlungsrichterlichen Beschlusses nicht obliegt.
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b) Auch geht das Vorbringen des Beschwerdeführers fehl, dass der Durchsuchungsbeschluss in seiner Gesamtheit nicht erkennen lasse, dass der Ermittlungsrichter die Voraussetzungen für den Erlass eigenständig geprüft hätte.
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aa) Der Beschluss verhält sich – wenn auch kurz – zur Prüfung der Verhältnismäßigkeit. Der Ermittlungsrichter dokumentierte, dass die angeordneten Maßnahmen in einem angemessenen Verhältnis zur Schwere der Tat und zur Stärke des Tatverdachts stünden. Hieraus ist gerade ersichtlich, dass eigenverantwortliche Prüfung durch den Ermittlungsrichter stattgefunden hat. Alleine aus dem Umstand, dass die Ausführungen zur Verhältnismäßigkeitsprüfung in dem Durchsuchungsbeschluss nur kurz und zusammenfassend erfolgt sind, lässt sich per se kein Fehler bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeitsprüfung ableiten.
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bb) Auch im Ergebnis zeigt die Verhältnismäßigkeitsprüfung keinen Rechtsfehler auf. Ausweislich BI. 43 d. A. wurde der Beschwerdeführer durch eintreffende Polizeibeamte auf dem Firmengelände der Pipeline TAL Schiebestation angetroffen, auf das er zuvor eingedrungen war. Gegen den Beschwerdeführer besteht damit der Verdacht der Begehung einer Straftat nach § 129 Abs. 1 und 2 StGB, einem Vergehen, das nach der in § 100a Abs. 2 Nr. 1 d) StPO enthaltenen Regelung per se als schwer einzuordnen ist. Die angeordnete Durchsuchungsmaßnahme war geeignet, die in dem Beschluss genannten Gegenstände und Unterlagen aufzufinden, die Aufschluss über die Struktur, Hinterleute oder Mittäter und über andere Mitglieder der Organisation geben können. Die Maßnahme war auch erforderlich. Es stand nicht zu erwarten, dass mildere Mittel zur Erlangung der in dem Beschluss genannten Gegenstände hätten führen können. Der mit der Durchsuchung verbundene Eingriff stand auch nicht außer Verhältnis zur Bedeutung der Sache und zur Stärke des bestehenden Tatverdachts. Es besteht der Verdacht, dass es sich bei der „...“ um eine kriminelle Vereinigung handelt, wobei in der Gesamtschau aufgrund der dem Beschwerdeführer konkret vorgeworfenen Tathandlung und unter Berücksichtigung der gesetzgeberischen Wertung in § 100a Abs. 2 Nr. 1 d) StPO nicht von einer Geringfügigkeit der zu ermittelnden Straftat auszugehen ist.
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3. Soweit der Beschwerdeführer in seinem Schriftsatz vom 03.08.2023 geltend gemacht hat, dass der Beschluss des Ermittlungsrichters vom 31.07.2023 (gemeint wohl 26.07.2023), mit dem der Ermittlungsrichter der Beschwerde gegen die Durchsuchungsbeschlüsse nicht abgeholfen habe, wegen eines Verstoßes gegen § 29 StPO offensichtlich fehlerhaft sei, da der Ermittlungsrichter das Ablehnungsgesuch vom 30.06.2023 bewusst ignoriert habe, ist das Vorbringen aufgrund des am 02.10.2023 – nach der Entscheidung über den Befangenheitsantrag – erlassenen Beschlusses des Ermittlungsrichters, mit dem er der Beschwerde nicht abgeholfen hat, überholt.
25
4. Anhaltspunkte, aus denen sich die Rechtswidrigkeit der Beschlagnahme der bei der Durchsuchung aufgefundenen Gegenstände ergeben würden, sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.
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5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 StPO.