Titel:
Änderungs- und Ergänzungsplanfeststellungsbeschluss für Frankenschnellweg - Berufungszulassung abgelehnt
Normenketten:
VwGO § 108 Abs. 1, § 124 Abs. 2, § 124a Abs. 4 S. 4, Abs. 5 S. 2
BayVwVfG Art. 96a Abs. 1 S. 2
UmwRG § 6
KSG § 13 Abs. 1 S. 1
BayStrWG Art. 3 Abs. 1 Nr. 2
Leitsätze:
1. Der Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO wegen fehlerhafter Beweiswürdigung ist nur gegeben, wenn die tatsächlichen Feststellungen des Verwaltungsgerichts augenscheinlich nicht zutreffen oder beispielsweise wegen gedanklicher Lücken oder Ungereimtheiten ernstlich zweifelhaft sind. Allein die Möglichkeit einer anderen Bewertung der Beweisaufnahme rechtfertigt die Zulassung der Berufung nicht. (Rn. 9) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die für die richterliche Überzeugungsbildung maßgeblichen Gründe sind im Urteil anzugeben (§ 108 Abs. 1 S. 2 VwGO). Im Allgemeinen genügt es, wenn der Begründung entnommen werden kann, dass das Gericht eine vernünftige und der jeweiligen Sache angemessene Gesamtwürdigung und Beurteilung vorgenommen hat. Aus der Nichterwähnung einzelner Umstände kann regelmäßig nicht geschlossen werden, das Gericht habe sie bei seiner Entscheidung unberücksichtigt gelassen. (Rn. 24) (redaktioneller Leitsatz)
3. Die innerprozessuale Präklusion nach § 6 S. 2 UmwRG tritt als zwingende Rechtsfolge kraft Gesetzes ein und hängt nicht von einer richterlichen Ermessensentscheidung ab. (Rn. 36) (redaktioneller Leitsatz)
4. Für die Planfeststellung einer Kreisstraße iSd Art. 3 Abs. 1 Nr. 2 BayStrWG gilt das bundesrechtliche Berücksichtigungsgebot des § 13 Abs. 1 S. 1 KSG mangels Regelungskompetenz nicht. (Rn. 38) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Berufungszulassung (abgelehnt), straßenrechtliche Planfeststellung, Planrechtfertigung, Verkehrsgutachten, Umweltverträglichkeitsprüfung, Beweiswürdigung, Gründe im Urteil, innerprozessuale Präklusion, Klimaschutz
Vorinstanz:
VG Ansbach, Urteil vom 13.10.2022 – AN 10 K 20.1586
Fundstelle:
BeckRS 2023, 40678
Tenor
I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen. Die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
III. Der Streitwert wird unter Abänderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts Ansbach vom 13. Oktober 2022 für beide Rechtszüge auf jeweils 30.000,00 € festgesetzt.
Gründe
1
Der Kläger, eine anerkannte Umweltvereinigung, wendet sich gegen den Änderungs- und Ergänzungsplanfeststellungsbeschluss der Regierung von M. mit integrierter Umweltverträglichkeitsprüfung vom 10. Juli 2020 für den kreuzungsfreien Ausbau der Kreisstraße N 4 (F.-weg) im Stadtgebiet der Beigeladenen in den Bereichen West und Mitte mit Neubau der Ortsstraße Neue K.-straße und Abkoppelung der Gleisanlagen im Bereich des Kohlenhofes des Bahnhofes Nürnberg Hauptgüterbahnhof im Vorgriff zur geplanten Flächenfreisetzung mit Änderung des dieses Vorhaben betreffenden Planfeststellungsbeschlusses vom 28. Juni 2013.
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Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit Urteil vom 13. Oktober 2022 abgewiesen.
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Mit seinem Antrag auf Zulassung der Berufung verfolgt der Kläger sein Rechtsschutzbegehren weiter.
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A. Der Zulassungsantrag hat keinen Erfolg. Die vom Kläger geltend gemachten Zulassungsgründe sind nicht hinreichend dargelegt oder liegen nicht vor (vgl. § 124 Abs. 2 VwGO, § 124a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO).
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I. Aus dem Vorbringen des Klägers ergeben sich keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).
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Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit eines Urteils im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO bestehen nur, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung des Verwaltungsgerichts mit schlüssigen Argumenten in Frage gestellt wird (vgl. BVerfG, B.v. 18.3.2022 – 2 BvR 1232/20 – NVwZ 2022, 789 = juris Rn. 23 m.w.N.; Happ in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 124 Rn. 15). Bei der Beurteilung ist nicht auf einzelne Elemente der Urteilsbegründung, sondern auf das Ergebnis der Entscheidung abzustellen (vgl. BVerfG, B.v. 7.10.2020 – 2 BvR 2426/17 – NVwZ 2021, 325 = juris Rn. 34; BVerwG, B.v. 10.3.2004 – 7 AV 4.03 – DVBl 2004, 838 = juris Rn. 9).
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Nach diesem Maßstab bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung. Die Einwendungen der Klägerseite greifen nicht durch.
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1. Soweit der Kläger die Richtigkeit des Urteils mit der Begründung in Zweifel zieht, das Verwaltungsgericht habe sich auf ein methodisch fehlerhaftes Verkehrsgutachten gestützt, richtet er sich gegen die Sachverhalts- und Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichts.
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Nach § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. Das Gericht ist im Grundsatz nicht an bestimmte Beweisregeln gebunden. Es würdigt den Prozessstoff auf seinen Aussage- und Beweiswert für die Feststellung der entscheidungserheblichen Tatsachen nur nach der ihm innewohnenden Überzeugungskraft. Trotz des besonderen Charakters der Beweiswürdigung, der dem Gericht einen Wertungsrahmen eröffnet, ist das Gericht allerdings nicht gänzlich frei. Die richterliche Überzeugung muss auf rational nachvollziehbaren Gründen beruhen, d.h. sie muss insbesondere die Denkgesetze, die Naturgesetze sowie zwingende Erfahrungssätze beachten. Ein Verstoß gegen § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO liegt vor, wenn das Gericht von einem unrichtigen oder unvollständigen Sachverhalt ausgeht, namentlich Umstände übergeht, deren Entscheidungserheblichkeit sich ihm hätten aufdrängen müssen, oder wenn die Beweiswürdigung objektiv willkürlich ist, gegen die Denkgesetze verstößt oder einen allgemeinen Erfahrungssatz missachtet. Der Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO wegen einer fehlerhaften Beweiswürdigung ist folglich nur dann gegeben, wenn die tatsächlichen Feststellungen des Verwaltungsgerichts augenscheinlich nicht zutreffen oder beispielsweise wegen gedanklicher Lücken oder Ungereimtheiten ernstlich zweifelhaft sind. Allein die Möglichkeit einer anderen Bewertung der Beweisaufnahme rechtfertigt die Zulassung der Berufung jedoch nicht (vgl. BVerwG, B.v. 26.9.2016 – 5 B 3.16 D – juris Rn. 17; BayVGH, B.v. 21.1.2013 – 8 ZB 11.2030 – ZfW 2013, 176 = juris Rn. 17; B.v. 5.9.2022 – 8 ZB 20.3120 – juris Rn. 19). Solche zur Zulassung der Berufung führende Mängel der Beweiswürdigung lassen sich dem Vorbringen des Klägers nicht entnehmen.
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a) Ernstliche Zweifel an der Wertung des Erstgerichts, wonach die Verkehrsprognose nach einer geeigneten Methode durchgeführt wurde, zeigt der Kläger nicht auf.
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aa) Das Verwaltungsgericht sah zwar die klägerische Kritik, nach der die Verkehrsprognose mangels Anwendung aller vier Stufen des DIVAN-Verkehrsmodells methodisch nicht fachgerecht erstellt sei, als nicht ganz unberechtigt an. Es machte allerdings deutlich, dass diese Kritik nicht durchgreife, weil die Beigeladene durch andere fachspezifische Methoden sicherstellen konnte, dass die getroffenen Annahmen realistisch ausfallen (vgl. UA S. 34). Nach Auffassung des Verwaltungsgerichts war die alternative Vorgehensweise des Gutachters ausreichend, bei der aufbauend auf dem DIVAN-Modell eine Strukturdatenprognose durchgeführt und für jede einzelne Zelle des Modells die Verkehre in den Jahren 2015 und 2030 berechnet worden seien (vgl. UA S. 32). Das DIVAN-Modell sei durch das Nachfragemodell VISEVA ergänzt worden, das für eine Vielzahl von Verkehrszellen detaillierte Strukturdaten beinhalte (vgl. UA S. 33 f.). Die Realitätsnähe der auf diese Weise aus dem Modell DIVAN gewonnenen Annahmen und Berechnungen wird nach Auffassung des Erstgerichts belegt mit der Kalibrierung durch Berechnung des sog. GEH-Werts unter Berücksichtigung von Prognosen im Bereich des Landesverkehrsmodells und der Bundesverkehrswegeplanung (vgl. UA S. 32 f.).
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Mit dieser Argumentation hat sich der Zulassungsantrag nicht ausreichend auseinandergesetzt. Sofern der Kläger vorträgt, dass die pauschale Hochrechnung im Wege der Fortschreibung über die Strukturdatenprognose keine geeignete wissenschaftliche Methodik, sondern einen schweren methodischen Fehler darstelle, stellt er nur seine Bewertung an die Stelle der erstgerichtlichen Annahmen. Damit kann er diese jedoch nicht erschüttern. Insbesondere die richterliche Überzeugung, dass die benutzte anderweitige Methode ein gleichwertiges und ebenso nachvollziehbares Ergebnis erbracht habe (vgl. UA S. 33, 38), greift der Zulassungsantrag nicht an. Für das Erstgericht war bei der Beurteilung der alternativen Methodenwahl maßgeblich, dass auf diese Weise ausreichend Erkenntnisse zur Verfügung stehen, um ein Vorhaben einleuchtend begründen zu können. Es wäre nach seiner Einschätzung unverhältnismäßig, die Verkehrsprognose damit zu überfrachten, immer weitergehende und immer tiefergehende Ermittlungshandlungen zu verlangen (vgl. UA S. 33). Der pauschale Einwand, wirtschaftliche Gründe hätten zu einer unverhältnismäßigen und methodisch unsauberen Simplifizierung geführt, ist nicht geeignet, die Würdigung des Verkehrsgutachtens durch das Verwaltungsgericht ernsthaft infrage zu stellen.
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bb) Mit der für den Kläger als elementar eingeschätzten Frage der verkehrsinduzierenden Wirkung des Vorhabens hat sich das Verwaltungsgericht beschäftigt und dazu ausgeführt, dass entsprechende Strukturdaten verwertet und entsprechend hochgerechnet worden seien. Dies sei nicht zu beanstanden, da das DIVAN-Modell für das Jahr 2010 mit ausreichend kalibrierten Daten vorgelegen habe und bei der entsprechend sorgfältigen Erhebung der Strukturen und Berechnung zukünftiger Entwicklungen nachvollziehbare Ergebnisse erzielt worden seien (vgl. UA S. 38). Hierzu bezieht der Zulassungsantrag keine Stellung. Allein die Behauptung, dass die verkehrsinduzierende Wirkung des Vorhabens mangels Durchlaufens aller vier Stufen des Modells DIVAN nicht realistisch und fachlich valide beantwortet werden konnte, und die pauschale Wiederholung des erstinstanzlichen Vortrags, dass dies keine geeignete wissenschaftliche Methodik darstelle, reicht dafür nicht.
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cc) Ebenso verhält es sich mit dem klägerischen Vorwurf, dass über die Fortschreibung im Rahmen der Strukturdatenprognose die Zielwahl und die Verkehrsverteilung nicht berücksichtigt worden seien. Auch insoweit fehlt es in der Zulassungsbegründung bereits an jeglicher Auseinandersetzung mit den Ausführungen des Verwaltungsgerichts in der angefochtenen Entscheidung (vgl. UA S. 35 f., 38). Der Kläger rügt die Verkehrsprognose pauschal mit dem bisherigen Argument als methodisch unzureichend, weil ein vollständiger Durchlauf des Modells DIVAN in allen vier Stufen unterblieben sei.
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b) Soweit der Zulassungsantrag das angefochtene Urteil mit Blick auf dessen Ausführungen zu dem Verkehrsgutachten des Bauprojekts Ersatzneubau der Brücke der Kreisstraße N 4 über den Main-Donau-Kanal und die Südwesttangente (im Folgenden Verkehrsgutachten Hafenbrücke) als fehlerhaft ansieht, vermag dieser Einwand dem Zulassungsantrag ebenfalls nicht zum Erfolg verhelfen.
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aa) Die Zulassungsbegründung kann die Annahme des Verwaltungsgerichts nicht erschüttern, wonach das Verkehrsgutachten Hafenbrücke weder die Unrichtigkeit der streitgegenständlichen Verkehrsuntersuchung belegt noch dazu führt, dass diese Verkehrsprognose nicht heranzuziehen wäre (vgl. UA S. 40). Das Erstgericht hat in diesem Zusammenhang erläutert, dass die möglicherweise schwere Nachvollziehbarkeit eines Verkehrsgutachtens nicht zu dessen Rechtswidrigkeit, sondern allein zu einem höheren Aufklärungsbedarf für die Planfeststellungsbehörde und nachfolgend für die Gerichte führe (vgl. UA S. 40).
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Mit diesen Ausführungen setzt sich der Zulassungsantrag nicht substantiiert auseinander. Er beschränkt sich darauf, die abweichenden Verkehrszahlen hervorzuheben. Dabei sieht er als ursächlich für die Abweichungen zum einen die ungenaue Kalibrierung der streitgegenständlichen Verkehrsprognose an und zum anderen den Umstand, dass das Verkehrsmodell DIVAN nicht vollständig durchlaufen sei. Das schlichte Anführen der gegenteiligen Auffassung – unter Ausblendung der diesbezüglichen Urteilserwägungen – erfüllt allerdings nicht die Darlegungsanforderungen aus § 124a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO (vgl. BayVGH, B.v. 23.10.2020 – 8 ZB 20.1520 – juris Rn. 11; B.v. 22.1.2020 – 15 ZB 18.2547 – juris Rn. 14).
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bb) Soweit der Kläger eine transparente Darstellung der Verkehrszahlen in der streitgegenständlichen Verkehrsprognose vermisst, welche eine Plausibilitätskontrolle verhindere, lässt er die diesbezüglichen Darlegungen des Verwaltungsgerichts außer Acht. Im Urteil wird festgestellt, dass die streitentscheidende Kammer nach entsprechender Befragung des Gutachters im Rahmen der mündlichen Verhandlung und Erörterung des Gutachtens im Termin sowohl die Methodik als auch die Ergebnisse des Gutachtens nachvollziehen könne. Eine möglicherweise vorliegende mangelnde Transparenz eines Gutachtens führe daher nur zu erhöhtem Aufklärungsbedarf, nicht aber zur Unschlüssigkeit des Gutachtens (vgl. UA S. 40).
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cc) Die im Zulassungsantrag erhobene Rüge, die Ausführungen des Verwaltungsgerichts betreffend den unterschiedlichen Fokus beider Gutachten sei unzutreffend, greift ebenso wenig durch. Nur weil beide Verkehrsgutachten mit dem Verkehrsmodell DIVAN und dessen Daten gearbeitet haben, erschließt sich für den Senat nicht, warum dies die Identität des Untersuchungsgebiets bzw. des Betrachtungsbereichs bedeuten soll. Das Verwaltungsgericht hat zu Recht ausgeführt, dass bei dem Verkehrsgutachten Hafenbrücke der Neubau einer Brücke betrachtet wird, während die vorliegende Prognose den kreuzungsfreien Ausbau des F* …wegs betrifft. Zudem hat das Verwaltungsgericht angenommen, dass beide Verkehrsprognosen von einer unterschiedlichen Datengrundlage ausgehen. So sei in der mündlichen Verhandlung dargelegt worden, dass die Hafenbrücken-Untersuchung (nur) auf dem DIVAN-Stand 2005 aufbaue, während das hier maßgebliche Vorhaben aus den Daten von DIVAN 2010 errechnet worden sei (vgl. UA S. 41). Hiergegen wurden im Zulassungsantrag keine Einwände erhoben. Ist aber das angefochtene Urteil entscheidungstragend auf mehrere selbständige Begründungen gestützt (sog. kumulative Mehrfachbegründung), kann die Berufung nur dann zugelassen werden, wenn im Hinblick auf jede dieser Urteilsbegründungen ein Zulassungsgrund geltend gemacht ist und vorliegt (vgl. BVerwG, B.v. 24.8.2023 – 7 B 5.23 – juris Rn. 29; B.v. 19.10.2022 – 7 B 19.21 – NVwZ-RR 2023, 95 Rn. 11; BayVGH, B.v. 15.12.2017 – 8 ZB 16.1806 – NVwZ 2018, 511 = juris Rn. 30 m.w.N.; B.v. 18.12.2017 – 15 ZB 17.31757 – juris Rn. 7). Dem genügt das Vorbringen des Klägers insbesondere zur unterschiedlichen Modellkalibrierung nicht.
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dd) Zu keiner anderen rechtlichen Beurteilung führt die vom Kläger zitierte Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, wonach das Auseinanderklaffen zwischen Prognose und nachträglicher tatsächlicher Entwicklung im Einzelfall als Indiz für eine unsachgemäße Prognose in Betracht zu ziehen sein kann (BVerwG, B.v. 17.12.2019 – 4 B 53.17 – juris Rn. 42). Unabhängig davon, dass ein Abweichen in extremer Weise vorliegen müsste, wird vorliegend eine Divergenz zwischen Prognose und tatsächlicher Entwicklung nicht aufgezeigt. Die Klägerseite macht allein ein Auseinanderklaffen der Ergebnisse unterschiedlicher Prognosen geltend.
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ee) Der klägerische Einwand, im erstinstanzlichen Urteil sei der Aspekt der verkehrsanziehenden Wirkung des Vorhabens unbeachtet geblieben, ist ebenfalls nicht berechtigt. Das Erstgericht hat bei dem Punkt Planrechtfertigung festgehalten, dass auch die Klägerseite davon ausgehe, dass aufgrund der häufig vorkommenden Stauungen Verkehrsteilnehmer auswichen, die nach einem entsprechenden Ausbau des F* …wegs möglicherweise zu einem Mehrverkehr führen würden (vgl. UA S. 30). Dem ist der Kläger nicht entgegengetreten.
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c) Soweit der Kläger ernsthafte Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung wegen widersprüchlicher Annahmen zu den prognostizierten verkehrlichen Wirkungen in den Innenstadtbereichen geltend macht, kann der Zulassungsantrag die verwaltungsgerichtlichen Ausführungen nicht infrage stellen. Die Klägerseite geht ebenso wie das Verwaltungsgericht davon aus, dass es vor allem in der geplanten Neuen K.-straße zu nicht unerheblichen Verkehrsmehrungen kommen wird. Die angegriffene Entscheidung sieht diese Verkehrsmehrungen als durch die Planung beabsichtigt an, um den Verkehr von und zum F.-weg hin zu kanalisieren und aus den umliegenden Wohngebieten fernzuhalten (vgl. UA S. 37). Das Zulassungsvorbringen zeigt keine Gründe auf, dass diese tatsächlichen Feststellungen des Verwaltungsgerichts augenscheinlich nicht zutreffen oder beispielsweise wegen gedanklicher Lücken oder Ungereimtheiten ernstlich zweifelhaft sind. Soweit geltend gemacht wird, dass aus der Verkehrsprognose nicht hervorgehe, wie sich die Verkehrserhöhungen im Planfall andernsorts ausgleichen sollen, wird ein Verstoß gegen § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO nicht aufgezeigt.
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d) Der im Zulassungsantrag erhobene Einwand, im angefochtenen Urteil sei wesentlicher Klagevortrag mit den dazu vorgelegten Anlagen (K 13 Masterplan für die Gestaltung Nachhaltiger und Emissionsfreier Mobilität der Stadt Nürnberg, K 14 Fortschreibung des Luftreinhalteplanes im Ballungsraum Nürnberg der Regierung von M., K 15 Verkehrszählung des Verkehrsplanungsamtes der Stadt N. aus dem Jahr 2019) nicht berücksichtigt worden, vermag die Richtigkeit der vom Erstgericht getroffenen Feststellungen nicht in Zweifel ziehen. Auch insoweit genügt die Sachwürdigung des Verwaltungsgerichts den nach § 108 Abs. 1 VwGO zu stellenden Anforderungen.
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Wie bereits erwähnt kann ein Verstoß gegen das Gebot der freien Beweiswürdigung vorliegen, wenn ein Gericht von einem unrichtigen oder unvollständigen Sachverhalt ausgeht (vgl. A.I.1.). Die für die richterliche Überzeugungsbildung maßgeblichen Gründe sind im Urteil anzugeben (§ 108 Abs. 1 Satz 2 VwGO). Im Allgemeinen genügt es, wenn der Begründung entnommen werden kann, dass das Gericht eine vernünftige und der jeweiligen Sache angemessene Gesamtwürdigung und Beurteilung vorgenommen hat. Nicht erforderlich ist, dass sich das Gericht mit allen Einzelheiten in den Gründen seiner Entscheidung ausdrücklich auseinandersetzt. Aus der Nichterwähnung einzelner Umstände kann daher regelmäßig nicht geschlossen werden, das Gericht habe sie bei seiner Entscheidung unberücksichtigt gelassen (vgl. BVerwG, U.v. 28.2.2007 – 3 C 38.05 – BVerwGE 128, 155 = juris Rn. 59; B.v. 12.3.2014 – 5 B 48.13 – NVwZ-RR 2014, 660 = juris Rn. 22).
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Gemessen daran ist eine Verletzung des § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO durch Vernachlässigung von wesentlichen Umständen, die sich dem Verwaltungsgericht hätten aufdrängen müssen, nicht erkennbar. Es sprechen keine Anhaltspunkte dafür, dass das Verwaltungsgericht bewusst den klägerischen Vortrag nicht zur Kenntnis oder nicht in Erwägung gezogen hätte. Das verwaltungsgerichtliche Urteil setzt sich mit der geltend gemachten inhaltlichen Betroffenheit, die der Kläger aus den vorgelegten Anlagen ableitet, auch ohne deren ausdrückliche Erwähnung auseinander. Die Entscheidung hebt als einen der Hauptbegründungsstränge des Klägers hervor, dass nach dessen eigenen Erkenntnissen der Individualverkehr auf der planfestgestellten Trasse zukünftig eher abnehmen werde, sodass – die Richtigkeit dieser Erkenntnisse unterstellt – ein Umplanungsbedürfnis diesbezüglich wegfallen könnte (vgl. UA S. 30). Auch an weiteren Stellen enthalten die Entscheidungsgründe Feststellungen zu der vom Kläger aus den Dokumenten abgeleiteten Annahme, dass ein Rückgang des Verkehrs zu erwarten sei (vgl. UA S. 40), sowie zu der von ihm ins Spiel gebrachten Nullvariante (vgl. UA S. 31, S. 44, S. 50 f.). Der Umstand, dass das Verwaltungsgericht daraus nicht die vom Kläger für richtig gehaltenen Folgerungen gezogen hat, vermag einen Verstoß gegen den Überzeugungsgrundsatz nicht zu begründen.
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2. Nicht ernstlich zweifelhaft ist ferner die Auffassung des Verwaltungsgerichts, dass die Beklagte die Umweltverträglichkeitsprüfung auf Basis der richtigen Rechtsgrundlage, d.h. unter Anwendung der Art. 78a ff. BayVwVfG in der bis zum 31. Juli 2018 geltenden Fassung (im Folgenden BayVwVfG a.F.), durchgeführt habe.
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a) Nach der Übergangsvorschrift des Art. 96a Abs. 1 Satz 1 BayVwVfG sind Verwaltungsverfahren, die eine Umweltverträglichkeitsprüfung erfordern und die vor dem 16. Mai 2017 begonnen worden sind, nach den Vorschriften in der ab dem 1. August 2018 geltenden Fassung des BayVwVfG zu Ende zu führen. Abweichend davon bestimmt Art. 96a Abs. 1 Satz 2 BayVwVfG, dass Satz 1 nicht gilt für Verfahren, bei denen vor dem 16. Mai 2017 das Verfahren zur Unterrichtung des Trägers des Vorhabens nach Art. 78d in der bis 31. Juli 2018 geltenden Fassung eingeleitet oder die Unterlagen nach Art. 78e in der bis 31. Juli 2018 geltenden Fassung vorgelegt wurden.
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Zu Recht hat das Erstgericht das Vorliegen der Voraussetzungen des Art. 96a Abs. 1 Satz 1 BayVwVfG mit der Begründung bejaht, dass nach Aktenlage am 29. Juli 2015, also vor dem gesetzlichen Stichtag des 16. Mai 2017, ein sog. Scoping-Termin stattgefunden hat, bei dem der Beklagte die Behörden über Art und Umfang der voraussichtlich beizubringenden Unterlagen unterrichtete (vgl. UA S. 45).
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b) Keine Auswirkung auf die maßgebliche Fassung der UVP-Rechtsgrundlagen hat hingegen der vom Kläger eingewandte Umstand, dass nach dem Unterrichtungstermin noch Planänderungen erfolgten wie z.B. die Tieferlegung der Tunnelführung, der Abbruch und Ersatzneubau der Eisenbahnbrücke R. Straße. Der Senat weist darauf hin, dass die vom Kläger in diesem Zusammenhang ebenfalls angeführten Aktualisierungen bzw. Überarbeitungen der Verkehrs- und Luftschadstoffgutachten im Scoping-Termin besprochen wurden (vgl. Ergebnisprotokoll vom 29.7.2015 S. 2).
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Weder aus Art. 96a Abs. 1 Satz 2 BayVwVfG noch aus Art. 3 Abs. 2 der RL 2014/52/EU ergibt sich, dass nach Durchführung des Scoping-Termins vorgenommene Planänderungen dazu führen, dass ab dem Änderungszeitpunkt die seit dem 1. August 2018 geltende UVP-Rechtslage anzuwenden wäre. Die Übergangsvorschriften stellen allein auf Verfahrenshandlungen ab, die den Beginn des UVP-Verfahrens betreffen, nicht jedoch auf das Planungsvorhaben in seiner konkreten Ausgestaltung. Dies entspricht dem Wesen des Unterrichtungsverfahrens, in dem es darum geht, dass die Behörde den Vorhabenträger frühzeitig über Art und Umfang der voraussichtlich beizubringenden Unterlagen sowie über Gegenstand, Umfang und Methoden der UVP berät (vgl. Art. 78d Satz 1 und 3 BayVwVfG a.F.; vgl. auch BVerwG, U.v. 9. 11. 2006 – 4 A 2001.06 – BVerwGE 127, 95 = juris Rn. 26). Es handelt sich in diesem Sinne um einen freiwilligen Verfahrensschritt des Vorhabenträgers im Vorfeld des eigentlichen Zulassungsverfahrens, der allein der Verfahrensbeschleunigung und Kostenersparnis dienen soll (vgl. LT-Drs. 14/994 S. 16). Nicht besprochen werden hingegen im Scoping Termin die konkreten Umweltauswirkungen des Vorhabens unter Betrachtung aller Planungserwägungen. Daher müssen zu diesem Zeitpunkt noch nicht die endgültigen Planunterlagen vorgelegt werden. Dies ist größtenteils auch gar nicht möglich, da insbesondere die Beteiligung der Öffentlichkeit und der Behörden regelmäßig zu Änderungen eines Vorhabens führen können (vgl. BVerwG, U.v. 24.5.2018 – 4 C 4.17 – BVerwGE 162, 114 = juris Rn. 20). Konsequent spricht daher Art. 78d Satz 1 BayVwVfG nur von den „voraussichtlich“ beizubringenden UVP-Unterlagen und die Behörde ist gemäß Art. 5 Abs. 2 Satz 3 der RL 2011/92/EU nach der Unterrichtung nicht gehindert ist, weitere Angaben zu verlangen. Diese Formulierungen bringen zum Ausdruck, dass bei den später einzureichenden UVP-Unterlagen im Verhältnis zu den Erkenntnissen zum Zeitpunkt des Unterrichtungstermins noch Anpassungsbedarf u.a. auch aufgrund von Änderungen des geplanten Vorhabens bestehen kann. Die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (U.v. 24.5.2018 – 4 C 4.17 – BVerwGE 162, 114 = juris Rn. 21) zum Gegenstand einer UVP-Vorprüfung ist daher entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichts (vgl. UA S. 47) nicht ohne Weiteres übertragbar auf den Scoping-Termin.
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Unabhängig davon berücksichtigen die von der Beigeladenen am 21. Februar 2019 vorgelegten UVP-Unterlagen die Planänderungen, sodass bei der integrierten UVP alle mit der Neukonzeption einhergehenden Umweltauswirkungen betrachtet wurden.
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3. Die Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung wird auch nicht durch den klägerischen Einwand in Frage gestellt, dass das Verwaltungsgericht das Berücksichtigungsgebot der Klimaschutzziele bzw. des Makroklimas aufgrund von § 13 Abs. 1 KSG verkannt habe.
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a) Die Klägerseite war mit diesem Einwand bereits gemäß § 6 UmwRG präkludiert.
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Nach dieser Vorschrift hat eine Person innerhalb einer Frist von zehn Wochen ab Klageerhebung die zur Begründung ihrer Klage gegen eine Entscheidung im Sinne von § 1 Abs. 1 Satz 1 UmwRG dienenden Tatsachen und Beweismittel anzugeben. Erklärungen und Beweismittel, die erst nach Ablauf dieser Frist vorgebracht werden, sind grundsätzlich nur zuzulassen, wenn die Verspätung genügend entschuldigt ist (§ 6 Satz 2 UmwRG i.V.m. § 87b Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO). Die Anforderungen an den innerhalb der Frist zu liefernden Tatsachenvortrag richten sich nach Sinn und Zweck des § 6 UmwRG. Dieser besteht darin, zur Straffung des Gerichtsverfahrens beizutragen, indem der Prozessstoff zu einem frühen Zeitpunkt handhabbar gemacht wird (vgl. BT-Drs. 18/12146 S. 16). Die Klagepartei hat den Prozessstoff grundsätzlich innerhalb der Begründungsfrist festzulegen. Damit soll für das Gericht und die übrigen Beteiligten klar und unverwechselbar feststehen, unter welchen tatsächlichen Gesichtspunkten eine behördliche Entscheidung angegriffen wird, was späteren lediglich vertiefenden Tatsachenvortrag nicht ausschließt (vgl. BVerwG, U.v. 27.11.2018 – 9 A 8.17 – NVwZ 2019, 1202 = juris Rn. 14 m.w.N.). Die klagende Partei muss alle Tatsachenkomplexe benennen, die aus ihrer Sicht die Klage begründen (vgl. BayVGH, B.v. 16.3.2021 – 8 ZB 20.1873 – BayVBl 2021, 556 = juris Rn. 13 m.w.N.).
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Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist fristgemäß kein den Anforderungen des § 6 UmwRG entsprechender Tatsachenvortrag zum Globalklima als in der fachplanerischen Abwägung zu berücksichtigender Belang eingegangen. Die zehnwöchige Klagebegründungsfrist endete mit dem 26. Oktober 2020 (§ 57 Abs. 2 VwGO, § 222 Abs. 1 ZPO, § 187 Abs. 1, § 188 Abs. 2 Alt. 1 BGB). Im fristgerechten Klagebegründungsschriftsatz vom 26. Oktober 2020 ist der Aspekt des Klimas nur als Schutzgegenstand der novellierten UV-ÄndRL angesprochen worden. Dies entspricht nicht dem Klagebegründungserfordernis des § 6 Satz 1 UmwRG. Der erforderliche Tatsachenvortrag muss zwar nicht erschöpfend sein, allerdings sollte die Klagepartei die maßgeblichen Tatsachen mit einem Mindestmaß an Schlüssigkeit und Substanz vortragen (vgl. BayVGH, B.v. 16.3.2021 a.a.O. Rn. 13). Das Klagevorbringen war hingegen nicht geeignet, dem Gericht und den übrigen Verfahrensbeteiligten einen hinreichenden Eindruck darüber zu verschaffen, dass der Kläger die fachplanerische Abwägung unter dem Gesichtspunkt des § 13 Abs. 1 des Bundes-Klimaschutzgesetzes (KSG) angreifen wollte. Erstmals kam dies zum Ausdruck, als im klägerischen Schriftsatz vom 17. Mai 2021 – unter der Überschrift „Fehlerhafte Durchführung der UVP“ – die Vorschrift des § 13 Abs. 1 KSG erwähnt wurde. Die Klägerseite hat ihren verspäteten Vortrag nicht gemäß § 6 Satz 2 und 3 UmwRG i. V. m. § 87b Abs. 3 Satz 1 Nr. 2, Satz 2 VwGO entschuldigt. Die Voraussetzungen des § 6 Satz 3 UmwRG i.V.m. § 87b Abs. 3 Satz 3 VwGO liegen ebenfalls nicht vor.
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Das verspätete Vorbringen ist auch nicht ausnahmsweise deshalb im Zulassungsverfahren zu berücksichtigen, weil das Erstgericht in seinen Entscheidungsgründen auf den Sachvortrag des Klägers zu § 13 KSG eingegangen ist. Der Senat hat kein Ermessen hinsichtlich der Rechtsfolge der Präklusion. Die innerprozessuale Präklusion nach § 6 Satz 2 UmwRG tritt als zwingende Rechtsfolge kraft Gesetzes ein und hängt – anders als etwa bei § 17 e Abs. 5 Satz 1 FStrG a. F.- nicht von einer richterlichen Ermessensentscheidung ab (vgl. BT-Drs. 18/12146 S. 16). Sie steht damit nicht zur Disposition des Gerichts (vgl. BayVGH, B.v. 16.3.2021 – 8 ZB 20.1873 – juris Rn. 20).
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b) Im Übrigen spricht vieles dafür, dass die Belange des globalen Klimaschutzes nicht in die Abwägung einzustellen waren.
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Bei dem streitgegenständlichen Vorhaben handelt es sich um eine Kreisstraße im Sinne des Art. 3 Abs. 1 Nr. 2 BayStrWG, für deren Planfeststellung (Art. 36 BayStrWG) das bundesrechtliche Berücksichtigungsgebot des § 13 Abs. 1 Satz 1 KSG mangels Regelungskompetenz nicht gilt. Dass der Bund nicht in die Rechtsetzungs- und Organisationskompetenzen der Länder und Gemeinden eingreifen wollte, stellt § 13 Abs. 1 Satz 2 KSG ausdrücklich klar (vgl. BT-Drs. 19/14337 S. 36). Eine entsprechende landesrechtliche Regelung für Planungen und Entscheidungen der Träger öffentlicher Belange enthält das Bayerische Klimaschutzgesetz (BayKlimaG) nicht (vgl. BayVGH, B.v. 19.9.2022 – 8 CS 22.1552 – juris Rn. 73).
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4. Mit seinem Vorbringen, das Verwaltungsgericht habe fehlerhaft die Ermittlung der städtischen Hintergrundbelastung als schlüssig und nachvollziehbar angesehen, wendet sich der Zulassungsantrag erneut gegen die Sachverhalts- und Beweiswürdigung des Ausgangsgerichts. Allerdings lassen sich dem Vorbringen des Klägers keine zur Zulassung der Berufung führende Mängel entnehmen.
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Unter Hintergrundbelastung ist die gebietsspezifische Vorbelastung ohne den Beitrag des zu betrachtenden Straßenzuges zu verstehen, zu der dann – prognostisch – die Immissionsbeiträge der zu betrachtenden Straßen hinzuaddiert werden (vgl. BVerwG, U.v. 9.6.2010 – 9 A 20.08 – NuR 2010, 870 = juris Rn. 126). Die Hintergrundbelastung ist deshalb anhand der Messwerte von Messstellen zu ermitteln, welche von den Immissionen der zu betrachtenden Straße unbeeinflusst sind. Die Daten von Messstationen, die sich in unmittelbarer Nähe stark befahrener Straßen befinden, dürfen daher bei Ermittlung der Vorbelastung (Hintergrundbelastung) nicht einbezogen werden (vgl. BVerwG, U.v. 9.6.2010 – 9 A 20.08 – NuR 2010, 870 = juris Rn. 131). Das Verwaltungsgericht stellt daher zu Recht darauf ab, dass das Verfahren zur Ermittlung der Hintergrundbelastung in Abstimmung mit dem Landesamt für Umweltschutz so gewählt worden sei, dass die Ergebnisse von drei Messstationen herangezogen worden seien, um die allgemeine Hintergrundbelastung im überplanten Bereich festzustellen. Es sei gerichtlicherseits nicht zu beanstanden, wenn Messstationen ausgewählt worden seien, die im Umkreis des Stadtgebietes der Beigeladenen liegen, da diese im Wesentlichen unbelastet vom Ausbauprojekt seien und allgemeine, d.h. projektunabhängige Messwerte, zuliefern (vgl. UA S. 54).
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Dem hat der Kläger keine substanziierten Einwendungen entgegengesetzt, die diese Feststellungen ernstlich in Zweifel ziehen könnten. Das schlichte Behaupten der gegenteiligen Auffassung erfüllt nicht die Darlegungsanforderungen aus § 124a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO (vgl. BayVGH, B.v. 12.4.2021 – 8 ZB 21.23 – juris Rn. 16; B.v. 22.1.2020 – 15 ZB 18.2547 – juris Rn. 14). Auch der Hinweis auf die Rechtsprechung des EuGH zur Luftreinhalteplanung und auf die für den Masterplan der Stadt Nürnberg ermittelte Schadstoffhintergrundbelastung ist nicht geeignet, die tatsächlichen Feststellungen ernstlich in Zweifel zu ziehen. Denn sowohl von der Zielrichtung als auch vom gewählten Ansatz unterscheiden sich diese grundlegend von der Ausgangssituation des streitgegenständlichen Lufthygienischen Gutachtens.
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II. Der Rechtsstreit zeigt ferner keine besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten auf (vgl. § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO). Diese wären zu bejahen bei überdurchschnittlichen Schwierigkeiten, die das normale Maß übersteigen und sich damit von den üblichen verwaltungsgerichtlichen Streitigkeiten deutlich abheben (vgl. VGH BW, B.v. 29.9.2023 – 13 S 1412/22 – juris Rn. 26; BayVGH, B.v. 10.8.2021 – 8 ZB 21.1100 – juris Rn. 22 m.w.N.).
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Die Komplexität einer Sach- und Rechtslage lässt sich nicht – wie vom Kläger dargelegt – allein an dem Umfang der verwaltungsgerichtlichen Entscheidungsgründe oder der Dauer der Urteilsabsetzung messen (vgl. SächsOVG B.v. 31.3.2021 – 2 A 496/20 – juris Rn. 24).
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Besondere tatsächliche Schwierigkeiten resultieren zudem nicht aus den methodischen Fragen bei der Prüfung der dem Vorhaben zugrundeliegenden Verkehrsprognose, insbesondere nicht aus der Hinzuziehung eines fachlichen Beistands auf der Klägerseite und dem Vorliegen einander widersprechender Wertungen. Es ist Aufgabe des Gerichts, diese im Rahmen der Sachverhalts- und Beweiswürdigung zu prüfen und rechtlich angemessen zu bewerten (vgl. BayVGH, B.v. 2.12.2022 – 3 ZB 22.1075 – juris Rn. 38). Wenn das Ergebnis der gerichtlichen Bewertung nicht mit der klägerischen Einschätzung übereinstimmt, bedeutet dies nicht zugleich, dass eine Streitsache erhebliche Schwierigkeiten aufweist.
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Soweit der Zulassungsantrag in rechtlicher Hinsicht auf die spezielle Gewichtung des Klimabelangs in der fachplanerischen Abwägung und die dazu ergangene Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts verweist, zeigt er damit keine besonderen Schwierigkeiten der vorliegenden Rechtssache auf, da er mit diesem Aspekt bereits präkludiert war (vgl. A.II.3.a)).
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III. Die Berufung ist auch nicht wegen einer grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache nach § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zuzulassen.
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Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache nur, wenn eine konkrete, über den Einzelfall hinausgehende Rechts- oder Tatsachenfrage für die Entscheidung des Rechtsstreits erheblich, bislang höchstrichterlich oder obergerichtlich nicht geklärt ist und im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder der Fortentwicklung des Rechts einer berufungsgerichtlichen Klärung bedarf (vgl. BVerfG, B.v. 18.6.2019 – 1 BvR 587/17 – BVerfGE 151, 173 = juris Rn. 33; B.v. 9.6.2016 – 1 BvR 2453/12 – NVwZ 2016, 1243 = juris Rn. 20). Dies zeigt der Zulassungsantrag nicht auf.
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Die vom Kläger angeführte Rechtsfrage, in welcher Tiefe Vorhabenträger und Planfeststellungsbehörde eigene Ermittlungen zur Beurteilung der klimabezogenen Auswirkungen eines Vorhabens anstellen und in die Abwägung einstellen müssen, ist aufgrund der innerprozessualen Präklusion bereits nicht entscheidungserheblich (vgl. A.II.3.a)). Unabhängig davon hat das Bundesverwaltungsgericht diese Frage bereits in dem Sinne beantwortet, dass der Ermittlungsaufwand sich auf die konkrete Planungssituation bezieht (vgl. BVerwG, U.v. 4.5.2022 – 9 A 7.21 – juris Rn. 82) und in diesem Sinne eine Frage des Einzelfalls darstellt.
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Eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache ergibt sich auch nicht aus dem Umstand, dass bereits zwei Berufungsverfahren zum streitgegenständlichen Änderungs- und Ergänzungsplanfeststellungsbeschluss anhängig sind. Im Übrigen formuliert der Zulassungsantrag diesbezüglich keine konkrete, über den Einzelfall hinausgehende Rechts- oder Tatsachenfrage.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 und § 162 Abs. 3 VwGO (zur Nichtberücksichtigung außergerichtlicher Kosten des Beigeladenen im Zulassungsverfahren vgl. BayVGH, B.v. 6.10.2017 – 8 ZB 15.2664 – juris Rn. 24).
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Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 3, Abs. 1 Satz 1, § 52 Abs. 1 GKG unter Orientierung an Nr. 34.4 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013. Die erstinstanzliche Streitwertfestsetzung ist entsprechend abzuändern (vgl. § 63 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GKG).
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Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).