Inhalt

VGH München, Beschluss v. 07.12.2023 – 6 ZB 23.30875
Titel:

Erfolglose Grundsatzrüge in asylrechtlichem Streitverfahren

Normenkette:
AsylG § 78 Abs. 3 Nr. 1, Abs. 4 S. 4
Leitsätze:
1. Eine auf tatsächliche Verhältnisse gestützte Grundsatzrüge im Asylstreitverfahren erfordert auch die Angabe konkreter Anhaltspunkte dafür, dass die für die Entscheidung erheblichen Tatsachen etwa im Hinblick auf hierzu vorliegende gegensätzliche Auskünfte oder abweichende Rechtsprechung einer unterschiedlichen Würdigung zugänglich sind. (Rn. 2) (redaktioneller Leitsatz)
2. Eine Frage, die in Anwendung der maßgeblichen rechtlichen Maßstäbe nicht verallgemeinernd, sondern nur anhand der Umstände des Einzelfalls beantwortet werden kann, rechtfertigt schon deshalb nicht die Zulassung der Berufung wegen grundsätzlicher Bewdeutung der Rechtssache. (Rn. 4) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Asylstreitverfahren, grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache, Darlegungsanforderungen, tatsächliche Verhältnisse, Einzelfall, Nigeria, Abschiebungsverbot, ernstliche Zweifel an der Richtigkeit
Vorinstanz:
VG München, Urteil vom 19.09.2023 – M 15 K 19.31637
Fundstelle:
BeckRS 2023, 40669

Tenor

I. Der Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 19. September 2023 – M 15 K 19.31637 – wird abgelehnt.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

1
Der Antrag der Klägerin, die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts zuzulassen, bleibt ohne Erfolg. Der geltend gemachte Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG) ist nicht in einer den Anforderungen des § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG entsprechenden Weise dargelegt bzw. liegt nicht vor.
2
Um die grundsätzliche Bedeutung einer Rechtssache darzulegen, muss der Rechtsmittelführer eine konkrete Rechts- oder Tatsachenfrage formulieren, zudem ausführen, weshalb diese Frage für den Rechtsstreit entscheidungserheblich ist, ferner erläutern, weshalb die formulierte Frage klärungsbedürftig ist, und schließlich darlegen, weshalb ihr eine über die einzelfallbezogene Rechtsanwendung hinausgehende Bedeutung zukommt (BayVGH, B.v. 22.6.2017 – 6 ZB 17.30679 – Rn. 3; B.v. 16.2.2017 – 6 ZB 16.1586 – juris Rn. 25 m.w.N.). Eine auf tatsächliche Verhältnisse gestützte Grundsatzrüge erfordert überdies die Angabe konkreter Anhaltspunkte dafür, dass die für die Entscheidung erheblichen Tatsachen etwa im Hinblick auf hierzu vorliegende gegensätzliche Auskünfte oder abweichende Rechtsprechung einer unterschiedlichen Würdigung zugänglich sind (BayVGH, B.v. 12.6.2018 – 6 ZB 18.31347 – Rn. 3; B.v. 10.1.2018 – 6 ZB 18.30037 – Rn. 4; OVG NW, B.v. 23.2.2017 – 4 A 685/14.A – juris Rn. 5). Insoweit ist es Aufgabe des Rechtsmittelführers, durch die Benennung von bestimmten begründeten Informationen, Auskünften, Presseberichten oder sonstigen Erkenntnisquellen zumindest eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafür darzulegen, dass nicht die Feststellungen, Erkenntnisse und Einschätzungen des Verwaltungsgerichts, sondern die gegenteiligen Bewertungen in der Zulassungsschrift zutreffend sind, so dass es zur Klärung der sich insoweit stellenden Fragen der Durchführung eines Berufungsverfahrens bedarf (BayVGH, B.v. 12.6.2018 – 6 ZB 18.31347 – Rn. 3; B.v. 10.1.2018 – 6 ZB 18.30037 – Rn. 5; OVG NW, B.v. 23.2.2017 – 4 A 685/14.A – juris Rn. 5).
3
Diesen Darlegungsanforderungen entspricht der Zulassungsantrag nicht. Er wirft die (Tatsachen-)Frage auf, „ob aufgrund der schlechten humanitären Bedingungen in Nigeria die Rahmenbedingungen eine Gefahrenlage begründen, die zu einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne des Art. 3 EMRK führen kann“.
4
Das rechtfertigt schon deshalb nicht die Zulassung der Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung, weil diese Frage in Anwendung der maßgeblichen rechtlichen Maßstäbe nicht verallgemeinernd, sondern nur anhand der Umstände des Einzelfalls beantwortet werden kann. Sie ist schon von daher nicht geeignet, eine generelle („grundsätzliche“) Klärung im Sinn von § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG herbeizuführen oder zu befördern (vgl. BayVGH, B.v. 30.7.2019 – 6 ZB 19.32764 – Rn. 3).
5
Abgesehen davon werden für ihre Klärungsbedürftigkeit keine konkreten Anhaltspunkte aufgezeigt. Der Zulassungsantrag verweist vor allem auf ethnische und religiöse Konflikte, gewaltsame Zusammenstöße zwischen Nomaden und Farmern sowie tödliche Angriffe der Gruppe „B. H.“ und verschiedener militanter Gruppen auf Zivilpersonen, Entführungen, bewaffnete Konflikte, Abwesenheit von Rechtsstaatlichkeit und eine unzureichende medizinische Versorgung. Ein grundsätzlicher Klärungsbedarf ist damit aber nicht dargetan. Diese Hinweise geben mit Blick auf die Größe und Einwohnerzahl Nigerias (mit über 200 Millionen Einwohnern) keinen Anlass für die Annahme, dass entgegen der auf die aktuelle Erkenntnislage gestützten Annahme des Verwaltungsgerichts die für die Bejahung eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 5 AufenthG in Verbindung mit Art. 3 EMRK notwendige Gefahrendichte (vgl. BVerwG, U.v. 31.1.2013 – 10 C 15.12 – NVwZ 2013, 1167) erreicht sein könnte. Hierzu legt die Zulassungsschrift nichts Substantiiertes dar. Soweit sie rügt, das Gericht habe sich mit diesen Tatsachen nicht ausreichend auseinandergesetzt, macht sie der Sache nach ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils geltend, die keinen Zulassungsgrund im Sinn des § 78 Abs. 3 AsylG darstellen.
6
Von einer weiteren Begründung wird abgesehen (§ 78 Abs. 5 Satz 1 AsylG).
7
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, § 83b AsylG. Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 30 RVG; Gründe für eine Abweichung gemäß § 30 Abs. 2 RVG liegen nicht vor.
8
Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 78 Abs. 5 Satz 2 AsylG).