Titel:
Beauftragung einer amtsärztlichen Befragung und Untersuchung zur Überprüfung der Dienstfähigkeit eines erkrankten Beamten
Normenketten:
VwGO § 123, § 146 Abs. 4 S. 6
BayBG Art. 65 Abs. 2 S. 1
Leitsätze:
1. In der Aufforderung des Dienstherren muss Art und Umfang der geforderten ärztlichen Untersuchung für den Beamten in ihren Grundzügen nachvollziehbar dargelegt werden, damit der Betroffene auch nach Maßgabe des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit ihre Rechtmäßigkeit überprüfen kann. Dies ist der Fall bei einer Skizzierung des Untersuchungsablaufs und der näheren Erläuterung der wesentlichen Bestandteile der Untersuchung. (Rn. 5) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Röntgendiagnostik gehört zum Standarduntersuchungsprogramm im Rahmen einer allgemein-medizinischen Untersuchung. (Rn. 6) (redaktioneller Leitsatz)
3. Kommt der erkrankte Beamte der Aufforderung seines Dienstherrn nicht nach, genauer zu den Gegebenheiten seiner Erkrankung Stellung zu nehmen, ist es ihm wegen des damit verbundenen widersprüchlichen Verhaltens verwehrt, sich gegenüber Maßnahmen des Dienstherrn, die mithilfe eines amtsärztlichen Gutachtens auf die Gewinnung näherer Erkenntnisse über ihre Dienstfähigkeit abzielen, auf die mangelnde hinreichende Bestimmtheit der entsprechenden Anordnung zu berufen. (Rn. 7) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Anordnung einer allgemein-medizinischen Untersuchung, Überprüfung der Dienstfähigkeit, Art und Umfang der amtsärztlichen Untersuchung
Vorinstanz:
VG München, Beschluss vom 27.10.2023 – M 5 E 23.2723
Fundstelle:
BeckRS 2023, 40661
Tenor
I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.500 Euro festgesetzt.
Gründe
1
Die zulässige Beschwerde ist nicht begründet. Die fristgerecht dargelegten Beschwerdegründe, auf die sich die Prüfung des Senats beschränkt (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), rechtfertigen es nicht, dem erstinstanzlich erfolglosen Antrag zu entsprechen, die Antragstellerin im Wege einer einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 VwGO vorläufig von der gemäß § 26 BeamtStG i.V.m. Art. 65 BayBG angeordneten Durchführung einer amtsärztlichen Untersuchung freizustellen.
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Die Antragstellerin tritt der Auffassung des Verwaltungsgerichts entgegen, die Untersuchungsanordnung sei nach Art und Umfang hinreichend bestimmt. Aus ihr ließe sich nicht nachvollziehbar entnehmen, ob eine allgemein- oder fachärztliche Untersuchung vorgenommen werden solle. Röntgen- oder EKG-Untersuchungen seien Zusatzuntersuchungen auf einem speziellen Fachgebiet durch einen entsprechenden Facharzt, etwa einem Internisten oder Kardiologen bzw. einem Radiologen oder Orthopäden. Durch die nur beispielhafte Benennung der stattfindenden Untersuchungen („z.B. Röntgen, EKG“) werde die Antragstellerin im Unklaren gelassen, inwiefern sie (darüber hinaus) zur Mitwirkung verpflichtet sei. Für den Antragsgegner bedeute es keinen großen Aufwand, das fachärztliche Untersuchungsgebiet zu benennen. Gegebenenfalls könne er dazu beim Amtsarzt Nachfrage halten. Zudem erstrecke sich der Untersuchungsauftrag an die Amtsärztin ausdrücklich auf körperliche und seelische/psychische Beschwerden (vgl. Nr. 2 der Fragestellung an den Amtsarzt / die Amtsärztin – Anlage 2 zur Untersuchungsanordnung). Es möge zwar sein, dass seelische und psychische Beschwerden auch bei einer Ersterfassung im Rahmen einer allgemeinärztlichen Untersuchung erfragt werden. Ob ein Allgemeinarzt aber aus einer solchen Befragung die (ggf. begrenzte) Dienstfähigkeit oder eine dauerhafte Dienstunfähigkeit eines Beamten aufgrund seelischer bzw. psychischer Beschwerden sachgerecht beurteilen könne, sei aber zumindest höchst zweifelhaft. Es sei vielmehr anzunehmen, dass zur Beantwortung der vom Antragsgegner gestellten Fragen zur Dienstfähigkeit eine Beurteilung durch einen Facharzt für Psychiatrie erfolge.
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Damit kann die Antragstellerin nicht durchdringen.
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Die Untersuchungsanordnung ist nach Art und Umfang hinreichend bestimmt. Zum Ablauf der Untersuchung wurde die Antragstellerin in dem Anordnungsschreiben unter anderem darauf hingewiesen, dass der Amtsarzt/die Amtsärztin sie zu ihrer Krankengeschichte befragen werde. In der Regel folge dann eine körperliche Untersuchung. Falls erforderlich, schließe sich eine Blutabnahme oder weitere Untersuchungen an, z.B. Röntgen, EKG. Sollte im Ergebnis der amtsärztlichen Begutachtung durch den Gutachter/ die Gutachterin festgestellt werden, dass eine Zusatzuntersuchung erforderlich sei, werde ein neuer Untersuchungsauftrag durch die Dienstbehörde unter Angabe von Art und Umfang dieser Zusatzuntersuchung erteilt.
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Durch diese zumindest „in den Grundzügen“ (vgl. BVerwG, B.v. 14.3.2019 – 2 VR 5.18 – juris Rn. 44) erfolgte Skizzierung des Untersuchungsablaufs und der näheren Erläuterung der wesentlichen Bestandteile der Untersuchung (Befragung zur Krankengeschichte, in der Regel eine körperliche Untersuchung und – falls erforderlich – eine Blutentnahme oder weitere Untersuchungen z.B. Röntgen, EKG) wurde die Beamtin in ausreichendem Maße in die Lage versetzt, die Berechtigung der Anordnung unter diesen Gesichtspunkten prüfen und die voraussichtliche Reichweite des zu erwartenden Eingriffs in ihre körperliche Unversehrtheit und ihr allgemeines Persönlichkeitsrecht ermessen zu können (vgl. BayVGH, B.v. 18.2.2016 – 3 CE 15.2768 – juris Rn. 23; B.v. 28.3.2022 – 3 CE 22.508 – juris Rn. 23). Insbesondere aus den genannten Bestandteilen der Untersuchung lässt sich – wie das Verwaltungsgericht zu Recht ausführt – ohne Weiteres und auch für die Antragstellerin erkennbar entnehmen, dass eine allgemein-medizinische, nicht auf ein spezielles Fachgebiet der Medizin bezogene Untersuchung angeordnet ist (vgl. OVG NW, B.v. 18.2.2016 – 1 B 1414/15 – juris). Der Antragsgegner wies in der Untersuchungsanordnung ausdrücklich darauf hin, dass ihm Art und Diagnose der Erkrankung weder bekannt seien noch sich diese aus den vorliegenden Arbeitsunfähigkeits-Bescheinigungen ergäben. Bewusst differenzierte der Antragsgegner in der Untersuchungsanordnung zwischen der zunächst beauftragten (Erst) Begutachtung und weiteren Zusatzuntersuchungen. Erst wenn im Ergebnis der amtsärztlichen Begutachtung durch den Gutachter/ die Gutachterin festgestellt werden sollte, dass eine Zusatzuntersuchung erforderlich sei, werde ein neuer Untersuchungsauftrag durch die Dienstbehörde unter Angabe von Art und Umfang dieser Zusatzuntersuchung erteilt. Weitere Zusatzuntersuchungen bedurften daher schon nach der Auffassung des Antragsgegners einer weiteren Untersuchungsanordnung.
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Dem steht auch nicht der Einwand entgegen, EKG- oder Röntgenuntersuchungen seien Zusatzuntersuchungen auf einem speziellen Fachgebiet, die nur durch einen entsprechenden Facharzt vorgenommen werden könnten. Denn diese Untersuchungsverfahren werden typischerweise auch zur Erstellung medizinischer Erstdiagnosen herangezogen. Insbesondere gehört auch die Röntgendiagnostik zum Standarduntersuchungsprogramm im Rahmen einer allgemein-medizinischen Untersuchung (vgl. BayVGH, B.v. 2.8.2022 – 3 CE 22.1586 – juris Rn. 7). Schon die Bandbreite der von der Antragstellerin selbst genannten Fachärzte, die (typischerweise) eine Röntgendiagnostik vornehmen (Internisten – wie Pneumologen oder Kardiologen –, Radiologen und Orthopäden, aber auch Urologen) zeigt, dass mit diesen technischen Untersuchungen eine allgemeine und breite Diagnostik auf fachübergreifenden medizinischen Gebieten durchgeführt wird.
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Durch die beispielhafte Benennung der möglichen weiteren Untersuchungen wird die Antragstellerin nicht etwa im Unklaren darüber gelassen, inwiefern sie zur Mitwirkung verpflichtet sei. Denn aus dem dargelegten Gesamtzusammenhang ist für die Antragstellerin hinreichend erkennbar, dass sich ihre Mitwirkungspflicht (zunächst) auf eine allgemein-medizinische Untersuchung bezieht. Im Übrigen kam die Antragstellerin bislang der Aufforderung ihres Dienstherrn (Schreiben v. 14.3.2023) nicht nach, genauer zu den Gegebenheiten ihrer Erkrankung Stellung zu nehmen. Es ist ihr daher wegen des damit verbundenen widersprüchlichen Verhaltens – als Ausprägung des auch im öffentlichen Recht geltenden Grundsatz von Treu und Glauben (etwa: BayVGH, B.v. 21.9.2015 – 3 ZB 14.2627 – juris Rn. 8) – verwehrt, sich gegenüber Maßnahmen des Dienstherrn, die mithilfe eines amtsärztlichen Gutachtens auf die Gewinnung näherer Erkenntnisse über ihre Dienstfähigkeit abzielen, auf die mangelnde hinreichende Bestimmtheit der entsprechenden Anordnung zu berufen. Es begegnet auch keinen rechtlichen Bedenken, wenn der Amtsarzt je nach Art der Gesundheitsstörung Schwerpunkte setzt und nach Erforderlichkeit bestimmte Untersuchungsmaßnahmen durchführt (vgl. OVG Berlin-Bbg, B.v. 2.11.2015 – OVG 4 S 34.15 – juris Rn. 7). Eine (noch) detailliertere Festschreibung des Untersuchungsablaufs scheidet schon wegen der Ergebnisoffenheit der Begutachtung, die gerade wegen sonst nicht aufklärbarer Zweifel an der Dienstfähigkeit angeordnet wird, aus (vgl. BayVGH, B.v. 18.2.2016 – 3 CE 15.2768 – juris Rn. 31).
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Aus der Fragestellung an den Amtsarzt ergeben sich ebenfalls keine Zweifel daran, dass zunächst nur eine allgemein-medizinische Untersuchung stattfinden soll. Die diesbezüglichen Einwendungen gehen an der Sache vorbei, da erst „nach Abschluss der Untersuchung“, d.h. erst nachdem auch sämtliche gegebenenfalls erforderlichen Zusatzuntersuchungen aufgrund neuer Untersuchungsaufträge stattgefunden haben, ein Gutachten erstellt wird, in welchem zu den in der Anlage 2 aufgeführten Fragen Stellung genommen werden soll (vgl. Untersuchungsanordnung S. 2).
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3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 1 und 2 GKG (vgl. Nr. 1.5 des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit).
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Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).