Inhalt

VGH München, Beschluss v. 21.12.2023 – 23 C 23.2129
Titel:

Anordnung zur Duldung des Betretens von Örtlichkeiten der Tierhaltung

Normenketten:
VwGO § 166
TierSchG § 16 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 lit. b
Tierschutz-HundeVO § 2 Abs. 1, § 8 Abs. 2 Nr. 1, Nr. 4
Leitsätze:
1. Für die Annahme einer dringenden Gefahr ist nicht stets Voraussetzung, dass in der Vergangenheit bereits eine strafrechtliche Verurteilung wegen einer Straftat nach dem Tierschutzgesetz erfolgt war. (Rn. 9) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Schwelle zur Durchsuchung wird (erst) überschritten, wenn ziel- und zweckgerichtet nach verborgenen Tieren, Unterlagen oder sonstigen Gegenständen geforscht wird und dabei über das Wahrnehmen und die Hilfshandlungen des § 16 Abs. 3 S. 2 TierSchG hinaus systematisch vorgegangen wird.  (Rn. 16) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Prozesskostenhilfe, tierschutzrechtliche Kontrolle, Betreten einer Wohnung, Betretungsrecht, Wohnungsdurchsuchung, Duldungsanordnung, dringende Gefahr
Vorinstanz:
VG Bayreuth, Beschluss vom 27.10.2023 – B 1 K 22.987
Fundstelle:
BeckRS 2023, 40657

Tenor

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Gründe

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Die gemäß § 146 Abs. 1 bis 3 VwGO statthafte, form- und fristgerecht (§ 147 Abs. 1 VwGO) eingelegte Beschwerde, für die kein Vertretungszwang (§ 67 Abs. 4 Satz 1 Halbsatz 2 VwGO) besteht und mit der der Kläger begehrt, ihm unter Abänderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts vom 27. Oktober 2023 für das von ihm unter dem Az. B 1 K 22.987 eingeleitete Klageverfahren Prozesskostenhilfe zu bewilligen, ist unbegründet.
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1. Die zulässige Klage richtet sich zunächst, wie das Verwaltungsgericht zutreffend angenommen hat, gegen den Bescheid des Landratsamts vom 9. September 2022, mit dem der Kläger sofort vollziehbar und unter Androhung unmittelbaren Zwangs verpflichtet wurde, am 22. September 2022 um 10:45 Uhr das Betreten sämtlicher Örtlichkeiten, in denen Tiere gehalten werden, und die Überprüfung seiner Tierhaltung sowie das Fertigen von Bildaufnahmen durch Vertreter des Landratsamts zu dulden sowie die Kosten der Duldungsanordnung und des Verfahrens zu tragen. Nach sachgerechter Auslegung anhand des Klagebegehrens (§ 88 VwGO) begehrt der nicht anwaltlich vertretene Kläger, der geltend macht, die am 22. September 2022 durchgeführte Kontrolle sei über ein bloßes Betreten seines Hauses im Sinne einer Nachschau hinausgegangen und es habe sich vielmehr um eine Durchsuchung gemäß Art. 13 Abs. 2 GG gehandelt, deren Voraussetzungen nicht vorgelegen hätten, darüber hinaus die Feststellung, dass das Vorgehen des Landratsamts am 22. September 2022 rechtswidrig gewesen ist (vgl. BVerfG [Kammer], B.v. 3.12.2002 – 2 BvR 1845/00 – juris Rn. 11 f.; BVerwG, U.v. 25.8.2004 – 6 C 26/03 – juris Rn. 17 f.).
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2. Für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe genügt es zwar, dass ein Obsiegen ebenso wahrscheinlich ist wie ein Unterliegen oder die Entscheidung jedenfalls von einer schwierigen, ungeklärten Tatsachen- bzw. Rechtsfrage abhängt (vgl. Wysk in Wysk, VwGO, 3. Aufl. 2020, § 166 Rn. 36; Neumann/Schaks in Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 166 Rn. 64 ff.; BVerfG, B.v. 28.1.2013 – 1 BvR 274/12 – NJW 2013, 1727 Rn. 11 ff.). Hinreichende Erfolgsaussichten liegen allerdings dann nicht vor, wenn ein Erfolg in der Hauptsache zwar nicht schlechthin ausgeschlossen ist, die Erfolgschance aber nur eine entfernte ist oder konkrete und nachvollziehbare Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass eine Beweisaufnahme mit großer Wahrscheinlichkeit zum Nachteil des Antragstellers ausgehen wird (vgl. Wysk, a.a.O. Rn. 37; Neumann/Schaks, a.a.O. Rn. 64, 71; BVerfG, a.a.O. Rn. 14; B.v. 28.10.2019 – 2 BvR 1813/18 – NJW 2020, 534 Rn. 27).
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Davon ausgehend teilt der Senat die Auffassung des Verwaltungsgerichts, dass die Klage sowohl zum Zeitpunkt der Entscheidungsreife des Prozesskostenhilfegesuchs als auch im Zeitpunkt der Entscheidung des Senats keine hinreichende Erfolgsaussicht bietet (§ 166 VwGO, § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO; vgl. zum maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt in der Beschwerdeinstanz OVG LSA, B.v. 28.10.2019 – 4 O 238/19 – NJW 2020, 944 Rn. 14; Neumann/Schaks, a.a.O. Rn. 81; Bader in Bader/Funke-Kaiser/Stuhlfauth/von Albedyll, VwGO, 8. Aufl. 2021, § 166 Rn. 34).
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Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt der Senat zur Begründung zunächst auf die zutreffenden Gründe des erstinstanzlichen Beschlusses Bezug (§ 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO). Ergänzend wird zum Beschwerdevorbringen noch Folgendes ausgeführt:
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a) Der Senat ist mit dem Verwaltungsgericht der Auffassung, dass die Voraussetzungen eines behördlichen Betretungsrechts gemäß § 16 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 lit. b) TierSchG im Zeitpunkt des Erlasses der streitgegenständlichen Duldungsanordnung vorlagen.
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Eine drohende Gefahr für die Allgemeinheit ist hierfür entgegen der Auffassung des Klägers nicht erforderlich. Voraussetzung ist eine dringende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung (vgl. Art. 13 Abs. 7 GG). Eine solche besteht zwar nicht schon bei einer bevorstehenden oder drohenden Gefahr im polizeirechtlichen Sinne, aber auch nicht erst bei einer unmittelbar bevorstehenden Gefahr. Die dringende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung braucht nicht bereits eingetreten zu sein. Es genügt, dass die Beschränkung des Grundrechts dem Zweck dient, einen Zustand nicht eintreten zu lassen, der seinerseits eine dringende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellen würde. Eine dringende Gefahr im Sinne des Art. 13 Abs. 7 GG liegt daher vor, wenn eine Sachlage oder ein Verhalten bei ungehindertem Ablauf des objektiven zu erwartenden Geschehens mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ein wichtiges Rechtsgut schädigen wird (BVerwG, U.v. 15.6.2023 – 1 C 10.22 – juris Rn. 24). Der in Art. 20a GG verankerte Tierschutz stellt ein solches bedeutendes Schutzgut dar, so dass eine dringende Gefahr anzunehmen ist, wenn sich aus konkreten Anhaltspunkten die hinreichende Wahrscheinlichkeit ergibt, dass in den Räumen die Verletzung einer Schutznorm des Tierschutzgesetzes bereits stattfand oder für die Zukunft unmittelbar bevorsteht (SächsOVG, B.v. 20.12.2016 – 3 D 112/16 – BeckRS 2016, 122581 Rn. 9; SaarlOVG, B.v. 6.7.2017 – 2 A 180/16 – BeckRS 2017, 116747 Rn. 11). Maßgeblich ist hierbei allein die ex-ante-Sicht der Behörde, d.h. bei der Beurteilung des Vorliegens einer dringenden Gefahr durch die Behörde und bei der nachfolgenden gerichtlichen Überprüfung kann es nur auf den Sachverhalt ankommen, der für die Mitarbeiter der zuständigen Behörde zum Zeitpunkt des Erlasses der Anordnung – gegebenenfalls nach Durchführung möglicher und gebotener Ermittlungen – erkennbar war (vgl. OLG Karlsruhe, B.v. 21.11.2019 – 20 W 93/19 – juris Rn. 55 f. und Rn. 60).
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Dies zugrunde gelegt ist die Einschätzung des Landratsamts und des Verwaltungsgerichts, dass im maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses der Duldungsanordnung auf der Grundlage des telefonischen Hinweises eines Tierschutzvereins, wonach sich mehrere Personen gemeldet hätten, die „wieder viele Hunde“ bei der Familie des Klägers gesehen hätten, welche nicht artgerecht bzw. unter tierschutzwidrigen Zuständen gehalten würden, in Zusammenschau mit dem Polizeibericht vom 23. August 2019 von einer dringenden Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung auszugehen war, nicht zu beanstanden. Dem polizeilichen Vermerk, dem auch eine Lichtbildtafel beigefügt war, ist zu entnehmen, dass bereits beim Betreten des Hauses beißender Uringeruch wahrnehmbar und der Steinfliesenboden im Eingangsbereich feucht und an diversen Stellen neben Urinlachen auch mit Fäkalien verunreinigt gewesen sei. Auch der kleine Auslaufbereich der Hunde im Innenhof sei ebenso wie das Bad im Erdgeschoss und die Flure des ersten und zweiten Stockwerkes mit Ausscheidungen der Hunde verunreinigt gewesen. Auf dem Boden hätten diverse Gefäße mit Reinigungsmitteln und Motorölen gestanden, die für die Hunde problemlos erreichbar gewesen seien. Alle Wohnräume im zweiten Stock seien mit Unrat verunreinigt gewesen. In einem Nebenraum hätten unter einer Dachschräge Unmengen von Restmüll gelegen. Zumindest drei Hunden sei kein Wasser zugänglich gewesen, was die ausgetrockneten Wasserschüsseln im Haus gezeigt hätten. Insgesamt sei festzustellen gewesen, dass sich die Haltungsbedingungen der Hunde seit der letzten Begehung des Wohnanwesens durch den berichtenden Polizeibeamten (Diensthundeführer) im März 2018 dramatisch verschlechtert hätten. Zu vermuten sei, dass die Hunde über einen Zeitraum von mehr als 24 Stunden ohne Betreuung gewesen seien und keinen Auslauf gehabt hätten. Rein optisch hätten die Hunde körperlich keine Defizite aufgewiesen; jedoch hätten die drei Husky übermäßig lange Krallen gehabt, was von zu wenig Auslauf und einer nicht artgerechten Haltung zeuge.
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Dass, wie der Kläger meint, für das Landratsamt offensichtlich war, dass es sich bei dem Hinweis des Tierschutzvereins um das Ergebnis einer Verschwörung einiger Nachbarn gegen den Kläger handelte, kann vor diesem Hintergrund nicht angenommen werden; vielmehr ließen die von dem Tierschutzverein übermittelten Informationen mit Blick auf die dargestellten polizeilichen Feststellungen aus dem Jahr 2019 erneute Verstöße gegen tierschutzrechtliche Bestimmungen hinreichend wahrscheinlich erscheinen. Auch der Vortrag des Klägers, er sei nie wegen einer Straftat nach dem Tierschutzgesetz verurteilt worden und die Behauptung der Staatsanwaltschaft bzw. der Polizei, die Hunde seien am 23. August 2019 länger als 24 Stunden unbeaufsichtigt und ohne Wasser sowie überdies aggressiv gewesen, sei falsch, führt zu keiner anderen Beurteilung. Für die Annahme einer dringenden Gefahr ist nicht stets Voraussetzung, dass in der Vergangenheit bereits eine strafrechtliche Verurteilung wegen einer Straftat nach dem Tierschutzgesetz erfolgt war. Neben den klägerseits bestrittenen Vorwürfen nicht vorhandenen Wassers und fehlender Beaufsichtigung der Hunde waren dem polizeilichen Aktenvermerk vom 23. August 2019 weitere Anhaltspunkte für Verstöße gegen tierschutzrechtliche Bestimmungen zu entnehmen, namentlich gegen § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Satz 3 (unzureichender Auslauf), § 8 Abs. 2 Nr. 1 (mangelnde Pflege durch zu lange Krallen), § 8 Abs. 2 Nr. 2 (Unterbringungsmängel in Form der Gefahr der Aufnahme gefährlicher Substanzen) und § 8 Abs. 2 Nr. 4 Tierschutz-Hundeverordnung (verschmutzte Aufenthaltsbereiche). Das Landratsamt war – über die Einholung der Auskunft über den Ausgang des eingeleiteten Strafverfahrens hinaus, welche dessen Einstellung nach § 154 StPO ergeben hatte, – auch nicht verpflichtet, umfangreiche und erschöpfende eigene Ermittlungen zum Wahrheitsgehalt der ihm von der Polizei übermittelten Erkenntnisse anzustellen, zumal die Einstellung des Strafverfahrens nach § 154 StPO in Abgrenzung zu einer Einstellung nach § 170 Abs. 2 StPO grundsätzlich einen weiterhin bestehenden Tatverdacht voraussetzt. Zwar ist aus den Akten nicht ersichtlich, ob die polizeilichen Erkenntnisse damals auch tierschutzrechtliche Maßnahmen oder Kontrollen nach sich zogen; dass dem Landratsamt Anhaltspunkte dafür vorlagen, dass die ihm von der Polizei übermittelten Erkenntnisse in wesentlichen Punkten unzutreffend waren, ist – auch angesichts der bildlichen Dokumentation der damaligen Verhältnisse – aber jedenfalls nicht ersichtlich.
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Das Vorbringen des Klägers, die Krallen des Hundes seien entgegen der Ansicht des Amtsveterinärs nicht zu lang gewesen und keiner der Hunde habe Übergewicht gehabt, was durch einen anderen Tierarzt auch bestätigt worden sei, ist daher ebenfalls nicht entscheidungserheblich, weil es für die Frage, ob im Zeitpunkt des Betretens der Wohnung eine dringende Gefahr vorlag, wie ausgeführt auf eine ex-ante-Betrachtung ankommt. Etwaige entsprechende behördliche Anordnungen sind nicht Gegenstand der Klage.
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Das Verwaltungsgericht hat auch zu Recht angenommen, dass die dringende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung nicht dadurch entfallen ist, dass nach der verweigerten Nachschau am 18. August 2022 mehr als ein Monat bis zu deren tatsächlicher Durchführung verstrichen ist (s. BA S. 12).
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b) Die streitgegenständliche Duldungsanordnung war erforderlich geworden, weil der Kläger den Vertretern des Landratsamts am 18. August 2022 den Zutritt zu seinem Haus, in dem die Hunde gehalten wurden, verweigert hatte. Soweit der Kläger ausführt, lediglich ein Beamter habe einen Dienstausweis vorgelegt, während die Beamtin lediglich einen Tierarztausweis gezeigt habe, konzediert er selbst, dass für ihn aufgrund des vorgelegten Dienstausweises erkennbar war, dass es sich um einen Amtstierarzt des Landratsamts handelte. Mithin durfte der Kläger die Durchführung der Kontrolle in seinem Haus durch (zumindest) diesen Beamten nicht verweigern. Eine förmliche behördliche Anordnung der Duldung einer tierschutzrechtlichen Kontrolle ist nicht erforderlich. Nach § 16 Abs. 2 TierSchG sind der zuständigen Behörde auf Verlangen die Auskünfte zu erteilen, die zur Durchführung der ihr durch das Tierschutzgesetz übertragenen Aufgaben erforderlich sind, und dürfen Personen, die von der zuständigen Behörde beauftragt sind, in diesem Rahmen Wohnräume des Auskunftspflichtigen betreten, besichtigen sowie zur Dokumentation Bildaufzeichnungen, mit Ausnahme von Bildaufzeichnungen von Personen, anfertigen; das Grundrecht der Unverletzlichkeit der Wohnung (Art. 13 GG) wird insoweit eingeschränkt (§ 16 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 lit. b) TierSchG). Die Wahrnehmung dieses gesetzlichen Überwachungsauftrags obliegt gerade auch den Amtstierärzten (vgl. § 15 Abs. 2 TierSchG).
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Auch begegnet die Annahme des Landratsamts und des Verwaltungsgerichts, dass aus der maßgeblichen ex-ante-Sicht die Beschränkung der behördlichen Kontrolle auf eine – vom Kläger bzw. seinem Sohn nach klägerischer Darstellung angebotene – Vorführung der Hunde im Hof des Anwesens (vgl. § 16 Abs. 3 Satz 4 TierSchG) vorliegend kein offensichtlich gleich wirksames, aber milderes Mittel gegenüber einer Nachschau im Wohnhaus war, keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Den im Rahmen der Durchsuchung am 23. August 2019 getroffenen polizeilichen Feststellungen zufolge hatten damals gerade die Haltungsbedingungen im Haus des Klägers Anlass zu strafrechtlichen Ermittlungen gegeben, wobei die Hunde – abgesehen von zu langen Krallen – rein optisch keine Defizite aufgewiesen hätten. Mithin ist es nicht zu beanstanden, dass das Landratsamt vorliegend eine Besichtigung der tatsächlichen Verhältnisse der Hundehaltung im Wohnhaus für erforderlich erachtete, um ein wiederholtes Auftreten derartiger Missstände auszuschließen.
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c) Schließlich ist es nach Aktenlage derzeit nicht als naheliegend anzusehen, dass beim Vollzug der streitgegenständlichen Anordnung deren Grenzen nicht eingehalten und die Schwelle zur Wohnungsdurchsuchung (Art. 13 Abs. 2 GG) überschritten wurde
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Der Kläger trägt hierzu vor, am 22. September 2022 sei sein gesamtes Haus durchsucht worden, nicht nur das Zimmer, in dem die Hunde lebten. Nachdem der Kläger dem Amtstierarzt mitgeteilt habe, dass er entgegen der anonymen Anzeige nur fünf Hunde habe, habe dieser ihm das wohl nicht geglaubt und im gesamten Haus (u.a. auch im Bad, der Toilette, im Trockenraum und auf dem Dachboden) nach weiteren Hunden gesucht; er sei „überall herumgekrochen“. Die – im Übrigen rechtswidrig ergangene – Duldungsanordnung sei daher missbraucht worden.
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Eine Durchsuchung ist das ziel- und zweckgerichtete Suchen staatlicher Organe nach Personen oder Sachen oder zur Ermittlung eines Sachverhalts, um etwas aufzuspüren, was der Inhaber der Wohnung nicht von sich aus offenlegen oder herausgeben will (BVerfG, B.v. 9.6.2020 – 2 BvE 2/19 – BVerfGE 154, 354 Rn. 33 m.w.N.). Die Durchsuchung erschöpft sich nicht in einem Betreten der Wohnung, sondern umfasst als zweites Element die Vornahme von Handlungen in den Räumen (BVerfG, B.v. 16.6.1987 – 1 BvR 1202/84 – BVerfGE 76, 83, 89). Die gesetzlich zulässigen Durchsuchungen dienen als Mittel zum Auffinden und Ergreifen einer Person, zum Auffinden, Sicherstellen oder zur Beschlagnahme einer Sache oder zur Verfolgung von Spuren. Begriffsmerkmal der Durchsuchung ist somit die Suche nach Personen oder Sachen oder die Ermittlung eines Sachverhalts in einer Wohnung. Eine solche Maßnahme ist mit dem Betreten einer Wohnung durch Träger hoheitlicher Gewalt nicht notwendigerweise verbunden. Eine Wohnung kann auch zur Vornahme anderer Amtshandlungen betreten werden. So ist beispielsweise die Besichtigung einer Wohnung zur Feststellung, ob der Inhaber seinen Beruf ordnungsgemäß ausübt, keine Durchsuchung der Wohnung. Kennzeichnend für die Durchsuchung ist demgegenüber die Absicht, etwas nicht klar zutage Liegendes, vielleicht Verborgenes aufzudecken oder ein Geheimnis zu lüften, mithin das Ausforschen eines für die freie Entfaltung der Persönlichkeit wesentlichen Lebensbereichs, das unter Umständen bis in die Intimsphäre des Betroffenen dringen kann. Demgemäß macht die beim Betreten einer Wohnung unvermeidliche Kenntnisnahme von Personen, Sachen und Zuständen den Eingriff in die Wohnungsfreiheit noch nicht zu einer Durchsuchung (BVerwG, U.v. 15.6.2023 – 1 C 10.22 – juris Rn. 17). Die Schwelle zur Durchsuchung wird (erst) überschritten, wenn ziel- und zweckgerichtet nach verborgenen Tieren, Unterlagen oder sonstigen Gegenständen geforscht wird und dabei über das Wahrnehmen und die Hilfshandlungen des § 16 Abs. 3 Satz 2 TierSchG hinaus systematisch vorgegangen wird (vgl. VG Schleswig, B.v. 6.2.2017 – 1 B 7/17 – BeckRS 2017, 102292 Rn. 14, wo plastisch von „systematischem Herumwühlen“ gesprochen wird).
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Dies zugrunde gelegt ergeben sich aus dem vorliegenden Sachverhalt bislang keine konkreten Anhaltspunkte, die es als wahrscheinlich erscheinen lassen, dass die Schwelle zur Durchsuchung vorliegend überschritten wurde. Da sich aus dem vom Kläger vorgelegten Ergebnisprotokoll über eine (beanstandungsfreie) behördliche Tierschutzkontrolle am 25. Januar 2017 ergibt, dass die Hunde damals auf insgesamt drei Stockwerke verteilt waren, und auch aus dem Polizeibericht über die Hundehaltung am 23. August 2019 hervorgeht, dass die Hunde auf mehreren Stockwerken lebten und dass sich u.a. auch im Bad Ausscheidungen der Hunde sowie ein (leerer) Wassernapf befanden, erscheint ein Betreten aller Räume grundsätzlich von der streitgegenständlichen Anordnung, die den Kläger verpflichtete, das Betreten sämtlicher Örtlichkeiten, in denen Tiere gehalten werden, sowie die Überprüfung seiner Tierhaltung durch Behördenbedienstete zu dulden, gedeckt und auch verhältnismäßig; dies gilt nicht zuletzt auch vor dem Hintergrund, dass in der Anzeige des Tierschutzvereins von „vielen Hunden“ die Rede war. Auch ist im Allgemeinen davon auszugehen, dass sich Hunde bzw. Behältnisse, in denen sie gehalten werden und deren Öffnung als Mitwirkungshandlung gemäß § 16 Abs. 3 Satz 2 TierSchG auch im Rahmen einer Nachschau gefordert und nötigenfalls erzwungen werden kann, bereits beim Betreten eines Raums und einem „suchenden Blick“, der das Betreten noch nicht zu einer Durchsuchung macht, offenbaren bzw. zutage treten, ohne dass in Schränken oder sonst in der Wohnung „herumgewühlt“ oder zielgerichtet und systematisch gesucht werden muss. Eine Durchsuchung dürfte daher zur Erreichung des Zwecks der Kontrolle weder erforderlich gewesen noch – wenngleich dies freilich abschließend erst im Laufe des Klageverfahrens geklärt werden kann – tatsächlich durchgeführt worden sein.
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d) Soweit der Kläger schließlich darauf hinweist, dass er ausländischer Staatsangehöriger sei und daher weder die Gesetze Deutschlands kenne noch die deutsche Sprache beherrsche, so dass er mit dem Landratsamt und dem Gericht mittels einer Übersetzungssoftware kommuniziere, kann auch dies nicht zur Bewilligung von Prozesskostenhilfe unabhängig von hinreichenden Erfolgsaussichten der Klage führen. Zur Wahrung des Anspruchs des Klägers auf rechtliches Gehör und auf ein faires Verfahren wird das Verwaltungsgericht auf seinen Antrag hin in der mündlichen Verhandlung einen Dolmetscher hinzuziehen (§ 55 VwGO, § 185 Abs. 1 Satz 1 GVG).
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3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Anders als das Prozesskostenhilfeverfahren erster Instanz ist das Beschwerdeverfahren in Prozesskostenhilfesachen kostenpflichtig. Eine Streitwertfestsetzung ist entbehrlich, weil gemäß Nr. 5502 des Kostenverzeichnisses der Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG eine Festgebühr anfällt. Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nach § 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO in Verbindung mit § 127 Abs. 4 ZPO nicht erstattet.
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Diese Entscheidung ist nach § 152 Abs. 1 VwGO unanfechtbar.