Inhalt

VGH München, Urteil v. 07.12.2023 – 20 BV 23.16
Titel:

zur Subsidiarität der Feststellungsklage

Normenketten:
VwGO § 43 Abs. 2 S. 1
BayKAG Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 lit. b lit. ee, Nr. 5 lit. a
AO § 47, § 191 Abs. 1 S. 1, § 218 Abs. 2 S. 1
Leitsätze:
1. Besteht gegenüber dem Rechtsvorgänger des Klägers eine bestandskräftig festgesetzte Beitragsforderung und hat die Behörde gegenüber dem Kläger lediglich allgemeine angekündigt, die gesicherte Forderung – auch im Wege der Zwangsvollstreckung – beitreiben zu wollen, genügt die bloße Ankündigung nicht für die Annahme eines besonderen Feststellungsinteresses; dem Kläger ist es vielmehr zuzumuten, den Erlass eines Duldungsbescheids abzuwarten und dessen Rechtmäßigkeit gerichtlich überprüfen lassen. (Rn. 21) (redaktioneller Leitsatz)
2. Will der Kläger gerichtlich klären lassen, ob die durch Abgabebescheid bestandskräftig festgesetzte Beitragsschuld noch besteht oder durch Verjährung erloschen ist, kann er den Erlass eines Abrechnungsbescheides beantragen, dessen Rechtmäßigkeit gerichtlich überprüfen lassen kann. (Rn. 22) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Subsidiarität der Feststellungsklage, Vorbeugender Rechtsschutz, Antragsberechtigung für einen Abrechnungsbescheid, Duldungsbescheid, Grundpfandrecht, Abrechnungsbescheid
Vorinstanz:
VG München, Urteil vom 10.11.2022 – M 10 K 19.5311
Rechtsmittelinstanz:
BVerwG Leipzig, Beschluss vom 08.08.2024 – 9 B 8.24
Fundstelle:
BeckRS 2023, 40647

Tenor

I. Das Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 10. November 2022 wird geändert.    
II. Die Klage wird abgewiesen.     
III. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen. Das Urteil ist insoweit vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.     
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

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Der Kläger ist Eigentümer des Grundstücks … … der Gemarkung … Er begehrt die Feststellung, dass die Forderung aus einem Beitragsbescheid des Beklagten für die Herstellung der Wasserversorgung auf diesem Grundstück vom 5. November 1987 in Höhe von 61.319,03 DM/31.351,92 EUR, die mit Bescheid des Beklagten vom 9. November 1987 wegen landwirtschaftlicher Nutzung der Grundstücksfläche gestundet wurde, durch Verjährung erloschen ist.
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Der Beklagte war vorprozessual der Meinung, dass die Forderung weiter in voller Höhe bestehe, für einen Teilbetrag jedoch weiter Stundung gewährt werden könne, soweit die Stundungsvoraussetzung weiter vorliegen. Persönliche Schuldner der Beitragsforderung sind die Eltern und Rechtsvorgänger des Klägers (… … Senior und … …), die bis zum Zeitpunkt des Eigentumsübergangs im Wege der Hofübertragung auf den Kläger, der am 26. Oktober 2005 als Eigentümer im Grundbuch eingetragen wurde, Eigentümer des streitbefangenen Grundstücks waren. Zugunsten des Beklagten ist das Grundstück mit einer Sicherungshypothek in Höhe der streitigen Beitragsforderung belastet.
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Mit Urteil vom 10. November 2022, dem Prozessbevollmächtigten des Beklagten zugestellt am 12. Dezember 2022, hat das Verwaltungsgericht München der am 18. Oktober 2019 erhobenen Feststellungsklage des Klägers stattgegeben und festgestellt, dass die Forderung aus dem Beitragsbescheid vom 5. November 1987 durch Verjährung erloschen sei. Wegen der Frage, ob Verjährung eingetreten sei, hat es die Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung in dem Urteil zugelassen. Der Kläger habe ein Interesse an dieser Feststellung, weil der Beklagte in der mündlichen Verhandlung klargestellt habe, dass eine Vollstreckung der nach Rechtsauffassung des Beklagten noch offenen Beitragsforderung beabsichtigt sei. Nach dem (unbestrittenen) Vorbringen des Klägers stehe nicht nur eine Verwertung der eingetragenen Sicherungshypothek im Raum, sondern es drohe generell die Vollstreckung in weitere Vermögenswerte des Klägers.
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In der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht am 10. November 2022 erklärte der Beklagte, der Löschung der Sicherungshypothek zuzustimmen, sollte das Gericht feststellen, dass die Restforderung aus dem Beitragsbescheid vom 5. November 1987 nicht mehr bestehe. Daraufhin nahm der Kläger den anfänglich mit Klageschriftsatz vom 18. Oktober 2019 gestellten Klageantrag zu II., den Beklagten zu verurteilen, die Löschung der an Rangstelle 1 eingetragenen Sicherungshypothek über 31.351,92 EUR zu bewilligen, in der mündlichen Verhandlung zurück.
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Mit am 4. Januar 2023 beim Verwaltungsgericht München eingegangenem Schriftsatz hat der Beklagte die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung gegen das Urteil eingelegt und mit Schriftsatz vom 9. Februar 2023 begründet.
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Der Beklagte beantragte mit Schriftsatz vom 9. Februar 2023,
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das Urteil des Verwaltungsgerichts aufzuheben und die Klage
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abzuweisen.
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Der Kläger beantragte mit Schriftsatz vom 14. Februar 2023 und zuletzt in der mündlichen Verhandlung am 7. Dezember 2023,
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die Berufung des Beklagten zurückzuweisen und hilfsweise festzustellen, dass der Beklagte nicht zum Erlass eines Duldungsbescheides dem Kläger gegenüber berechtigt sei.
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Er verteidigt die Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts.
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Mit Schreiben vom 22. August 2023 hörte der Senat die Beteiligten zu einer Entscheidung nach § 130a VwGO an. Dem Kläger fehle wegen einer vorrangigen Rechtsschutzmöglichkeit das Feststellungsunteresse, weil bislang kein Abrechnungsbescheid zur Höhe der Forderung ergangen sei, den er mit der Anfechtungsklage zur gerichtlichen Prüfung stellen könne. Dieser sei nach § 218 Abs. 2 AO notwendig, da über die Höhe der Steuerschuld Streit bestehe. Der Kläger erklärte daraufhin mit Schriftsatz vom 27. September 2023, er sei nicht persönlicher Steuerschuldner, weshalb ihm gegenüber ein Abrechnungsbescheid nicht ergehen könne, beantragte gleichzeitig den Erlass eines solchen, vorsorglich die Aussetzung des Verfahrens nach § 94 VwGO bis zu dessen Vorliegen und mündliche Verhandlung und beantragte hilfsweise, festzustellen, dass der Beklagte nicht zum Erlass und zur Vollstreckung eines Duldungsbescheides gegenüber dem Kläger berechtigt sei.
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Der Beklagte widersprach mit Schriftsatz 9. Oktober 2023 der (hilfsweisen) Klageänderung, da es sich bei dem Erlass eines Duldungsbescheides um einen anderen Streitgegenstand handele. Der Kläger sei gehalten, gemäß Art. 13 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. a) KAG i.V.m. § 218 Abs. 2 AO einen Abrechnungsbescheid zu beantragen, weil antragsberechtigt nicht nur der Steuerpflichtige selbst, sondern jeder sei, der von der Finanzbehörde auf Zahlung in Anspruch genommen werde (Tipke/Kruse, AO, § 218 Rn. 24). Auch bei Erlass eines Duldungsbescheides nach § 191 Abs. 1 Satz 1 AO könne der in Anspruch genommene Grundstückseigentümer bei Bestandskraft des Beitragsbescheides Einwendungen gegen die Rechtmäßigkeit der Beitragsforderung erheben.
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Der Kläger wies mit Schriftsatz vom 10. Oktober 2023 darauf hin, dass ein Duldungsbescheid nur erlassen werden dürfe, solange die Forderung nicht durch Verjährung erloschen sei und insoweit ein Abrechnungsbescheid nicht im Raum stehe. Da ihm ein prozessuales Anfechtungsrecht gegen einen Duldungsbescheid zustehe, könne er auch die gerichtliche Feststellung verlangen, dass ein solcher ihm gegenüber nicht ergehen dürfe. Mit Schriftsatz vom 24. November 2023 ergänzte der Kläger den Vortrag dahingehend, dass die Zwangsvollstreckung gegen ihn nur im Wege eines Duldungsbescheides betrieben werden könne. Deshalb stehe ihm die Feststellungsklage offen.
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Der Beklagte hat den Kläger bislang weder zur Zahlung des gestundeten Betrags aufgefordert, noch ihm die Zwangsvollstreckung in das mit einer Sicherungshypothek über 31.351,92 EUR belastete Grundstück angedroht. Der Vater des Klägers wurde mit Schreiben des Beklagten vom 19. Oktober 2017 zur Zahlung aufgefordert.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Behörden- und Gerichtsakten sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Berufung ist begründet. Die im Haupt- und Hilfsantrag erhobenen Feststellungsklagen sind bereits unzulässig. Auf den Antrag des Berufungsklägers hin war das Urteil des Verwaltungsgerichts entsprechend zu ändern (§ 129 VwGO).
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1. Die Feststellungsklage im Hauptantrag ist wegen Subsidiarität nach § 43 Abs. 2 Satz 1 VwGO unzulässig. Ein besonderes Interesse an der mit seinem Hauptantrag begehrten Feststellung, dass die Beitragsforderung aus dem Jahr 1987 durch Verjährung erloschen (§ 232 AO i.V.m. 13 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. a) KAG) ist, hat der Kläger nicht. Deshalb besteht kein Grund, von dem Grundsatz des nachträglichen Rechtsschutzes im Verwaltungsprozessrecht abzuweichen (a.). Dem Kläger ist zumutbar, entweder den Erlass eines Duldungsbescheides (§ 191 AO i.V.m. Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b) ee) KAG) abzuwarten oder einen Abrechnungsbescheid (§ 218 Abs. 2 AO i.V.m. Art. 13 Abs. 1 Nr. 5 Buchstabe a) KAG) über das Fortbestehen der Beitragsforderung zu beantragen und gegen diese Verwaltungsmaßnahmen nachträglichen Rechtsschutz nach der VwGO in Anspruch zu nehmen (b.). Die Anforderungen des Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG werden damit gewahrt.
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a.) Grundsätzlich gilt im Rechtsschutzsystem der VwGO das Prinzip des nachträglichen Rechtsschutzes. Dieser Grundsatz findet seine Ausprägung unter anderem in der Vorschrift des § 43 Abs. 2 Satz 1 VwGO, die die Subsidiarität einer Feststellungsklage für den Fall regelt, dass für das materielle Begehren das prozessuale Instrument einer Gestaltungs- oder Leistungsklage (§ 42 VwGO) zur Verfügung steht. Diese Regel dient der Wahrung verwaltungsrechtlicher Abläufe, die davon geprägt sind, dass gerichtlichem Rechtsschutz ein rechtsmittelfähiges Handeln der Behörde vorausgeht (Erstzugriffsrecht der Verwaltung, vgl. Marsch in Schoch/Schneider, VwGO, Stand März 2023, § 43 Rn. 34a). Nur für Ausnahmefälle ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass bereits vor Erlass behördlicher Entscheidungen gerichtlicher Rechtsschutz in Anspruch genommen werden kann. Erforderlich für die Durchbrechung der Subsidiarität der Feststellungsklage ist ein besonderes, gerade auf die Inanspruchnahme vorbeugenden Rechtsschutzes gerichtetes Feststellungsinteresse. Das einfache Interesse an einer baldigen Feststellung reicht daher ebenso wenig aus wie eine möglicherweise (bloß) höhere Rechtsschutzeffektivität des vorbeugenden Rechtsschutzes. Es besteht in der Regel auch nicht, wenn vorläufiger Rechtsschutz nach § 80 Abs. 5 VwGO oder § 123 Abs. 1 VwGO gegen behördliche Maßnahmen erlangt werden kann. Nachträglicher Rechtsschutz kann ausnahmsweise dann unzumutbar für den von einer (noch) bevorstehenden behördlichen Maßnahme Betroffenen sein, wenn die Gefahr der Schaffung vollendeter Tatsachen durch die Maßnahme selbst besteht, so dass ein nachträglicher Rechtsschutz im Ergebnis bedeutungslos wäre, insbesondere später nicht mehr ausräumbare Rechtsnachteile oder ein nicht wiedergutzumachender Schaden drohen oder der Betroffene sich einem verwaltungsgerichtlichen Ordnungswidrigkeiten-/Bußgeldverfahren aussetzen würde. Auch bei drohender Entwertung von wirtschaftlichen Dispositionen kann ein derartiges qualifiziertes Feststellungsinteresse bestehen, wenn das Warten und die Unsicherheit in Bezug auf die bevorstehende behördliche Entscheidung dem Betroffenen nicht zugemutet werden kann (Helge Sodan in Sodan/Ziekow, VwGO, Stand 2018, § 43 Rn. 105f; Marsch in Schoch/Schneider, VwGO, a.a.O., § 43 Rn. 34a und 34 b).
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b.) Ein besonderes Feststellungsinteresse des Klägers besteht nicht.
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aa.) Die allgemeine Ankündigung des Beklagten in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht, die gesicherte Forderung weiterhin – auch im Wege der Zwangsvollstreckung – beitreiben zu wollen, genügt für die Annahme eines besonderen Feststellungsinteresses nicht. Denn vor Einleitung konkreter Vollstreckungsmaßnahmen ist jedenfalls, nachdem der Kläger nicht der persönliche Schuldner der Beitragsforderung ist, der Erlass eines gegen ihn gerichteten Duldungsbescheides nach Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b) ee), i.V.m. § 191 Abs. 1 Satz 1 2. Alternative AO erforderlich, der ihn dazu verpflichtet, die Vollstreckung des Beklagten in sein Grundstück sowohl aufgrund der darauf ruhenden öffentlichen Last (Art. 5 Abs. 7 Satz 2 KAG) als auch aufgrund des eingetragenen Grundpfandrechts (§ 1147 BGB) zu dulden. Grundlage dieser Duldungsverpflichtung ist die bestandskräftig festgesetzte Beitragsforderung aus dem Jahr 1987. Einen solchen Duldungsbescheid kann der Kläger mit den Anfechtungsrechtsbehelfen der VwGO (§§ 68, 42 VwGO) – auch im Wege vorläufigen Rechtsschutzes – angreifen und seine Rechtmäßigkeit gerichtlich überprüfen lassen. Deshalb ist keine Rechtsschutzlücke vorhanden, welche die Zulässigkeit einer Feststellungsklage rechtfertigen würde.
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bb.) Darüber hinaus kann der Kläger bereits jetzt wegen des zur Forderungssicherung bestellten und eingetragenen Grundpfandrechts und des Streits mit dem Beklagten über die Rechtsfrage, ob die gesicherte Forderung noch besteht, bei dem Beklagten den Erlass eines Abrechnungsbescheides gemäß Art. 13 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. a) KAG i.V.m. § 218 Abs. 2 Satz 1 AO beantragen. Damit kann er abschließend – auch gerichtlich – klären lassen, ob die durch Abgabebescheid bestandskräftig festgesetzte Beitragsschuld, deren Fortbestand sowohl für die öffentliche Last als auch für die Rechtswirksamkeit der Sicherungshypothek unerlässlich ist (§ 1184 Abs. 1 BGB), noch besteht oder durch Verjährung (Art. 13 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. a) KAG i.V.m. § 232 AO) erloschen ist mit der Folge, dass keine öffentliche Last mehr auf dem Grundstück ruht (Art. 5 Abs. 7 Satz 1 KAG) und sich die Sicherungshypothek in eine Eigentümergrundschuld umgewandelt hat (§ 1177 Abs. 1 BGB), so dass eine Vollstreckung in das Grundstück unzulässig wird.
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Die Voraussetzungen für den Erlass eines Abrechnungsbescheides liegen vor.
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Nach § 218 Abs. 2 Satz 1 AO entscheidet der Gläubiger der Abgabeschuld auf Antrag oder von Amts wegen über Streitigkeiten, die die Verwirklichung der Abgabeschuld betreffen, durch Abrechnungsbescheid. Zwischen den Beteiligten besteht kein Streit über die Festsetzung der Abgabeschuld, sondern über den (Fort-)Bestand der Beitragsforderung aus dem Beitragsbescheid aus dem Jahr 1987 und damit über die Verwirklichung des Abgabenanspruchs. Nach § 47 AO i.V.m. Art. 13 Abs. 1 Nr. 2 Buchstabe b) KAG und § 232 AO i.V.m. Art. 13 Abs. 1 Nr. 5 Buchstabe a) KAG erlöschen Ansprüche aus dem Abgabeschuldverhältnis durch Verjährung und können nicht mehr verwirklicht werden. Die Frage der Verjährung einer Forderung ist durch Abrechnungsbescheid zu klären (vgl. FG Berlin-Brandenburg, B.v. 19.01.2023 – 9 V 9036/22 – BeckRS 2023, 3356; FG Münster, U.v. 27.07.2015 – 14 K 1224/13 AO – BeckRS 2015, 95855). Die Beteiligten haben in umfangreichem Schriftverkehr ihre Rechtsauffassungen zur Frage, ob die Abgabeschuld durch Verjährung erloschen sei, ausgetauscht und ihren Streit auch nach der Entscheidung des Verwaltungsgerichts zugunsten des Klägers nicht beigelegt. Damit liegen nicht bloß klärungsbedürftige Zweifel vor, sondern der Kläger hat konkrete Einwendungen gegen die Abgabeforderung erhoben (Loose in Tipke/Kruse, AO und FGO, Stand November 2023, § 218 AO Rn. 21).
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Der Kläger ist nach § 218 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. Art. 13 Abs. 1 Nr. 5a KAG auch berechtigt, den Erlass eines Abrechnungsbescheides bei dem Beklagten zu beantragen. Antragsberechtigt nach § 218 Abs. 2 Satz 1 AO ist sowohl der Beitragspflichtige als auch ein Dritter, soweit Streitigkeiten die Verwirklichung von Ansprüchen im Sinne des § 218 Abs. 1 AO betreffen (Werth in Klein, AO, Stand 2023, § 218 Rn. 20; BFH, U.v. 14.7.1987 – VII R 72/83 – NJW 1988, 1998 unter 1.c) cc); Intemann in Koenig, AO, Stand 2021, § 218 Rn. 34; Loose in Tipke/Kruse, AO und FGO, Stand November 2023, § 218 Rn. 24). Dritter im Sinne des § 218 Abs. 2 AO ist jede natürliche oder juristische Person, die sich Zahlungsansprüchen wegen einer festgesetzten Abgabeschuld ausgesetzt sieht und damit ein rechtliches Interesse an der Klärung der Frage hat, ob die Beitragsforderung noch verwirklicht werden kann (vgl. auch VGH Mannheim, B.v. 8.10.2021 – 2 S 2470/20 – NVwZ-RR 2022, 193 Rn. 17-20). Zwar besteht gegenüber dem Kläger kein unmittelbarer Zahlungsanspruch des Beklagten. Er darf aber die Zwangsvollstreckung in das Grundstück, zu der er mit Duldungsbescheid des Beklagten nach § 191 Abs. 1 Satz 1 2. Alternative AO i.V.m. Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b) ee) KAG verpflichtet werden kann, durch Zahlung des mit Beitragsbescheides festgesetzten Betrages abwenden, so dass sein rechtliches Interesse an einer Klärung der Verwirklichung der streitgegenständlichen Beitragsforderung nach dem Bayerischen Kommunalabgabenrecht mit einer unmittelbaren Zahlungsverpflichtung – auch wegen des im Grundbuch eingetragenen Grundpfandrechts – gleichzusetzen ist.
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Gegen den Abrechnungsbescheid des Beklagten steht dem Kläger wiederum, sofern von ihm eine belastende, also den Weiterbestand der Forderung feststellende Wirkung, ausgehen sollte, die verwaltungsgerichtliche Klage (§§ 68, 42 VwGO) zur Verfügung. Entscheidet der Beklagte nicht innerhalb von drei Monaten, kann der Kläger seine Rechte bei Vorliegen der prozessualen Voraussetzungen über die Erhebung einer Untätigkeitsklage (§ 75 VwGO) durchsetzen und so eine gerichtliche Entscheidung über das Bestehen der streitigen Forderung herbeiführen.
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2. Über die Zulässigkeit und Begründetheit der hilfsweise erhobenen Feststellungsklage war trotz Erfolglosigkeit des Hauptantrages nicht zu entscheiden, weil die im Wege der sukzessiven Klagehäufung (§ 44 VwGO; Wöckel in Eyermann, VwGO, Stand 2022, § 44 Rn. 4) erfolgte Klageänderung (§ 91 VwGO) unzulässig ist. Der Beklagte hat der Klageänderung ausdrücklich widersprochen. Die nach § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 263 ZPO erforderliche Sachdienlichkeit liegt – unabhängig von der Frage, ob der Kläger zur Erweiterung seines Klageantrags als obsiegender Beteiligter im Ausgangsverfahren Anschlussberufung (§ 127 VwGO) hätte einlegen müssen (vgl. nur Riese in Schoch/Schneider, a.a.O., § 91 Rn. 93) – nicht vor. Denn der neue Streitgegenstand kann wegen der Subsidiarität der Feststellungsklage nach § 43 Abs. 2 Satz 1 VwGO aus denselben Gründen wie unter 1. dargelegt nicht im Wege der Feststellungsklage verfolgt werden. Die hilfsweise erhobene Feststellungsklage wäre deshalb ebenfalls unzulässig. Die Erhebung einer unzulässigen Klage vermag eine Sachdienlichkeit im Sinne des § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 263 ZPO nicht zu begründen (Riese in Schoch/Schneider, a.a.O., § 91 Rn. 61b; Peters/Kujath in Sodan/Ziekow, a.a.O., § 91 Rn. 59; Wöckel in Eyermann, VwGO, a.a.o., § 91 Rn. 31). Eine bloße Ergänzung oder Berichtigung der tatsächlichen oder rechtlichen Ausführungen (§ 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 264 Nr. 1 ZPO) liegt nicht vor, wenn ein weiterer Streitgegenstand (hilfsweise) anhängig gemacht werden soll.
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Die Revision war nicht zuzulassen, weil kein Fall des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.